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Im Gespräch mit Morrissey
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eBook640 Seiten8 Stunden

Im Gespräch mit Morrissey

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Über dieses E-Book

Mit seinen kontroversen Texten und provokanten öffentlichen Äußerungen sorgt er immer wieder für Diskussionen. Der überzeugte Vegetarier ist begeisterter Anhänger von Oscar Wilde, Dauer-Kritiker von Tony Blair und des englischen Königshauses; - und er lebt dabei in einem selbstgewählten Zölibat. Kein Zweifel: Der Sänger, Texter, Poet Steven Patrick Morrissey, der sich selbst einfach nur Morrissey nennt, ist eine schillernde Figur der Popwelt. Und seine Fangemeinde ist ebenso groß wie treu: Mit seinem neuen Album "Years Of Refusal" schaffte er 2009 in England Platz 3, in Deutschland Platz 4. Bekannt wurde Morrissey vor allem als Sänger der stilbildenden und erfolgreichen Achtzigerjahre-Indie-Band The Smiths. Nach dem Ende der Band im Jahr 1987 startete Morrissey eine erfolgreiche Solokarriere. Seine provokanten und zynischen Texte drehen sich um Themen wie Außenseitertum, Tierrechte, mehrdeutige Sexualität und unerwiderte Liebe. Selbstironie, persönliche Offenheit und intellektuelle Wortwitze sind typisch für seine lyrisch-literarischenTexte. Len Brown hat mit Morrissey im Laufe der Jahre mehr Interviews als jeder andere Journalist geführt. Gespräche, die häufig kein Ende fanden und in denen Morrissey Einblicke gewährte in seine Motive und Beweggründe, die er sonst verschlossen hält. Zahlreiche Fotos aus allen Schaffensphasen runden dieses bemerkenswerte Buch über Morrissey ab.
SpracheDeutsch
HerausgeberHannibal
Erscheinungsdatum26. Mai 2015
ISBN9783854454878
Im Gespräch mit Morrissey

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    Buchvorschau

    Im Gespräch mit Morrissey - Len Brown

    Cover.jpg246977.jpgLogo_Hannibal_s/w.JPG

    www.hannibal-verlag.de

    Widmung

    In liebender Erinnerung an meine Mutter Janet (MacLarty) Brown (1925–1993) und meinen Bruder Donald Robert Campbell Brown (1960–1982)

    Impressum

    Der Autor:

    Len Brown ist TV-Produzent und schreibt als Journalist für renommierte Magazine wie New Musical Express, Spin USA, Vox, The Guardian, The Observer, The Independent, South Shields Gazette und The East End News. Seine journalistische Arbeit ist teilweise dokumentiert im Internet unter www.rocksbackpages.com

    Titel der Originalausgabe:

    „Meetings With Morrissey", © 2008 by Omnibus Press, A Division of Music Sales Limited, London, ISBN: 978-1-84772-376-5

    Deutsche Erstausgabe 2010

    ISBN 978-3-85445-487-8

    Auch als Hardcover erhältlich mit der ISBN 978-3-85445-311-6

    Copyright © 2010 by Hannibal

    Hannibal ist ein Imprint von Koch International GmbH, A-6604 Höfen

    www.hannibal-verlag.de

    Umschlaggestaltung: Chloe Alexander, London

    Coverfoto: Kevin Cummins

    Layout und Satz: Thomas Auer, www.buchsatz.com, Innsbruck

    Übersetzung: Henning Dedekind (Vorwort und Teil eins) und Karin Lembke (Teil zwei und Anhang)

    Lektorat: Eckhard Schwettmann

    Korrektorat: Otmar Fischer

    Hinweis für den Leser:

    Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. Autor und Verlag haben sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Es kann jedoch keinerlei Gewähr dafür übernommen werden, dass die Informationen in diesem Buch vollständig, wirksam und zutreffend sind. Der Verlag und der Autor übernehmen weder die Garantie noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für Schäden jeglicher Art, die durch den Gebrauch von in diesem Buch enthaltenen Informationen verursacht werden können. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.

    Inhalt

    Zitate

    Vorwort

    Einleitung

    Teil eins: The Smiths

    1. Die Vergangenheit ist ein fremdes Land

    2. Die Welt verändert sich

    Bildstrecke 1

    3. Used To Be A Sweet Boy – Ich war mal ein hübscher Junge

    4. Der „New Morrissey Express"

    5. „God How Sex Implores You" – Wie wichtig Sex doch ist

    6. Ich weiß, es ist vorbei: 1987

    Bildstrecke 2

    Teil zwei: Morrissey

    7. Neunzehnhunderthassundachtzig

    8. Manchester, so much to answer for

    9. Napoleon solo – das politische Wesen

    10. Im Exil

    11. Rückkehr des Mozzfather

    12. Wilde Man in My Head – Oscar Wilde im Kopf

    Bildstrecke 3

    Quellen

    A Walk On The Wilde Side – Morrisseys Menschen: Ikonen und Einflüsse

    Sing your Life – Eine Zusammenstellung der wichtigsten Stücke von Morrissey und The Smiths

    Weiterführende Lektüre

    Danksagung

    Diskografie The Smiths

    Diskografie Morrissey

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    Zitate

    „Er ist der beste Textdichter, den ich kenne … alle bewundern ihn, Mann. Seine Platten wird man hören, bis George Bush den Planeten in die Luft jagt." – Noel Gallagher

    „Ich glaube, die Smiths waren die Band der Stunde. Musikalisch und textlich verkörpern sie die Musik der Achtziger wie niemand sonst. Das soll jetzt gar kein Eigenlob sein, sondern ich finde das tatsächlich. Ich habe noch nie eine Gruppe wie die Smiths gehört." – Morrissey

    „Ob er jetzt schwul ist oder nicht, er ist der schwule Elvis. Er zählt zu den größten Entertainern unserer Zeit. Die ironischen Ansagen, der Tanz und die Bühnenpräsenz ergeben zusammen ein Gesamtkunstwerk, und genau das ist Morrissey. Er ist ein wahrer Held, durch und durch ein Showman, wie Dean Martin oder Prince." – Rufus Wainwright

    „Ich glaube, man betrachtet mich als britisches Phänomen … aber ebenso als Sexsymbol." – Morrissey

    „Er ist ein absolutes Original … Das mit der negativen Seite verstehe ich überhaupt nicht. Ich finde ihn sehr lustig." – Bono

    „Sein Werk wird bleiben, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er das selbst auch weiß." – J.K. Rowling

    „Man kann mich mögen oder nicht, ich bin und bleibe ein Individualist … und als solcher entweder zum Kotzen oder interessant. Der Schlüssel­begriff in meinem Vokabular ist Individualismus." – Morrissey

    Vorwort: „It’s Time The Tale … Zeit, dass die Geschichte erzählt wird."

