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Das Mysterium der Wölfe: Licht und Schatten
Das Mysterium der Wölfe: Licht und Schatten
Das Mysterium der Wölfe: Licht und Schatten
eBook528 Seiten8 Stunden

Das Mysterium der Wölfe: Licht und Schatten

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Über dieses E-Book

Jessica wurde von den Schatten in Besitz genommen und kämpft mit ihren Gefühlen. Obwohl sie ihren Weg nun gewählt hat, plagen sie nach wie vor Zweifel und die Vergangenheit holt sie ein. Die Entscheidung über das Schicksal der Welt rückt näher. Ein Kampf zwischen den beiden Rudeln scheint unvermeidlich und Jessica muss eine Seite wählen: Licht oder Schatten.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum27. Feb. 2022
ISBN9783754954881
Das Mysterium der Wölfe: Licht und Schatten

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    Buchvorschau

    Das Mysterium der Wölfe - Anna Brocks

    Anna Brocks

    Das Mysterium der Wölfe

    Band 3: Licht und Schatten

    Anna Brocks

    Das Mysterium der Wölfe

    Licht und Schatten

    Impressum

    Texte:               © 2022 Copyright by Anna Brocks

    Umschlag:        © 2022 Copyright by Anna Brocks

    Verantwortlich

    für den Inhalt:   Anna Brocks

    annabrocks.autorin@gmail.com

    Druck:             epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

    Kapitel 1

    Irrwege

    Die Tage verschwimmen ineinander. Ich habe jegliche Verbindung zu meinen Freunden verloren. Nun ist es mir endlich möglich, über mich und all die Geschehnisse der letzten Wochen nachzudenken. Leider bin ich dabei zu der Erkenntnis gekommen, dass ich so gut wie nichts weiß. Ich weiß nicht, wie lange ich nun schon allein umherstreife, geschweige denn, wo ich bin. Das Portal hat mich in ein Waldgebiet transportiert. Je weiter ich nach Norden gehe, desto düsterer wird es, aber irgendeine Richtung muss ich einschlagen, nicht wahr?

    Die Tatsache, dass ich nicht einmal weiß, wer genau ich bin, macht mir jedoch noch viel mehr zu schaffen. Es ist zwar leichter, Entscheidungen zu treffen, da ich nun allein bin, aber mir ist noch immer nicht klar, wo mein Platz ist. An manchen Tagen vermisse ich meine Freunde so sehr, dass ich kurz davor bin, umzukehren und sie zu suchen. Das ist jedoch ohnehin unmöglich. Ich könnte am anderen Ende der Welt gelandet sein und meine Freunde vielleicht nie wieder sehen.

    Diese Ungewissheit plagt mich. All die Fragen, auf die ich keine Antworten weiß. Wie geht es meinen Freunden? Sind sie noch am Leben? Gab es eine Auseinandersetzung mit den Schattenwölfen? Ich werde wohl damit leben müssen, nichts davon zu wissen.

    Vor drei Tagen habe ich mir ein neues Ziel gesetzt. Ich muss einen Anhaltspunkt finden. Irgendwo in dieser gottverlassenen Gegend muss es doch eine Stadt oder zumindest ein kleines Örtchen geben. Bisher waren die einzigen Lebewesen, denen ich begegnet bin, wilde Tiere und diese haben nicht lange in meiner Gegenwart überlebt. Seitdem ich mich den Schatten zugewandt habe, bin ich um einiges stärker. Es fällt mir nicht schwer, allein zu jagen, im Gegenteil. Sobald ich mein Ziel fixiert habe, hat es keine Chance mehr.

    Diese Fähigkeiten sind von Vorteil, doch die schwarze Aura, die mich umhüllt, könnte andere abschrecken, besonders die Menschen. Dazu kommen noch die roten Augen. Über all das habe ich mir zwar bereits Gedanken gemacht, aber bisher konnte ich noch keine Lösung für das Problem finden. Aber eigentlich spielt das keine Rolle. Ich gehe einfach in die nächste Stadt hinein und falls sich mir irgendjemand in den Weg stellt, werde ich ihm die Leviten lesen. Angst zu haben, ist schlecht, aber Angst zu verursachen? Diese Eigenschaft kann durchaus nützlich sein.

    Apropos nützlich, es wäre gut, wenn ich wüsste, wie spät es ist. Seit drei Tagen verdeckt eine dicke Wolkendecke den Himmel und ich habe die Sonne seitdem nicht mehr gesehen. Ich vermute mal, dass es später Nachmittag ist. Wird wohl Zeit, eine Pause zu machen. Heute bin ich schon mehrere Stunden gelaufen. Ich werde mich auf die Jagd begeben und mir dann ein schönes Plätzchen zum Schlafen suchen.

    Wie erwartet war die Jagd ein Leichtes für mich. Ehrlich gesagt fehlt mir manchmal die Herausforderung. Das große Wildschwein, das ich erlegt habe, war kein angemessener Gegner. Die Überreste des ausgewachsenen Keilers liegen wenige Meter entfernt von mir, während ich mich neben einem Baum niedergelassen habe und meine Schnauze in das schwarze Fell kuschele.

    Seitdem ich hier angekommen bin, habe ich mich nicht mehr in einen Menschen verwandelt. Warum auch? Ich fühle mich als Wölfin viel wohler. Der Menschenkörper ist nur eine Lüge, genauso wie die Lichtwölfin, die sich angeblich noch in mir befinden soll. Alle haben mir nur Lügen aufgetischt. Kyrion, meine Eltern und vor allem Jake. In meinen Augen ist er nichts weiter als ein Lichtwolf, der mich auf seine Seite ziehen wollte. Meine Gedanken werden immer finsterer. Wenn er mich so sehen könnte. Er würde mich nicht wiedererkennen.

    Um mich ist alles still. Alle Tiere sind geflohen, als sie meine Nähe gespürt haben. Sogar die Vögel sind verschwunden und haben ihre Nester in den Baumkronen zurückgelassen. Wölfe sind Rudeltiere, wie? Dass ich nicht lache.

    Das viele Nachdenken macht mich müde. Ein starker Wind kommt auf. Sieht nach Regen aus. Was ist das? Der Wind trägt diesen Geruch mit sich. Einen Geruch, den ich jederzeit erkennen würde. Eine Stadt. Ich muss näher an der Zivilisation sein, als ich geglaubt habe. Vielleicht habe ich nun doch endlich Glück.

