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Staunen: Tor zur Wirklichkeit
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eBook99 Seiten1 Stunde

Staunen: Tor zur Wirklichkeit

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Über dieses E-Book

Staunen ist nicht nur ein Thema für die Sonntagslektüre. Es enthält mehr als das Zitat von Plato, wonach das Staunen der Anfang aller Philosophie ist. Staunen ist Suche nach dem verlorenen Kind in uns, ist Offenheit für Wirklichkeit und zugleich Kulturkritik. Es bewahrt uns davor, vor der Schnelligkeit und der Komplexität unserer Zeit zu kapitulieren.
Mit literarischen Anspielungen, biblischen Bezügen und Anknüpfungen an Ignatius von Loyola wirbt Josef Bill dafür, sich immer neu vom Staunen/Staunen-Können überraschen und beschenken zu lassen.
SpracheDeutsch
HerausgeberEchter Verlag
Erscheinungsdatum1. Sept. 2019
ISBN9783429064518
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    Buchvorschau

    Staunen - Josef Bill

    Vorwort

    Im Jahr 2015 hat das Wort der deutschen Bundeskanzlerin »Wir schaffen das!« zumindest anfangs zum Teil große Zustimmung in unserer Bevölkerung gefunden, im Verlauf aber auch für so manche Aufregung und Irritation gesorgt. Gründe dafür werden bis heute in vielen Diskussionen leidenschaftlich erörtert. Das »Schaffen und Machen« ist zunächst einmal eine Ermutigung, Dinge direkt und gemeinsam anzugehen: »Es gibt viel zu tun, packen wir es an.« Diese Einstellung hat die »Trümmerfrauen« nach dem Krieg zum Wiederaufbau motiviert und beigetragen zum Schaffen von Wohlstand. Auch aller Fortschritt in Technik und Gesellschaft atmet diese Einstellung des Zugreifens. Freilich bekommen wir auch die Kehrseite oder eine Gefahr dieser Haltung, wenn sie zu dominierend wird, zu spüren. Viele Lebensumstände in unseren Breiten sind heute bei vielen fast nur noch von Tempo und Beschleunigung bestimmt: Alle Dinge müssen schnell gehen, am liebsten ganz schnell. Eine vielfach gebrauchte Entschuldigung, die wir nahezu jeden Tag einmal zu hören bekommen, lautet: »Ich habe jetzt keine Zeit, vielleicht später einmal.« Das macht zuweilen den Eindruck einer Unfähigkeit innezuhalten, auf etwas zu lauschen, etwas geduldig zu erwarten, ohne zu meinen, es sofort nach seinem Zweck und Nutzwert befragen zu müssen.

    Wir umschreiben solche Augenblicke des Innehaltens, des Sich-überraschen-Lassens, im positiven Sinn gern als ein Staunen. Das Geltenlassen und Überraschtsein von etwas völlig Unerwartetem. Von etwas, was in sich groß und geheimnisvoll oder auch einfach nur liebenswert und schön ist. Von diesem Staunen soll auf den folgenden Seiten die Rede sein. Diese Rede bzw. Schreibe wird auf verschiedene Wege führen: Es wird auf das Staunen in ganz alltäglichen Situationen verwiesen wie das kleine Staunen über einen unvermutet schönen Sonnentag, einen überraschenden Besuch, eine Entdeckung beim Lesen bis hin zu jenem Staunen, das nach Aristoteles und Plato der Anfang aller Philosophie, allen Denkens ist. Schließlich gibt es ein Staunen, das hinführt zum absoluten Ergriffensein von der eigenen Existenz und der unfassbaren Wirklichkeit Gottes.

    Als eine Veröffentlichung in der Reihe der Ignatianischen Impulse wird an verschiedensten Stellen auf die Rolle des Staunens bei Ignatius Bezug genommen werden. Es ist dies eine Wahrnehmung, die vielleicht nicht als Erstes jedem einfällt bei der Nennung ignatianischer Spiritualität, die aber – vielleicht erstaunlicherweise für manche – als ihre durchgehende Dynamik gesehen werden kann.

    Die direkten Verweise auf Ignatius beziehen sich auf Nummern des Exerzitienbuches (EB), seine Autobiographie, den Bericht des Pilgers (BdP) oder auf Seiten der Werkausgabe der Ignatiusbriefe von Peter Knauer im Echter Verlag (BK).