    Vor vielen Jahren trat ich schon einmal mit der Idee einer Biografie an Morrissey heran. Es war irgendwann zwischen dem Tod der Smiths und der (was Morrissey anbelangt) ungewollten Geburt von Johnny Rogans The Severed Alliance. Als Morrissey im Falle Rogan seine berühmte Fatwa erklärte, nahm ich davon jedoch trotz mehrerer Treffen mit ihm wieder Abstand. Im Sommer 2003 aber traf ich mich mit ihm in Manchester in einem Pub in der Nähe der Granada-Fernsehstudios auf ein Glas Bier. Auf dem Rückweg schlenderten wir die Deansgate entlang. Da fragte er mich, ob ich Inhaber der Rechte an meinen Interviews mit ihm sei. Als ich seine Frage bejahte, wirkte er erstaunt, dass ich daraus noch keine biografische Zusammenstellung oder etwas Ähnliches gemacht hatte. Ich bin zwar etwas langsam, aber das machte mich doch nachdenklich. Als ich ihn später nochmals auf das Buch ansprach, war er wenig interessiert, doch bei einem Konzert im Manchester Opera House am 7. Mai 2006 verkündete er von der Bühne: „Wie Len Brown euch noch berichten wird, habe ich hier im November 1973 Mott the ­Hoople und Queen gesehen." (Eine Woche zuvor hatte ich mit meinem Bruder Don in der Newcastle City Hall ein anderes Konzert derselben Tournee besucht.)

    Trotzdem bin ich ein eher zurückhaltender Biograf. Als jemand, der einer Karriere als Musikkritiker bewusst abgeschworen und sich gegen eine Laufbahn im Dunstkreis der „Prominenz" entschieden hat, mangelt es mir zunächst vielleicht an der Arroganz und dem Selbstbewusstsein, das man braucht, um diese Geschichte zu erzählen. Zweitens kann ich natürlich nicht so tun, als wäre ich ein Vertrauter, Liebhaber oder enger Freund meines Objekts, obwohl ich dieses als Journalist und Musikfan gut kenne. Vielmehr ist es so, dass ich bei unseren Treffen und oft langen Gesprächen Morrissey stets als Menschen geschätzt habe und seine Kunst immer noch sehr bewundere. Seine Stimme und seine Texte haben in meinem Leben bis heute eine wichtige Rolle gespielt. Als Interviewpartner bringt er mich immer zum Lachen, er ist provokativ und geistreich und definitiv eine der interessantesten und originellsten Persönlichkeiten in der Populärkultur. Wenn man einmal jemandem wie Morrissey begegnet ist, erscheinen einem 99 Prozent aller anderen Interviewpartner unintelligent, gewöhnlich, spießig und sogar nichtssagend.

    Dies ist keine autorisierte Biografie, und ich will mich auch nicht dafür entschuldigen, wenn ich abgegraste Themenbereiche nochmals anspreche. Es sind bereits einige Morrissey-Biografien erschienen, doch scheinen die meisten von geldgierigen Opportunisten, aufdringlichen Fans, schwulen Kavalieren oder findigen Internetsurfern zusammengeschrieben worden zu sein. Die Autoren lassen sich nach Belieben in alle möglichen Kategorien einordnen. Sämtliche bis heute verfassten Biografien sind jedoch von Personen geschrieben (oder besser zusammengetragen) worden, die nicht ein einziges Interview mit Morrissey geführt haben. Im Großen und Ganzen haben diese Bücher trotzdem eine gewisse Berechtigung: Sie erzählen die offensichtlichen Geschichten aus einer distanzierten, journalistischen Vogelperspektive heraus. Mit einer erwähnenswerten Ausnahme hat es jedoch beinahe den Anschein, als wären sie an einem einzigen Nachmittag heruntergerattert worden, um schnell noch auf den letzten Smiths- oder Morrissey-Zug aufzuspringen.

    Die Ausnahme ist natürlich Johnny Rogans Buch The Severed Alliance. Zwar hat sich Rogan nicht mit Morrissey getroffen, doch er sprach mit den anderen Smiths und fand durch sorgfältige Nachforschungen die Wahrheit (besser gesagt, Rogans Version der Wahrheit) über Morrisseys Leben heraus. Wie bei allen anderen von Rogans Themen – The Byrds, Neil Young, Van Morrison, The Kinks, John Lennon – ist auch hier die detektivische Kleinarbeit beeindruckend. Doch trotz sauberer Recherche und akademischer Vorgehensweise gelingt es The Severed Alliance meiner Meinung nach nicht, zum Herzen und der Seele seiner zentralen Figur vorzudringen.

    Der vorliegende bescheidene Wälzer versucht, einer gewissen Nachfrage gerecht zu werden, vielleicht sogar eine Lücke zu schließen. Es ist die erste Biografie bzw. es sind die ersten Memoiren, deren Autor über mehrere Jahre in direktem Kontakt zu Morrissey gestanden hat. Es ist daher unvermeidlich, dass das Buch randvoll mit meinen eigenen Kommentaren und persönlichen Eindrücken von Morrissey ist, doch ich hoffe, dass sich durch meine journalistischen Begegnungen mit ihm – vom Besuch meines ersten Smiths-Konzerts im Jahre 1983 bis zu einem Treffen auf der „Ringleader Of The Tormentors"-Tournee 2006 – ein runderes und lebendigeres Bild des Künstlers, seiner Musik und seiner Inspirationsquellen ergibt.

    Er ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Durch meine Arbeit als freier Journalist und als Fernsehproduzent/-regisseur hatte ich das Glück, viele berühmte Musiker kennenzulernen: inspirierende Künstler wie Kate Bush, Youssou N’Dour, Noel Gallagher, Gil Scott-Heron und Peter Gabriel; sympathische, aber schüchterne Charaktere wie Rod Stewart, Ringo Starr und Elton John; sogar brillante und schwierige Talente wie etwa Ray Davies oder Dusty Springfield. Morrissey jedoch schien immer etwas Besonderes zu sein. Nicht nur aufgrund der Qualität seiner Texte, ihrer geistreichen Querverweise oder weil er stets den Mut hatte, Tabuthemen anzusprechen, sondern auch, weil er seinen Hang zur Depression und eine fast schon kriminelle Schüchternheit auf eine ganz eigene Weise überwunden und so sein Ziel erreicht hat.

    Zu seinen großen Verdiensten gehört zwar die Verherrlichung der Außenseiterrolle – in Texten, Interviews und sogar bei der Covergestaltung der Smiths-Platten –, aber ich würde gerne versuchen, ihn von jenen Minderheiten zurückzufordern, die zu glauben scheinen, er wäre ihr Eigentum. Obwohl er von vielen Mitgliedern der lesbischen und schwulen Gemeinde zu Recht als Vorbild verehrt wird und daneben zur Galionsfigur der Tierschützer- und Vegetarier-Lobby geworden ist, denke ich doch, dass es wichtig ist, seine Kunst in einem weiteren und weniger eingeengten Kontext zu betrachten. Kurz gesagt, hat er während der letzten 25 Jahre versucht, auf dem Gebiet der Popmusik das zu leisten, was sein Held Oscar Wilde exakt ein Jahrhundert vor ihm auf solch dramatische Weise erreicht hat.

