50 Jahre Fußball-Bundesliga: Tore, Dramen und Skandale
Von Karlheinz Mrazek, Matthias Greulich und Sven Simon
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Rezensionen für 50 Jahre Fußball-Bundesliga
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Buchvorschau
50 Jahre Fußball-Bundesliga - Karlheinz Mrazek
Impressum
Vollständige eBook-Ausgabe der im Copress Verlag erschienenen
Printausgabe (ISBN 978-3-7679-0921-2).
Umschlaggestaltung: Stiebner Verlag GmbH
Lektorat: Pierre Sick
Überarbeitung, Aktualisierung und Erweiterung: Matthias Greulich –
www.rund-magazin.de
Alle Fotos von: SVEN SIMON
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
2. vollständig überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe des 2003 erstmals erschienenen Titels »40 Jahre Bundesliga« von Karlheinz Mrazek
© 2003, 2012 Copress Verlag in der Stiebner Verlag GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags.
ISBN 978-3-7679-2000-2
www.copress.de
Inhaltsverzeichnis
Zu diesem Buch
Als die Bundesliga laufen lernte 1963 - 1968
Die Ängste des Franz Kremer
Kein Platz für den FC Bayern
Köln der Zeit voraus
Robert Schwan als »Volontär« in Köln
60 Prozent Eigengewächs
Max Merkel packte die Koffer
17 Spiele ohne Gegentor
Für den Titel noch nicht reif
Tod am Radio
FC Bayern gegen alle I 1968 - 2002
Der Abstieg des Meisters
Gewagte Vergleiche
Breitner ließ sich nichts gefallen
Beckenbauer mit 20 ein Weltstar
Einfluss auf die Personalpolitik
Rekorde für die Ewigkeit
Kein Jubel auf Münchens Straßen
Netzer sagte dem FC Bayern ab
Keine Freigabe für Gerd Müller
Schalke mit den meisten Zuschauern
Lattek nicht mehr tragbar
Mit Cramer auf Platz zehn
Weisweiler zum FC Barcelona
Zu Spielerverkäufen gezwungen
Sepp Maier kassierte 64 Tore
HSV-Spieler wählten Gutendorf ab
Keegan als »Mighty Mouse«
VfB–Zauber mit Hansi Müller
Toppmöllers folgenschwere Ohrfeige
Neudecker trat verärgert zurück
Uli Hoeneß Manager mit 27
Drama um HSV-Trainer Zebec
Spaß am Fußball durch Happel
»Mister Frankfurt« sagte goodbye
Benthaus als Meistermacher
Viel Geld für Rummenigge
Champion mit nur 22 Gegentoren
Heynckes versprach den Europapokal
Effenbergs dummer Spruch
17 Millionen Mark für Kohler
Rehhagel schockierte Bremen
Eine Ansammlung von Hochkarätern
Beim »FC Hollywood« überfordert
Dortmund zog das große Los
Spekulationen um Sammer
Das Wunder Kaiserslautern
Viermal Meister mit Hitzfeld
Mit zwei Tschechen zum Titel
Das 40. Jubiläumsjahr
»Dortmund bekam die Quittung«
Toppmöller zu euphorisch
»Zu groß für die Liga, zu klein für Europa«
FC Bayern gegen alle II 2003 - 2010
Werder mit Raute und »Kugelblitz« Ailton
Das Double ist nicht genug
Nörgelei, Kritik und Michael Ballack
Junge Schwaben überholen »Retro-Bayern«
Der große Griff ins Festgeldkonto
Wolfsburg mit Magath auf dem Hügel
»Feierbiest« Louis van Gaal
