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Das Bildnis des Todes
Das Bildnis des Todes
Das Bildnis des Todes
eBook277 Seiten4 Stunden

Das Bildnis des Todes

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Über dieses E-Book

Jules Dupont aus Paris erhält von seinem Onkel, dem ehemaligen Rechtsanwalt Arthur Morin, eine außergewöhnliche Schenkung. Dabei handelt es sich um Gemälde Pierre-Auguste Renoirs, Caspar David Friedrichs, Spitzwegs und Picassos. Zudem existiert auch eine Mappe mit Grafiken von Marc Chagall. Der Wertumfang allein der Gemälde beträgt über fünf Millionen Euro. Allerdings ist diese Schenkung mit einer Auflage verbunden: Dupont ist es untersagt, sie zu veräußern. Warum? Welches Geheimnis verbirgt Onkel Morin? Geblendet vom Wert der Bilder denkt Dupont darüber nach, wie er diese Auflage umgehen könne, und es dauert auch nicht lange bevor der erste Mord geschieht.
SpracheDeutsch
Herausgebernexx verlag
Erscheinungsdatum11. Jan. 2016
ISBN9783958700093
Das Bildnis des Todes

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    Buchvorschau

    Das Bildnis des Todes - Thomas W. Schmidt

    Impressum

    Autor:

    Thomas W. Schmidt

    Titel:

    Das Bildnis des Todes

    Verlag: © nexx verlag gmbh, 2014 (www.nexx-verlag.de) . Alle Rechte vorbehalten.

    Erscheinungstermin: Dezember 2014

    ISBN/EAN:  9783958700093

    Die Personen und die Handlung sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    »Nur die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt, die Wahrheit steht von alleine aufrecht.«

    Benjamin Franklin (1706-1790)

    1. Kapitel: Die Villa in der Rue Tahère

    5. April, 2005.

    Nach schlaflosen Nächten setzte sich Dupont mit seinem Freund, Janis Perrin, telefonisch in Verbindung: „Ich benötige deine Hilfe! Schön wäre, wir würden uns treffen und unter vier Augen reden!"

    „Dann komm in einer Stunde in das Café von Morel in der Rue Saint-Charles! Dort sind wir ungestört. Ich nehme an, es geht um höhere Beträge."

    Perrin, geschieden, früher im Polizeidienst tätig und ehemaliger Savate-Kämpfer, war ein eher unauffälliger Typ. Man hatte ihn aus dem Polizeidienst entlassen, angeblich wegen Kompetenzüberschreitungen. Zudem trotzte er der Bürokratie innerhalb der Behörden.

    Perrin machte sich irgendwann in der Antiquitätenbranche selbstständig und lernte die Unterwelt aus neuem Blickwinkel kennen. Dies lag daran, dass man ihm hin und wieder unsaubere Ware zum Kauf anbot. Im Geheimfach eines alten Schreibsekretärs fand er ein Kilogramm Heroin. Jenes Möbelstück hatte man ihm zum Schleuderpreis untergejubelt, wohl versehentlich. Da eine Anzeige gegen unbekannt endlose Verhöre nach sich ziehen würde, schmiss er den Stoff einfach in die Seine.

    Dupont und Perrin trafen sich also in besagter Gastronomie. Musik dämpfte die Gespräche der Gäste ringsum. „Mein Onkel schenkt mir etwas, so Dupont. „Wie ich dazu komme, weiß ich selbst nicht.

    „Du machst mich neugierig. Ich denke, es ist die Sechsfamilienvilla in Saint-Cloud. Greif nur zu, denn dieser Außenbezirk ist ein begehrtes Pflaster für Einbrecher! Sie schrecken auch vor Mord nicht zurück. Du könntest das Grundstück verkaufen, wenn du es nicht selbst nutzen willst. Bestimmt wirst du es reißend los."

    „Ich müsste das Gebäude sanieren und dazu fehlen mir die Mittel. Ein Verkauf läge schon nahe."

    „Also, was bekommst du nun? Mach es nicht so spannend!"

