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Totensee
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eBook217 Seiten2 Stunden

Totensee

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Über dieses E-Book

Einer uralten Legende nach verschwinden über Jahrhunderte Kinder auf mysteriöse Weise in einem einsam gelegenen See. Als eines Tages eine alte Frau ihrer Enkelin Lisa ein schauriges Familiengeheimnis anvertraut, folgt Lisa der Spur dieser Legende zu einem abseits gelegenen, mittelalterlichen Kloster. Bei ihren Nachforschungen gerät sie in tödliche Gefahr, als sie versucht das grausame Geheimnis zu lüften.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum12. Nov. 2020
ISBN9783752921915
Totensee

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    Buchvorschau

    Totensee - Betty Hugo

    Überschrift 1

    1. Kapitel

    Prolog:

    Anno 1753

    Aus der Entfernung schaute es aus, als sei eine Marmorstatue vom Himmel gefallen. Der alte Fischer, der an diesem kalten Wintermorgen nach seinem Boot sehen wollte, wunderte sich, was dort am Strand des schwarzen Wassers lag und kam neugierig näher.

    Als er endlich vor dem weißen Körper kniete, der auf dem Sandboden lagerte, blieb ihm vor Schreck fast das Herz stehen. Erfüllt von tiefer Furcht, bekreuzigte er sich mehrmals hintereinander und stöhnte unwillkürlich laut auf, was immerhin die Krähen verscheuchte, die sich bereits mit lautem Gezeter an der Leiche zu schaffen machten.

    Der Fischer warf einen letzten angstvollen Blick auf den Leichnam und rannte davon, als säße ihm der leibhaftige Satan im Nacken. Der Fluch des schwarzen Sees hatte sich wieder erfüllt.

    Das geheimnisvolle dunkle Gewässer versetzte die Bewohner des nahen Dorfes immer wieder in Furcht und Schrecken, so dass es im Volksmund den schaurigen Namen Totensee erhielt.

    Der Legende nach, die unter den Dorfbewohnern von einer Generation an die nächste weiter getragen wurde, verkörperte das schwarze Wasser den teuflischen Höllenschlund, der im Laufe der Jahrhunderte stetig seinen blutigen Tribut in Gestalt eines Menschenopfers forderte.

    Immer wieder spielten sich merkwürdige Begebenheiten auf dem See ab, die sich keine Menschenseele je erklären konnte. Weder in den alten Zeiten noch in den jüngeren Zeiten. Manche Dorfbewohner flüsterten sich zu, dass das Wetter eine Rolle spiele. Nebelgeister würden urplötzlich über dem Wasser tanzen, so dass kein menschliches Wesen erkennen könne, was dort draußen getrieben wurde und merkwürdige Strudel würden die Boote in den Höllenabgrund ziehen. Andere Einwohner des Dorfes erzählten sich am abendlichen Feuer, dass selbst bei schönstem Wetter Menschen verschwunden seien und keiner könne sich erklären, wie dies zugegangen sei.

    Hinter ängstlich vorgehaltener Hand wurde im Dorf viel geredet und getuschelt.

    Immer, wenn der See eines seiner Opfer verschlungen hatte und dieses alsbald von den Dorfbewohnern bemerkt wurde, läuteten die mächtigen Glocken der nahen Kirche zum Totengeläut.

    Alle Mütter des Dorfes ängstigten sich dann zu Tode. Sie ließen ihr hartes Tagwerk im Stich und rannten mit wehenden Kleidern in ihre Hütten, um die Häupter ihrer Lieben zu zählen und atmeten stets erleichtert auf, wenn diese vollzählig waren.

    Auch wenn das Land um den See herum fruchtbar war und die Bewohner des Dorfes und der Umgebung üppig ernährte und ihnen ein gutes Leben verhieß, so war die lauernde Furcht vor dem unergründlichen, schwarzen Wasser stets allgegenwärtig.

    Überschrift 1

    2. Kapitel

    Gegenwart

    Ihre Großmutter lag abgemagert bis auf die Knochen im Krankenbett des Hospizes „Zum heiligen Lazarus".

    Das düstere Gemäuer aus der Mitte des 18. Jahrhunderts war gründlich saniert und erst vor wenigen Jahren seiner jetzigen Bestimmung übergeben worden. Überreste der ursprünglichen Architektur, die das Gebäude üppig mit Säulen und Gesimsen ausgeschmückt hatte, verliehen der Anstalt ihre altertümliche Ausstrahlung.

