Stroh zu Gold: Entdecken, was mein Leben wertvoll macht
Von Nicole Schweiger
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Über dieses E-Book
Offen und ehrlich nimmt sie ihre Leserinnen und Leser mit auf die Suche nach dem Gold in ihrem Leben: nach dem, was wirklich Sinn und Halt gibt, dem Besonderen und Schönen.
Ermutigend, reflektierend und lebensnah schreibt die Bloggerin, Pädagogin und Mutter über ihre Familie, ihren Glauben, ihre Werte und ihre Lebenserfahrungen.
Anhand persönlicher Beispiele lädt sie dazu ein, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen und nach bisher ungehobenen Schätzen im eigenen Leben zu suchen. Ein inspirierender Erfahrungsbericht über Wertschätzung, Lebensorientierung, Ermutigung und Motivation.
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Buchvorschau
Stroh zu Gold - Nicole Schweiger
Nicole Schweiger
Stroh zu Gold
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Die verwendeten Bibelstellen wurden entnommen aus:
Lutherbibel (LUT), revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe
© 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Gute Nachricht Bibel (GNB), revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe
© 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Hoffnung für alle (HfA), © 1983, 1996, 2002 by Biblica Inc®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung von 'fontis – Brunnen Basel. Alle weiteren Rechte weltweit vorbehalten.
© 2019 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Agentur 3Kreativ, Essen, unter Verwendung zweier Bilder
von © Shutterstock/Iuzvykova Iaroslava (Abb. Hintergrund)
und © Shutterstock/Big Foot Productions (Abb. Stroh)
Hintergrundgrafik: © kjpargeter - de.freepik.com
Bilder im Innenteil: © bei der Autorin
Lektorat: Anja Lerz, Duisburg
DTP: Breklumer Print-Service, www.breklumer-print-service.com
Verwendete Schrift: Scala Sans, FF Scala
Gesamtherstellung: PPP Pre Print Partner GmbH & Co. KG
ISBN 978-3-7615-6665-7 E-Book
www.neukirchener-verlage.de
Inhalt
Schmutztitel
Impressum
Ein paar Worte zu Beginn
1. Aufbruch und Reise
2. Zwischenzeit
3. Ankommen
4. Erwachsen werden
5. Heimat finden
6. Familienleben
7. Wert-voll leben
8. Kreativität
9. Geborgenheit
10. Glauben
11. Dankbarkeit
12. Ermutigung
13. Wertschätzung
14. Großzügigkeit
15. Nachhaltigkeit
16. Vom Ausmisten undPrioritäten setzen
17. Beziehungen leben
18. Bergfest
19. Zukunftsgedanken
20. Stroh zu Gold
Ein paar Worte zum Schluss
Verwendete Literatur und Lektüreempfehlungen
Ein paar Worte zu Beginn
„Ach, antwortete das Mädchen, „ich soll das ganze Stroh bis morgen zu Gold spinnen, aber ich weiß nicht wie.
¹
Es gibt eine schöne Metapher, deren Ursprung ich nicht kenne. Unser Leben wird mit einem gewebten Teppich verglichen. Die Rückseite scheint chaotisch und verworren. Ein Muster ist nur schwer zu erkennen. Hier und da hängen Fäden heraus. Dreht man den Teppich um, zeigt sich seine wahre Schönheit. Ein einzigartiges, individuelles Muster. So sind wir Menschen. Unser Leben lang knüpfen wir mit Gottes Hilfe an unserem Teppich. Und oft sehen wir nur die chaotische Rückseite, fragen uns nach dem Wie und Warum. Während wir versuchen, die Fäden zu entwirren, wird unser Lebensteppich weitergewebt. Manchmal mit hellen, fröhlichen Farben, manchmal mit dunkleren, melancholischen. Manchmal mit einem klaren, regelmäßigen Muster, manchmal auch ungleichmäßig. Und ab und zu findet man goldene Fäden. Hier und da blitzt ihr Glanz auf. Kleine goldene Fäden, von Gott in unser Leben gewoben. Erstaunlicherweise tauchen sie an unerwarteten Stellen auf. Zum Beispiel dort, wo eigentlich dunkle Farben vorherrschen. Lebensabschnitte, in denen wir schwere Zeiten durchmachen. Zeiten von Verlust und Trauer, Angst und Unsicherheit. Wenn wir diese Täler durchschreiten und das Erlebte in unsere Persönlichkeit integrieren, erwächst daraus etwas Wertvolles. Wir haben erlebt, dass Gottes Liebe trägt, und wir sind in der Lage, anderen Menschen in ähnlichen Situationen beizustehen.
