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An neuer Küste, mit alter Gesinnung: Hans Paasche und seine Kritik am Kolonialismus im Deutschen Kaiserreich
An neuer Küste, mit alter Gesinnung: Hans Paasche und seine Kritik am Kolonialismus im Deutschen Kaiserreich
An neuer Küste, mit alter Gesinnung: Hans Paasche und seine Kritik am Kolonialismus im Deutschen Kaiserreich
eBook131 Seiten1 Stunde

An neuer Küste, mit alter Gesinnung: Hans Paasche und seine Kritik am Kolonialismus im Deutschen Kaiserreich

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Über dieses E-Book

Diese Quellenedition versammelt drei eindrückliche Texte des ehemaligen Kolonialsoldaten Hans Paasche. Heute ist sein Name beinahe in Vergessenheit geraten. Doch unter den wenigen öffentlichen Kritikern der nationalistischen und imperialistischen Politik des Kaiserreichs ist er eine besonders spannende Persönlichkeit. Paasche steht für ein zeitloses Ideal, mit dem wir uns heute noch identifizieren können: die Erkenntnis, dass man aus seinem alten Leben ausbrechen kann, wenn man es für falsch und fehlgeleitet hält. Für diese Edition stehen drei seiner Texte als Quellen zur Verfügung: "Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland" und zwei Flugsschriften von Paasche: "Meine Mitschuld am Weltkriege" und "Das verlorene Afrika".
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum6. Juni 2011
ISBN9783940621924
An neuer Küste, mit alter Gesinnung: Hans Paasche und seine Kritik am Kolonialismus im Deutschen Kaiserreich

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    Buchvorschau

    An neuer Küste, mit alter Gesinnung - Vergangenheitsverlag

    Paasche

    1. Einleitung

    Diese Quellenedition versammelt drei eindrückliche Texte des ehemaligen Kolonialsoldaten Hans Paasche. Heute ist sein Name beinahe in Vergessenheit geraten. Doch unter den wenigen öffentlichen Kritikern der nationalistischen und imperialistischen Politik des Kaiserreichs ist er eine besonders spannende Persönlichkeit. Paasche steht für ein zeitloses Ideal, mit dem wir uns heute noch identifizieren können: die Erkenntnis, dass man aus seinem alten Leben ausbrechen kann, wenn man es für falsch und fehlgeleitet hält.

    Hans Paasche machte einen für das Deutsche Kaiserreich ungewöhnlichen Prozess durch, der durch seine Texte gut dokumentiert ist. Vom unkritischen Bürger und regierungstreuen Offizier, der in Deutsch-Ostafrika Aufstände niederschlug, wurde Paasche zu einem kritischen Pazifisten und Idealisten, der öffentlich anprangerte, was er bald für falsch, unmoralisch und gefährlich hielt, nämlich die Unterdrückung in den deutschen Kolonien, Kriegstreiberei und Militarismus. Sein reflektiertes Denken verleiht seinen Werken eine hohe Glaubwürdigkeit. Paasche kritisierte nicht nur andere, sondern immer auch sich selbst und seine eigene Vergangenheit. Mit Sorge beobachtete er, wie nationalistisch angestachelt und aufgerüstet das deutsche Kaiserreich war. Er selbst erlebte noch den verheerenden Ausgang des Ersten Weltkriegs. Wohin der extreme Nationalismus Deutschland führen sollte, konnte er jedoch nur ahnen – Paasche wurde 1920 erschossen.

    Mit dem Wissen der Nachgeborenen erscheinen uns Paasches Texte heute erstaunlich hellsichtig. Was für ein Mensch war dieser Hans Paasche?i Er wurde am 3. April 1881 als Johannes Albert Ferdinand in Rostock geboren und wuchs in Berlin auf. Seine Mutter war eine wenig bekannte Schriftstellerin, sein Vater, Herman Paasche, hingegen eine Person des öffentlichen Lebens. Zwischen Politik und Wirtschaft zu Hause, war der Vater Abgeordneter der Nationalliberalen Partei im Reichstag, zeitweise sogar dessen Vizepräsident und daneben Nationalökonom, einflussreicher Aktionär und Lobbyist. Hans Paasche wuchs behütet auf und erhielt an einem noblen Gymnasium den seinem gutbürgerlichen Stand angemessenen Unterricht. Seine Eltern wünschten, dass er eine Laufbahn als Professor einschlagen würde. Stattdessen wurde er Soldat und ging zur Marine, wo er relativ zügig Karriere machte. Schon mit Anfang 20 fuhr er 1904 als Offizier auf einem Schiff Patrouillen vor der Küste Deutsch-Ostafrikas (heute Tansania). Diese größte Kolonie des Kaiserreichs war fast doppelt so groß wie das damalige Deutschland. Ungefähr ein Jahr war Hans Paasche dort eingesetzt, dann kam es zu einem Aufstand, der heute als „Maji-Maji-Aufstand" bekannt ist. Paasche wurde als militärischer Befehlshaber tief darin verwickelt: Er befahl Erschießungen, ließ ganze Dörfer niederbrennen und tötete eigenhändig. Sein Einsatz in Afrika sollte sein weiteres Leben prägen. Einerseits empfand er Schuldgefühle, die er später in Texten verarbeitete. Auch in den für diese Publikation ausgewählten Quellen sind solche Gefühle nachzulesen. Andererseits wurde während Paasches Soldatenzeit seine Faszination für die afrikanische Natur und Lebensweise geweckt. Bis zu seinem Tod schrieb er über Afrika, hielt Vorträge und brachte Fotos nach Deutschland.