    „Eine Bildergalerie, obwohl mein Onkel mich nie mochte. Dieser Besitz könnte das Leben unserer Familie grundlegend verändern. Ich weiß nicht, ob ich das will. Mein Onkel hat mir diesbezüglich ein Einschreiben gesandt. Allerdings darf ich keines der Bilder verkaufen. Ich muss versuchen, diese Klausel zu umgehen. Nach eigenen Aussagen war mein Onkel passionierter Sammler. Es könnte schon sein, dass mir die Villa eines Tages auch noch gehört. Es ist ein Prachtbau von 1905. Mein Onkel nutzte ihn als Anwaltskanzlei und für Wohnzwecke. Unsere Tochter Léa wohnt mit ihrer Familie in Limoges. Sie ist wohl kaum an solch einer Immobilie interessiert, zumal sie im Außendienst tätig ist. Und für Antiquitäten hat sie auch kein Faible. Jedenfalls hatten wir noch nie die Gelegenheit, in diesem Umfang zu erben. Mein Onkel hat sich in Megève, einem Ferienort in den Alpen, eine Wohnung gemietet. Dort will er den Lebensabend mit seiner Gefährtin Clara Degas verbringen. Nebenbei gesagt, ich habe sie noch nie zu Gesicht bekommen."

    Perrin war fasziniert. „Man schenkt dir also die millionenschwere Bildergalerie? Irgendwann hast du mir von deren Existenz berichtet."

    „Stimmt - Gemälde von Renoir sind wohl auch dabei. Ich verstehe nur wenig von Kunst und spiele mit dem Gedanken, den Großteil der Bilder zu verhökern. Wir können es uns gar nicht leisten, sie alle aufzuhängen. Und gefährlich ist es auch. Zudem soll eine Bande von Kunstmardern umgehen. Kurzum, du sollst mich beim Verkauf der Bilder unterstützen!"

    „Blanker Wahnsinn! Nun ja, mich wundert’s nicht. Saint-Cloud gehört zu den Hochburgen in puncto Kunst und Antiquitäten und dein Onkel zu den wohlhabendsten und erfolgreichsten Anwälten von Paris. Wie hätte er diese Sammlung sonst auf die Beine stellen können? Jedenfalls werde ich dir beim Verkauf helfen. Du bist also entschlossen, die Schenkung anzunehmen?"

    „Keine Frage, denn das Angebot ist verlockend. Allerdings wäre es für mich ein Risiko, das Geschäft allein in die Hand zu nehmen - man könnte mich nach allen Regeln der Kunst über den Löffel balbieren."

    „Also werde ich versuchen, dich an seriöse Kunden zu vermitteln. Dies erfordert nicht nur zeitlichen sondern auch materiellen Aufwand. Und was springt für mich heraus? Du weißt, ich betreibe ein Gewerbe und ich muss Miete zahlen. Von etwas leben muss ich auch. Als Käufer würde ich durchfallen, denn einen Renoir könnte ich nie bezahlen. Ich bin Kleinunternehmer, der irgendwann vom Trödeln loskommen will. Das Einzige was ich besitze ist Gespür für antikes Inventar."

    „Und im Kontakt mit mir hat es sich bestätigt."

    „Eben nicht! Ich hätte doch nie gedacht, dass du mal ein solches Erbe antrittst."

    „Ich kann’s noch gar nicht fassen! Jedenfalls sollte der Verkauf an Privatkunden erfolgen und nicht an Gewerbetreibende. Ich habe sogar noch eine Detektivin an der Hand. Sie verfügt über eine Art Strafregister von Kunsthändlern. Dies könnte von Nutzen sein."

    „Hör mir auf mit Detektivinnen! Woher kennst du sie?"

    „Sie gehörte zum Bekanntenkreis meiner verstorbenen Eltern. Warum soll ich dir den Namen verheimlichen? Es ist Inès Gauthier. Sie lebt hier in Paris und ist auch Kunstsachverständige."

    „Hab den Namen schon gehört."

    „Nach deiner Mimik zu urteilen, ist sie dir ein Begriff. Warum hältst du damit hinterm Berg?"

    „Typisch für einen Psychologen – du kannst Gedanken lesen! Gauthier war kürzlich in meinem Laden, nicht um etwas zu erwerben, sondern wegen einer Rückforderung. Ich kaufte im März eine goldene Sprungdeckeluhr der Firma Lange & Söhne an und habe mir vom Anbieter keine Personalien geben lassen - meine Schuld! Dann stellte sich heraus, dass diese Uhr gestohlen war. Ich weiß nicht einmal, wer mir diese Detektivin auf den Hals geschickt hat. Sicher war es der Geschädigte selbst. Er gab sich nicht einmal zu erkennen, womöglich der Anonymität wegen. Gauthier kam gleich mit der Nummer des Uhrgehäuses zu mir und forderte die Ware zurück. Sie hat eben ihre Informanten. Sie gewinnt sie, weil sie bei Straftaten beide Augen zudrückt. Ich glaube noch immer, man hat mich bewusst reingelegt. Man kann einen Artikel auf diese Art auch zwei Mal verkaufen. Angeblich war der Anbieter dieser Uhr ein gewöhnlicher Dieb, der schnellem Geld nachjagte. Nun stehe ich auch auf Gauthiers Liste. In welcher Beziehung stand sie zu deinen Eltern?"

