Wilhelm Tell, Import - Export: Ein Held unterwegs
Von Michael Blatter und Valentin Groebner
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Über dieses E-Book
Michael Blatter und Valentin Groebner folgen dem Mann mit der Armbrust auf seinen Streifzügen. Sie berichten von Tells Auftraggebern, die seine Geschichte für ihre Zwecke immer wieder neu und anders präsentiert, umgeschrieben und nachgespielt haben; und sie zeichnen nach, wie der Rebell kritisiert, in Erz gegossen, totgeschwiegen und verbrannt wurde. Ein historischer Essay mit überraschenden Bezügen zur Gegenwart - und ohne den bitteren Ernst, der Geschichten nationaler Gründerfiguren so oft eigen ist.
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Buchvorschau
Wilhelm Tell, Import - Export - Michael Blatter
Inhalt
Tell im Bild
Prolog
Eine Kanzlei unter Druck
Krieger, Helden und Geschäftemacher
«Erberkeit» oder «Pöwel»
Richtige und falsche Tellen
«William», «Guillermo», «Guillaume»
Geschichtskino im Kopf
Wo steckt das Historische im Ursprung?
PS: Ein Western aus Uri
Bibliografie
Dank
Autoren
1 Das früheste Bild von Wilhelm Tell, erschienen in der ersten gedruckten gesamtschweizerischen Chronik, in Petermann Etterlins «Kronica» aus dem Jahr 1507.
2 Aegidius Tschudis Wilhelm Tell, am unteren Rand der Seite über «den tällen». Ein paar Striche, eine Kritzelei, eine Karikatur? Urschrift des «Chronicon Helveticum» von Aegidius Tschudi, um 1560.
3 Wilhelm Tell in der Helvetischen Republik, unterwegs im ganzen Land, als Briefkopf auf jedem offiziellen Dokument. «Reise-Pass für das Innere der helvetischen Republik», 19. August 1799.
4 «Er ist aus Einem Stück. Es ist der physische Muth, die Herculesnatur, die stählernen Nerven, (…) die ihn zum Heroen in seinem Kreise stempeln.» Stahlstich von Friedrich Pecht in der «Schiller-Galerie» von 1859, einer Zusammenstellung von Charakteren aus Schillers Werken.
5 Eine spätmittelalterliche Kleinfamilie in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Robert Freitag als Tell im Film «Wilhelm Tell» von Michel Dickoff, 1961.
6 Die Neue Linke demonstriert am 1.-Mai-Umzug 1970 beim Helvetiaplatz in Zürich für Solidarität mit Vietnam. Ho Chi Minh bekommt auf dem Transparent Schützenhilfe von Wilhelm Tell und Delacroix' Marianne.
7 Bierdeckel der Luzerner Brauerei Eichhof, Herbst 2015.
8 Performance «tell me» von Christoph Rütimann, 7. Juni 2004 im hinteren Schächental mit dem Clariden.
Prolog
Wilhelm Tell ist kein Freiheitskämpfer. Er ist auch kein Gründervater, Attentäter oder Revolutionär. Er ist die griffige Hauptfigur einer guten Geschichte. Ein Agent, ständig unterwegs, in wechselnden Verkleidungen – im Auftrag derjenigen, die seine Geschichte erzählen.
Von diesen Erzählern und ihren verschiedenen Versionen handelt dieses Buch. Erzählen klingt wie eine freundliche und harmlose Tätigkeit, aber die hat es in sich. Erzählungen, hat Hans Blumenberg notiert, sollen immer etwas vertreiben. «Im harmlosesten (aber nicht unwichtigsten) Fall: die Zeit.»¹ Geschichten sind fliegende Teppiche, mit denen man eine Figur wie den Tell flott über grosse Zeiträume transportieren kann. Die authentische Urzeit – der Ur-Sprung, könnte man sagen – ist jeweils genau dort, wo Tell gerade zur Armbrust greift. Dieses wahre Mittelalter kann offensichtlich immer wieder neu re-installiert werden – vom 13., 14. und 15. Jahrhundert bis in die Zeitalter der Eisenbahnen, Flugzeuge und Maschinenpistolen. Max Frisch, dessen ironischer «Wilhelm Tell für die Schule» bei seinem Erscheinen 1971 in der Schweiz wütende Reaktionen ausgelöst hat, hat darin auf eine besondere Eigenschaft der Tell-Erzählungen hingewiesen: Ihre Wiederholbarkeit. «Nicht zu Unrecht, wenn auch zur allgemeinen Empörung», meinte er, «haben die palästinensischen Attentäter, die in Zürich am 18. Februar 1969 aus dem Hinterhalt ein startendes El-Al-Flugzeug beschossen, sich auf Wilhelm Tell berufen. Die Vogt-Tötung bei Küssnacht, wie die schweizerischen Chroniken sie darstellen, entspricht den Methoden der ‹El-Fatah›.»²
Tell ist, neben vielem anderen, eben auch ein Terrorist aus dem Mittelalter. Was hat die Tell-Geschichten über die Jahrhunderte so unwiderstehlich gemacht? Erzählen, schreibt der Literaturwissenschaftler Albrecht Koschorke in seinem Buch «Wahrheit und Erfindung», heisst Filtern, Weglassen, Umbauen. Erzählen lässt störende Details verschwinden, verwandelt kompliziertes Unbekanntes in Vertrautes und verdichtet es zu einprägsamen Schemata.