    Während viele zeitgenössische Darstellungen die Wirklichkeit in den deutschen Kolonien verzerrten, behandelte Paasche auch jene Aspekte, die andere verschwiegen. So war die Kontrolle der Kolonialherren über die afrikanischen Gebiete längst nicht so groß, wie sie gerne dargestellt wurde. Eine vergleichsweise kleine Zahl von Europäern fand eine ihnen zutiefst befremdliche und Angst einflößende Welt vor: tropische Krankheiten, vermeintlich „wilde" Einheimische und ein riesiges, unkontrollierbares Territorium. Paasches persönliche Berichte geben uns einen einzigartigen Einblick in die Denkmuster der deutschen Soldaten und Kolonialbeamten. Vor allem in seinen späteren Texten prangerte Paasche den Rassismus deutlich an. Er zeigt, welche Folgen die Vorstellung, die Deutschen seien anderen Völkern zivilisatorisch und kulturell überlegen, in den Kolonien hatte. Im Zuge seines allmählichen Sinneswandels entwickelte Paasche nicht nur großes Verständnis für die Kultur der Unterdrückten, er gab ihnen auch eine Stimme.

    Es war jedoch kein rasanter Bruch, den Paasche mit seiner Vergangenheit vollzog, vielmehr spiegeln seine Texte einen langsamen Sinneswandel wieder. Bemerkenswert ist dabei vor allem, wie schwer es ihm anscheinend fiel, sich von seinem Leben beim Militär zu lösen. Zwar wurde er 1909 aus der kaiserlichen Marine entlassen und näherte sich in den nächsten Jahren immer stärker pazifistischen Idealen an. Dabei ging er auch Konflikten mit Ehrengerichten und anderen Soldaten nicht aus dem Weg. Doch als der Erste Weltkrieg ausbrach, meldete sich Paasche erneut freiwillig. Glaubt man seinen eigenen Ausführungen, war er wie viele Zeitgenossen der Meinung, Deutschland führe einen Verteidigungskrieg. Paasche wurde allerdings noch mitten im Krieg, Anfang 1916, wieder entlassen. Einiges spricht dafür, dass er im Militär unangenehm auffiel und mit seinem kritischen Querdenken die Moral untergrub. Der Bruch, den Paasche danach immer konsequenter vollzog, scheint sämtliche Lebensbereiche umfasst zu haben. Aus dem Soldaten Paasche wurde schließlich ein Pazifist, aus dem begabten Jäger ein Vegetarier, der sich für den Tierschutz engagierte, und aus dem Großstadtmenschen ein Naturromantiker und Kritiker des industrialisierten Lebens, der sich nach seiner Rückkehr aus dem Krieg mit seiner Familie auf ein Gut in Posen zurückzog.

    Eine öffentliche Erscheinung blieb Paasche dennoch, weil er als Schriftsteller die Anfälligkeit der Deutschen für Militarismus und unkritischen Gehorsam scharf kritisierte. Bereits 1907 hatte er erste Texte geschrieben und sogar die ausgedehnten Flitterwochen mit seiner Frau Ellen 1909 und 1910 für eine Art Forschungsreise durch die deutschen Kolonien in Ostafrika und den belgischen Kongo genutzt.ii Später jedoch nannte Hans Paasche die in dieser Zeit entstandenen, unkritischen Texte über Afrika selbst „verlogen. Vor allem in seinen letzten Lebensjahren schrieb er deutlich kritischer. In dieser Quellenedition werden deshalb als frühester Quellentext die Briefgeschichten von „Lukanga Mukara verwendet, die noch vor dem Ersten Weltkrieg entstanden und gewissermaßen den Übergang in Paasches politische Phase markieren.