Aber auch die scheinbar unauffälligen, oft langweilig wirkenden Flecken unseres Lebensteppichs sind von Goldfäden durchwirkt. Wo Tage und Monate sich wie Kaugummi ziehen, wo wir im Babyalltag zwischen Brei kochen und Haushalt stundenlang im Wartezimmer des Kinderarztes verbringen und nichts Aufregendes in unserem Leben passiert. Oder sich ein Arbeitstag an den anderen reiht und kein Ende in Sicht ist. Gerade hier schimmert es golden. In Zeiten geistlicher Durststrecken, in denen wir tagein, tagaus unseren unaufgeregten Alltag leben, während Gott uns begleitet und formt, nicht selten, ohne dass wir es bemerken.
Wie oft haben wir nichts anderes als Stroh zu bieten. Ausgedroschene trockene Halme, scheinbar zu nichts nutze. Und dann nimmt Gott unser Alltagsstroh und verwandelt es in Gold. Wie Rumpelstilzchen im gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm. Aber im Gegensatz zu diesem kleinen, koboldhaften Wicht fordert Gott keine Gegenleistung von uns.
Mit vierzig plus in der Lebensmitte angekommen, trete ich einen Schritt zurück und betrachte meinen Teppich einmal von beiden Seiten. Ich führe kein außergewöhnliches Leben. Die spannendsten Stellen meiner Biografie lassen sich in der Kindheit finden. Danach wird es ruhig. Keine Auslandsaufenthalte, abgesehen von den jährlichen Familienurlauben. Keine missionarischen Einsätze, keine Promotion. Mein Leben gleicht eher einem ruhigen Fluss. Aber auch ich entdecke Gold in meinem Teppich. #Wonder in the little things. Wenn ich in Ruhe reflektiere, sehe ich sie, die Wunder. „Für die Welt bist du irgendjemand, aber für irgendjemand bist du die Welt, lautet ein beliebter Postkartenspruch. Es kommt also darauf an, alles in die „richtige
Perspektive zu rücken. Bei Gott gibt es keine Hierarchien, keine Wettbewerbe. Er widmet sich jedem einzelnen Lebensteppich mit derselben Hingabe. Der Hausfrau, dem Professor, der Theologin und dem Krankenpfleger. Alle Lebensgeschichten sind einzigartig und wertvoll. Egal, wer du bist, ob dein Leben gerade spannend verläuft oder unspektakulär: Ich möchte dich einladen, dir deinen Lebensteppich genauer anzusehen und die Goldfäden darin zu entdecken. Und wenn du möchtest, nehme ich dich mit auf meine Entdeckungsreise. Zu Heimatwechsel und kindlichen Prägungen, durch turbulente und ruhigere Familien- und Arbeitszeiten. Und weil der Teppich ja noch nicht fertig gewebt ist, zu ein paar Zukunftsvisionen. Im Vertrauen darauf, dass es Gott ist, der die Fäden in der Hand hält.