    Wilde vertrat die Ansicht, dass Kunst an sich grundsätzlich abweichlerisch sei, und sagte einmal, „jeder Versuch, das Themenspektrum der Kunst zu erweitern, erscheine „der Öffentlichkeit extrem geschmacklos; und doch hängen die Lebendigkeit und die Weiterentwicklung der Kunst zu einem großen Teil davon ab, dass sie ihr Themenspektrum ständig erweitert. Morrissey hat diese Ansicht verinnerlicht und Wildes Herausforderung angenommen. Man kann ihn mögen oder hassen – dazwischen gibt es nichts –, doch hat er eindeutig das Themenspektrum der Popmusik erweitert. Den meisten Popsongs gelingt es nicht, einen Bezug zum wirklichen Leben herzustellen oder auf dessen viele Missstände aufmerksam zu machen. Stattdessen bedienen sie kommerziell attraktive, radiofreundliche Klischees von Liebe, Geld, „konventionellem" Sex, dem Streben nach Wohlstand und dem Wunsch nach Statussymbolen. Morrisseys Texte hingegen haben den Status quo stets in Frage gestellt und angezweifelt.

    Wenn man diese Richtung einschlägt und sich derart gegen den Wind stemmt, löst man freilich Kontroversen aus. Im Jahre 1992 sagte er: „Die Wahrheit ist, dass wir in dieser aufregenden Welt der Popmusik eingeschränkt sind. Ob man nun über Leute schreibt, die an den Rollstuhl gefesselt sind, wie in ‚November Spawned A Monster‘ oder den Rassismus thematisiert wie in ‚The National Front Disco‘, so wird der Kontext doch meist übersehen. Die Leute lesen den Titel, wenden sich mit Grausen ab und sagen: ‚Worum es in diesem Song auch geht – so etwas sollte es nicht geben, weil Millionen von Menschen dieses Thema grässlich finden.‘"

    Das ist es, was Morrissey so anders und interessant macht und diejenigen, die ihn nicht mögen, so sehr irritiert. Weit davon entfernt, das traditionelle, PR-taugliche Bild von Großbritannien zu bedienen, jenes arroganten, überlegenen Englands mit Weltherrschaftsanspruch, hält Morrisseys Kunst dem modernen Großbritannien bewusst und schonungslos einen Spiegel vor, in welchem häufig die Opfer und die Schurken aus den dunklen Tagen der Vergangenheit zu sehen sind. Viele von ihm still verehrte schwule Ikonen beispielsweise – von Oscar Wilde über Joe Meek bis hin zu Joe Orton – wurden von der bürgerlichen Gesellschaft gestoßen und getreten. Offensichtlich ist Morrissey überzeugt, dass wir von unseren Opfern mehr lernen können als von unseren Berühmtheiten.

    Als Folge davon wird ihm häufig vorgeworfen, er sei pessimistisch, bewusst übellaunig und konzentriere sich ausschließlich auf die negativen Erscheinungen des modernen Lebens: auf die Rassisten, Kindsmörder, korrupten Polizisten, Schläger, Schwulenhasser, Hooligans, Bandenchefs und Heuchler … Andere indes haben ihm mit derselben Vehemenz vorgeworfen, er sei nostalgisch und hänge einem mythischen England aus der guten alten Zeit nach. Das trifft jedoch ganz und gar nicht zu. Morrissey selbst kommentierte dies einmal so: „Wenn ich etwas aus den Sechzigern lobe, einen Film oder eine Platte, dann meine ich das auch so. Ich grabe keinen Wikingerhelm aus und fange an, mir irgendetwas zusammenzuträumen. Ich finde, dass es eine sehr produktive und interessante Zeit war. Insbesondere mit der Kunst ist es seit Beginn der Siebziger bergab gegangen. Die Siebziger waren grauenvoll."

    In diesem Kontext ist es unbedingt notwendig, die Ereignisse zu verstehen, die ihn als Kind in den Sechzigern und als Teenager in den Siebziger geprägt, frustriert und beeinflusst haben. Es ist nicht das harmlose, unkritische Opium fürs Volk, das Rohmaterial der vorherrschenden christlichen und heterosexuellen Populärkultur, sondern die härteren, aber reizvolleren Aspekte des wirklichen Lebens: der inter-rassische Sex und die Minderjährigenschwangerschaft in Bitterer Honig, der Klassenkampf der Arbeiterschaft in Samstagnacht und Sonntagmorgen, die (bis 1967) illegale Darstellung homosexueller Ängste in Filmen wie Victim oder The Leather Boys und der Aufstieg des Feminismus im Norden, verkörpert von Pat Phoenix als Elsie Tanner, die er einmal als erste „zornige junge Frau" in der Seifenoper Coronation Street beschrieb.

    Für meine Ohren und mein Verständnis wirft Morrissey einen eher realistischen denn verklärenden Blick zurück und dokumentiert durch seine Musik und Poesie viele der extremen Ereignisse und Elemente, die ihn aufgewühlt und geängstigt haben – von der durch die Regierung geschürten öffentlichen Feindseligkeit den Iren gegenüber bis zum Aufstieg rechtspolitischer Kräfte; von der organisierten Kriminalität der Krays, der Richardsons und Manchesters Quality Street Gang bis hin zu den Moormorden, die für viele das Ende aller Unschuld bedeuteten.

    Im Jahre 1995 verglich Michael Bracewell im Observer Morrissey mit Alan Bennett und nannte ihn den Chronisten eines aussterbenden Britentums. Er verwies darauf, dass „er im Gegensatz zu Bennett die Existenz eines fatalen und fehlgeleiteten Nationalismus erforscht hat – die widerwärtige Politik der Perspektivlosen aus dem East End." Nicht alle sind in ihrer Analyse so großzügig gewesen. Anfang bis Mitte der Neunziger – exakt ein Jahrhundert nach dem Ruin Wildes – wurde Morrissey kritisiert und sogar diffamiert (insbesondere von der Musikpresse, die ihn in den Achtzigern wie einen Gott verehrt hatte), weil er das Tabuthema Rechtsextremismus auch nur angeschnitten hatte. Dabei hatte es im England seiner und unserer Jugend eine aggressive und verheerende Rolle gespielt.

    Rückblickend erscheint es so, dass Morrissey sich weigerte, uns die Probleme vergessen zu lassen, mit denen wir als Nation konfrontiert waren und sind, und ganz bewusst jene durchgestylten Jubelveranstaltungen verderben wollte, deren einziges Ziel es war, Großbritannien als uneingeschränkt großartig darzustellen. Er ist ganz eindeutig jemand, den die konservative Partei Margaret Thatchers als „Nörgler" gebrandmarkt hätte, einer jener Störenfriede, die es sich offenbar zum Ziel gesetzt haben, viele der unter den Tisch gekehrten und bewusst vergessenen Aspekte der Geschichte unseres schönen Landes ans Tageslicht zu zerren.

    Meiner Meinung nach macht ihn gerade dies zu einem einzigartigen Künstler. Freilich haben auch viele andere in anderen Medienbereichen schwierige politische und soziale Probleme angesprochen, insbesondere in Film- und Fernsehdokumentationen. Doch zu wenige haben versucht, solch komplizierte und kontroverse Fragen im knappen Rahmen eines dreiminütigen Popsongs zu diskutieren.