    Ein gutes Jahr nach seiner Entlassung aus dem Militär provozierte Hans Paasche die ihm gegenüber ohnehin schon misstrauischen Behörden, indem er mit französischen Kriegsgefangenen auf seinem Familiengut den französischen Nationalfeiertag feierte und die französische Nationalhymne spielen ließ. 1917, mitten im Krieg, brachte diese Fraternisierung mit dem französischen „Erbfeind" ihm einen Gerichtsprozess als vermeintlicher Landes- und Hochverräter ein. Der frühere Marineoffizier Paasche wurde zu einer Haftstrafe verurteilt und saß 13 Monate im Gefängnis. 1918 befreiten ihn während der Novemberrevolution Matrosen aus dieser Haft und wählten ihn in einen der damals entstehenden Soldatenräte. Wäre seine Frau Ellen nicht kurz darauf an der spanischen Grippe gestorben – vielleicht wäre Paasche ein oppositioneller Parlamentarier geworden. So aber zog er sich auf sein Gut in Posen zurück und schrieb die heftigsten Anklageschriften seines Lebens. Nicht ohne Folgen: Schließlich erschienen am 21. Mai 1920 bewaffnete Soldaten auf dem Gut. Die Berliner Sicherheitspolizei hatte einen Hinweis bekommen, dass Hans Paasche angeblich Waffen für den Widerstandskampf der Kommunisten dort verstecken würde. Daraufhin rückte ein Schutzregiment der Reichswehr zur Hausdurchsuchung bei Paasche an. Unter welchen Umständen Paasche zu Tode kam, ist bis heute unklar. Die vorherrschende Deutung ist die, dass die Hausdurchsuchung ein Vorwand gewesen sei, zumal keine Waffen gefunden wurden. Hans Paasche wurde offenbar beim Baden im See überrascht und niedergeschossen, als er versuchte, vor den ihm auflauernden Soldaten zu fliehen. Es bleiben Paasches Texte, die Zeugnis über sein engagiertes Leben ablegen.

    Für diese Edition stehen drei seiner Texte als Quellen zur Verfügung: „Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland und zwei Flugsschriften von Paasche: „Meine Mitschuld am Weltkriege und „Das verlorene Afrika". Die Originaltexte sind an die neue deutsche Rechtschreibung angepasst. Fehler in den Originalen wurden behutsam verbessert.

    2. Hans Paasche: Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland

    „Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland ist ein von Hans Paasche verfasster Briefroman. Paasche benutzt in diesem Werk die fiktive Figur des „Lukanga Mukara, eines Afrikaners der von seinem König „Mukama" ausgesandt wurde, um andere Länder, Völker und Sitten zu erforschen. Die insgesamt neun Briefe an den König sind aus der Sicht von Lukanga geschrieben. In ihnen berichtet er von seinem Aufenthalt in Deutschland vom Mai 1912 bis zum Oktober 1913. Durch den kindlich-naiven Blick von Lukanga auf eine fremde Kultur übt Paasche eine indirekte Kritik an der damaligen deutschen Gesellschaft aus. Zu den Themen dieser Kritik gehören unter anderem die Kolonialpolitik und der Kulturimperialismus des wilhelminischen Kaiserreiches.

    Die ersten sechs der insgesamt neun Briefe erschienen bereits zwischen 1912 und 1913 in der Zeitschrift „Der Vortrupp, die von Hans Paasche und Hermann Popert im Alfred Janssen Verlag herausgegeben wurde. Da während des Ersten Weltkriegs die deutschen Militärbehörden die Veröffentlichung der Lukanga-Briefe in Buchform verboten, kam es dazu, dass der gesamte Roman erst 1921, ungefähr ein Jahr nach Hans Paasches Tod, erscheinen sollte. Herausgegeben wurde das Buch von Franziskus Hähnel „auf Veranlassung Hans Paasches in Hamburg. Der damalige Außentitel lautete: „Die neun Briefe des Negers Lukanga Mukara".iii Die gesammelte Version erreichte deutlich mehr Leser als die Briefe im Vortrupp. Vor allem bei jugendlichen Lesern war Paasche zeitweise sehr populär.

    Der hier vorliegende Text beruht auf der 6. Auflage des von Franziskus Hähnel herausgegebenen Buches. Sie erschien unter dem Titel „Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschlands" im Fackelreiter Verlag in Hamburg, Bergedorf. Diese Auflage wurde ohne Angabe eines Erscheinungsjahres veröffentlicht.

    2.1. Erster Brief

    Berlin, den 1. Mai 1912.

    Omukama! Großer und einziger König!

    Ich schreibe Dir als Dein gehorsamer Diener, den Du aussandtest, zu sehen ob es einen König gebe, der Dir gleiche und ob ein Land sei, das von Menschen bewohnt, den Menschen mehr zu bieten habe als Dein Land Kitara, das Land der langhörnigen Rinder.

    Lass mich die

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