    Also ziehe ich weiter. Während dem Gehen verwandle ich mich in meine menschliche Gestalt. Es ist merkwürdig, wieder auf zwei Beinen zu laufen. Ich fühle mich alles andere als wohl in dieser Form, aber es muss leider sein. Trotz allem vermute ich, dass ich auch als Mensch nicht gerade unauffällig bin. Dunkle Aura, zerrissene Klamotten, von den roten Augen mal ganz abgesehen. Ich werde mir wohl neue Sachen besorgen müssen. Eine Sonnenbrille wäre nicht schlecht. Außerdem freue ich mich auf eine Dusche. Ich wische mir die frischen Blutspritzer aus dem Gesicht, streife mir meine Haare vor die Augen und lege einen Zahn zu.

    Es ist ruhig hier, zu ruhig. Keine Menschenseele ist mir auf dem Weg hierher begegnet und auch jetzt erkenne ich niemanden. Die Stadt scheint verlassen zu sein. Die Straße, auf der ich mich bewege, ist völlig zerstört, nahezu unbefahrbar. Nun stehe ich noch ein paar hundert Meter von der kleinen Stadt entfernt. Die Gegend ist trostlos. Einzelne Wolkenfetzen verdecken die Sonne. Die Luft ist trocken und der Wind peitscht mir ins Gesicht. Das Gras ist gelblich bis braun. Man sieht kaum Bäume. Kein Vergleich also zu dem Wald, in dem ich mich zuvor noch befunden habe.

    Nun gut, ich sollte mich davon nicht irritieren lassen. Vielleicht lebt in der Stadt noch jemand. Mal sehen. Was ist das? Dieses Gefühl. Es ist lange her, dass ich so etwas gerochen habe. Ganz eindeutig, in dieser Stadt lebt tatsächlich jemand, nur bin ich mir nicht mehr sicher, ob es Menschen sind.

    Egal, nun bin ich schon fast da. Nur noch wenige Schritte und ich gehe am ersten Gebäude vorbei. Der Geruch wird markanter. Wenn ich mich nicht irre, müssen es ziemlich viele sein, mindestens zehn. Ich kann nur nicht genau wahrnehmen, ob sie noch hier, oder bereits verschwunden sind. Eines steht zumindest fest, es muss ein ganzes Rudel gewesen sein, sonst würde ich deren Duft nicht so stark wahrnehmen. Aber was zum Teufel macht ein Wolfsrudel in einer verlassenen Stadt wie dieser? Haben sie einen Unterschlupf gesucht?

    Ich würde mich hier jedenfalls nicht niederlassen. Je weiter ich in das Innere der Stadt vordringe, desto schäbiger wird sie. Die meisten Türen sind mit Holzbrettern zugenagelt, viele Fenster zerbrochen und die Straßen aufgerissen. Man sieht keinerlei Lebewesen. Nur die eine oder andere Krähe fliegt krächzend über die Gebäude hinweg.

    Je mehr ich in das Zentrum der Stadt komme, desto stärker rieche ich meine Artgenossen, dennoch bleibe ich ganz ruhig. Ich denke gar nicht daran, meine Gestalt zu verändern. Wieso denn auch? Sollten sie tatsächlich dumm genug sein, mich anzugreifen, werde ich auch so mit ihnen fertig. Ob sie bereits gespürt haben, dass ich ihre Stadt betreten habe? Vermutlich haben sie eine Wölfin wahrgenommen, aber sie können nicht mal ansatzweise erahnen, mit wem sie es hier zu tun haben.

    Da ist es, das Stadtzentrum. Ich betrete einen alten Platz, in dessen Mitte sich eine Statue befindet, zumindest das, was von ihr übrig ist. Der Kopf und die Arme des ca. zwei Meter großen Mannes im Anzug fehlen. Was hier wohl geschehen ist? Neugierig gehe ich näher an die Figur heran und erkenne etwas Interessantes. Überall sind Kratzer. Mächtige Klauen haben ihre Spuren im Gestein hinterlassen. Nun besteht absolut kein Zweifel mehr. Ich bin nicht allein.

    „Wen haben wir denn da? Ich drehe mich sofort um. „Es kommt selten vor, dass uns jemand besucht. Wenige Meter vor mir steht ein junger Mann und mustert mich genau. Nachdenklich fährt er sich durch den dichten, blonden Vollbart. Er ist eindeutig kein Mensch.

    Ich bleibe gelassen: „Keine Sorge, ich bin nur auf der Durchreise. Eigentlich hatte ich gehofft, hier auf ein paar Menschen zu treffen, aber vielleicht kannst du mir auch weiterhelfen." Meine Haare verdecken meine Augen. Noch scheint er nicht bemerkt zu haben, dass ich keine gewöhnliche Wölfin bin. Und auch seine kleinen Freunde ahnen wohl nichts. Obwohl mein Blick nur auf mein Gegenüber gerichtet ist, kann ich genau spüren, wie sich hinter den alten Fassaden der Gebäude, die um den Platz stehen, eine Menge tut. Hier sind überall Wölfe.

    Der blonde Kerl verschränkt die Arme: „So, so, du bist also nur kurzfristig hier? Suchst du nach etwas?"

    Schulterzuckend antworte ich ihm: „Kann man so sagen. Ich habe die Orientierung verloren und bräuchte eine Karte oder Informationen, wie ich weiterkomme."

    Nun hat er ein selbstgefälliges Grinsen im Gesicht: „Eine junge Wölfin ohne Orientierung, so etwas sieht man auch selten. Ich möchte mal sehen, wie er seinen Weg wieder findet, wenn er mit einem Portal quer durch die Welt reist. „Wie auch immer, eine Karte wirst du hier nicht finden. Die Menschen haben damals alles mitgenommen, was sie im Eifer des Gefechts noch fassen konnten. Der Rest ist über die Jahre verrottet. Ich muss zugeben, dass ich immer neugieriger werde. Mich würde brennend interessieren, was hier geschehen ist.

    Dennoch weigere ich mich, Interesse zu zeigen: „Das ist schade. Ich hatte gehofft, hier einen Anhaltspunkt zu finden. Kannst du mir zumindest sagen, wie ich zur nächsten Stadt komme?" Er wirkt überrascht über meine gespielte Teilnahmslosigkeit.

    Doch dann wandern seine Mundwinkel nach oben: „Kannst du mir sagen, warum ich das tun sollte? Du bist immerhin in dieses Gebiet eingedrungen. Das zeugt von gewisser Respektlosigkeit. Du musst dir die Informationen schon verdienen."