    Mehr noch: Als Sänger, Showman und Textdichter hat er sich innerhalb der Popkultur als einzigartige Stimme etabliert. Wie bei Michael Stipe, Bono, Kate Bush, James Brown, Bob Dylan, Youssou N’Dour, Al Green, Van Morrison, Stevie Wonder, Nina Simone, Brian Wilson, Michael Jackson, John Lennon (und ich würde hier auch Phil Ochs, Ismael Lo, Pete Docherty, Richard Hawley und Sandy Denny nennen, um vollends subjektiv zu werden) erkennt man Morrisseys Stimme sofort, wenn man sie hört. Sie wurde oft imitiert, aber nie erreicht – nicht einmal von Bernard Manning bei seiner bemerkenswerten Coverversion von „Girlfriend In A Coma". Selten hat Morrissey die Widersprüchlichkeiten seines Privatlebens zur Werbung für sein Produkt ausgenutzt. Seine provokativen Interviews, sein umfangreiches Werk und sein charismatischer, sich auf der Bühne windender Körper reichten aus, um sich 25 Jahre im Rampenlicht zu halten. Warum sonst wäre er 2007 nach Sir David Attenborough, aber noch vor Sir Paul McCartney zur zweitgrößten lebenden Ikone Großbritanniens gewählt worden?

    Oscar Wilde sagte einmal: „Ich werde einst ein Rätsel für die Welt der Freuden sein, aber ein Sprachrohr für die Welt des Schmerzes", und zweifellos ist Wildes Leben, seine Philosophie und sein Umgang mit der Sprache eine Blaupause für Morrisseys Karriere als Agitator in der britischen Popmusik gewesen. Wenn Wilde erklärte, das Geheimnis des Lebens sei die Kunst, dann scheint Morrissey, anders als die meisten Sterblichen, sein Leben diesem Zweck gewidmet zu haben. Bei der Lektüre dieses Buches mögen viele Leser zu dem Schluss kommen, dass er sich ein wenig zu stark an Wilde orientiert oder vielleicht zu viele Ideen geklaut und zu viel von dem viktorianischen Stil, Witz und Verve übernommen hat.

    Mit den Smiths und als Solokünstler hat Morrissey aber schlicht und einfach Wildes Manifest zu seinem eigenen gemacht, es in einen zeitgemäßen Kontext gesetzt und dadurch seinem Publikum des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts nähergebracht. Das geht weit über ein simples Plagiat hinaus, ist über jeglichen Verdacht des Diebstahls erhaben und nähert sich bisweilen fast einer Reinkarnation. Sicher hat sich niemand in der Geschichte der Popmusik so perfekt, so wunderbar und so erfolgreich nach dem Vorbild einer Legende aus der Vergangenheit neu erfunden. Gott allein weiß, was aus Steven Patrick Morrissey geworden wäre, hätte ihn seine Mutter nicht mit dem Wilde’schen Evangelium großgezogen.

    Ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass auf Morrisseys Kunst im Bereich der Popmusik einige der Wahrheiten zutreffen, die Richard Ellmann im Schlusswort seiner Biografie Oscar Wildes zum Ausdruck bringt: „Was er uns hinterlässt, ist das Bemühen, die höchste Stufe der Erzählkunst zu erreichen, die Kunst mit sozialem Wandel zu assoziieren, individuelle und gesellschaftliche Impulse zu vereinen, das Exzentrische und Einzigartige davor zu bewahren, dass es keimfrei gemacht und standardisiert wird; das Bemühen, eine Moral der Unerbittlichkeit durch eine des Mitleids zu ersetzen … Er erlangte Bewunderung und wurde gleichermaßen verunglimpft. Legenden rankten sich um ihn, aber auch üble Gerüchte. Er wurde der Sünde der Effemination und des Plagiats bezichtigt. Dass er ein ausgesprochen gütiger Mensch war, war weniger bekannt."

    Einleitung: „Das hier ist das Cadogan Hotel"

    Es beginnt und endet mit Oscar Wilde.

    Als ich zum ersten Mal das Foyer des berüchtigten Cadogan Hotels in der Nähe des Londoner Sloane Square betrete, sitzt Morrissey alleine in einem einzelnen Ledersessel an der Wand, hat den Kopf gesenkt und wirkt nervös. Hinter der Rezeption starrt ihn eine Empfangsdame mittleren Alters misstrauisch an, als erwäge sie ernsthaft, diesen sonderbaren Bürger Manchesters aus ihrem respektablen Etablissement entfernen zu lassen. Alte Gewohnheiten halten sich hartnäckig.

    Als mich Morrissey erblickt, steht er langsam auf und sagt leise und schüchtern hallo. Obwohl ich ihn schon viele Male zuvor auf der Bühne und im Radio sprechen gehört habe, scheint seine Stimme in persona tiefer, wärmer, voller und theatralischer als gedacht. Vielleicht hatte ich ein bisschen mehr Falsett erwartet. Wenn er einem gegenübersteht, klingt er mehr wie Albert Finney, vielleicht sogar wie Ian McKellen. Mein Kollege Paul Du Noyer vom NME beschrieb seine Stimme einmal als „sanfte Pflastersteinstimme aus dem Norden".

    Nervös strecke ich Morrissey meine Hand entgegen, die er sehr zögernd ergreift, als wäre ihm diese Handlung fremd. Darauf folgt das seltsamste, halbherzigste Schütteln, das man sich nur vorstellen kann. Er beobachtet, wie sich unsere verschlungenen Hände heben und senken, dann zieht er seine Hand zurück und lässt sie hastig wieder in der Jackentasche verschwinden. Das Ganze kommt einem vor wie ein krimineller Akt.

    Der Hotelportier rettet uns. Als wären wir ein Ehepaar, das nicht zusammenpasst, weist er uns beide an, ihm auf „Ihr Zimmer" zu folgen. An Bord des scheppernden Fahrstuhls stehen wir gezwungenermaßen so dicht beieinander, das wir den Atem des anderen spüren können. Verstohlen beobachtet uns der Portier, der uns wie Verdächtige bei einer polizeilichen Gegenüberstellung mustert.

    Morrisseys berühmte Billy Fury-Tolle ist zurechtgestutzt und ragt nicht mehr gar so hoch auf. Er trägt ein braunes Cordjackett über einem schicken Hemd, und seine Designerjeans – die auf glänzenden Schnürschuhen aufsitzen – sind am Hintern nicht mehr so weit geschnitten wie noch in den Anfangstagen der Smiths. Zwangsläufig bin ich weniger bemerkenswert gekleidet. Ich stecke in ein paar schlecht sitzenden Klamotten, der NME-Uniform eines alternden Indie-Fans: einem verwaschenen weißen Promo-T-Shirt und einem „rundheraus vulgären roten Pullover".

