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Animalische Schattenseiten: Unheimliche Tiergeschichten
Animalische Schattenseiten: Unheimliche Tiergeschichten
Animalische Schattenseiten: Unheimliche Tiergeschichten
eBook159 Seiten2 Stunden

Animalische Schattenseiten: Unheimliche Tiergeschichten

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Über dieses E-Book

Im Schattenreich der Tiere kennt das Grauen keine Grenzen. Unheimliche Phänomene ziehen sich wie ein blutroter Faden durch sieben fantasievolle Geschichten.

Federflut:
Eine Welle mysteriöser Vorfälle treibt Marcel an den Rand des Wahnsinns.
Gedankenleser:
Max kann die Gedanken eines Hundes lesen und muss eine schwerwiegende Entscheidung treffen.
Netzfänger:
Bea bewirtschaftet einen kleinen Hof, auf dem sich unerklärliche Dinge ereignen.
Tohuwabohuzoo:
Als sich die Erde im Tierpark öffnet, bricht ein verheerendes Chaos aus.
Spätfolgen:
In einer Welt, in der nur Ratten existieren, kämpft ein kleiner Nager ums Überleben.
Inselbankett:
John gerät auf einer einsamen Insel in eine scheinbar ausweglose Situation.
Blutmond:
Ein nächtlicher Zwischenfall verändert das Leben eines Katers.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum18. Okt. 2021
ISBN9783754173459
Animalische Schattenseiten: Unheimliche Tiergeschichten

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    Buchvorschau

    Animalische Schattenseiten - Norbert Böseler

    Federflut

    Marcel grüßte den Pförtner und verließ das Firmengelände. Er überlegte kurz, ob er noch in seiner Stammkneipe einkehren sollte, entschied sich jedoch dagegen. Sabrina wartete sicherlich sehnsüchtig auf ihn. Es könnte aber auch sein, dass seine Frau bereits schlief. Sie war in letzter Zeit häufig abgespannt und müde. Oftmals lag sie schon im Bett, wenn er von der Spätschicht nach Hause kam. Die harte Arbeit im Warenlager machte ihr sehr zu schaffen, doch auf das zusätzliche Einkommen waren sie beide angewiesen. Marcel zog die Kapuze über seinen Kopf und ging über den Bürgersteig, der entlang der Hauptstraße ins Dorf führte. Die anderthalb Kilometer lief er meistens zu Fuß. Die frische Luft tat ihm gut, sie vertrieb den Gestank, der seine Nase während der Arbeit permanent malträtierte. Der Abend war kalt und dichter Nebel verschleierte seinen Blick. Er konnte gerade mal von einer Straßenlaterne zur nächsten schauen. Die Lichter des Ortes waren nur zu erahnen. Dichtes Strauchwerk säumte den Bürgersteig, dahinter floss ein kleiner Bach, in dem sich gerne Enten tummelten. Leises Plätschern begleitete Marcels Schritte. An seiner Nasenspitze sammelte sich ein feuchter Tropfen. Er wischte ihn mit dem Jackenärmel ab. Er durfte jetzt nicht krank werden. Auf dem Haus lastete ein Haufen Schulden, und die Leiharbeiter würden sich um seinen Job reißen. Er hatte zwar einen unbefristeten Vertrag, doch was zählte das heutzutage noch. Jeder war ersetzbar, erst recht, wenn man körperlich nicht mehr mithalten konnte. Ein weiterer Tropfen schlich aus seiner Nase, er schnippte ihn mit dem Zeigefinger weg. Um den aufkommenden Schleimfluss zu stoppen, schnäuzte er in ein Taschentuch. Als er das durchnässte Tuch in seiner Jackentasche verstaute, vernahm er hinter den Sträuchern ein leises Rasseln. Marcel blickte zu der Stelle, konnte aber nichts erkennen. Der Nebel verdichtete sich zusehends. Die Straßenlampen durchbrachen den grauen Schleier nur schemenhaft. Ein Auto rauschte vorbei. Die roten Rücklichter wurden förmlich vom Nebel verschluckt. Marcel beschleunigte seinen Gang. Die nasskalte Luft hatte sich durch seine Kleidung gefressen. Er wollte möglichst schnell nach Hause. Wieder hörte er dieses Rasseln aus dem Gebüsch, diesmal deutlich lauter. Marcel reduzierte sein Tempo und spähte in die dunkle Wegbepflanzung. Plötzlich sprang etwas aus den Sträuchern und attackierte seine Beine. Marcel geriet ins Stolpern, konnte jedoch einen Sturz im letzten Moment vermeiden. Er erkannte eine Ente, die sich in seiner Hose verbissen hatte. Marcel schlug mit dem Bein nach vorne, versuchte, auf diese Methode seinen Widersacher loszuwerden. Doch der Schnabel hatte sich so fest in den Stoff verankert, dass sich die Ente auf diese Weise nicht abwimmeln ließ. Marcel wollte sich gerade bücken, als etwas Dunkles auf ihn zugeflogen kam. Eine zweite Wildente prallte frontal gegen seinen Kopf. Der harte Schnabel riss die Haut seiner Stirn auf. Marcel stürzte, Blut rann in seine Augen. Die Entenfüße samt Schwimmhäuten krallten sich in seine Haare. Der flache Schnabel hackte auf seinen Hinterkopf ein. Marcel griff nach hinten und bekam den Hals der Wildente zu fassen. Er schleuderte das aggressive Tier mit einem Ruck über die Büsche. Er hörte, wie es in den Bach platschte. Die andere Wildente ließ von seiner Hose ab und flatterte nach oben auf sein Gesicht zu. Marcel stoppte den Angriff mit einem beherzten Faustschlag. Das gefiederte Tier landete auf dem Bürgersteig und taumelte gackernd durch die Büsche. Mühsam richtete Marcel sich auf und vergewisserte sich, ob er die wildgewordenen Viecher wirklich in die Flucht geschlagen hatte, oder ob er mit einem erneuten Angriff rechnen musste. Alles verhielt sich still, nur das Plätschern des Baches war zu hören. Marcel holte das Taschentuch aus seiner Jacke und wischte das Blut aus seinem Gesicht. Er drückte das Tuch auf die Wunde und setzte seinen Heimweg fort. Eilig marschierte er auf das Dorf zu, dabei blickte er sich immer wieder um, stets bereit, etwaige Angreifer abzuschütteln. Niemand griff ihn an. Er erreichte den Ort, kam an der Stammkneipe vorbei, in der er oft mit seinen Kumpels über Gott und die Welt philosophierte. Er würdigte der Gaststätte keines Blickes, er hatte nur ein Ziel vor Augen. Das Haus, wo seine geliebte Frau auf ihn wartete. Ein roter Tropfen fiel von seiner Nasenspitze auf den Boden. Sabrina würde als erstes seine Wunde verbinden müssen. Was war nur in diese verfluchten Enten gefahren? Marcel konnte sich das aggressive Verhalten der Tiere nicht erklären.

