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Kein Leben wie jedes andere: Zwischen den Stühlen
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eBook170 Seiten2 Stunden

Kein Leben wie jedes andere: Zwischen den Stühlen

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Über dieses E-Book

Wo persönlich Erlebtes, wo Geschehen in seiner Zeit und so manche Episode festgehalten wird, da schreibt man auch Geschichte. Diese hier ist Konrad Dieblers, der für die Nachwelt festhält, was außergewöhnlich und beflügelnd, was suspekt und was kurios ist. In einem Leben, das in den fünfziger Jahren beginnt und als DDR-sozialisiert zu nennen ist. Da ist nicht nur von der »großen Wäsche« im Waschzuber, von Westfernsehen und langen Haaren die Rede, sondern auch von jenen Umständen, in die man systematisch gerät oder die sich einem bieten. Sowohl vor, als auch nach der Wende.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum28. Juni 2021
ISBN9783969405413
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    Buchvorschau

    Kein Leben wie jedes andere - Konrad Diebler

    Konrad Diebler

    KEIN LEBEN

    WIE JEDES

    ANDERE

    Zwischen den Stühlen

    Engelsdorfer Verlag

    Leipzig

    2021

    Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

    Copyright (2021) Engelsdorfer Verlag Leipzig

    Alle Rechte beim Autor

    Titelbild © Konrad Diebler

    Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

    www.engelsdorfer-verlag.de

    Inhalt

    Cover

    Titel

    Impressum

    Kind sein

    Schulkind sein

    In Lehre sein

    Vater und auf zack sein

    Selbständig sein

    Im Fieber des Jahrhunderts sein

    Privatier und im Bilde sein

    Dankbar sein

    Vita

    KIND SEIN

    „Sie können keine Kinder mehr bekommen", sprach der Frauenarzt zu meiner Mutter. Dieser Diagnose verdanke ich mein Leben.

    Meine Mutter wurde im Alter von 40 Jahren schwanger und ich kam am 10. März 1953 und damit zwei Monate zu früh auf die Welt. So früh, dass sie mich in einen Inkubator legten, den es zu dieser Zeit zum Glück schon gab.

    Meine Schwester Martina war damals schon 14. Sie war eine Hausgeburt gewesen und hatte ebenfalls als Siebenmonatskind das Licht der Welt erblickt. Die Aussage der Hebamme: „Die erlebt den nächsten Morgen nicht. Doch hatte sie die Rechnung ohne die Großeltern gemacht. Oma Ida sprach zu Opa Alwin, in einem Ton, der keine Widerrede duldete: „Geh in den Keller, hole Anbrennholz und Brikett und heize den Berliner Ofen an. Und so geschah es, dass am 8. August, einem heißen Sommertag, der Säugling in einen Wäschekorb gelegt und dieser auf den warmen Ofen gestellt wurde. Das winzige Mädchen erlebte den nächsten Morgen.

    Historisch gesehen war meine Geburt fünf Tage nach Stalins Tod. Doch was weiß man schon, wenn man in den Inkubator gelegt wird und bis Pfingsten auf der Neugeborenenstation der Universitätskinderklinik Leipzig liegt.

    Während dieser Pfingstfeiertage fuhren mich meine Eltern und meine Schwester erstmals im Kinderwagen aus. Die Schwangerschaft meiner Mutter war nicht auffällig gewesen. Es war Winter, meine Mutter vollschlank, ich klein und der Wintermantel verdeckte den Rest. So entstand das Gerücht Martina, meine Schwester, wäre mit 14 Jahren die Mutter.

    1953 sollte ein turbulentes Jahr werden. Stalins Tod und der Arbeiteraufstand am 17. Juni stellten einiges auf den Kopf. Mein Vater war selbständiger Tischlermeister und führte einen Betrieb mit 10 Mitarbeitern. Darum sollte er die Behandlung im Inkubator bezahlen.

    Zum Glück wurden die Forderungen bald fallen gelassen. Denn nach dem 17. Juni hatte sich die politische Lage etwas gedreht.

    Ich dagegen drehe die Zeit noch etwas weiter zurück und widme mich meinen Vorfahren.