    Unsere Begrüßung lässt für das anstehende Interview keinen positiven Verlauf erwarten. Ich kann Morrissey nicht ansehen. Während der Fahrstuhl nach oben fährt, frage ich mich, was der Hotelportier wohl von uns denkt. Zwei junge Männer, kein Gepäck, das Zimmer für den Nachmittag gebucht. Das kommt einem doch komisch vor. Einer von uns sollte es ihm erklären. In einem Anlauf, das Schweigen zu brechen, frage ich den Portier: „Kommen viele Leute hierher … Sie wissen schon, um es zu besuchen?"

    „Was besuchen?"

    „Das Zimmer. (Pause) „Wo man ihn verhaftet hat.

    „Verhaftet? Davon weiß ich überhaupt nichts, mein Herr, grummelt er, von Sekunde zu Sekunde misstrauischer. „Ich bin aus Bristol.

    „Wir haben hier einen Haftbefehl, Herr Wilde, für ihre Verhaftung wegen unsittlicher Handlungen."

    „Wohin werde ich gebracht?"

    „In die Bow Street."

    Morrissey und ich sitzen im selben Zimmer, Nummer 118, wo Oscar Wilde am 5. April 1895 von zwei Polizeibeamten in Zivil festgenommen wurde.

    „Ich bin im Augenblick fast ein bisschen sprachlos", erklärt Morrissey, als er sich im Zimmer umsieht. „Das ist ein sehr historischer Ort, der mir bekanntlich sehr viel bedeutet … hier zu sitzen und Oscars Fernseher anzuschauen und genau den Videorekorder, auf dem er sich Leather Boys angesehen hat."

    Warum sind wir hierher gegangen?

    „Ich dachte, die Aura des Zimmers würde ein paar interessante physische Schwingungen erzeugen, was in gewisser Hinsicht ja auch zutrifft."

    Nach jenem Freitagabend, der Wildes Life ruinierte – der Beginn einer Verkettung von Ereignissen, die schließlich zu seinem frühen Tod im Alter von 46 Jahren führten –, wurde er zu zwei Jahren schwerer Zwangsarbeit verurteilt, seine Theaterstücke und Gedichte wurden verboten, und die Geschäftsführung des Cadogan Hotels bemühte sich verzweifelt, ihre Rolle bei dieser schmutzigen Angelegenheit zu vertuschen. Ich glaube, es war ihnen zutiefst peinlich, in einen solchen Skandal verwickelt zu sein.

    „Das waren sie ganz bestimmt."

    Morrissey scheint angesichts der überaus komfortablen, neu eingerichteten Umgebung enttäuscht zu sein. Doch abgesehen von dem schmucken Dekor handelt es sich tatsächlich um das Zimmer, wo Oscar Wilde festgenommen wurde. Er befand sich vor 103 Jahren genau hier.

    „Ja, er wurde hinaus auf die Straße gezerrt und schrie und trat um sich …"

    Wirklich? Ich dachte, er wäre alles sehr würdevoll abgelaufen?

    „Ja, so war es tatsächlich, sehr würdevoll. Er schrieb damals gerade eine Oper. Ein sehr bewegendes Ende."

    Aber warum hat Wilde nicht das Land verlassen, bevor sie ihn verhaften konnten? Er wusste doch, dass sie einen Haftbefehl gegen ihn erlassen hatten. Er hatte die Verleumdungsklage gegen den Marquis von Queensberry verloren (der ihn aus Verärgerung über seine Beziehung zu Queensberrys Sohn Lord Alfred Douglas alias „Bosie als „Sodomit bezeichnet hatte) und wusste, dass er des „schweren Vergehens" der Homosexualität angeklagt werden würde. Warum floh er nicht?

    Leise und traurig sagt Morrissey: „Ich denke, dass er damals einfach nicht glaubte, dass sich alle seine Freunde gegen ihn wenden würden. Oder dass ihn die Menschen, deren Leben er aufgebaut und denen er zu einem gewissen Grad gesellschaftlicher Bekanntheit verholfen hatte, ihn auf der Stelle im Stich lassen würden. Doch genau das taten sie. Abgesehen von einem einzigen Freund, maximal zweien, war er in den letzten paar Jahren seines Lebens vollkommen alleine."

    Trennte sich nicht auch seine Frau von ihm?

    „Ja, sie trennte sich von ihm. Und sie gestattete ihm nicht, seine Kinder zu besuchen. Während er im Exil war, ließ sie ihre Nachnamen ändern. Wenn man bedenkt, dass dieser Mann die englische Literatur und praktisch die ganze englische Sprache verändert hat … ein bemerkenswert trauriges Ende für eines der farbenprächtigsten Leben der Literaturgeschichte.

    „Ich glaube, auf der Höhe seines Ruhms, der nur von ziemlich kurzer Dauer war, wäre es fast unmöglich erschienen, dass er nur ein paar Jahre später einsam, verbittert und ruiniert endet. Und außerdem einen derart hässlichen Tod findet."

    Hörten sie auf, seine Stücke zu spielen?

    „Ich glaube, zumindest in England war er einige Jahre lang praktisch verboten, oder ganz bestimmt auf irgendeine Art und Weise zensiert. Ich denke jedoch, etwa von 1905 an wurde er wiederentdeckt. Und das in solch einem Ausmaß, dass er zum meistgelesenen Autor dieser Zeit wurde. Ich glaube, das Lesepublikum war ihm gegenüber immer sehr loyal und hat seinen Namen am Leben erhalten."

    Was hat Sie an seinem Werk besonders angesprochen?

    „Es war die Spannung zwischen dem Humor und der Tragik. Dazwischen schien es nichts zu geben. Die Extreme der Worte, der Sprache, der Einfachheit! Bis zu dem Zeitpunkt, als ich begann, Oscar Wilde wirklich zu entdecken und zu verstehen, hatte ich immer den vagen Eindruck, dass man als Autor vollkommen unlesbar sein müsse, um ausdrucksstark zu sein. Ich weiß, man sagt, dass Größe bedeutet, missverstanden zu werden. Oscar Wilde war jedoch der erste Autor, der eine einfache Sprache kraftvoll, überwältigend und amüsant einsetzte. Das war mir bis dahin noch nicht untergekommen. Obwohl er hochintelligent war, vereinfachte er alles. Daher konnte praktisch jedermann Oscar Wilde lesen und verstehen. Er war nicht kompliziert. Trotzdem lag man auf dem Bett … und rang nach Atem. Es war so überzeugend und wahrhaftig."

    Denken Sie dasselbe über seine Gedichte?

    „Eher weniger. Doch auch sein Leben und seine Persönlichkeit waren fesselnd, und ich denke, das ist es, was einen wirklich vollkommenen Künstler ausmacht. Ganz abgesehen davon, wie er schrieb und in der Öffentlichkeit auftrat, war sein Privatleben überaus erstaunlich. Daran kann man einen wahren Künstler letztendlich erkennen. Ich glaube nicht, dass es ausreicht, einfach einen Schalter umzulegen; tagsüber Künstler zu sein und abends Hockey zu spielen. Das ist für mich nicht überzeugend."

    Haben Sie alles von ihm gelesen?

    „Ich habe praktisch alles gelesen. Es gibt ein paar Sachen, die ich bislang nicht finden konnte. Aber ich besitze eine riesige Sammlung von Erstausgaben. Ich sammle seit vielen Jahren. Ich habe eine sehr beeindruckende Büchersammlung. Eines davon ist von Ellen Terry signiert, die eine alte Tussi von Oscar war."