    Genervt verdrehe ich die Augen: „Gut, ich sehe schon, wo das hinführt. Können wir die Sache verkürzen? Ich habe ehrlich gesagt keine Lust, noch länger in diesem Drecksloch zu bleiben. Wieder trifft mich sein überraschter Blick. „Damit meine ich, dass du deinen kleinen Freunden sagen kannst, dass sie aus ihren Verstecken rauskommen sollen. Ich weiß sowieso schon längst, dass wir nicht allein sind. Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Ich merke, wie die leisen Geräusche hinter den alten Fassaden der Häuser augenblicklich verstummen.

    Die Überraschung meines Gegenübers geht erneut in ein Lächeln über: „Eines muss man dir lassen, Kleine. Du bist schlau. Deine Instinkte scheinen sehr ausgeprägt zu sein. Sag, wie heißt du?"

    „Was geht dich das an? Ich drehe mein Gesicht weg von ihm. „Du kannst mir ohnehin nicht helfen. Wieso soll ich also meine Zeit noch länger mit dir vergeuden? Mit diesen Worten gehe ich an ihm vorbei und schlage denselben Weg ein, über den ich auch hergekommen bin. Wie es scheint, muss ich mir selbst helfen. Vielleicht befindet sich in der Nähe eine andere Stadt.

    „Nicht so schnell. Plötzlich stellt er sich vor mich. Ich habe seine Bewegungen gar nicht gehört. Er ist geschickt, das muss man ihm lassen. „Glaubst du wirklich, dass ich dich einfach so gehen lasse? Mit leicht gesenktem Kopf bemühe ich mich, meine Augen nicht zu zeigen.

    Ich seufze: „Sieht aus, als würde das Ganze hier doch noch länger dauern, wie? Na gut, sag mir, was du von mir willst." Es ist nicht so, dass ich nicht einfach verschwinden wollte, aber langsam bereiten mir die Wölfe in der Umgebung Sorgen. Es werden immer mehr. Mittlerweile sollte ich mich bemühen, einen Kampf zu vermeiden. Ich bin zwar gerne für ein wenig Abwechslung offen, aber ich bin nicht dumm. Allein gegen so viele Wölfe? Das könnte sogar für mich schlecht ausgehen. Also bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mich vorerst mit dem blonden Unbekannten zu unterhalten.

    Dieser scheint sich über meine Nachgiebigkeit zu freuen: „Na also, es geht doch. Fangen wir nochmal von vorne an. Du willst mir deinen Namen zwar nicht sagen, ich nenne dir meinen trotzdem. Ich heiße Leader." Leader? Ist das sein Ernst? Er bezeichnet sich tatsächlich selbst als Anführer.

    Ich ziehe eine Augenbraue hoch: „Ist das dein richtiger Name? Deine Eltern werden dich wohl kaum so genannt haben." Es fällt mir nicht leicht, den respektlosen Unterton in meiner Stimme abzustellen. Dennoch funktioniert es mittlerweile schon besser.

    Er schüttelt den Kopf: „Nein, das haben sie natürlich nicht. Dennoch ist es mein Name. Du musst wissen, dass alle in diesem Rudel einen neuen Namen bekommen, sobald sie sich uns anschließen. Dieser entspricht dann der Position, die sie im Rudel einnehmen oder bezieht sich auf besondere Fähigkeiten eines jeden."

    Wieder bemühe ich mich, freundlich zu klingen: „Interessant. Kann ich nun gehen? Meine Zeit ist mir ehrlich gesagt zu wertvoll, um noch viel länger hierzubleiben und mit dir zu plaudern."

    Nun setzt er sich in Bewegung und beginnt, Kreise um mich zu ziehen: „Meiner Meinung nach ist es nur höflich, jemandem vorher ein paar Dinge über das Rudel zu sagen, bevor sich die Person uns anschließt." Ich merke, wie er mich von Kopf bis Fuß mustert.

    „Wie war das? Ich habe mich wohl verhört. „Habe ich dich richtig verstanden? Du willst, dass ich hierbleibe? Er nickt nur. „Okay, wie soll ich das jetzt verstehen? Machst du das bei jedem Artgenossen, der dir über den Weg läuft? Das ist doch absurd!" Normal scheint dieser Kerl auf jeden Fall nicht zu sein und das trifft dann vermutlich auch auf sein Rudel zu. Ich sollte auf der Hut sein.

    Plötzlich lacht er laut auf: „Nein, natürlich nicht! Wärst du eine gewöhnliche Wölfin, hätten wir dich schon längst umgebracht." Augenblicklich wird seine Miene ernst. Er weiß, dass ich nicht normal bin. Kann es sein, dass er schon vermutet, was ich bin? Aber wie ist er dahintergekommen? Er sieht nicht so aus, als würde er sich für alte Sagen und Legenden interessieren. Normalerweise dürfte er gar nicht wissen, dass es so etwas wie Schattenwölfe überhaupt gibt.

    Etwas zögernd frage ich nach: „Wie meinst du das? Woher willst du wissen, dass ich nicht bin, wie jede andere Wölfin auch?"

    Noch immer umkreist er mich und wendet seinen Blick nicht von mir ab: „Dazu brauche ich dich doch nur anzusehen. Du bist kräftig, strahlst Stärke aus, von deinem selbstbewussten Charakter mal abgesehen. Außerdem bist du ein wahrer Blickfang. Nein, du bist alles andere als gewöhnlich und so jemanden kann ich gut in meinem Rudel gebrauchen." So ist das also. Ich bin erleichtert, dass er nicht meine außergewöhnliche Abstammung gemeint hat. Er hat keine Ahnung, wer oder was ich wirklich bin. Hätte ich mir eigentlich schon denken können. Sonst hätte er vermutlich anders auf meine Ankunft reagiert.

    Nichtsdestotrotz gefällt mir nicht, was er da sagt: „Ich enttäusche dich ja nur ungern, aber deine Schmeicheleien nützen bei mir nichts. An einem Beitritt in deinem Rudel bin ich genauso wenig interessiert, wie an dir selbst. Ich reise allein." Mit diesen Worten kehre ich ihm den Rücken zu und will wieder gehen.