Zwei Dortmunder Jahre
Jugend statt Routine
Statt Absturz ein Rekord
Vizekusen liegt in München
Entscheidungen auf der Ziellinie
Erregt über Torpfostenurteil
Hoeneß überbringt Hiobsbotschaft
»Bayern eine einsame Größe«
Preisschießen der Gladbacher
Aus für Rehhagel nach dem 0:12
Kutzops folgenschwerer Fehlschuss
Dortmund verflucht Bayer
»Sie haben uns den Titel gestohlen!«
Ballacks verflixtes Eigentor
Schalke »Meister der Herzen«
Overaths Tor der Freude
Ein Norweger rettet Frankfurt
Originale – wo sind sie geblieben
Berti war sein Lieblingsgegner
Dörfel: »Ich bin der Erfinder der Bananenflanken«
Platzverbot beim HSV
Die Ausflüge des »Radi« Radenkovic
Bank samt Trainer gestemmt
Mit der Schnupftabakdose unterwegs
Zum Schluss Krach mit Völler
Warme Abschiedsworte für Basler
Den »Blitzkneißer« hochgenommen
Flucht nach Amerika
Doppelpass mit Pelé
Gerd Müller nach Florida
Comeback beim Hamburger SV
1984 Derwalls Nachfolger
»Eine Millionen pro Monat«
Go West - der Exodus der ostdeutschen Spieler
Thom war der erste »Überläufer«
Hoeneß: »Das ist Menschenhandel«
25 Millionen für Heinrich!
Beckenbauers großer Irrtum
Wie die Einkommen explodierten
1400 Mark für Beckenbauer
»Hans Schäfer bekam mehr«
Mit »Jägermeister« begann es
Ausrüster zur Kasse gebeten
Uli Hoeneß hatte die Nase im Wind
Teure Italien-Rückkehrer
Aufschrei nach Bosman-Urteil
Grünes Licht für Ausländer
Kirch rettete die Schuldenklubs
Nur die Topgehälter explodierten
Arm & Reich
Bayer begann als »graue Maus«
Goldgrube Olympiastadion
»Aufrüstung zur Geldmaschine«
Finke und das »Modell Freiburg«
Cissé mit fast einem Jahresetat Gewinn verkauft
Kein »Klassenkampf« mehr auf dem Kiez
Die Psychotricks der Trainer
Streit als Erfolgsrezept
Hemmungsloser Daum
Mit nackten Füßen über Scherben
Toppmöller schleppte einen Adler an
Die Kunst der Motivation
Klopp als neuer Happel
Kuriositäten
Zwei Narben am Po …
Pfaffs unglückliche Premiere
Wirbel um ein »Phantom-Tor«
Die »verrückte Bogenlampe«
Drei Eigentore in einem Spiel
Emotionen
Stein war schon »vorbelastet«
Klinsmanns Tritt gegen Tonne
»Schwach wie Flasche leer«
Lizarazu ohrfeigte Matthäus
Die Hotellampen zerschossen
Toppmöller verteidigte Kahn
Fünf Mark für die S-Bahn
Helden für einen Tag
Vier Tore gegen Uwe Seeler & Co.
Bayern staunten über Hausmann
Niere und Milz entfernt
Applaus sogar von Sepp Maier
Fischer-Ersatz schoss Köln k. o.
Fünf Tore gegen Oliver Kahn
Der Bundesligaskandal
Mit Geldkoffer an der Raststätte
Manglitz bekam kalte Füße
»Allein gegen die Mafia«
Meineidprozess gegen Schalke-Profis
Amnestiewelle des DFB
… und andere Skandale
Hertha in die Regionalliga verbannt
0:7 weckte Verdacht …
Ein Buch kostete die Karriere
Geständiger Betrüger
Hölzenbein am Gefängnis vorbei
In der Not das Stadion verkauft
Mit Otto in den Untergang
Die Kokainaffäre des Christoph D.