    Morrissey hat nie ein Geheimnis um sein Faible für Oscar Wilde gemacht. Während seiner gesamten Zeit mit den Smiths überragte Wilde alle anderen Persönlichkeiten aus der Geschichte, der Popkultur und Literatur. Er ist in Morrisseys Leben – soweit es den Journalisten bekannt ist – allgegenwärtig und dürfte einen stärkeren Einfluss gehabt haben als die Schauspieler von Coronation Street, die Lagerinsassen der Carry-On-Filme, der Dunstkreis von Andy Warhol und die Musikszene New Yorks (allen voran die New York Dolls und Patti Smith), als James Dean oder Diana Dors, als die britischen Sängerinnen der Sechziger oder das ganze Pantheon schwuler und feministischer Autoren zusammen.

    Morrissey erklärte einmal: „In meinen späten Teenagerjahren war ich ziemlich isoliert. In gewisser Weise wurde er [Wilde] zu einem Kameraden, und je älter ich werde, desto größer wird meine Bewunderung für ihn. Es hat beinahe etwas Biblisches, wie wenn man seinen Rosenkranz mit sich herumträgt. Sogar 1997 noch sagte er in einer Sendung des in Los Angeles ansässigen Radiosenders KROQ: „Oscar Wilde war mir in meinen jüngeren Jahren sehr wichtig, weil er ein großartiger Schriftsteller war, der ein außergewöhnliches Leben geführt hat. Er ist wahrscheinlich die bedeutendste Persönlichkeit der Literaturgeschichte. Im Laufe der Zeit wird er für die Menschen immer interessanter … Er wird am häufigsten zitiert, vielleicht sogar noch mehr als Shakespeare. Die Leute kennen zwar viele Shakespeare-Zitate, wissen aber nicht, was sie eigentlich bedeuten.

    Ich näherte mich Oscar Wilde aus einer ganz anderen Richtung als Morrissey. Für die meisten christlich erzogenen Kinder schien in den Sechzigern und Siebzigern die allgemeine Botschaft von der Kanzel zu lauten, dass heterosexuell gleich gut und homosexuell gleich böse war. (Unter dem liberalen Deckmäntelchen der anglikanischen Kirche des 21. Jahrhunderts hat sich an dieser Gleichung nicht viel geändert.) Obwohl Wildes Stücke in meiner Jugend regelmäßig im Theater und im Fernsehen liefen, sah man es nur ungern, wenn sich die Schuljungen für das Leben oder die Persönlichkeit des Künstlers interessierten.

    Wir beschäftigten uns mit dem Leben von Shakespeare und Dickens, später sogar mit Hardy und Lawrence, doch niemals mit Wilde. Das warf die Frage auf: „Wer war dieser Mann, und warum weigerten sich die Lehrer so hartnäckig, über ihn zu sprechen?" Ich weiß, es klingt hoffnungslos übertrieben (und steht mit dem Bild des Durchschnittsmachos, das ich nach außen zu tragen versuche, überhaupt nicht in Einklang), aber als ich im Alter von 13 Jahren mit meinem Vortrag von Wildes The Remarkable Rocket einen Lesewettbewerb an der Schule gewann, riet man mir nachdrücklich, den erhaltenen Buchgutschein nicht für eine Biografie des Autors einzulösen. Das steigerte freilich nur meine Neugier.

    Als ich bei meinen Eltern in deren Ausgabe von Chambers Biographical Dictionary (erschienen 1946) den kurzen Eintrag zu Oscar Wilde las, bekam ich den Eindruck, dass er eine wahrhaft abstoßende Figur in der britischen Geschichte gewesen sein musste. Der Abriss über sein Leben endete mit dem Satz: „The Ballad Of Reading Gaol (1898) und De Profundis (1905) zeigen die Spuren von zwei Jahren Zwangsarbeit für unzüchtige Praktiken." Ich nahm an, dass Wilde ein Massenmörder wie Jack The Ripper oder ein Giftmörder wie Dr. Crippen gewesen sein musste.

    Als ich schließlich in einem zerlesenen Taschenbuch einen Bericht mit den Einzelheiten seiner Gerichtsverhandlung fand, schockierten oder verdarben mich diese Erkenntnisse nicht, sie machten mich nur unsagbar traurig. Schon damals schien die Moral der Geschichte dieselbe zu sein wie später bei Joe Orton: Wenn man ein sexuell „schlechtes" oder anderes Leben führte, dann erwartete einen der Tod oder ein Schicksal, das schlimmer als der Tod war – trotz aller kreativen Begabungen. (Wie der Carry On-Star Charles Hawtrey einmal so trefflich bemerkte: „Oh, puh! Ich weiß nichts über den Tod, aber ich habe die andere Sache ausprobiert. Der Tod kann nicht halb so schlimm sein, wie immer behauptet wird.")

    Als frommer Teenager aus einer Familie der Mittelschicht im Nordosten Englands begriff ich nicht, warum meine Eltern und deren Bekannte einerseits Vorurteile, Rassismus und Sexismus stets scharf verurteilten, mich aber andererseits vor allen und allem fernhielten, was sie als sexuell unkonventionell betrachteten.

    In der Schule war es Pflicht, normal auszusehen, sich männlich zu verhalten und diejenigen Kinder links liegen zu lassen, die nicht so aussahen und sich nicht so kleideten oder verhielten wie wir anderen. Ich habe sie nicht tyrannisiert oder gedemütigt, sondern wollte einfach nichts von ihnen wissen und blieb auf Abstand, als hätten sie eine ansteckende Krankheit. Wenn ich zusammen mit Steven Patrick Morrissey die Schule besucht hätte, hätte ich ihn vielleicht auch links liegen lassen.

    Im wirklichen Leben der Siebziger, in der schwarzweißen Männerwelt des St. James Park in Newcastle an einem Samstagnachmittag, waren rassistische und schwulenfeindliche Übergriffe an der Tagesordnung. Manchmal wurden auch langhaarige Fußballer aus London beschimpft, weil sie ein bisschen anders aussahen oder schlicht und einfach mit der Mode gingen. Frisierte Spieler wie Rodney Marsh und Mervyn Day wurden mit dem Gegröle „Wie ist das, wenn man eine Schwuchtel ist? empfangen. (Manche mögen nun sagen, dass alles bloß ein Scherz war, doch ist dies dasselbe engstirnige, schwulenfeindliche Newcastle, vor dem auch Pet Shop Boy Neil Tennant in „Being Boring flüchtete.)

    Seltsamerweise schien es jedoch gestattet, über nicht-maskuline Männer zu lachen, etwa über Stanley Baxter, der im Sunderland Empire als Mutter Goose auftrat, oder über John Inman in Are You Being Served?, über Dick Emery in Frauenkleidern, über Larry Grayson oder über die schwächlichen, aber sehr lustigen Charaktere Hawtrey und Kenneth Williams in den Carry-On-Filmchen. Vielleicht waren sie nicht „gefährlich", wenn sie sich im Fernsehen oder auf der Bühne schwul produzierten, solange sie bloß nicht zu nahe kamen.