    Zwischen den Häusern lichtete sich der Nebel etwas. Marcel stand vor seiner Haustür und führte mit zittriger Hand den Schlüssel ins Schloss. Ihm war kalt, sein Kopf schmerzte. Das blutdurchtränkte Taschentuch hatte er in die Mülltonne geworfen. Er öffnete die Tür und trat ins Haus. Wohltuende Wärme schlug ihm entgegen. Auf der Fußmatte streifte er die Schuhe ab. Die Feder, die auf der Matte lag, beachtete er nicht. Er hängte die Jacke an die Garderobe und ging durch den Flur ins Wohnzimmer. Sabrina war nicht zu sehen. Er rief nach ihr, erhielt aber keine Antwort. Im Haus herrschte absolute Stille. Wahrscheinlich schlief seine Frau bereits. Leise schritt Marcel die Treppe nach oben und suchte zuerst das Badezimmer auf. Er wollte seine Frau nicht mit einem blutverschmierten Gesicht erschrecken. Er knipste das Licht an und stellte sich vor den Spiegel. Auf seiner Stirn klaffte eine dunkelrot umrandete Platzwunde. An der Nase klebte geronnenes Blut. Er drehte den Wasserkran auf, wartete bis das Wasser warm wurde und schaufelte es mit geöffneten Händen vorsichtig in sein Gesicht. Die aufgeplatzte Haut brannte. Gerötetes Wasser floss in den Abfluss. Nachdem er das Gröbste abgewaschen hatte, nahm er ein weiches Tuch und säuberte zaghaft die Wunde. Er hoffte, dass Wildenten keine Tollwut übertragen konnten.