Gerichtsverfahren eingestellt
Die Hoyzer-Affäre
Der Tod von Robert Enke
Depressionen und Versagensängste
Zum Tagesgeschäft übergegangen
Rangnick mit Erschöpfungssyndrom
Von »Radi« bis Ribéry
Von Perusic bis Ibisevic
Weisweiler auf »Dänenfang«
Bastrup und Lerby zweimal Meister
Tita der erste brasilianische Star
Dunga – ein Spieler nach Maß
Pflichtgefühl kontra Sonnenhunger
Marcelinho und der Familienclan
Ribèry Fußballer des Jahres
Torgefährliche Niederländer
Die ersten Stars aus dem Internat
Immer schön tiefstapeln
Persönlichkeiten, keine »Sauhunde«
Die Liga im Wandel der Medien
Inszenierte Spannung
»Bleiben Sie jetzt unbedingt dran«
Die »Chefchen«-Affäre
Vom Stadion zur Arena
Roastbeef wichtiger als das Spiel
WM 2006 sorgt für Bau-Boom
Zuschauer als Claqueure
Wohin geht die Reise?
»Ein Quantensprung«
Sparkurs auf Schalke und bei Bayer
Die profitabelste Liga Europas
Statistik
Alle Meistermannschaften seit 1964
Abschlusstabellen
Die Bundesliga nach 49 Spielzeiten
Die Spieler mit den meisten Bundesliga-Einsätzen
Die Zuschauerzahlen
Die Bundesliga-Torjäger
Die Bundesliga-Torschützenkönige
Die Fußballer des Jahres
Die höchsten Transfersummen
Vorwort
Zu diesem Buch
50 Jahre Bundesliga – ein reizvoller Anlass, die spannende Geschichte der Liga noch einmal zu erzählen. Eine Geschichte, die alle Extreme kennt: großartige Spiele, spannende Entscheidungen und groteske Fehlentscheidungen, utopische Vorhaben, Schulden und Skandale.
Die Bundesliga ist als Abbild der Gesellschaft faszinierend und schockierend zugleich und auf alle Fälle nie langweilig und nach wie vor der Deutschen liebstes Kind: Erstmals kamen in der Saison 2011/12 durchschnittlich mehr als 45 000 Zuschauer pro Spiel in die modernen Arenen. Keine andere Liga der Welt zieht so viele Zuschauer an.
In diesem Buch können Sie lesen, »wie die Bundesliga laufen lernte«, den unaufhaltsamen Aufstieg des FC Bayern verfolgen und feststellen, dass Klubs wie der VfL Borussia Mönchengladbach, der Hamburger SV, der SV Werder Bremen und der BV Borussia Dortmund versuchten, den Münchnern den Weg zum Branchenprimus so schwer wie möglich zu machen.
Die Geschichte der Bundesliga wäre freilich unvollständig ohne den Bundesligaskandal, die Drogenaffäre des Trainers Daum, den Exodus der DDR-Spieler nach dem Mauerfall oder die »Völkerwanderung« nach dem Bosman-Urteil, das die Einkommen explodieren ließ.
All das und noch viel mehr lesen Sie in diesem Buch, das bereichert wird durch viele textbezogene Fotos, eine Fülle von Zitaten, Randgeschichten in großer Zahl und eine umfangreiche Statistik.
Die Autoren, im Sommer 2012
Als die Bundesliga laufen lernte 1963 – 1968
Jahrelang lag der Plan in seiner Schublade. Lebhaft unterstützt von Bundestrainer Sepp Herberger kämpfte Franz Kremer, der weitsichtige Präsident des 1. FC Köln, mit Verve und Geduld um eine eingleisige nationale Fußball-Liga. Die Installation war längst überfällig, wurde aber von Vereinsfunktionären und regionalen Verbandsoberen beharrlich blockiert.
Erst deftige Pleiten deutscher Klubs im Europapokal (1. FC Nürnberg 0:6 bei Benfica Lissabon, 1. FC Köln 1:8 beim FC Dundee), der Niedergang der Nationalmannschaft (bei der WM 1962 frustrierender Defensivfußball und das Aus im Viertelfinale) und nicht zuletzt der Wechsel etlicher Nationalspieler ins Ausland (Albert Brülls, Helmut Haller, Karl-Heinz Schnellinger, Horst Szymaniak, Erwin Waldner, Rolf Geiger, Jürgen Schütz, Klaus Stürmer) ließ die Zahl der »Betonköpfe« schrumpfen.