    Erneut stellt er sich vor mich: „Du hast mich da falsch verstanden. Sein Unterton gefällt mir gar nicht. „Das war keine Frage. Es war ein Befehl. Augenblicklich tut sich in den Gebäuden rundum den Platz wieder etwas. Die Wölfe sind in Bewegung. Hier komme ich anscheinend friedlich nicht mehr raus.

    Wird wohl Zeit, Klartext zu reden: „Gut, ich sehe schon, dass das nichts bringt. Ich habe mich von Anfang an bemüht, einigermaßen freundlich zu sein, um keinen unnötigen Streit zu provozieren, aber das ist nun sowieso hinfällig. Er bleibt noch immer starr vor mir stehen. Mein Kopf bleibt gesenkt. „Lass mich vorbei. Wir können die ganze Sache noch friedlich beenden. Jeder geht seines Weges und wir sehen uns nie wieder.

    „Und was wäre die andere Option?" Er verhält sich immer selbstgefälliger. Langsam macht mich der Kerl wütend.

    Also gebe ich ihm eine eindeutige Antwort: „Die andere Option wäre, dass ihr dumm genug seid, euch mit mir anzulegen. Bei dieser Variante würdet ihr mit Sicherheit nicht gut davonkommen, also würde ich mir diese Entscheidung zweimal überlegen, wenn ich du wäre." Es folgt eine Reaktion, mit der ich fast schon hätte rechnen können. Er lacht. Wütend balle ich meine Hände zu Fäusten. Nun heißt es ruhig bleiben. Nicht die Kontrolle verlieren.

    „Du unterschätzt wohl die Größe und Kraft meines Rudels. Plötzlich deutet er auf die umliegenden Häuser. „Darf ich dir ein paar gute Freunde vorstellen? Unauffällig blicke ich unter meinen Haaren hervor. Endlich zeigen sie sich alle. Der Reihe nach kommen immer mehr von ihnen hinter den alten Fassaden hervor. Aus Fenstern, alten Türen und Löchern in den Wänden strömen sie in meine Richtung. Noch sind sie in Menschengestalt, aber wie lange noch?

    Dennoch bleibe ich vorerst gelassen: „Eine nette kleine Familie hast du dir da zusammengesucht. Hat sicher lange gedauert, bis du so viele Wölfe beisammenhattest."

    Stolz blickt er auf die umliegenden Personen: „Habe ich zu viel versprochen?" Nun scheinen endlich alle versammelt zu sein und sie nehmen nach und nach Wolfsgestalt an. Sie haben einen Kreis um mich und Leader gebildet. Noch halten sie Abstand. Es sind in der Tat verdammt viele. Mindestens dreißig.

    Ich zucke mit den Schultern: „Kein schöner Anblick, wenn du mich fragst. Die Wölfe, die ich kenne, sind größer, stärker und vor allem anmutiger. Dein Rudel macht unserer Rasse keine Ehre, im Gegenteil." Die meisten von ihnen sind dünn, fast abgemagert. Ihr Fell ist räudig und hat jeglichen Glanz verloren. Nur ein paar erscheinen mir als muskulös, mit dem Rest dürfte ich leichtes Spiel haben. Das beeinflusst meine Einstellung bezüglich eines Kampfes.

    Mit meiner Bemerkung scheine ich Leader verärgert zu haben: „Hüte deine Zunge! Du vergisst wohl, dass du allein bist! Bei einem Kampf hättest du keine Chance!"

    Nun bin ich diejenige, die lächelt: „Sei dir da mal nicht so sicher. Ich wiederhole meine Drohung von vorhin nur noch ein einziges Mal. Lass mich gehen, oder ich werde keinen von euch verschonen!" Leader starrt mich gebannt an.

    Dann beginnt er erneut zu lachen: „Du willst uns herausfordern? Das ist Wahnsinn! Für wen hältst du dich eigentlich?"

    In diesem Moment hebe ich meinen Kopf, streife mir die Haare aus dem Gesicht und blicke ihm tief in die Augen: „Schon mal etwas von Schattenwölfen gehört?" Ich spüre, wie die dunkle Aura um mich stärker wird.

    Leader springt augenblicklich zurück: „Was zum Teufel bist du? Er verwandelt sich in einen großen braunen Wolf. „Macht euch bereit! Die letzte Bemerkung galt wohl seinem Rudel, das sich nun in drohende Position begibt.

    Ich hingegen bleibe ruhig und drehe in meiner menschlichen Gestalt kleine Kreise, während ich mir die verunsicherten Gesichter der Reihe nach ansehe: „Du fragst, was ich bin? Nun, du hast zuvor schon sehr richtig gelegen, als du gesagt hast, dass ich keine gewöhnliche Wölfin bin. Wie außergewöhnlich meine Rasse tatsächlich ist, hast du aber anscheinend noch nicht vermutet. Die schwarze Aura umspielt mich sanft und streicht über meinen Körper. „Ich bin das absolute Gegenteil alles Guten. Ich bin ein Schatten, ein Wesen höherer Ordnung. Und was am allerwichtigsten ist… Ich bleibe stehen und fixiere Leader. „Ich bin euer schlimmster Albtraum."

    „Los, greift sie an!" Seine verzweifelten Worte lassen das Gefecht beginnen. Ohne zu zögern, stürzt sich der erste Wolf auf mich, dem ich einen heftigen Schlag mit der Faust direkt auf die Schnauze verpasse. Er wird zurückgeschleudert, während man seine Knochen brechen hört. Eine weitere Wölfin versucht einen Angriff von hinten. Ich springe schnell zur Seite und packe ihre Hinterläufe. Dann drehe ich mich um die eigene Achse und schleudere sie gegen die Fassade eines Gebäudes. Man sieht nur noch eine Staubwolke, als sie zu Boden fällt.

    Als mich keiner mehr angreift und mich jeder nur noch verängstigt anstarrt, brülle ich sie an: „Was ist los mit euch? Kommt her! Zeigt mir, was ihr könnt! Plötzlich spüre ich einen harten Schlag auf den Hinterkopf. Sofort drehe ich mich um und will meinem Angreifer die Leviten lesen, aber in diesem Moment kommt schon eine andere Wölfin auf mich zugelaufen, der ich mich zuerst widme. „Zwei gegen einen? Na schön!