    Als ich etwa siebzehn war, wurde meine Mutter zum ersten Mal in ein Schiedsgericht berufen. Ich erinnere mich noch daran, dass ich mit ein paar Schulfreunden in einem Pub im Bezirk Cowgate in Newcastle saß, als ein Mann, den wir alle aus der Kirche kannten, zu uns herkam und fragte, ob er mich einmal unter vier Augen sprechen könne. Das Ganze erschien mir äußerst seltsam. Im Vertrauen sagte er mir, dass ihn die Polizei auf einer Toilette in der Nähe der Kathedrale erwischt habe und er nun fürchte, dass meine Mutter den Fall vor Gericht verhandeln müsse. Zu meiner Schande ging ich einfach weg, wütend, verwirrt und angeekelt, und sah oder hörte nie wieder von ihm. Ich weiß nur, dass er für schuldig befunden (wenn auch nicht von meiner Mutter), abgeurteilt und von der örtlichen Presse zerrissen wurde. Er sollte den Namen unserer Kirche nie wieder beschmutzen.

    Im Gegensatz zu meiner „normalen" schwulenfeindlichen Jugend scheint Morrissey schon in einem frühen Alter über Oscar Wildes Leben bestens Bescheid gewusst zu haben. Infolgedessen hat ihn Wildes tragisches Ende zutiefst bewegt, und auch sein eigenes Leben ist eindeutig vom Schicksal des Schriftstellers beeinflusst. Von der viktorianischen Gesellschaft ausgestoßen und vom Rechtssystem angeklagt und verurteilt, fiel Wilde einer drakonischen Gesetzesänderung Ende des 19. Jahrhunderts zum Opfer, bei der die Höchststrafe für Homosexualität auf zwei Jahre Zwangsarbeit erhöht wurde. (Wilde war das einzige prominente Opfer dieser rasch vollzogenen, grausamen und ungewöhnlichen Gesetzesänderung.)¹

    Morrissey haben stets Menschen fasziniert, die versucht haben, ihr Leben vollkommen anders zu gestalten, selbst auf die Gefahr hin, vom System gebrochen zu werden. Diese Obsession hat seine eigenen radikalen politischen und sexuellen Ansichten geprägt. Seine gesamte Karriere hindurch hat Morrissey versucht, Künstler zu feiern, die als Ausgestoßene und Außenseiter lebten und starben.

    Für die bodenständigen Konservativen des viktorianischen England (eine Philosophie, die im England der Achtziger unter Thatcher wiederbelebt wurde) war Wilde das ultimative Beispiel für jemanden, der den Status quo bedrohte: ein verheirateter Mann, der sich den herrschenden Moralvorstellungen widersetzte und durch seine Handlungen öffentliche Entrüstung hervorrief. Für Morrissey war Wilde immer der wichtigste Einfluss. Er stand für Geschmack und Mut und Schönheit und den Willen, das Establishment herauszufordern; für den Willen, anders, individuell und stark zu sein, sich der Freude und der Kunst hinzugeben und die Wahrheit zu suchen.

    Gehasst für die Liebe („die Liebe, die ihren Namen nicht auszusprechen wagt" – so die umstrittene Zeile aus Two Loves von seinem Geliebten Lord Alfred Douglas), ertrug Wilde seine zwei Jahre harter Zwangsarbeit in Pentonville, Wormwood Scrubs und schließlich in Reading Gaol, wo er seine berühmte Ballade über die Grausamkeit und Ungerechtigkeit des viktorianischen Strafsystems verfasste. Nach seiner Entlassung aus der Haft verbrachte Wilde den Rest seines kurzen Lebens mittellos und krank als Bettler in den Straßen von Paris. Viele Freunde, die nur wenige Jahre zuvor seinen brillanten Witz und seine großartigen Werke gepriesen hatten, rümpften nun über ihn, den Paria, verächtlich die Nase.

    Es ist Teezeit in Wildes Hotelzimmer im Cadogan Hotel (das einst auch die Heimat von Oscars Freundin und Geliebter, der legendären Schauspielerin Lillie Langtry war). Ich esse einen Obstkuchen, während Morrissey mit einem Käsesandwich kämpft – „Gurken rühre ich nicht an", verkündet er. Auf der anderen Seite des Ärmelkanals muss der große irische Denker und Dramatiker jetzt friedlich auf seinem Pariser Knochenacker schlummern.

    Erzählen Sie mir mehr über Wildes Persönlichkeit. Was war an ihm so anders, was schockierte vielleicht sogar?

    Morrissey antwortet freundlich, leidenschaftlich, als ginge es um die Liebe seines Lebens: „Er war ein bemerkenswert großzügiger Mensch, eine bemerkenswert offene Persönlichkeit. Er verpackte seinen Spott zwar sehr geschickt, aber er verspottete trotzdem die britische Gesellschaft, den Adel und so weiter. Und das ist der Grund, warum es für sie eine solche Genugtuung war, ihn endlich zu überführen und zu bestrafen. Er tat es jedoch mit viel Geschmack und großartigem Gespür, aber auch mit einem verblüffenden Grad an Traurigkeit. Aus verschiedenen Gründen glaube ich mittlerweile, dass in einigen Bibliotheken versucht wird, Oscar Wildes Bücher auf den Index zu setzen, weil in ihnen eine ganz bestimmte Geisteshaltung zum Ausdruck kommt. Die Dinge ändern sich nicht wirklich."

    Diese „ganz bestimmte Geisteshaltung" – die Richard Ellmann in seinem biografischen Meisterwerk Oscar Wilde als Wildes Herausforderung der „traditionellen Männlichkeit" bezeichnete – ziert auch viele von Morrisseys Texten; Worte, die soziale Konventionen ins Lächerliche ziehen und die traditionelle Rollenverteilung auf den Kopf stellen; Pop-Poesie voller verwirrender, verführerischer, stichelnder und alles durchdringender sexueller Doppeldeutigkeit.

    Dem NME gegenüber sagte Morrissey vor längerer Zeit einmal: „Mir gefällt die Vorstellung einer männlichen, aber ziemlich verletzlichen Stimme, die ein bisschen künstlich klingt – statt dieses andauernden Macho-Gehabes, das alle nur noch langweilt … Ich finde, es ist einfach Zeit für eine Stimme mit einem etwas anderen Ausdruck."

    In Ihren eigenen Texten haben Sie die „traditionelle Männlichkeit" ebenfalls sehr häufig in Frage gestellt. Können Sie erklären, wie Wilde das getan hat?

    „Mit der Kraft der Sprache. Das war Teil seiner Rebellion und gleichzeitig der Grund, warum man ihn so fürchtete – weil den Leuten so etwas noch nie untergekommen war. Es war zu verwirrend für sie, und sie kamen damit einfach nicht zurecht."

    Stieß auch jemand wie Joe Orton auf eine ähnliche Reaktion?