    Mein Vater Martin wurde am 23. März 1908 in Tautenhain bei Geithain in Sachsen als sogenanntes Häuslerkind geboren. Häusler waren die Dorfbewohner, die weder zu den Bauern noch zu den Handwerkern gehörten und so über keinen Hof verfügten. Sie wohnten in einem kleinen Haus, deshalb Häusler. Meines Vaters Vater Robert, der dem Jahrgang 1876 entstammte war, was man damals einen Handarbeiter nannte. Er arbeitete im Sommer im Kalkbruch oder als Helfer auf dem Bau. Im Winter gab es für ihn meistens gar keine Arbeit. Seine Frau Hulda, geboren 1877, nähte für andere Leute und führte verschiedene Hilfstätigkeiten aus. Es herrschte eine große Armut in der achtköpfigen Familie. Die neben den Eltern aus drei Jungen und drei Mädchen bestand. Eine vierte Tochter war unehelich und einige Jahre älter. Sie wohnte jedoch nicht mehr zu Hause.

    Gehe ich geschichtlich noch weiter zurück, so waren die Vorfahren meines Großvaters Robert aus der Steiermark nach Thüringen eingewandert. Sie ließen sich erst in Gera und später in Weida nieder.

    Die Vorfahren meiner Großmutter Hulda hingegen stammten aus Oberwiesenthal im Erzgebirge.

    Wie mein Großvater von Weida nach Tautenhain kam, ist nicht bekannt. Hulda war als Kind mit ihren Eltern auch dorthin gezogen. Robert und Hulda verliebten sich und trotz des unehelichen Kindes nahm Robert seine Hulda im Februar 1903 zur Frau.

    Fünf Jahre später kam mein Vater zur Welt und Ostern 1914 wurde er eingeschult. Im darauffolgenden September musste sein Vater Robert für den deutschen Kaiser in den Weltkrieg ziehen, was die Not der Familie noch vergrößerte. Da auch viele Lehrer in den Krieg ziehen mussten, teilte man den Unterricht, vormittags Klasse 1 bis 4 und nachmittags Klasse 5 bis 8, wobei diese Klassenstufen jeweils zusammen unterrichtet wurden.

    Robert Diebler Soldat im 1. Weltkrieg

    Man schrieb das Jahr 1922, als mein Vater aus der Schule kam. Gegen seinen Willen musste er Knecht werden, ein sogenannter Osterjunge, bei einem Tautenhainer Bauern. Seinem Wunsch, ein

    Handwerk zu erlernen, wurde nicht entsprochen. Sein älterer Bruder Karl hatte es da besser. Er erlernte den Maurerberuf, wohnte noch zu Hause und die Eltern beköstigten ihn. Diese Ausgaben konnten die Eltern nur einmal tragen. Beim Bauern hatte mein Vater immerhin freie Kost und Logis.

    Familie Robert Diebler um 1920

    Doch nach zwei Jahren als Knecht hatte er genug von der Landwirtschaft. Er verließ den Bauern und machte sich selbst auf die Suche nach einer Lehrstelle.

    In Geithain hatte er Erfolg bei einem Stellmacher, bei dem er die vierjährige Lehre antreten konnte.

    Endlich ein Handwerksberuf. Darüber war er froh. Lohn bekam er nicht, hatte dafür aber freie Kost und Logis. Dazu kam, die Frau des Meisters betrieb einen Lebensmittelladen. In diesem musste er aushelfen und bekam dafür etwas Geld. Brauchte er ein paar neue Schuhe oder etwas zum Anziehen, so waren diese größeren Dinge das Weihnachtsgeschenk des Meisterpaares.

    1928 konnte mein Vater die Lehre als Stellmachergeselle abschließen. Wurde von seinem Lehrmeister leider nicht mehr übernommen, da dieser bereits im Rentenalter war und den Betrieb nicht weiterführte.

    Nach einigen weiteren Stationen kam mein Vater zu Beginn der 1930er Jahre dann nach Leipzig.

    Dort lebte auch meine Mutter. Sie wurde am 5. Januar 1912 in der Messestadt geboren.

    Ihr Vater Alwin Pehnert, Jahrgang 1886, war Geschirrführer. Ein Beruf, der dem heutigen Berufskraftfahrer entspricht. In dieser Zeit wurden die meisten Transporte noch mit Pferd und Wagen durchgeführt. So transportierte mein Großvater große Rollen Zeitungspapier vom Güterbahnhof in die Zeitungsdruckereien. Auch am Bau des Völkerschlachtdenkmals war er mit Baustofftransporten beteiligt gewesen.

    Meine Großmutter Ida, die Alwins Frau war, wurde 1889 geboren. Sie wusch für feine Herrschaften in deren Haushalt die Wäsche, bügelte und spannte Gardinen. Auch in der Küche wurde sie tätig. Ihre Herrschaften waren Inhaber der Gaststätte „Zum Thüringer Hof" und während der Leipziger Messen kochte auch sie mit in der traditionsreichen Gaststätte.