    Immer, wenn Lisa auf dem Weg zu den Krankenbesuchen bei ihrer Großmutter, durch die im Zwielicht endlos erscheinenden Säulengänge schritt, stellte sie sich vor, wie in den dunklen, geheimnisvollen Ecken die Geister der vergangenen Jahrhunderte ihr Unwesen trieben und sich die Seelen der erst kürzlich hier Verstorbenen dazu gesellten. Aber die morbide Atmosphäre dieses Ortes, einer ehemaligen Krankenanstalt, befand sich durchaus im Einklang mit seiner heutigen Nutzung als Hospiz.

    Als sie an diesem Nachmittag gedankenverloren um die letzte Ecke des Säulengangs spazierte und den Blick hob, erschrak sie fast zu Tode. Ganz am Ende des breiten Flures meinte sie eine geheimnisvolle Gestalt zu erkennen. Sie erinnerte an den Sensenmann auf mittelalterlichen Gemälden, als noch die Pest im Lande wütete. Zögerlich ging sie weiter, aber als sie um die Ecke bog, hatte sich die Erscheinung in Luft aufgelöst. Sah sie jetzt schon Gespenster? Vielleicht löste der nahende Tod ihrer geliebten Großmutter Halluzinationen bei ihr aus? Langsam zweifelte sie an ihrem gesunden Menschenverstand, aber sie stand in letzter Zeit wirklich unter Stress. Entschlossen verdrängte sie dieses seltsame Erlebnis und konzentrierte sich auf den bevorstehenden Krankenbesuch.

    Lisa dachte, dass die Leitung des Hospizes sich alle Mühe gab, den unheilbar Kranken eine angenehme Umgebung zu bereiten, als sie vorsichtig die Tür öffnete. Obwohl noch die letzten Sonnenstrahlen des Spätsommers ins Krankenzimmer schienen, brannte eine Kerze auf dem kleinen Besuchertischchen still vor sich hin. Darüber hing ein Heiligenbild an der Wand. Es zeigte sie Jungfrau Marie mit dem kleinen Jesuskind auf dem Schoß vor einem goldenen Hintergrund und sollte wohl eine tröstliche Atmosphäre verbreiten. Trotzdem war es etwas Anderes als die Umgebung des eigenen Zuhauses, befand Lisa, als sie die Einrichtung des Zimmers musterte.

    Zaghaft trat sie an das Krankenbett, um die Hand ihrer Großmutter zu ergreifen und hielt erschrocken inne.

    Sie war zu spät gekommen!

    Unendliche Traurigkeit durchflutete sie, als sie in das wächserne Gesicht der Toten blickte. Eilig tastete sie nach dem Puls, aber sie erkannte sofort, obwohl der Körper noch warm war, dass der Sensenmann seine Beute geholt hatte. Unwiederbringlich und Endgültig!

    Erst in diesem Moment, als sie ihren ersten Schock überwunden hatte und sich näher herunter beugte, bemerkte sie, dass die Verstorbene ihrer Großmutter zwar stark ähnelte, aber dass sie sich offensichtlich im Zimmer geirrt haben musste, da ihr die Tote fremd war .

    Hastig floh sie aus dem Raum und informierte eine Pflegerin, die ihr auf dem Gang entgegeneilte. Dann suchte sie nach dem Krankenzimmer in dem ihre Oma untergebracht war und betrat es mit klopfendem Herzen.

    Innerlich inzwischen auf alles gefasst, trat sie zum Bett und tastete vorsichtig nach der Hand ihrer Großmutter. Sie spürte das zarte Pochen der Adern und eine Welle der Erleichterung durchflutete sie. Aber als sie die Hand, die sich kraftlos und trocken wie Papier anfühlte, in der ihren hielt, war Lisa sich schmerzhaft bewusst, dass unweigerlich die Zeit des Abschieds gekommen war.

    Ihr Blick schweifte zum Fenster. Der Spätsommer lag über dem Land und durch das geöffnete Fenster des Krankenzimmers strömte ein lauer Sommerwind, der schon den Duft des nahenden Frühherbstes in sich trug.

    Der Geruch der überreifen Äpfel und Pflaumen, die stetig von den Obstbäumen auf die Wiesen der Umgebung plumpsten, fand seinen Weg bis in das Zimmer ihrer Großmutter. Die laue Brise weckte in Lisa Erinnerungen an ihre Kindheit, als sie mit ihrer Großmutter zusammen in der Küche am altmodischen Herd gestanden und Apfelmus aus Fallobst eingekocht hatten.