    „Ich finde, es ist okay, wenn man sich in seinem eigenen Zuhause verhält, wie man will, solange man nicht im Licht der Öffentlichkeit steht. Man lebt ja sozusagen nicht draußen auf der Straße. Doch sobald man bekannt wird und loyale Zuhörer gewinnt, wird es ziemlich schnell gefährlich, das ist klar."

    Sie glauben also nicht, dass sich die Gesellschaft seit den Zeiten von Oscar Wilde sonderlich verändert hat?

    „Ich glaube, dass sie sich überhaupt nicht verändert hat, in keinerlei Hinsicht. Sie steht Individualisten immer noch vollkommen intolerant gegenüber. Ich finde sogar, dass es Rückschritte gegeben hat. Nicht nur in der Literatur, sondern ganz eindeutig auch in der Popmusik. Nein, die Gesellschaft hat sich keinesfalls verändert."

    Wie denken Sie über dieses Zimmer – wo Oscar vor über hundert Jahren seinen letzten Abend in Freiheit verbrachte?

    Er lässt seine Blicke traurig umherschweifen und sagt: „Ich glaube, sie haben die Energie übermalt. Es würde mich sehr überraschen, wenn sich hier noch etwas fände, das aus seinen Tagen übrig geblieben ist."

    Ein paar Monate später staune ich nicht schlecht, als eines Nachmittags eine obskure Verfilmung von Oscar Wildes Leben im Fernsehen läuft. Hauptdarsteller ist der korpulente Robert Morley als Oscar, während Ralph Richardson Wildes irischen Schulfreund Carson spielt, der später vor Gericht gegen ihn aussagte. Hinsichtlich der Natur von Wildes Verbrechen bleibt der Film begreiflicherweise vage – er entstand zu einer Zeit, als Homosexualität in Großbritannien immer noch illegal war. Trotzdem ist Gregory Ratoffs Oscar Wilde (1960) ein bewegender und mitfühlender Versuch, das tragische Leben des irischen Dramatikers nachzuzeichnen.

    Neben John Neville als Lord Alfred Douglas und Dennis Price als Wildes Vertrauter und loyaler Freund Robert Ross sollte aufmerksamen Morrissey-Kennern außerdem Tony Doonan in der Rolle des 17-jährigen Strichjungen und Erpressers Alfred Wood auffallen. Doonans Sohn Patric, der später Suizid beging, wurde in einer von Morrisseys besten Solonummern unsterblich gemacht: „Now My Heart Is Full" auf Vauxhall & I.

    Während der Abspann läuft, klingelt in meiner Wohnung in Brixton das Telefon, und Morrisseys herzlich-schwule Stimme fängt an, über den Film zu sprechen, als wäre unsere frühere Unterhaltung über Oscar Wilde noch in vollem Gange.

    „Es ist ein sehr selten gezeigter Film, der im selben Jahr gedreht wurde wie The Trials Of Oscar Wilde (deutscher Verleihtitel: Der Mann mit der grünen Nelke), ein anderer Film mit Peter Finch als Oscar Wilde. Weil The Trials Of Oscar Wilde in Farbe gedreht wurde, überschattete er Morleys Version fast vollständig. Außerdem war The Trials Of Oscar Wilde fantastisch. Und Robert Morley hat mir nie so recht gefallen."

    Er war kein besonders attraktiver Wilde.

    Er lacht: „Nein, zumindest nicht für mich."

    Wir sprechen über Richard Ellmanns hoch gelobte Wilde-Biografie. Ellmann ist im Jahr zuvor gestorben und hat noch weitere wegweisende Studien über berühmte Iren hinterlassen, darunter Bücher über Yeats und Joyce.

    „Ziemlich bemerkenswert, dass Ellmanns Buch einer der größten Verkaufsschlager des Jahres ist. Es ist ein ausgezeichnetes Buch, das viel Vergnügen bereitet, denn ganz abgesehen von seinem Thema ist Ellmann auch ein bemerkenswerter Autor. Wie er das Buch geschrieben hat, ist ganz erstaunlich. Haben Sie diese irische Dokumentation über Wilde mit dem Titel Spendthrift Of Genius gesehen?" (Spendthrift … war eine Produktion des irischen Fernsehens. Das Drehbuch stammt von Ellmann, als Produzent und Regisseur fungierte Sean O’Mordha.) „Darin wurde zum ersten Mal eine Tonaufzeichnung ausgestrahlt, von der man annimmt, dass es sich um Wildes Stimme handelt.

    „Wildes Stimme zu hören, ist wirklich ziemlich bewegend. Er erscheint dadurch mehr als reale Person und wird viel greifbarer. Interessanterweise erinnerte der Klang der Stimme stark an die von John Hurt in Der Elefantenmensch. Wissen Sie noch, wie er sprach? Mit ganz sanfter Stimme. Ich glaube, sie war den damaligen Theatersprechstimmen nachempfunden, weil sich John Merrick fürs Theater interessierte. Und genau so sprach Wilde."

    (Leider bestehen Zweifel an der Echtheit dieser angeblich wenige Monate vor Wildes Tod entstandenen Aufnahme. Im Sommer 1900 besuchte er die Weltausstellung in Paris und soll dabei einen Auszug aus The Ballad Of Reading Gaol gelesen haben. Wie Morrissey möchte ich gern glauben, dass die Aufnahme echt ist, doch viele Wilde-Experten behaupten das Gegenteil.)

    „Haben Sie von diesem anderen Buch über Oscar Wilde gehört?", fährt Morrissey fort. „Es trägt den Titel Who Was That Man? Der Autor ist ein gewisser Neil Bartlett. Noch nie von ihm gehört. Das Buch bietet einen ganz anderen Blickwinkel auf Wildes Leben. Es beleuchtet den Londoner Untergrund im Jahre 1888. Wirklich hochinteressant."

    Das Buch eröffnet tatsächlich einen ganz anderen Blickwinkel. Bartletts Who Was That Man? A Present For Mr Oscar Wilde (Wer war dieser Mann? Ein Geschenk für Herrn Oscar Wilde) wurde von Edmund White als „fantastische, persönliche Betrachtung über Oscar Wilde und die letzten hundert Jahre englischer Homosexualität gelobt. Der Schauspieler und Autor Simon Callow beschrieb es ebenfalls als „wichtiges Gegenstück zu Ellmanns vielleicht etwas zu ausgewogener Biografie.

    In seinem Buch vergleicht und kontrastiert Bartlett das schwule Leben der 1880er mit dem der 1980er Jahre, beschreibt sexuelle Begegnungen in heutiger und viktorianischer Zeit, geht Wildes Kontakten zum Straßenstrich und zur Sado-Maso-Szene nach und erörtert die im schwulen Untergrund des viktorianischen England gebräuchliche Geheimsprache „Polari oder „Palare. Diese Sprache inspirierte Morrissey später dazu, ein Album Bona Drag zu nennen, dessen Titel auch eine Hommage an Hugh Paddick und Kenneth Williams ist, die als Julian und Sandy in der BBC-Radioserie Round The Horne zwischen 1965 und 1968 auf ebenso komödiantische wie radikale Weise Palare einsetzten. Darüber hinaus kam Morrissey so auch auf die

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