Ein Mann der ersten Stunde: Uwe Seeler (Mitte) war 26, als die Bundesliga begann. In neun Jahren, zwischen 1963 und 1972, brachte er es beim Hamburger SV in 239 Spielen auf 137 Tore. Ein Achillessehnenriss im Februar 1965 in Frankfurt konnte die Karriere von »Uns Uwe« nur unterbrechen. Im September 1965 schoss er beim 2:1-Sieg in Schweden die Nationalmannschaft zur WM nach England.
Die Ängste des Franz Kremer
Dennoch quälten Kremer Ängste, als »sein Kind« am 28. Juli 1962 im Goldsaal der Dortmunder Westfalenhalle aus der Taufe gehoben werden sollte. Zum Glück waren sie unberechtigt: Mit 103 zu 26 Stimmen wird die notwendige Zweidrittelmehrheit für das »Staatstheater Bundesliga« (so ein Kommentator) klar übertroffen. Den Vollprofi einzuführen, dazu kann sich der DFB-Bundestag nicht durchringen. Der alte Amateurgedanke geistert durch das erste Bundesligastatut, das viele Mängel hat, und das zum Manipulieren und zu Schwarzgeldzahlungen geradezu einlädt (siehe auch: »… und andere Skandale«).
Kein Platz für den FC Bayern
Ärger gab es bei der Auswahl der 16 Gründungsklubs. Für Wilhelm Neudecker, den dynamischen Präsidenten des FC Bayern, war es ein Affront des DFB, den Traditionsklub von der Isar nicht zu berücksichtigen. Der TSV 1860 München, der 1. FC Nürnberg, Eintracht Frankfurt, der VfB Stuttgart und der Karlsruher SC erhielten die fünf Plätze für den Süden. In hölzernem Deutsch wurde dem FC Bayern vom DFB-Beirat mitgeteilt, dass es wenigstens im Jahr der Einführung der Bundesliga im allgemeinen Interesse des gesamten Fußballs nicht ratsam erscheint, zwei Vereinen am gleichen Ort eine Lizenz für die Bundesliga zu erteilen.
»In diesen Tagen wurde die Grundlage für einen gewissen Verfolgungs- und Verschwörungswahn des FC Bayern gelegt, der sich trotz des Aufstiegs des Klubs zum deutschen Rekordmeister bis heute gehalten hat,« schreibt Dietrich Schulze-Marmeling in seinem Buch »Die Bayern«.
Köln der Zeit voraus
Die Empörung in der Republik hielt sich freilich in Grenzen. Die Fußballfans waren auf den 24. August 1963 fixiert, den Tag des Startschusses in ein neues Fußballzeitalter. Timo Konietzka vom Deutschen Meister Borussia Dortmund erzielte in Bremen das erste Bundesligator in der 1. Minute und Uwe Seeler vom Hamburger SV im Jahr der Premiere die meisten Treffer (30). Doch den Titel holte, wie erwartet, der 1. FC Köln, der Anfang der sechziger Jahre der Zeit weit voraus war. Im Gegensatz zu den meisten anderen Klubs beschäftigten die Rheinländer ihre Spieler wie die Vollprofis in England und Spanien. Franz Kremer hatte für sie durchweg zusätzliche Ein nahmequellen erschlossen, die ihnen finanzielle Sorgen nahmen. Der Inhaber eines Geschenkartikel-Großhandels vermittelte seinen Fußballangestellten Tankstellen und Toto-Lotto-Läden, in denen sie hauptsächlich repräsentierten. Bei der Konkurrenz wurde wie bisher vorwiegend am Abend trainiert. So saß zum Beispiel Nationalspieler Alfred »Aki« Schmidt von Borussia Dortmund täglich ein paar Stunden im Büro des Stahlkonzerns Hoesch, um sich ein Zubrot zu verdienen.
Kein Foto vom ersten Bundesligator
Vom ersten Bundesligator gibt es keine Aufnahme. Der Grund: Alle Fotografen hatten sich hinter dem Tor von Borussia-Torhüter Hans Tilkowski niedergelassen und so den Treffer des Dortmunders Timo Konietzka in der 1. Minute verpasst. Das Spiel im Weserstadion gewann Werder Bremen mit 3:2.