    „In rein Privater. Hast du Vorurteile bei weiblichen Ermittlern? Manchmal sind sie erfolgreicher als männliche Kollegen, wenn sie neben ihren Aktivitäten auch Charme spielen lassen."

    „Charme dürfte bei Gauthier keine Rolle spielen - sie hat keinen!"

    „Also hast du doch Vorurteile!"

    „Ja, weil sie mir auf den Nähten gekniet ist. Sie hat mich gezwungen, die Uhr stehenden Fußes herauszugeben. Soll ich mich etwa um Ware streiten, die mir gar nicht gehört? Manche Händler fordern Besitznachweise oder fingieren Ankaufbelege. Vor einem Jahr wurde eine Kirche in der Normandie ausgeraubt. Bei jenem Diebesgut handelte es sich um diverse Holzschnitzereien aus dem siebzehnten Jahrhundert. Vor einiger Zeit hat man mir Derartiges zum Schleuderpreis angeboten, was mich argwöhnisch machte. Ich gab vor, finanziell nicht flüssig zu sein und habe den Ankauf vorerst abgelehnt. Zudem notierte ich mir die Adresse des Anbieters. Dass ich sie ohne Weiteres bekommen habe, lässt vermuten, dass Betreffender am Raub nicht beteiligt war. Sicher war ich mir natürlich nicht. Auf diese Weise ist eine Namensliste entstanden. Mir wird alles Mögliche auf dem Ladentisch präsentiert. Die Ware reicht von Tinnef bis Alt-Meißner Porzellan. Ich wurde auch schon von Fahndern getestet. Sie haben mir Diebesgut angeboten, um herauszubekommen, ob ich den einen oder anderen Bruch nicht etwa in Auftrag gegeben hätte. Jedenfalls ist unsereiner nicht der Beliebteste unter den Gewerbetreibenden. Das liegt daran, dass Ermittler und Steuerfahnder selten etwas von Kunst verstehen. Selbst Steuerberater haben Probleme mit Steuererklärungen der Kunsthändler. Um wieder auf die Schenkung deines Onkels zurückzukommen: Zunächst ist es wichtig, sie zu schützen! Sind‘s schöne Bilder?"

    „Ich habe sie nie gesehen, doch wegen der Berühmtheit der Maler gehe ich davon aus. Bisher habe ich mich nie für Gemälde interessiert - das bereue ich!"

    „Und wann zeigst du mir die Bilder?"

    „Wann immer du willst, aber wir müssen nach Saint-Cloud fahren, und zwar in die Rue Tahère. Die Bilder befinden sich in einem Speicher. Ich bin im Besitz der Schlüssel und darf überall hin. Mein Onkel hat sie mir übergeben, als er das letzte Mal in Paris war."

    „Und das Schloss kann man mit einem Nagel öffnen!"

    „So einfach ist es nicht - die Tür ist mehrfach gesichert!"

    „Zu viele Schlösser sind verräterisch."

    „Soll man Kunst im Treppenhaus aufbewahren? Niemand weiß von deren Existenz - dafür hat mein Onkel gesorgt."

    „Wenn er Stillschweigen gewahrt hat? Dazu gehört auch, auf Taxierungen zu verzichten oder sie nicht öffentlich zu machen."

    „Daran hat mein Onkel bestimmt gedacht!"

    „Es gibt windige Schätzer, die Haushalte ausspionieren und es darauf anlegen, die Preise im Auftrag dubioser Händler zu drücken. Auktionskataloge jedenfalls müssen nicht neu sein - Anhaltspunkte zur etwaigen Wertermittlung liefen sie in jedem Fall."

    „Onkel Morin lebte bislang zurückgezogen, die Privatsphäre betreffend. Die Villa wird derzeit von einem Wächter mit Hund bewacht. Er dreht tagsüber seine Runden. Zudem schaltet sich nachts eine automatische Beleuchtung ein. Und dann ist der Haupteingang mit einer Scheinbeschilderung versehen. In der Rue Tahère 60 befindet sich neuerdings der Kalender-Verlag von Alain Petit."