    Marcel ging auf den Flur und wandte sich der Schlafzimmertür zu. Vor der Tür lagen drei kleine weiße Federn. Marcel sah sie, schenkte ihnen aber keine Beachtung. Er wollte zu seiner Frau, mit der er seit fünf Jahren verheiratet war. Leise drückte er die Klinke nach unten. Der Raum lag im Dunklen. Marcel betätigte den Lichtschalter. Diesmal fielen ihm die Federn sofort auf, die auf dem Boden verstreut herumlagen. Marcel machte einen Schritt in das Zimmer hinein. Beim Anblick seiner Frau verschlug es ihm den Atem. Sie lag mit weitaufgerissenen Augen im Bett. Ihr Gesicht war blutig und mit Kratzwunden übersäht. Aus dem offenen Mund ragte ein Knäul aus weißen Federn. Die Daunenkissen und Bettdecken waren zerfetzt. Auf dem Ehebett verstreuten sich haufenweise kleine Daunenfedern. Marcel überwand seine Schockstarre und hastete zum Bett. Er fasste seine Frau an und rüttelte vorsichtig an ihren Schultern. Er rief ihren Namen, zuerst leise, dann lauter, zuletzt schrie er sie verzweifelt an. Er erhielt keine Antwort. Leblos lag die Frau, die er so sehr liebte, in seinen Armen. Er griff behutsam nach ihrem Mund und zog einige Federn heraus. Die Daunen in der Mundhöhle waren mit Speichel durchtränkt. Immer tiefer fuhren seine Finger in ihren Schlund und zogen Federn heraus. Selbst in Sabrinas tiefsten Rachen steckten sie und verstopften die Luftröhre. Marcel konnte die hinteren Federn nicht erreichen und stellte niedergeschlagen seine Bemühungen ein. Wie in Trance fühlte er nach Sabrinas Halsschlagader, dann fing er an zu weinen.

    Eine Woche nach Sabrinas Beerdigung, nahm Marcel seine Arbeit wieder auf, was ihm äußerst schwerfiel. Er mochte seinen Job nicht, verabscheute ihn regelrecht. Das Piepen, das Rattern der Maschine, der widerliche Geruch. All das nahm er nach Feierabend mit nach Hause. Manchmal verfolgte die Arbeit ihn noch bis in den Schlaf, wo sie entsetzliche Alpträume hervorrief. Doch was sollte er machen, das Leben ging weiter, obwohl er in den letzten Tagen oft daran gedacht hatte, es einfach zu beenden. Sabrinas Tod hatte ihn in ein tiefes Loch fallen lassen. Ohne sie kam er sich hilflos und nutzlos vor. Die Umstände ihres Ablebens blieben ein Rätsel, anfängliche Ermittlungen auf ein Fremdverschulden wurden schnell eingestellt. Marcel stand vor dem Nichts. Auch wenn er frustriert seiner Arbeit nachging, musste er das Haus höchstwahrscheinlich veräußern. Mit seinem Einkommen konnte er die Schulden niemals tilgen. So ging er zur Arbeit, tat das, was getan werden musste und legte sich mit klagenden Gedanken ins Bett. Im Schlaf hörte er das Piepen.

    Die erste Arbeitswoche nach dem Schicksalsschlag verlief relativ normal. Stoisch, wie ein Roboter, verrichtete Marcel seine Tätigkeit. Lust - und Emotionslos. Beim Schichtwechsel tauschte er sich nur kurz mit seinem Kollegen aus und ging dann gemächlich nach Hause. Seine beiden Kollegen, mit denen er sich die 24 Stunden-Schicht teilte, hatten keine Probleme mit den erschwerten Arbeitsbedingungen. Marcel hingegen haderte mehr und mehr. Am liebsten würde er den Job hinschmeißen, besonders jetzt, seit Sabrina nicht mehr an seiner Seite war. Umso erleichterter war er, als es nach der anstrengenden Arbeitswoche in ein langes Wochenende ging. Erst am Dienstagmorgen musste er wieder zur Frühschicht.

    Damit er nicht zu viel nachdenken musste, stürzte Marcel sich in die Hausarbeit. Er wusch Wäsche und saugte den Boden. Unter dem Ehebett fand er noch ein paar Federn, was bei ihm sofort eine Gänsehaut verursachte. Wieder keimten Gedanken auf, die sich nicht in seinen Kopf einnisten sollten. Um sich abzulenken, legte er sich aufs Sofa und sah fern. Er zappte durch die Programme und entschied sich für eine Dokumentation über das Amazonasgebiet. Auch die berauschenden Naturaufnahmen konnten seine Selbstzweifel nicht vertreiben. Erst als seine Augenlider vor Müdigkeit schwer wurden und er in einen sanften Schlaf fiel, hatte er Ruhe.