    Ohne große Mühe fange ich die Wölfin ab und packe sie am Hals. Ich klemme den großen Wolfskopf unter meinem Arm ein und lasse nicht los. Die Wölfin knurrt und zappelt, aber ich bin stark genug, um sie zu halten. Leider bleibt der andere Wolf nicht tatenlos und verbeißt sich in meinem Unterschenkel. Der Schmerz ist enorm, aber ich weigere mich zu schreien. Mit einem einzigen Ruck breche ich der Wölfin das Genick und ihr lebloser Körper sinkt zu Boden. Voller Wut beißt der andere Wolf noch fester zu, reißt mein Bein in die Luft und schleudert mich in hohem Bogen über die übrigen Gegner hinweg.

    Ich lande unsanft im Staub und bleibe vorerst am Bauch liegen. Scheint wohl so, als hätte ich das Rudel etwas unterschätzt. In einem fairen Zweikampf könnte ich jeden von ihnen mit Leichtigkeit fertigmachen. Dazu müsste ich mich nicht einmal verwandeln. Aber was ist schon fair? Sie sind in der Überzahl und das ist ein enormer Nachteil für mich. Zum Glück habe ich meine ganze Stärke noch nicht gezeigt. Diese wird wohl jetzt zum Einsatz kommen müssen.

    Langsam richte ich mich wieder auf und blicke zu meinen Gegnern, die allesamt knurrend vor mir stehen. Leader kann ich nicht erkennen. Er dürfte sich versteckt haben. Was für ein Feigling. Na schön, erledige ich eben zuerst seine Anhänger und dann ihn selbst. Ihm wird es noch leidtun, dass er mir das eingebrockt hat.

    Aus dem Rudel hallt eine Frauenstimme hervor: „Hast du jetzt endlich genug? Gib auf!"

    Stolz und siegessicher stelle ich mich auf beide Beine und mache mich groß: „Aufgeben? Wieso denn? Es fängt gerade erst an, lustig zu werden." Den Schmerz in meinem Unterschenkel ignoriere ich. Die schwarze Aura hat sich an der Verletzung gesammelt und beschleunigt den Heilungsprozess. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich meine Gestalt ändern muss, um hier eine Chance zu haben.

    Somit sammle ich meine Kräfte. Ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt. Meine Muskeln sind angespannt und meine Kampfeslust stärker denn je. Ich atme noch einmal tief durch. Dann geht alles blitzschnell. Mit einem Mal drücke ich mich vom Boden ab und verwandle mich im Bruchteil einer Sekunde in meine wahre Gestalt, in die schwarze Schattenwölfin. Ohne zu zögern laufe ich auf das Rudel zu. Sie haben mir kaum etwas entgegenzusetzen.

    Dem ersten Wolf, den ich am rechten Vorderlauf zu packen bekomme, beiße ich sofort den Knochen durch und schleudere ihn gegen den nächsten. Dann ramme ich zwei weitere, sodass auch sie den Boden unter den Füßen verlieren. Es sind aber noch immer viel zu viele. Ich muss mir Platz verschaffen, um sie der Reihe nach einzeln zu erwischen. Mit diesem Gedanken widme ich mich also weiteren Gegnern, die sich in meiner unmittelbaren Nähe befinden. Ich stoße einen nach dem anderen weg. Dabei verletze ich sie kaum, aber ich verschaffe mir Platz und vor allem Zeit.

    Als die Gruppe um mich kleiner wird, gehe ich einem Wolf an die Kehle. Seine Versuche, sich zu wehren, sind jämmerlich. Aus dem Augenwinkel sehe ich noch, wie ihm ein anderer helfen will. Sofort drehe ich mich nach rechts und reiße ihm eine tiefe Wunde in den Hals. Er fällt hustend zu Boden und spuckt Blut. Dieser wird sich nicht mehr wehren.

    Plötzlich spüre ich erneut einen Schmerz im linken Hinterbein, das sogleich nachgibt. Ein Blick hinter mich genügt, um mich zu vergewissern. Eine kleine Wölfin hat die Chance genutzt und im Eifer des Gefechts meine Schwachstelle erwischt. Sie hat ihre Zähne tief in mein Fleisch vergraben und denkt wohl nicht daran, wieder loszulassen. Instinktiv reiße ich meinen Kopf nach hinten und will mich wehren, als mich ein weiterer Wolf am Nacken packt. Mit großer Wucht reißt er mich zu Boden und verbeißt sich dabei in meinem Genick. Dann kommt noch ein dritter und rammt seine Klauen in meine beiden Vorderpfoten. Sie haben mich festgenagelt.

    Ich bin völlig wehrlos. Es bringt nichts, jetzt noch großartig zu zappeln oder zu knurren. Sie haben mich in ihrer Gewalt und das wissen sie auch. Nach und nach kommen die Wölfe, die ich zuvor bekämpft habe, näher und umzingeln mich. Die Blicke, mit denen sie mich ansehen, könnten verachtender nicht sein. Einige sind verletzt, manche schwerer als andere. Sie haben viele Tote zu beklagen. Ich rechne also nicht damit, dass ihr Urteil milde ausfallen wird.

    Würde mein linkes Bein nicht so sehr schmerzen, könnte ich mich eventuell nochmal aus der Sache rauskämpfen, aber leider kann ich es kaum belasten. Die Tatsache, dass die kleine Wölfin ihre Zähne noch immer in der Wunde hat, macht die Situation keineswegs angenehmer.

    „Jetzt ist sie wohl doch nicht mehr so stark, wie? War klar, dass sie keine Chance gegen uns hat. Leader wird stolz auf uns sein." Was bilden sie sich nur ein? Sind die tatsächlich stolz auf ihren Sieg über mich?

    Wütend zische ich sie an: „Wärt ihr nicht so dermaßen in der Überzahl, hätte ich euch allesamt mit Leichtigkeit erledigt! Es ist eine Schande, wie feige ihr seid! Die Wölfin zuckt zusammen, als ich das sage. „Da siehst du es! Selbst jetzt, wo ich doch schon am Boden liege, habt ihr noch Angst vor mir! Ihr braucht drei Wölfe eures erbärmlichen Rudels, um mich unten zu halten! Mir ist bewusst, dass ich mich nicht gerade in der Position befinde, um beleidigend zu werden, aber das ist mir momentan völlig egal. Es regt mich so dermaßen auf, dass sie sich auch noch damit brüsten, unfair gekämpft zu haben.

    Eine weitere Stimme hallt von weiter hinten hervor: „Ist doch egal, wie wir es angestellt haben! Ein Sieg ist ein Sieg! Das Ergebnis bleibt gleich!"