Eine Geschichte ist deswegen eine gute Geschichte, weil sie immer wieder neu erzählt werden kann. Sie erzeugt ihre eigenen Varianten, Spielplätze sozusagen, auf denen Abweichungen getestet werden können, ohne dass die ganze Erzählanordnung bedroht wird. Unser Mann mit der Armbrust bekommt im Lauf seiner Karriere nicht nur wechselnde Namen, sondern auch sehr verschiedene Gegner, Familienangehörige und Verbündete: Diese Ungenauigkeiten und Vieldeutigkeiten vermindern aber die Wirkung der Erzählungen nicht, sondern verstärken sie. Denn Erzählen ist auch immer die nachträgliche Integration von wechselnden neuen Elementen – schliesslich soll der Ursprung auch zu dem passen, was später passiert ist.
Erzählungen handeln deswegen von abgeschwächten, uneindeutigen Kausalitäten. Sie müssen einen Bruch mit den Erwartungen der Zuhörer vollziehen, aber dieser Bruch muss selbst neuen Sinn erzeugen. Glaubwürdig wird dabei derjenige Erzähler, der einen solchen Ausnahmefall überzeugend mit einem Akteur und einer Absicht versehen kann. Ohne einen ordentlichen Helden geht das nicht. «Der Held ist unverzichtbar», so Koschorke trocken, «weil er erfolgreich Sinn reduziert.»
Und Kommentare produziert, könnte man ergänzen. Wer im 21. Jahrhundert über Wilhelm Tell schreibt, sieht sich im Wortsinn Bergen von Literatur gegenüber – es gibt vermutlich keine andere Figur der Schweizer Geschichte, über die auch nur annähernd ähnlich viele gelehrte Bücher geschrieben worden sind.³ Blättern wir nach. Was hat den Mann mit der Armbrust so unwiderstehlich und verlockend gemacht?
Eine Kanzlei unter Druck
Es ist der Michaelstag 1854 in Sarnen, als Gerold Meyer von Knonau im Archiv des Kantons Obwalden die Zeilen «Nu was da ein redlicher man hiess der thäll» entdeckt.⁴ Gerold Meyer von Knonau ist Staatsarchivar des Kantons Zürich. Die Obwaldner Regierung hat ihn gebeten und beauftragt, das Archiv des Kantons Obwalden «zeitgemäss» in Ordnung zu bringen.⁵ Dabei kommt ihm ein handgeschriebenes «Copialbuch» aus dem 15. Jahrhundert in die Hände, 508 Seiten aus gutem, weissem Papier zwischen zwei soliden Buchdeckeln aus Holz, 30 Zentimeter hoch, 22 Zentimeter breit, eingebunden in weisses Schweinsleder, ⁶ auf dem Einband die Notiz «Das sogenante älteste / weiße Bůch / oder / Abschriften der / alten Bündnüßinen».⁷ Fast zuhinterst, auf Seite 447, der «thäll».⁸
Gerold Meyer von Knonau weiss, dass er eine Sensation in seinen Händen hält, den ältesten Beleg für den «thäll». Er bespricht seinen Fund mit Kollegen, und offenbar macht die Entdeckung schnell die Runde, zu schnell für Gerold Meyer von Knonau. 1856, ein Jahr ehe er selbst seinen Fund sorgfältig kommentiert und «mit Bewilligung der Hohen Regierung von Obwalden» in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlichen kann, ⁹ berichtet er gleich selbst in der