    Heimlich haderte Lisa mit dem Schicksal.

    Sie liebte ihre Großmutter über alles und wünschte sich sehnsüchtig, dass Gott ihr ein längeres Leben vergönnt hätte. Sechsundsiebzig Jahre war doch heutzutage noch gar nicht so ein hohes Alter.

    Lisa kannte sich da bestens aus, schließlich arbeitete sie bereits seit drei Jahren als Altenpflegerin in der Villa Abendruh, dem besten Seniorenpflegeheim ihrer Heimatstadt. Tagtäglich hatte sie mit viel, viel älteren Bewohnern zu tun. Die meisten Heimbewohner waren achtzig Jahre und älter. Es wohnten sogar drei  hundertjährige Patienten auf ihrer Pflegestation.

    Sie tröstete sich damit, dass ihre Großmutter ein schönes, erfülltes Leben gelebt hatte und bis zu ihrem schweren Schlaganfall sehr rüstig und munter gewesen war.

    Lisa warf einen Blick auf die große Uhr, die über dem Türrahmen angebracht war. Die Zeit verrann unerbittlich. Um 23:00 Uhr musste sie ihren Schichtdienst im Seniorenpflegeheim antreten, bis dahin blieb ihr nicht mehr viel Zeit. Zärtlich hielt sie die Hand ihrer Großmutter, die sich beängstigend zerbrechlich anfühlte, wie die Knochen eines kleinen Vögelchens.

    Die bläuliche Lampe über dem Krankenbett flackerte ein wenig. Der Infusionsbehälter, in dem sich schmerzstillende Medikamente befanden, sorgte dafür, dass ihre Großmutter keine Schmerzen verspürte. Lisa hatte sich alle Medikamente, die die alte Dame erhielt, von den behandelnden Ärzten genau erklären lassen. Allerdings war die todkranke Frau dadurch sehr müde. Sie lag mit geschlossenen Augen da, als ob sie schliefe, aber Lisa war sich nicht sicher, was sie mit bekam.

    Ein weiterer, verzweifelter Blick auf die Uhr über der Zimmertür, erinnerte Lisa unerbittlich daran, dass sie sich nun, vielleicht für immer, von ihrer Großmutter verabschieden musste.

    Sie verharrte still, wie festgefroren, auf dem einzigen Besucherstuhl neben dem Bett. Nun beugte sie sich vor und schob ihr Gesicht vorsichtig in die Nähe des Ohrs ihrer Großmutter, um ihr noch einige Abschiedsworte zu zuflüstern.

    Lisa zuckte erschrocken zurück, als ihre Großmutter überraschend die Augen aufschlug und sie mit fiebrig glänzendem Blick anschaute. Die todkranke Frau umklammerte Lisas Hand mit ihren knochigen Fingern und murmelte mit schwacher Stimme einen Satz, an den sich Lisa für den Rest ihres Lebens erinnern würde.

    „Mein liebes Enkelkind, ich weiß, dass es mit mir zu Ende geht. Möge dir ein gutes Schicksal beschieden sein. Aber um Eines wollte ich dich inständig bitten, ich trage seit meiner Kindheit ein Familiengeheimnis mit mir herum und ich möchte dass du versuchst, dieses furchtbare Geheimnis zu lüften. Ich fand immer, schon als du noch ein Schulkind warst, dass du über einen wachen Verstand verfügst und nicht jedes Schauermärchen für bare Münze nimmst. Versprich es mir in die Hand. Bitte!"

    Überschrift 1

    3. Kapitel

    Wieder drückte die alte Frau, mit größerer Kraft als man es einer todgeweihten Kranken je zugetraut hätte, die Hand ihrer Enkelin.

    Obwohl Lisa nicht einmal ahnte, worum es ging, beteuerte sie nachdrücklich ihre Bereitschaft, alles zu tun, um dieses Familiengeheimnis aufzuklären.

    Ihre Großmutter raffte ihre letzten Kräfte zusammen und begann, Lisa eine seltsame, tragische Begebenheit aus ihrer eigenen Kindheit zu erzählen, von der Lisa noch nie zuvor auch nur ein einziges Sterbenswörtchen gehört hatte. Die Erzählung ließ sie, trotz der lauen Sommerluft, in ihrem dünnen Kleid frösteln.