1. Aufbruch und Reise
„Das Leben ist eine Reise, die heimwärts führt."²
Leipziger Hauptbahnhof, 3. April 1984: Unter den Rundbögen aus Stahl und Glas warteten am späten Abend sechs Menschen auf die Bahn Richtung Nürnberg. Meine Oma, mein Onkel und ein Freund der Familie waren gekommen, um meine Eltern und mich zu verabschieden. Ich war ein achtjähriges Mädchen, das mit seinen Eltern einen Zug ins Ungewisse bestieg und bei aller Nervosität auch vorfreudig und mit Hoffnung erfüllt war. Nach meinem damaligen Kenntnisstand sollte ich meine Freunde und Verwandte erst wiedersehen, wenn wir alle Rentner waren, denn dann wurden Besuchsanträge von Ost nach West bewilligt.
Wie hat diese Erfahrung von Abschied und Trennung, aber auch von Aufbruch und Neubeginn mein Leben geprägt? „Woher komme ich? Was bin ich? Wohin gehe ich?³ Die sogenannte Biografiearbeit beschäftigt sich mit genau diesen Fragen, die dabei helfen sollen, den roten Faden in der eigenen Lebensgeschichte zu entdecken. Diese bewusste Selbstreflexion unterstützt die Weiterentwicklung der Persönlichkeit. Sie kann Antworten auf Fragen geben, wie „Warum bin ich heute so wie ich bin, warum fühle/verhalte ich mich so und nicht anders?
⁴. Bei der Biografiearbeit geht es darum, die Lebenserfahrungen der Vergangenheit so in die Gegenwart zu integrieren, dass sie mir dabei helfen, sowohl mein heutiges Leben gut zu gestalten als auch eine positive Perspektive für meine Zukunft zu entwickeln.
In diesem Buch steckt viel von meiner Lebensgeschichte. Es spannt einen weiten Bogen von den Wurzeln in der Kindheit über mein heutiges Leben in Familie, Beruf und Gemeinschaft bis hin zu den Plänen für meine Zukunft. Es ist deshalb sehr persönlich geschrieben. Vermutlich sieht dein eigenes Leben völlig anders aus. Schau es dir doch einmal genauer an. Es gibt viele Anlässe dafür. Vielleicht bist du gerade Mutter geworden und willst dir deine eigenen Prägungen bewusst machen, bevor du Spuren im Leben deines Kindes hinterlässt. Oder du befindest dich – wie ich – in der Mitte des Lebens und hast das Bedürfnis, mal eine Bestandsaufnahme zu machen. Vielleicht haben dir auch deine Enkel eines dieser Bücher mit Titeln wie „Oma, erzähl mal" in die Hand gedrückt. So ein Rückblick kann schmerzhaft sein, und manchmal ist es sinnvoll, sich dafür seelsorgerliche Unterstützung zu holen. Ich verspreche dir aber, dass es eine echte Bereicherung für dein Leben ist. Eine Entdeckungsreise. Bei mir führte sie zu intensivem Austausch mit meinen Eltern, in dem ich das erste Mal bewusst ihre Perspektive einnahm, ihre Lebensleistungen würdigte und einiges besser verstand. Auch meinem inneren Kind schenkte ich Aufmerksamkeit. Ich entdeckte goldene Fäden in meinem Leben: die Stärke, irgendwo in der Fremde ganz von vorne anzufangen. Die tiefe, enge Verbundenheit mit meiner Familie, die den dringend nötigen Halt dafür gab, später aber auch die Abnabelung beim Erwachsenwerden erschwerte. Durch das Verstehen und Akzeptieren meiner Lebensgeschichte gewinne ich eine verständnisvollere, gelassene Haltung mir selbst gegenüber. Ich kann mich bewusst entscheiden, einige Verhaltensweisen beizubehalten und andere zu verwerfen. Stroh wird zu Gold.
„Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir", heißt es in Hebräer 13,14.
