Der Mexikaner Felipe Rivera
Von Jack London
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Über dieses E-Book
Der junge Felipe Rivera bietet sich einer Gruppe von Revolutionären unter der Leitung von Paulino Vera als Helfer an. Sein verschlossenes Wesen erregt aber zunächst Misstrauen und er wird verdächtigt, lediglich für das Regimes von Porfirio Díaz spionieren zu wollen. Rivera verrichtet zunächst kleinere Arbeiten, fällt aber wiederholt dadurch auf, dass er, wenn es der Bewegung an Geld mangelt, für kurze Zeit verschwindet und anschließend mit einer entsprechenden Summe zurückkehrt. Außerdem tötet er den Bundesanwalt Juan Alvarado, der aktiv gegen die Aufständischen vorging.
Jack London
Jack London was born in San Francisco in 1876, and was a prolific and successful writer until his death in 1916. During his lifetime he wrote novels, short stories and essays, and is best known for ‘The Call of the Wild’ and ‘White Fang’.
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Buchvorschau
Der Mexikaner Felipe Rivera - Jack London
Der Mexikaner Felipe Rivera
Niemand kannte seine Geschichte –, seine Mitverschworenen am allerwenigsten. Er war ihr ›kleines Geheimnis‹, ihr ›großer Patriot‹, und auf seine Weise arbeitete er ebensosehr an der kommenden mexikanischen Revolution wie sie. Es dauerte lange, bis sie das erkannten, denn nicht einer in der Junta konnte ihn leiden. An dem Tage, als er zum ersten Mal ihre von geschäftigen Menschen überfüllten Räume betrat, hatten ihn alle im Verdacht, ein Spion, ein Spitzel im Geheimdienst des Diaz zu sein. Zu viele von seinen Kameraden saßen rings in den Vereinigten Staaten in Zivil- und Militärgefängnissen, und andere wieder waren gerade in dieser Zeit in Ketten über die Grenze geschafft und an die Wand gestellt worden.
Auf den ersten Blick machte der junge Bursche keinen guten Eindruck auf sie. Er war nicht mehr als achtzehn Jahre alt, nicht besonders groß und erklärte, Felipe Rivera zu heißen und für die Revolution arbeiten zu wollen. Das war alles –, kein Wort mehr. Er blieb abwartend stehen. Kein Lächeln war um seinen Mund, keine Liebenswürdigkeit in seinen Augen. Den großen, schneidigen Paulino Vera schauderte es innerlich. Hier war etwas Abstoßendes, Furchtbares, Unergründliches. Etwas Giftiges, Schlangenartiges war in den schwarzen Augen des Knaben. Sie brannten wie kaltes Feuer und gleichsam in einer ungeheuren, geschliffenen Erbitterung. Von den Gesichtern der Verschworenen ließ er den Blick zu der Schreibmaschine schweifen, an der die kleine Frau Sethby, eifrig arbeitend, saß. Seine Augen suchten die ihren, aber nur für eine Sekunde –, sie blickte zufällig auf –,, und auch sie hatte ein unbestimmbares seltsames Gefühl, das sie ihre Arbeit unterbrechen ließ. Sie mußte das Geschriebene noch einmal durchlesen, um den Brief, an dem sie arbeitete, fertig tippen zu können.
Paulino Vera sah Arrellano und Ramos fragend an, und sie sahen sich gegenseitig ratlos an. In ihrem Blick war Unsicherheit und Zweifel. Dieser schmächtige Besucher war der Unbekannte, und alles drohende Unbehagen des Unbekannten umgab ihn. Man konnte aus ihm nicht klug werden, er war so ganz jenseits des Horizontes dieser ehrenwerten, schlichten Verschwörer. Ihr wilder Haß gegen Diaz und seine Tyrannei war der Haß ehrenwerter, schlichter Patrioten. Hier aber war etwas anderes und Stärkeres, sie wußten freilich nicht recht, was. Aber Vera, der stets der Entschlossenste und Tatkräftigste war, packte den Stier bei den Hörnern.
»Schön«, sagte er kühl. »Sie sagen, daß Sie für die Revolution arbeiten wollen. Ziehen Sie sich den Rock aus! Hängen Sie ihn dorthin. Ich werde Ihnen zeigen –, kommen Sie –,, wo die Eimer und Wischlappen sind. Der Fußboden ist schmutzig. Sie können gleich anfangen, ihn hier und in den andern Zimmern aufzuwischen. Auch die Spucknäpfe müssen gereinigt werden. Und außerdem die Fenster.«
»Ist es für die Revolution?« fragte der Bursche.
»Für die Revolution«, antwortete Vera.
Rivera sah sie alle kalt und mißtrauisch an und zog sich dann den Rock aus.
»Es ist gut«, sagte er.
Weiter nichts. Tag für Tag kam er zu seiner Arbeit –, fegte, schrubbte und machte rein. Er nahm die Asche aus dem Ofen, holte Kohlen und Holz und machte Feuer und war der erste im Büro.
»Kann ich hier schlafen?« fragte er einmal.
Aha! Das war es –, die Hand Diaz' kam zum Vorschein. Wenn er in den Räumen der Junta schlief, bedeutete das, daß er Zutritt zu ihren Geheimnissen, zu den Namenlisten, zu den Adressen der Kameraden in Mexiko erlangte. Die Bitte wurde abgeschlagen, und Rivera kam nie mehr darauf zu sprechen. Er schlief, sie wußten nicht, wo, und aß, sie wußten nicht, wo und was. Einmal bot Arrellano ihm ein paar Dollars an. Rivera lehnte das Geld ab. Als Vera hinzutrat und es ihm aufzunötigen versuchte, sagte er: »Ich arbeite für die Revolution.«
Eine Revolution vorzubereiten kostet Geld, und die Junta befand sich stets in Geldverlegenheit. Die Mitglieder hungerten und rackerten sich ab, der längste Arbeitstag war ihnen nicht lang genug, und doch sah es zuweilen so aus, als stünde und fiele alles mit der Frage, wie sie sich nur einige Dollars verschaffen sollten.
Einmal –, es war das erste Mal, daß sie zwei Monate mit der Miete im Rückstand waren und der Wirt sie hinauszusetzen drohte –, war es Felipe Rivera, der Reinmachejunge in der schäbigen, abgetragenen Kleidung, der sechzig Dollar in Gold auf May Sethbys Pult legte. Und ebenso bei anderen Gelegenheiten. Dreihundert auf den geschäftigen Schreibmaschinen geklapperte Briefe (Bitten um Unterstützung, um Anerkennung befreundeter Gruppen, Ersuchen an Schriftsteller um wohlwollende Erwähnung und so weiter) blieben liegen und warteten auf die Frankierung. Veras Uhr verschwand –, die alte goldene Repetieruhr, die er von seinem Vater geerbt hatte. Der glatte goldene Ring an May Sethbys Ringfinger verschwand ebenfalls. Es war zum Verzweifeln.