    „Wie du weißt, stamme ich aus dem Süden des Landes und bin erst als junge Frau, der Liebe zu deinem Großvater wegen, nach Norden ins flache Land mit den vielen Feldern und Obstwiesen gekommen. Die Landschaft meiner Kindheit war auch wunderschön, mit vielen Hügeln, Wäldern und Seen. Ich bin in einem kleinen Dorf geboren worden, nicht allzu weit von einem riesigen See entfernt."

    Nach einer Pause fuhr sie fort:

     Dieser See, der uns in unserer Kindheit noch viel riesiger erschien, als er tatsächlich ist, hatte eine schöne, flache Badestelle mit einem kleinen Sandstrand, der von uns Kindern aus dem Dorf in den Sommermonaten gerne zum Spielen und Schwimmen genutzt wurde. Damals ist man noch nicht in die ganze Welt hinaus in den Urlaub gefahren. Wir haben praktisch den ganzen Sommer dort verbracht. In den Schulferien waren wir von morgens bis abends dort. Unsere Mütter haben uns Brotstullen geschmiert, meine war meistens mit Leberwurst belegt.

    Ihre Großmutter lächelte bei dieser Erinnerung versonnen vor sich hin, dann wurde sie plötzlich sehr ernst.

    „Einen Wermutstropfen gab es allerdings bei diesem schönen Plätzchen. Es ging im Dorf eine uralte Geschichte um, die jedem Kind erzählt wurde. Wirklich jedes Kind kannte diese Geschichte, aber keines der Mädchen und keiner der Jungen wussten, ob sie die Geschichte glauben sollten oder nicht. Schließlich war viele Jahre lang nichts passiert. Aber das hatte nicht wirklich etwas zu bedeuten. Gerade wenn alle Dorfbewohner glaubten, der Fluch des Sees sei überwunden, passierte doch wieder ein schlimmes Unglück."

    Lisas Hand verkrampfte sich, als sie einen Blick auf die Uhr über der Tür warf. Die Zeit verrann unerbittlich und sie musste dringend zur Arbeit. Aber die Erzählung hier war extrem wichtig, das spürte sie tief in ihrem Inneren. Um die Geschichte in Ruhe zu Ende hören zu können, musste sie dringend auf ihrer Arbeitsstelle Bescheid sagen. Sie flüsterte ihrer Großmutter ins Ohr, dass sie kurz aus dem Zimmer gehen müsste, aber gleich wieder zurückkäme.

    Sie nahm ihr Handy und schlüpfte hinaus auf den Flur. Dort wählte sie hastig die Telefonnummer ihrer Chefin im Pflegeheim und teilte ihr mit, dass sie heute etwas später zur Arbeit kommen würde, weil ihre Großmutter im Sterben lag und sie noch eine wichtige Unterhaltung führten.

    Da ihre private Situation auf ihrer Arbeitsstelle bekannt war, hatte ihre Chefin Verständnis für ihr Anliegen.

    Erleichtert schlüpfte Lisa zurück ins Krankenzimmer, um sich den Fortgang der Erzählung anzuhören.

    „Ich bin wieder da, Großmutter, " wisperte sie und ließ sich erneut auf dem unbequemen Besucherstuhl nieder.

    Die alte Frau holte Luft so gut es ging. Sie ließ sich von ihrer Enkelin einige Schlucke Wasser reichen und fuhr dann fort:

    „Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, jetzt erinnere ich mich. Wir hatten viele schöne Sommer, aber ein Sommer war schrecklich. Den habe ich nie vergessen, mein ganzes Leben lang nicht. Es muss in den Jahren kurz nach dem großen Weltkrieg gewesen sein, als es passierte. Ich schätze, es müssen die fünfziger Jahre gewesen sein. Ich war damals etwa zwölf Jahre alt, ein Alter in dem man sich gut an schlimme Erlebnisse erinnert. Ich habe euch nie erzählt, dass ich damals eine Schwester hatte. Sie war einige Jahre älter als ich."

    Plötzlich rannen Tränen über ihre eingefallenen Wangen. Bei Lisa, die der Erzählung bislang aufmerksam gelauscht hatte, machte sich bei diesem Geständnis augenblicklich ein flaues Gefühl in der Magengrube breit.

    Was war denn das für eine seltsame Wendung der Geschichte?

    Überschrift 1

    4. Kapitel

    Ihre Großmutter hatte niemals, noch niemals in ihrem ganzen Leben auch nur erwähnt, dass sie

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