Dieter Seeler, hier bedrängt von Kölns Weltmeister Hans Schäfer, spielte von 1963 bis 1965 beim HSV neben seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Uwe. Wenige Tage vor seinem 48. Geburtstag starb Dieter Seeler an Herzversagen.
Die Kölner spielten den perfektesten Fußball aller Mannschaften und besaßen 1963 mit Wolfgang Overath und Wolfgang Weber zwei 19-jährige Talente, die schon bald in Herbergers Notizbuch auftauchten.
Von Hans Schäfer, dem Weltmeister von 1954 gelenkt, inszenierten sie einen Offensivfußball, den ähnlich attraktiv nur noch die Dortmunder Borussia zelebrierte. Thielen, Schäfer, Christian Müller, Overath und Hornig stürmten für die Kölner, Wosab, Schmidt, Brungs, Konietzka und Emmerich für die Westfalen, die am Ende mit Platz vier vorliebnehmen mussten. Die Schlagzeilen gehörten dem Meidericher SV, der 1966 in MSV Duisburg umbenannt wurde, und seinem Trainer Rudi Gutendorf. Mit einer ausgeklügelten Defensiv taktik verteidigten die Duisburger bis zum Schluss Platz zwei, und Gutendorf erhielt den wenig schmeichelhaften Namen »Riegel-Rudi«.
Platzverweis für einen »Helden von Bern«
Helmut Rahn, der 1954 mit seinem Tor zum 3:2 über Ungarn die deutsche Nationalmannschaft in Bern zum Weltmeister machte, erlebte den Start der Bundesliga beim Meidericher SV. In 19 Spielen erzielte er acht Treffer. Mehr mediale Aufmerksamkeit fand der einzige Platzverweis in der Karriere des Esseners: Im Bundesligaspiel gegen Hertha BSC flog Rahn auf die alten Tage wegen Tätlichkeit gegen den Berliner Harald Beyer vom Platz. Bundesligaluft schnupperten noch zwei weitere »Helden von Bern«. Max Morlock brachte es in 21 Spielen für den 1. FC Nürnberg auf acht Tore, Hans Schäfer in 39 Spielen für den 1. FC Köln auf 20 Treffer.
Robert Schwan als »Volontär« in Köln
Der Auftritt der Kölner war so überzeugend gewesen, dass die Rhein länder auch in die zweite Bundesligasaison als heißer Favorit gingen und Besuch aus München bekamen. Bayern-Präsident Neudecker und Manager Robert Schwan hielten es für geboten, in Köln Anschauungsunterricht in modernem Management zu nehmen. Doch die Vision von einer Dauerherrschaft in der noch jungen Bundesliga und die Illusion, ein deutsches Real Madrid zu werden, sollte sich beim 1. FC Köln schnell in Luft auflösen.
Die Kölner waren die Attraktion im Jahr der Bundes ligapremiere. Hier die Mannschaft, die 1964 Meister wurde (von links): Hans Schäfer, Fritz Ewert, Hansi Sturm, Leo Wilden, Helmut Benthaus, Wolfgang Weber, Karl-Heinz Thielen, Fritz Pott, Wolfgang Overath, Heinz Hornig und Toni Regh.
Schon im zweiten Jahr musste die Mannschaft, die bis auf die Westfalen Heinz Hornig und Helmut Benthaus durchweg aus Rheinländern bestand, Werder Bremen den Vortritt lassen. Trainer Willi »Fischken« Multhaup, später erfolglos in Köln tätig, hatte den Gladbacher »Eisenfuß« Horst-Dieter Höttges und den Schalker Stürmer Klaus Matischak an die Weser gelockt. Höttges bildete mit Sepp Piontek eine Verteidigung, deren Härte (und Klasse) die Gegenspieler schmerzvoll zu spüren bekamen. Unbegreiflich blieb, dass der FC Schalke 04 mit Nationalspielern wie Willi Schulz, Hans Nowak und dem jungen Reinhard »Stan« Libuda die Saison als Tabellenletzter (!) beendete. »Interne Ränkeschmiede und Intriganten sorgten für einen unerklärlichen Leistungsabfall,« notierte ein Kritiker. Der Abstieg blieb dem Traditionsklub aus dem »Pütt« dennoch erspart.