    Ich lache bitter: „Eigentlich amüsant, wie wenig ihr von Ehre versteht. Selbst ich besitze mehr davon und ich bin immerhin eine Schattenwölfin. Hat euch euer Anführer noch nie etwas von wahrem Stolz erzählt? Sie schweigen. „Wo ist Leader eigentlich? Hat sich der Feigling im Eifer des Gefechts verkrochen?

    Ein großer Wolf wendet sich an die Gruppe: „Hört nicht auf sie. Wir warten hier, bis Leader zurück ist. Er wird erfreut sein zu sehen, dass die anderen nicht mehr benötigt werden." Die anderen? Scheint so, als wäre er losgelaufen, um Verstärkung zu holen. Das ändert die Lage erneut. Eigentlich habe ich darauf gehofft, mich noch einmal losreißen zu können, aber das wird nun schwierig. Allein komme ich da nicht mehr raus, so viel steht fest.

    Nun muss ich wohl verhandeln: „Könntet ihr nicht wenigstens eurer kleinen Freundin sagen, dass sie aufhören soll, ihre Zähne in meine Wunde zu drücken? Die Schmerzen stören mich zwar wenig, aber je länger sie das tut, desto schlechter wird die Verletzung heilen."

    Der große Wolf wirkt überrascht: „Und warum sollten wir das tun? Es kann uns doch wohl egal sein, wenn du dein Bein verlierst! Im Gegenteil, das ist sogar besser für uns!" Diese Antwort habe ich schon erwartet. Eine Schwachstelle des Rudels habe ich nun entdeckt. Sie sind berechenbar.

    Also nutze ich das zu meinem Vorteil: „Glaubst du wirklich, dass euer Anführer froh darüber sein wird, wie ihr mich hier behandelt? Ihr habt das Gespräch vorhin doch alle mitverfolgt, oder etwa nicht? Leader will mich in eurem Rudel haben, schon vergessen?" Er antwortet nicht darauf. Die übrigen Wölfe flüstern untereinander. Hoffentlich fällen sie schnell eine Entscheidung. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit, um zu verschwinden. Wer weiß, wie viele Wölfe Leader noch mit sich bringt?

    Wieder übernimmt der Große die Antwort: „Gut, lass sie los, Silent." Leader hat das mit der Namensgebung seines Rudels doch tatsächlich ernst gemeint. Was für ein Schwachsinn. Endlich lässt die kleine Wölfin mein Bein los und ich atme erleichtert auf. Der Schmerz ist zwar noch immer heftig, aber besser als zuvor ist es allemal. Gut, nun muss ich noch einmal all meine Kräfte sammeln. Das ist meine letzte Chance, um von hier wegzukommen.

    „Ah! Hilfe! Was war das? „Wir werden angegriffen! Das kam von weiter hinten.

    „Was zum Teufel?" Plötzlich wird der große Wolf, der vor mir steht, in hohem Bogen weggeschleudert. Alles geht rasend schnell. Ich konnte nicht einmal erkennen, wie das Ganze von statten ging. Dann spüre ich, wie der Wolf, der mich am Nacken hält, von mir gerissen wird. Ich reagiere sofort und springe auf, als mein linkes Bein erneut nachgibt.

    „Du musst dich in einen Menschen verwandeln, schnell! Eine unbekannte Stimme tönt hinter mir hervor. Ehe ich mich umdrehen kann, springt eine weiße Silhouette über mich hinweg und stellt sich schützend vor mich. Das Rudel ist noch völlig gebannt und reagiert nicht. Der weiße Wolf dreht sich noch einmal um. „Tu, was ich dir sage, sonst bist du geliefert! Kenne ich ihn? Er sieht so vertraut aus. Seine Größe, seine Statur, all das erinnert mich an jemanden. Nein, das kann gar nicht sein! „Bist du taub?" In diesem Moment greift ihn der erste Wolf an. Die anderen sehen nur tatenlos zu. Der weiße Wolf wehrt sich und kann ihn geschickt von sich werfen.

    Verwirrt rufe ich ihm zu: „Was soll das bringen? Ich verwandle mich doch jetzt nicht wieder in meine menschliche Gestalt! Das wäre Selbstmord!"

    „Vertrau mir einfach! Einem Fremden einfach so vertrauen? Das klingt nicht sehr klug. „Wenn du leben willst, hör auf mich! Es folgt erneut ein Angriff, diesmal sind sie zu zweit. Wieder packt er zuerst den einen und wirft ihn gegen den anderen. Er legt noch ein paar heftige Schläge mit seinen Klauen nach. „Wird’s bald? Na los!" Der Wolf scheint mir nichts Böses zu wollen. Außerdem habe ich keine andere Wahl. Gut, ich befolge seinen Rat.

    Wieder in einen Menschen verwandelt, hocke ich nun am Boden: „Gut, ich habe getan, was du gesagt hast! Was nun? Er kann mir nicht antworten, da ihn ein großer Wolf gerade zu Boden geworfen hat und sich auf ihn stürzt. „Komm schon! Sag mir, wie ich dir helfen kann! Plötzlich drückt er den Wolf von sich und springt auf. Er dreht sich um und stürmt in meine Richtung. Binnen Sekunden senkt er seinen Kopf, packt mich am rechten Arm, beißt zu und reißt mich in die Luft. Gekonnt fängt er mich auf, sodass ich auf seinem Rücken lande.

    „Festhalten!" Instinktiv folge ich seiner Anweisung und kralle meine Finger in das dichte, weiße Fell. Dann läuft er los und hetzt die Straße runter. Die anderen nehmen die Verfolgung auf, aber der Kerl ist verdammt schnell. Ich mache mich klein und drücke mich fest an seinen Körper. Wenn er das Tempo beibehält, gelingt die Flucht mit Sicherheit.

    Was für ein Tag. Ich habe mit so einigem gerechnet, als ich die Stadt betreten habe, aber das überstieg meine kühnsten Vorstellungen. Wäre mir dieser fremde Wolf nicht zur Hilfe geeilt, hätte das Ganze schlecht für mich enden können. Das alles war wohl ein glücklicher Zufall, falls es tatsächlich einer war. Ich habe einige Fragen an den mysteriösen Unbekannten. Sobald er zurück ist, werde ich sie ihm stellen.

    Momentan hocke ich auf einem durchgelegenen Bett in einem dunklen Zimmer. Die Fenster sind mit Holzbrettern zugenagelt und es kommen nur wenige Lichtstrahlen in den Raum. Der weiße Wolf hat mir versichert, dass uns die anderen hier nicht finden werden. Hoffentlich irrt er sich da nicht.