Zu DDR-Zeiten in Leipzig geboren, verbrachte ich knapp neun Jahre Kindheit im „Osten. Dann wurde der Ausreiseantrag meiner Eltern nach langer Wartezeit und diversen Schikanen bewilligt. Ich weiß, dass die Entscheidung meiner Eltern, sich von ihrer Heimatstadt zu verabschieden und einen völligen Neuanfang zu wagen, auch mit mir zu tun hatte. Es ging ihnen weniger um die Reisefreiheit und den „goldenen Westen
als vielmehr um ein Leben in Demokratie, wo sich jeder Mensch nach seinen Möglichkeiten entfalten kann. Meine Mutter hatte nicht studieren dürfen, weil ihr Vater im „kapitalistischen Ausland lebte und sie keiner Partei angehörte. Da sollte es mir – dem einzigen Kind – besser gehen. Im Oktober 1979 war mein in Bremen lebender Großvater, den ich nie kennengelernt hatte, gestorben. Meine Mutter und ihr Bruder durften nicht zur Beerdigung ihres Vaters reisen. Zu diesem Zeitpunkt reifte der Entschluss meiner Eltern, einen Ausreiseantrag zu stellen. Sie begründeten ihre Entscheidung mit dem Wunsch nach „Familienzusammenführung
, weil ein großer Teil unserer Familie in Bayern lebte. Dabei beriefen sie sich auf die KSZE-Schlussakte von Helsinki (1975)⁵ und Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO (1948), wonach
1) jeder das Recht hat, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen, und
2) jeder das Recht hat, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.⁶
Mit der Antragstellung begann für meine Eltern eine ungewisse Wartezeit. Meinem Vater wurde seine Arbeitsstelle als Lehrmeister in der Maurerausbildung gekündigt. Auch meine Mutter war „für einen sozialistischen Betrieb untragbar" geworden. Dieser Staat, dessen Stärke darin bestand, niemanden ohne Arbeit auf der Straße seinem Schicksal zu überlassen, hatte keine Verwendung mehr für meine Eltern, wollte unsere Familie aber auch noch nicht aus seinen Klauen entlassen.
Ich weiß nicht, wann der Spruch „Jeder ist seines Glückes Schmied zum Lebensmotto meiner Eltern wurde. Aber dieser Zeitpunkt könnte der Anfang gewesen sein. Unsere Kernfamilie wurde noch enger zusammengeschweißt. Wir drei waren eine Einheit, unabhängig von System oder Heimatort. Meine Eltern verließen sich auf keinen Staat, sondern ausschließlich auf sich, und sie arbeiteten in den folgenden Jahren hart, um uns eine neue Existenz aufzubauen. „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott
, heißt es. Rückblickend würde ich sagen, dass uns Gott ziemlich viel geholfen hat. Bis zu unserer Ausreise, die immerhin erst vier Jahre später erfolgen sollte, fand mein Vater Arbeit in einem der wenigen privaten Betriebe der DDR und darüber hinaus einen guten Freund in seinem neuen Vorgesetzten.
Vier Jahre Leben auf Abruf. Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen. Die Entscheidung zu gehen war getroffen, aber niemand wusste, wie lange es bis zur Bewilligung des Ausreiseantrags dauern würde. Eine völlig ungewisse Zeit zwischen Abschied und Aufbruch. Jahrelang Alltag in dem Wissen, dass es jeden Tag losgehen kann. Das muss schwer gewesen sein.
Wie oft sitzen wir in unserem Leben auf gepackten Koffern? Nicht mehr hier und noch nicht dort. Die Entwicklungspsychologie spricht bei diesen besonderen Übergängen von Transitionen. „Es sind Lebensphasen, die von hohen Anforderungen, Veränderungen der Lebensumwelten und einer Änderung der Identität geprägt sind"⁷, ausgelöst durch einschneidende Ereignisse. Beginnend in der Kindheit, wenn die Kleinen in Krippe oder Kindergarten das erste Mal regelmäßig für mehrere Stunden von ihren Eltern getrennt sind, bis hin zur späteren beruflichen Biografie (Wechsel der Arbeitsstelle). Negative Erlebnisse wie Scheidung, der Tod einer nahestehenden Person oder Arbeitslosigkeit fordern uns heraus, aber auch