19 Jahre jung, dribbelte Reinhard Libuda gleich im ersten Bundesligajahr in die Schlagzeilen. Nach zwei Jahren Spiel beim FC Schalke 04 trug der »Stan«, wie er in Erinnerung an Stan Matthews getauft wurde, drei Jahre das Trikot des BV Borussia Dortmund. 1968 kehrte er zu den »Königsblauen« zurück.
Nachdem Hertha BSC Berlin wegen statutenwidriger Finanzgebaren ausgeschlossen worden war (siehe auch: »… und andere Skandale«), erweiterte der DFB die Liga auf 18 Klubs.
60 Prozent Eigengewächs
Frischen Wind brachten 1965 zwei Aufsteiger in die Liga, die die siebziger Jahre dominieren sollten. Der FC Bayern mit Trainer Tschik Cajkovski und der VfL Borussia Mönchengladbach mit Trainer Hennes Weisweiler waren gleich ein Hit; sie mischten die Etablierten gehörig auf. Schon am zweiten Spieltag bezwang die Münchner Mannschaft, in der 60 Prozent der Akteure aus dem eigenen Nachwuchs kamen (Beckenbauer, Maier, Nafziger, Kosar, Kunstwadl, Kupferschmidt, Brenninger, Rigotti), die Frankfurter Eintracht mit ihrem Paradesturm Grabowski (damals noch Rechtsaußen), Lindner, Sztani, Huberts, Lotz mit 2:0. Auch den Münchner »Löwen« zog der Aufsteiger das Fell über die Ohren. 0:3 unterlag das Team um Torhüter Radenkovic, um die exzellenten Außenläufer Luttrop und Perusic und das renommierte Angriffsquartett Heiß, Konietzka, Brunnenmeier, Grosser und Rebele.
»In den ersten Jahren unter Weisweiler fuhren die Borussen am Vorabend eines Spiels noch geschlossen mit dem Bus ins Kino. Später dann blieb der Hennes im Hotel, drosch mit Freunden bei Pils und Fernet Branca einen zünftigen Skat, während die Spieler in Privatautos zum Kino fuhren. Den Abschluss bildete meist eine wilde Rallye zurück zum Hotel.«
Jupp Heynckes in seinem Lehrbuch: »Fußball aktiv – Training und Spiel«
Trainer Max Merkel holte Timo Konietzka 1965 von der Dortmunder Borussia zum TSV 1860 München, wo der ehemalige Bergarbeiter in 47 Spielen 30 Treffer erzielte und wesentlichen Anteil am Gewinn der Meisterschaft 1966 hatte. In die Historie ging Konietzka als Schütze des ersten Bundesligatores ein.
Am Ende feierte München den TSV 1860 mit seinem Trainer Max Merkel als Meister und den FC Bayern als Bundesligadritten und Pokalsieger. In einer Umfrage nach dem sympathischsten Bundesligateam der Saison ging die Beckenbauer-Truppe vor Meister 1860 und Dortmund als Sieger hervor – ein bemerkenswerter Erfolg, denn immerhin waren die Westfalen als Europapokal sieger der Pokalsieger (2:1 in der Verlängerung gegen den FC Liverpool) aus Glasgow heimgekehrt.
Maximal 1200 Mark Monatslohn
Das erste Bundesligastatut erlaubte den Spielern keine großen Sprünge. Die monatlichen Grundbezüge (Gehalt plus Leistungsprämien) durften 1200 Mark im Regelfall nicht überschreiten. Eine Höherdotierung »besonders qualifizierter Spieler« bedurfte einer gutachterlichen Stellungnahme bzw. einer Genehmigung des DFB-Spielausschusses. Die Sonderprämien für Meistertitel und Pokalsieg durften maximal 2000 bzw. 1500 Mark betragen. Die Höchstgrenze für Ablösesummen war 50 000 Mark. Im Falle der Freigabeverweigerung des alten Vereins drohte eine Sperre von zwölf Monaten. Vereinswechsel waren nur nach Ablauf der Saison möglich.