    Die provisorische Dusche, die ich gerade hatte, tat wirklich gut. Es gibt hier zwar weder fließend Wasser noch Strom, aber es ging trotzdem. Der Unbekannte hat mir das Bad gezeigt, in dem sich ein riesiger Wassertank befindet. Mit Eimer, Schwamm und Bürste konnte ich dann endlich den Dreck der letzten Wochen abwaschen und meine Wunden reinigen. Danach waren meine Klamotten an der Reihe, die nun im Bad zum Trocknen hängen. So sitze ich also frisch gewaschen und in ein großes Tuch gewickelt auf dem Bett und warte auf die Rückkehr des Wolfes, der gesagt hat, dass er noch etwas erledigen müsse.

    Mittlerweile bin ich mir sicher, dass ich ihn noch nie gesehen habe. Ich muss zugeben, dass ich im ersten Moment schockiert war. Ein weißer Wolf eilt mir zur Hilfe. Was in dieser Situation mein erster Gedanke war, ist ja wohl ziemlich offensichtlich. Ich habe schon lange nicht mehr an Jake gedacht, aber nun?

    Plötzlich geht die Tür auf und ein großer, schlanker Mann tritt in den Raum. Er schließt die Tür hinter sich. Ich bleibe starr auf dem Bett sitzen und warte auf eine Reaktion. Als er mich überrascht ansieht, erschrecke ich. Ist das vielleicht jemand anderes?

    „Tut mir leid, ich wusste nicht, dass du nichts anhast." Er wendet sich ab. Na schön, es ist doch der weiße Wolf von vorhin. Ich erkenne ihn an seiner Stimme. So sieht er also als Mensch aus. Groß und schlank, hellbraune Haare, grüne Augen. Mit den zerrissenen Jeans, dem schwarzen Hemd und den ebenso schwarzen Lederstiefeln hat er etwas von einem Helden aus einem Wildwestfilm. Dieses Bild muss ich mir merken, um zukünftigen Missverständnissen aus dem Weg zu gehen.

    Ich ziehe das Tuch etwas fester um meinen Körper: „Keine Sorge, ich bin ja nicht völlig nackt. Du kannst die Augen ruhig wieder aufmachen. Etwas zögerlich folgt er meiner Anweisung. Dann bemerke ich den Rucksack, den er in der rechten Hand hält und deute darauf. „Was ist das?

    Er kommt zu mir und stellt ihn aufs Bett: „Ich war unterwegs, um meine Spuren zu verwischen und ein paar neue zu machen, die das Rudel in die Irre führen sollen. Dabei habe ich etwas zum Versorgen deiner Wunden geholt." Schnell entfernt er sich von mir und setzt sich auf einen Stuhl an der Wand. Er wirkt noch etwas unsicher mir gegenüber. Kein Wunder, schließlich hat er mich vermutlich eine Zeit lang beobachtet, bevor er mir geholfen hat.

    „Danke. Ich öffne den Rucksack und schaue mir dessen Inhalt an. Darin befinden sich Verbandszeug, Desinfektionssalben und mehrere Pflaster. „Wo hast du all das her? Diese Stadt sieht nicht gerade so aus, als könnte man das mal schnell um die Ecke in einem Laden kaufen.

    Lächelnd und offensichtlich amüsiert über meine Worte antwortet er mir: „Da hast du allerdings recht. Ich habe diverse Verstecke für solche Dinge. Man weiß nie, was einem passieren kann. Vorsicht ist besser als Nachsicht, finde ich." Da bin ich seiner Meinung. Er scheint nichts dem Zufall zu überlassen. So fühle ich mich zumindest ein wenig sicherer bei ihm. Inwiefern ich ihm vertrauen kann, weiß ich jedoch noch nicht. Eigentlich wirkt er nett. Außerdem hätte er mir schon längst etwas getan, wäre das seine Absicht. Von ihm geht also keine Gefahr aus.

    Dennoch stelle ich weitere Fragen: „Du lebst also schon länger hier?"

    Nickend stimmt er zu: „Kann man so sagen. Ich weiß gar nicht mehr, wie lange es her ist, dass ich hier bin. Vielleicht ein Jahr oder zwei." Ein sesshafter Wolf, der in einer Stadt lebt. Erneut kommen Erinnerungen hoch.

    Trotzdem verstehe ich eines noch nicht ganz: „Warum lebst du genau in dieser Stadt? Es gibt viel schönere Orte auf dieser Welt, glaub mir. Außerdem kann man die Nachbarschaft nicht gerade als freundlich bezeichnen. Er schweigt und meidet meinen Blick. Da habe ich wohl einen wunden Punkt erwischt. Dieser Wolf hat eine Geschichte zu erzählen, das sieht man ihm an. Und ich bezweifle, dass es eine gute ist. „Du musst mir nicht antworten, wenn du nicht willst.

    Bedrückt schaut er zu Boden: „Tut mir leid, aber das ist keine Geschichte, die man jedem einfach so erzählt. Schließlich kenne ich dich nicht."

    Das bringt mich gleich zu meiner nächsten Frage: „Und genau das verstehe ich nicht ganz. Du hast keine Ahnung, wer ich bin oder wo ich herkomme. Warum also hast du vorhin dein Leben riskiert, um mir zu helfen?"

    Er legt seine Füße auf den kleinen Hocker vor ihm und schlägt die Beine übereinander: „Es gibt ein Sprichwort, das mein Handeln bestens beschreibt. Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Das dachte ich mir. Dieser Wolf hegt einen Groll gegen Leader und dessen Rudel. „Und gute Freunde findet man in dieser Gegend eher selten.

    Ich frage weiter: „Lebst du allein hier? Er nickt. „Und du kommst mit dem Rudel nicht klar?

    Es folgt ein kurzes Lachen: „Das kann man wohl sagen!" Leider bringt mich diese Information nicht weiter. Dieser Wolf macht mich neugierig. Hinter seinem Handeln steckt sicher mehr.

    Also beschließe ich, die Sache zu verkürzen: „Okay, reden wir Klartext. Du hast dich vorhin selbst in Gefahr gebracht, um eine wildfremde Wölfin zu retten. Ich glaube kaum, dass du das einfach getan hast, um eine gute Tat zu vollbringen. Außerdem bist du im Streit mit dem Rudel, das mich zuvor angegriffen hat. Ich sehe ein Muster hinter all dem, du nicht auch?" Es liegt doch wohl auf der Hand. Der Feind seines Feindes ist sein Freund und somit auch sein Verbündeter. Er erhofft sich eine Gegenleistung, ganz klar.