    „Besser als nichts. Wenig sinnvoll ist es, tagsüber Wache zu schieben. Ich will damit sagen, dass die Bilder schleunigst aus diesem Grundstück müssen. Bedenke, Antiquitätenmarder und Metalldiebe treiben in leer stehenden Gebäuden ihr Unwesen! Etwas ist dort immer zu holen."

    „Du machst mir Angst!"

    „Das ist so gewollt - Angst macht vorsichtig. Es ist ein Jammer, wie leichtfertig dein Onkel mit Kunstschätzen umgeht! Er scheint die Bilder nicht zu mögen. Vielleicht liegt es auch an deren Herkunft."

    „Eigentlich müsste ich froh sein, wenn er sie abstoßen will, aus welchen Gründen auch immer!"

    „Die Leute vererben oder verschenken eher Dinge, an denen sie nicht hängen. Du sagtest aber, dein Onkel war passionierter Sammler. Liegt darin nicht ein Widerspruch? Leute wie er müssten eher an ihren Werten kleben. Wie war das Verhältnis zwischen deinem Onkel und dir?"

    „Eher schlecht. Morin nannte mich einen Versager, weil ich nicht in die Fußstapfen meines Vaters gestiegen bin. Mein Vater war Mediziner und ich konnte es nicht werden weil die schulischen Leistungen nicht ausreichten - was soll’s! Was die Sicherheit der Bilder betrifft, hast du recht! Ich vermute aber, dass sie sich erst seit Kurzem in dieser Villa befinden. Und dann schaut Morins frühere Anwaltsgehilfin nach dem Rechten."

    „Du siehst also, dass dein Onkel mit nationalem Kulturgut stiefmütterlich umgeht. Du sagtest, zwei Werke von Renoir befinden sich in besagter Sammlung. Warum dein Onkel die Bilder ausgerechnet in Saint-Cloud lagert, ist mir ein Rätsel. Dort treiben Langfinger ihr Unwesen und das in zunehmendem Maße. Morin könnte die Gemälde auch in seiner Wohnung in Megève aufbewahren, wenigstens vorübergehend. Du solltest sie einfach holen, wenn er sie nun mal loswerden will! Eine Schenkung zu Lebzeiten ist wenig problematisch - du sparst notariellen Aufwand. Der Abtransport der Bilder muss natürlich unauffällig vonstattengehen."

    „Hilfst du mir?"

    „Zu jeder Zeit, denn mich plagen Neugier und Verlangen, eines der Werke zu besitzen!"

    „Ich werde nicht kleinlich sein!"

    Der Ober kam und nahm die Bestellung auf. Perrin und Dupont ließen sich je ein Baguette Parisienne und ein Bier kommen. Dupont übernahm die Rechnung unter der Maßgabe, er habe Perrin zu besonderem Anlass eingeladen. „Sehen wir uns?, fragte Dupont. „Wir sehen uns und du legst fest, wann wir starten - ich führe den Transport durch!

    „Okay! Dann werde ich jetzt heimfahren."

    Dupont, zu Hause angelangt, stellte sein Fahrzeug ab und ging zur Pariser Bir-Hakeim-Brücke. Sie befand sich in der Nähe seiner Behausung. Dupont schaute auf die Seine und dachte nach. Heute Vormittag war ohnehin wenig Betrieb in der psychotherapeutischen Praxis und seine Frau Agnes schmiss den Laden auch mal ohne ihn. Notfalls konnte sie Patienten wegen eigenen Arztbesuches auch mal abwimmeln und neue Termine vergeben. Dupont überlegte, ob er seinen Freund tatsächlich in die Übernahme dieser Schenkung mit einbeziehen sollte. Würde Janis beim Anblick der Bilder durchdrehen? Doch in erster Linie befürchtete er Repressalien von Antikmardern, die über kurz oder lang Kunde von jenem Besitz erhalten könnten. Also plante er, die Bilder bei Perrin zwischenzulagern.

    Dupont rief seinen Onkel in Megève an. „Vielen Dank für das Einschreiben! Du avisierst die Schenkung deiner Gemäldesammlung? Ich kann es noch gar nicht fassen! Und nun wollte ich fragen, wann ich die Bilder holen darf. Möchtest du vielleicht zugegen sein? Es gibt ja schließlich viel zu bereden. Ich würde dich in Megève abholen, nach Saint-Cloud kutschieren und wieder zurückbringen. Was sagst du?"