Max Merkel packte die Koffer
Mit dem gleichen Titel wie Dortmund schmückte sich dann ein Jahr später die junge Bayern-Mannschaft. Im Finale von Nürnberg besiegte sie die Glasgow Rangers durch ein Tor von Franz »Bulle« Roth, der zwei Jahre zuvor noch für den C-Klassen-Verein TSV Bertelshofen gespielt hatte, mit 2:1. In der Meisterschaft aber reichte es 1967 nur für Platz sechs, der Tanz auf drei Hochzeiten (Bundesliga, DFB-Pokal, Europapokal) war eine zu große Belastung gewesen. Auch für den TSV 1860 lief nicht alles nach Wunsch. Max Merkel hatte mit Torhüter Wolfgang Fahrian von Hertha BSC seinem Intimfeind Petar Radenkovic einen Rivalen vor die Nase gesetzt und Libero Friedel Lutz von der Frankfurter Eintracht geholt, die Talfahrt seiner Mannschaft indes nicht verhindern können. Nach elf Spieltagen waren die »Löwen« Vorletzter und Merkel ratlos. Ehe es zum Eklat kam, packte der Wiener seine Koffer und heuerte beim 1. FC Nürnberg an. Mit Nachfolger Gunter Baumann robbte sich der TSV 1860 schließlich noch an Dortmund und Frankfurt vorbei auf Platz zwei hinter Eintracht Braunschweig.
17 Spiele ohne Gegentor
Die Niedersachsen als Meister hatte keiner auf der Rechnung. Die Mannschaft von Disziplinfanatiker Helmut Johannssen erinnerte in ihrer betont defensiven Spielweise an den berüchtigten Catenaccio von Inter Mailand. Freunde des schönen Fußballs nannten die Braunschweiger verächtlich »Spielverderber«.
Das Team stützte sich auf eine solide Abwehr mit Torhüter Horst Wolter, der in 17 Spielen ohne Gegentor blieb und insgesamt nur 27 Treffer hinnehmen musste, Libero Joachim Bäse, Vorstopper Peter Kaack, dem später bei einem Autounfall tödlich verunglückten Jürgen Moll und Stürmer Lothar Ulsaß.
In der Saison 1967/68 machte Max Merkel in Nürnberg schon vor dem Anpfiff auf sich aufmerksam: Der Österreicher hatte gleich elf Spieler ausgemustert (unter anderem Publikumsliebling Stefan Reisch und Tasso Wild). Und tatsächlich gelang es seiner Mannschaft, eine Mixtur aus Kondition, Zweikampfstärke und Spielfreude, die gesamte Konkurrenz zu distanzieren und Meister zu werden. »Die Athleten beißen und die Techniker spielen lassen«, so übersetzte Stürmerstar Georg Volkert, 1977 mit Felix Magath beim HSV Europapokalsieger der Pokalsieger, Merkels Erfolgsphilosophie.
Vertrag auf dem Bierdeckel
In den ersten Bundesligajahren wurden Verträge schon mal per Handschlag abgeschlossen. Üblich war dies in Mönchengladbach zwischen Trainer Hennes Weisweiler und Manager Helmut Grashoff. Es konnte aber auch vorkommen, dass als Dokument für eine Gehaltsvereinbarung ein Bierdeckel herhalten musste. So geschehen auf der Rückfahrt von einem Spiel der Münchner »Löwen« Mitte der 60er Jahre nach einem Vier-Augen-Gespräch zwischen Trainer Max Merkel und Klubpräsident Adalbert Wetzel.
Für den Titel noch nicht reif
Der FC Bayern und die Gladbacher Borussia mussten einsehen, dass sie für den Titel noch nicht reif waren. Weisweilers »Fohlen«-Elf wirbelte zwar