    Ida Pehnert

    Alwin und Ida stammten aus dem Dorf Mölbis südlich von Leipzig. Das einige Jahrzehnte später in der DDR traurige Berühmtheit erlangte. Es lag hinter dem Braunkohlenveredlungswerk Espenhain. Damit lag es in der Hauptwindrichtung. Viel Dreck und giftige Abgase zogen in das Dorf und machten die Bewohner, und besonders die Kinder, krank.

    Die Eltern von meinem Opa Alwin bewirtschafteten in Mölbis einen kleinen Bauernhof.

    Meine Oma Ida hingegen war das uneheliche Kind einer Magd in Mölbis. Es ging die Kunde, ein Butterhändler, der über die Dörfer zog und hier und da ein Kind zeugte, sei der Vater gewesen.

    Auch hieß es, der Dorfpfarrer habe der leiblichen Mutter den Säugling gegen ihren Willen weggenommen und ihn Pflegeeltern im Dorf übergeben. Dies war ein traumatisches Erlebnis für die leibliche Mutter.

    Nach Abschluss der Dorfschule ging meine Oma nach Leipzig in Stellung, d.h. sie wurde Dienstmädchen in einem vornehmen Haushalt. Putzen, waschen, kochen zählten zu ihren Aufgaben.

    Doch dann passierte es: Ihre Mutter hatte herausgefunden, wo sie wohnt, und wollte Kontakt mit ihr aufnehmen. Diesen Versuch hat meine Oma jedoch brüsk abgewiesen. Sie sagte ihr: „Ich habe keine Mutter!"

    Meine Großeltern, die nach eigenen Aussagen in Mölbis keinen Kontakt hatten, lernten sich in Leipzig kennen, lieben und heirateten 1911.

    1914 musste auch Alwin in den Weltkrieg ziehen. Er war bis 1918 an der Westfront, in Belgien und Frankreich im Einsatz. Er hat nie viel erzählt. Die Grauen im Schützengraben wurden nicht thematisiert, obwohl er zwei Mal verwundet wurde. Die einzige Schilderung über diese Zeit widmete er dem Essen.

    So erzählte er: „Im Winter lagen da im Freien große Berge gefrorener Rüben. Die Köche kamen mit dem Spaten und stachen welche ab. Die gaben sie so in den Kessel, so dass sie zusammen mit der Erde und den Ratten aufgetaut und gekocht wurden!"

    Hochzeit Alwin und Ida 1911

    Die Grauen des ersten Weltkrieges haben nach Erzählungen meiner Großeltern viele Menschen dazu veranlasst, aus der Kirche auszutreten. Auch meine Großeltern kehrten der Kirche von da an den Rücken. Ihre Tochter Herta wurde noch getauft, aber nicht mehr konfirmiert.

    Familie Pehnert um 1918

    Nach ihrem Schulabschluss 1926 erlernte meine Mutter den Beruf einer Kontoristin, Bürokauffrau nennt man diese Tätigkeit heute.

    Anfang der dreißiger Jahre geschah es. Da lernten sich im Volkshaus in der Leipziger Südvorstadt meine Eltern beim Tanz kennen. Vater war arbeitslos und meine Mutter arbeitete in ihrem Beruf in einer Spedition.

    Als mein Vater seine Herta heiraten wollte, hielt er bei Alwin „um ihre Hand an", d.h. er erbat das Ja für die Hochzeit.

    Herta und Martin als junge Menschen

    Mit der Frage: „Wie willst du sie denn ernähren?", verweigerte ihm Opa Alwin ihm die Zustimmung.

    Um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, machte sich Vater 1933 selbständig. Als Stellmacher baute er Handwagen und Fahrradanhänger. In dieser Zeit wurde der Skisport gerade populär. Dies brachte ihn auf die Idee, Skier zu reparieren, insbesondere abgebrochene Spitzen wieder anzubringen und einen Skiservice durchzuführen. Obendrein stellte er auch selbst Holzskier her, die in Sporthandlungen verkauft wurden.

    Seine erste Werkstatt war ein kleines Hofgebäude in der Johannastraße 11 in Leipzig Dösen.

    1935 dann übernahm er einen Kohle- und Holzhandel in der Leinestraße in Leipzig Dölitz.

    Hochzeit Martin und Herta 1935

    Dort richtete er sich seine Werkstatt ein. Neben dem Verkauf von Brikett und Feuerholz verlegte er sich bald auf den Bau von Wochenendhäusern. Diese wurden in der Werkstatt gebaut, auf dem Hof auf- und anschließend wieder abgebaut, zum Standort transportiert und dort endgültig errichtet.

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