    Der Beitrag möchte nicht nur eine Art sonntäglich-besinnliche Erörterung über das Staunen mit sprechenden Zitaten sein, sondern auch ein kritischer Blick auf ein wachsendes Schwächeln bzw. fast eine Unfähigkeit zu wirklichem Staunen. Der Text ist gewoben aus menschlichen Erfahrungen, biblischen Verweisen und ignatianischer Spiritualität. Es soll der Blick dafür geöffnet werden, dass das Staunen: Tor zur Wirklichkeit ist.

    Plädoyer für das Staunen – das Wunder der Wirklichkeit

    In einer großen Tageszeitung erschien ein Leitartikel mit der Überschrift »Plädoyer für das Staunen«. Ich war nicht wenig überrascht über das etwas ausgefallen klingende Thema und begann zu lesen. Es handelte sich bei dem Artikel um eine etwas ausführlichere Notiz über die Kasseler Musiktage und die Faszination, die sie auslösten. Es hieß da: »Plädoyer für das Staunen«, und ich fragte natürlich: Was meint eine solche Überschrift? Es hieß da unter anderem: »Die Natur, den Sinnen unmittelbar zugänglich, liefert den Verständniszugang zur Musik. Doch nicht die Erkenntnis ist das Ziel, sondern das Staunen in Umkehrung der These des Aristoteles, dass das Staunen am Anfang der Philosophie stehe. Den Menschen in den Zustand des Staunens zu versetzen ist das Ziel der Kunst, die der Natur folgt. Das Staunen aber ist das Verhältnis des Menschen zur Welt als Schöpfung, in der sich ein unfassbarer Schöpfer offenbart« (FAZ vom 3. November 2016).

    Wie man dies auch genauer denken und kommentieren mag, Staunen gehört zum Wesensbestand jedes Menschen und weist zugleich über ihn hinaus. Es ist die Wahrnehmung und Reaktion auf Großes: auf Schönheit, auf Überraschung, auf Äußerungen von Liebe, auf Großartigkeit im Großen und im Kleinsten, auf das Wunder gelingender Begegnung und auf das Leben überhaupt. Zumeist ist auch das Moment der Überraschung dabei. Für gottgläubige Menschen ist Gott, die Gottesursprünglichkeit von Welt und Sein der Urgrund allen Staunens.

    Das Staunen ist immer auch Tor zur Wirklichkeit; manchmal ist ein Türspalt offen und manchmal die ganze Tür sperrangelweit; manchmal wie durch ein Schlüsselloch geschaut und manchmal meeresgroß; manchmal über ein glitzerndes Sandkorn und ebenso im Blick auf eine ganze Bergwelt.

    Mir scheint, dass es heute nur wenige Dinge gibt, die dem Menschen so unverzichtbar nötig sind wie das Staunen. Es ist kein Geheimnis, dass in einer Zeit ungeordneter und oft auch hemmungsloser Geschwätzigkeit viel geredet wird, ohne viel zu sagen. Die Fähigkeit und Begabung der Menschen, staunen zu können, will uns nur daran erinnern, dass unsere Sensibilität weit größer ist als das, was wir meinen, in Worten ausdrücken zu können. Es gibt tausend Dinge, die uns geistig überwältigen, ohne dass es uns gegeben wäre, sie in Worte zu fassen. Darum ist es auch nicht selten so, dass einen zumindest das große Staunen und nicht nur das kleine Stutzen sprachlos machen kann.

    Staunen in der ganzen Breite und Tiefe seiner Bedeutung äußert sich auf vielfache Weise: Wir erschrecken, verstummen, ahnen etwas Geheimnisvolles, verneigen uns im Stillen vor etwas, das größer ist als wir selbst. Das deutsche Wort »staunen« meinte ursprünglich: »starren, vor Schrecken zittern, alle kräffte sinken lassen« (Grimm). Heute versteht man darunter: »Mit großer Verwunderung wahrnehmen, sich beeindruckt zeigen und Bewunderung ausdrücken« (Duden).

    Staunen muss etwas zu tun haben mit einem geistigen Ergriffensein, es ist ein augenscheinliches, vielleicht sogar plötzliches Überwältigtwerden von etwas, was schön ist, begehrenswert macht und was letztlich doch nicht erfasst und begriffen werden kann.

    Staunen also, dieses Überrascht- und Überwältigtsein von etwas Großem und gänzlich Unvermuteten, das ist auch Begabung, die dem Menschen geschenkt ist in der Berührung mit dem Wunder der Wirklichkeit. Der Mensch berührt in einer geschenkten Unmittelbarkeit etwas vom Wunder des Seins.

    Wenn dieses Kapitel überschrieben ist mit »Plädoyer für das Staunen«, dann ist dies gleichbedeutend mit einem Eintreten für die Wirklichkeit. In

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