    Seine Miene ist nun ernst: „Gut, ich hatte zwar gehofft, dass ich das Ganze etwas ausschmücken und netter formulieren kann, aber du hast völlig recht. Bei meiner Rettungsaktion habe ich durchaus nicht nur an dein Wohl gedacht. Ich habe dich kämpfen sehen. Du bist unglaublich."

    Bevor er weitersprechen kann, unterbreche ich ihn: „Du brauchst also meine Hilfe, sehe ich das richtig? Tja, wenn das so ist, will ich aber zuvor deine Geschichte hören. Versteh mich nicht falsch, ich werde diese Feiglinge keinesfalls ungestraft davonkommen lassen, aber dennoch interessieren mich deine Beweggründe. Erst wenn du mir alles gesagt hast, werde ich darüber nachdenken, dir zu helfen."

    Verständnisvoll blickt er mir in die Augen und beginnt anschließend zu erzählen: „Gut, es ist natürlich dein gutes Recht, alles zu erfahren. Wie gesagt, es ist keine Geschichte, die man jedem so einfach erzählt. Sie beginnt vor drei Jahren, als ich noch ein glückliches Mitglied in meinem eigenen Rudel war. Ich lebte weit nördlich in einem Gebiet, in dem es selbst im Sommer oft schneite. Die Kälte machte mir nie etwas aus, da ich dort geboren wurde. Mein Leben war nahezu perfekt, auch wenn ich keine Eltern mehr hatte."

    Ich falle ihm ins Wort: „Wie sind sie gestorben?"

    Er zuckt mit den Schultern: „Ein Jagdunfall. Nichts Besonderes eigentlich, aber das ist eine andere Geschichte. Ich nicke nur und bin wieder still. „Dennoch war ich nicht allein. Das Rudel war immer für mich da. Außerdem gab es da noch meine kleine Schwester. Sie war noch ein Welpe, als meine Eltern gestorben sind und von da an habe ich geschworen, sie immer zu beschützen. Ich hätte mein Leben für sie gegeben, wenn es denn sein müsste. Eines Tages aber wurde diese Idylle innerhalb kürzester Zeit zerstört. Der Angriff eines anderen Rudels traf uns hart. Wir waren völlig unvorbereitet, immerhin hat uns dieses Gebiet schon seit Jahrhunderten gehört. Leader und seine Schergen haben keine Rücksicht genommen und wollten unsere Heimat um jeden Preis für sich beanspruchen. Zum Glück hatten wir einige gute Kämpfer, mich eingeschlossen. Ich habe mich ins Gefecht gestürzt und gemeinsam konnten wir das feindliche Rudel verjagen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich leider noch nicht, welche Verluste wir erlitten hatten.

    Seinen letzten Gedanken ausführend blicke ich zu Boden: „Ihr habt sie also ziehen lassen, ohne sie zu verfolgen."

    „Genau so war es. Er atmet tief durch, bevor er weiterspricht. „Wir konnten nicht ahnen, dass das Rudel so groß war. Während sich die Frauen und Kinder im hinteren Teil des Waldes versteckt hatten, kam ein weiterer Teil von Leaders Anhängern zu ihnen. Als wir glaubten, dass das Gefecht bereits vorbei gewesen sei, hörten wir plötzlich die Kampfgeräusche. Wir ließen keinen von ihnen entkommen, nachdem wir gesehen hatten, wie viele Welpen sie auf dem Gewissen hatten. Meine Schwester hatte tapfer gekämpft, um alle zu schützen und konnte sie lange genug zurückhalten, damit ihnen nicht noch mehr Jungtiere zum Opfer fielen. Leider bezahlte sie dafür mit dem Leben. Er spricht nicht mehr weiter. Man braucht ihn nicht zu kennen, um zu sehen, wie sehr ihn das mitnimmt.

    Auch ich habe meinen Kopf noch gesenkt: „Das tut mir leid. Ich weiß, wie es ist, jemanden zu verlieren, der einem nahesteht. Du darfst aber nicht vergessen, dass deine Schwester einen ehrenvollen Tod gestorben ist, den Tod einer Wölfin." Ich selbst weiß nur zu gut, wie wenig diese Worte bringen, aber etwas anderes kann man dazu nicht sagen. Das Wissen, dass sie für eine gute Sache gestorben ist, macht ihren Tod vielleicht ein wenig erträglicher.

    Das sieht mein Gegenüber wohl genauso wie ich: „Du glaubst gar nicht, wie sehr es mich mit Stolz erfüllt hat, als mir die übrigen Mitglieder meines Rudels erzählt haben, wie tapfer sie gekämpft hat. Leider blieb immer mein schlechtes Gewissen. Ich hätte für sie da sein sollen, war es aber nicht. Mein Versprechen, sie zu schützen, habe ich nicht eingehalten. Das veranlasste mich dazu, einen neuen Schwur zu leisten." Er hebt seinen Kopf und in seinen Augen erkenne ich ein Gefühl, das ich mir durchaus bekannt ist. Hass. Ganz klar, er will Rache.

    Ich sehe ihn lange und eindringlich an: „Du willst denjenigen zur Rechenschaft ziehen, der den Angriff angeordnet hat, nicht wahr? Du willst Leader."

    Er ballt seine Hände zu Fäusten: „Genau genommen will ich seinen Kopf. Der Rest ist mir egal. Seit fast drei Jahren bin ich ihm nun schon auf den Fersen, bis er sich schließlich in dieser Stadt niedergelassen hat. Leider hatte ich bisher noch keine Chance, ihn zu erwischen. Er ist extrem vorsichtig und bleibt stets bei seinem Rudel, dieser Feigling."

    Überrascht frage ich nach: „Weiß er etwa, wer du bist und was du vorhast?" Das würde die Sache verkomplizieren.

    Doch der Wolf antwortet mir kopfschüttelnd: „Nein, er hat keine Ahnung. Ich habe im Geheimen agiert. Keiner wusste, dass ich sie verfolge. Die heutige Begegnung mit dem Rudel war die erste direkte Auseinandersetzung seit Jahren."

    Das verstehe ich nun nicht ganz: „Warum ist er dann

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