    Etwas tippelte über seinen Brustkorb. Ein flauschiges Kitzeln unter der Nase. Dann ein brennender Schmerz, der Marcel aufschrecken ließ. Er schmeckte Blut. Etwas stach in seine Lippe. Schlaftrunken öffnete Marcel die Augen. Noch von Müdigkeit benebelt, erkannte er dicht vor seinem Gesicht ein gelbliches Gebilde. Zunächst dachte er an einen Tennisball, doch dieses gelbe Etwas hatte zwei kleine Beine. Es drehte sich langsam um und Marcel blickte in zwei kreisrunde schwarze Äuglein. Vor ihm stand ein kleines Küken. Das eigentlich niedliche Tier strahlte eine bedrohliche Aura aus, die stecknadelkopfgroßen Augen sahen Marcel hasserfüllt an. Der blutverschmierte Schnabel hob sich und hackte erneut in Marcels Unterlippe. Marcel holte aus und schlug mit der flachen Hand nach dem Tier. Das Küken flog mit voller Wucht gegen den Fernsehschrank und landete zappelnd auf dem Boden. Marcel setzte sich auf und sah hinunter. Das Hühnerküken zuckte noch einmal und hauchte dann sein Leben aus. Marcel bückte sich und nahm es in die Hand. Der kleine Kopf baumelte am gebrochenen Genick zwischen seinen Fingern. Einige Blutspritzer hatten auf dem gelblichen Flaum rote Flecken hinterlassen. Marcel ging mit dem toten Federvieh nach draußen und warf es in die Mülltonne. Wieder im Haus schwelgten seine Gedanken zwischen Sabrina, seiner Arbeit und dem Küken. Er dachte an die Federn im Mund seiner Frau.

    Den Abend verbrachte Marcel in seiner Stammkneipe, wo er seine Sorgen mit Alkohol hinunterspülte. Verkatert schleppte er sich durch den Sonntag. Am Montag ging er früh zu Bett, da er am nächsten Tag zeitig zur Frühschicht musste. Mitten in der Nacht wurde er von seinem Handy geweckt. Der Kollege von der Nachtschicht rief ihn an. Er klang aufgebracht und verstört. Die Maschine würde Probleme machen und überhaupt herrsche in der Halle ein fürchterliches Chaos. Von der Firmenleitung könne er niemanden erreichen und so bat er Marcel um Hilfe. Der versprach, sofort zu kommen. Marcel zog sich eilig an, holte sein Fahrrad aus dem Schuppen und fuhr zur Brüterei.

    Er führte seine Karte in den Türöffner und gab seinen Pin ein. Mit einem Summen wurde die Tür entriegelt. Marcel schob sie auf und fuhr mit dem Rad aufs Firmengelände. Das Pförtnerhäuschen war um diese Zeit nicht besetzt. Im Grunde genommen stand der Betrieb während der Nacht still. Nur die Brutanlagen wurden von zwei Mitarbeitern überwacht und auch in seiner Abteilung musste immer jemand vor Ort sein. Die Halle, in der sein Kollege scheinbar gravierende Probleme hatte, befand sich abseits der anderen ganz hinten auf dem Betriebsgelände. Marcel näherte sich dem fensterlosen Gebäude, das mit grauen Trapezblechen verkleidet war. Aus den vergitterten Boxen, hinter denen sich normalerweise die Ventilatoren der Lüftung geräuschvoll drehten, drang kein Laut. Anscheinend war die Lüftungsanlage ausgefallen. Marcel kam die nächtliche Stille unheimlich vor. Auch die Leuchtstoffröhre über der Eingangstür strahlte kein Licht ab. Marcel lehnte sein Fahrrad an die Blechwand und führte seine Karte in den Schlitz der Türsicherung. Wieder gab er seinen Pin ein, woraufhin die schalldichte Tür sich öffnen ließ. Das Erste, was Marcel auffiel, als er den Vorraum betrat, war der Gestank nach Verbranntem. Er konnte den Geruch nicht genau definieren. Es roch nach verbranntem Fleisch, aber auch nach Gummi und Kunststoff. Rauch konnte er nicht erkennen. Was ebenso unangenehm war, war die Geräuschkulisse, die sich in seine Ohren bohrte wie ein spitzer

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