    „Warum diesen Aufwand? Wir treffen uns später - momentan fehlt mir die Zeit. Du musst vorher anrufen, wenn du mich besuchen willst! Ich bin trotz meines fortgeschrittenen Alters viel unterwegs und mit meiner Lebensgefährtin Clara allein kannst du nichts anfangen. Vor allem will ich nicht, dass jemand meine neue Adresse erfährt. Ich verlange also Diskretion! Einige meiner Mandanten sind oder besser gesagt waren mit mir nicht zufrieden. Man kann’s niemandem recht machen, vor allem im Anwaltsgeschäft. Sagen wir es so: Es kann Nachforderungen von einigen meiner Klienten geben. Damit hast du allerdings nichts zu schaffen!"

    „Und was haben diese Nachforderungen mit der Schenkung zu tun? Morin wich der Frage aus. „Ich war wohl vom Thema abgekommen. Jedenfalls fragen die Kunden nicht nach meinem Gesundheitszustand. Und dass ich im Ruhestand bin, interessiert auch niemanden. Falls mein Aufenthaltsort publik würde, bekäme ich ständig Besuch. Natürlich halte ich die Verbindung zu einigen meiner früheren Kunden aufrecht, allerdings per E-Mail oder mit einem Postschließfach. Was die Bilder betrifft, hol sie nur schnell! Und dann hatte einer meiner Mandanten eine Vorliebe für Raubkunst. Sie fiel in meine Hände und jetzt ist Gras über die Sache gewachsen. Maitre weiß auch davon. Die Nazis hatten jüdischen Besitz in Form von Ölbildern beschlagnahmt, der in den sechziger Jahren in einem Pariser Ramschladen aufgetaucht ist. Es sind Schinken, für die ich nun gar nichts übrig habe - Malerei des Kubismus ist nicht mein Ding. Die Bilder befinden sich in einem Verschlag.

    „Soll ich dieses Geschenk wirklich annehmen?"

    „Du musst, bevor ich tot bin! Ich bin über siebzig und mein Gesundheitszustand ist nicht der Beste. Hinzu kommt die angeschlagene Psyche. Aus diesem Grund war ich saumselig."

    „Hast du einen Arzt konsultiert? Siebzig ist noch kein Alter!"

    „Schön, dass du mir Mut manchen willst – ich werd drüber nachdenken! Jedenfalls ist es lange her, seit dem ich das letzte Mal in meinem Grundstück war. Wie du weißt, gibt es neben einem Wächter noch eine Kraft, die zwischendurch nach dem Rechten sieht. Es ist Lina Dubois, eine korpulente Blondine mit Haaren auf den Zähnen. Sie war viele Jahre meine Anwaltsgehilfin. Sie darf aber nur in die ehemaligen Büroräume und nur dafür hat sie einen Generalschlüssel. Dubois ist zwar zuverlässig, aber schwatzhaft veranlagt. Sie darf nichts von den Bildern erfahren. Außer dir ist Jan Maitre der Einzige, der meine neue Adresse hat und von den Gemälden weiß. Natürlich kennt er nicht jedes Motiv und kaum Signaturen. Zumindest ist er ein Vertrauter. Ich hatte ihn vor längerer Zeit in einem Prozess vertreten, obwohl er selbst Anwalt ist. Deshalb fühlt er sich zu Dank verpflichtet. Auch er wohnt in der Rue Tahère, nur fünf Häuser weiter. Irgendwann mache ich dich mit ihm bekannt. Wie du weißt, befindet sich meine Wohnung im vierten Stock. Sie ist zum Teil noch möbliert. Verlasse sie, wie du sie vorgefunden hast und vor allem, lass niemanden hinein! Im Flur steht nämlich ein alter intarsierter Barockschrank aus dem siebzehnten Jahrhundert. Es ist ein wahrer Blickfang und um die hunderttausend Euro wert. Die Existenz dieses Schranks lässt auf Vermögen schließen. Und im Wohnzimmer befindet sich eine alte über zwei Meter hohe Standuhr, datiert 1750. Es ist ein ausgefallenes Stück. Im Moment hänge ich noch daran. Die Räumlichkeiten hier in Megève sind zwar gemütlicher, dafür aber kleiner, und sie haben eine geringere Deckenhöhe. Ich weiß also nicht, wo ich Schrank und Uhr hinstellen soll. In der Villa gibt es auch einen Personenaufzug. Benutze ihn nicht! Falls du mit ihm stecken bleibst, hört niemand die Alarmglocke und du musst verrecken. Ich weiß auch nicht, ob dieser Aufzug noch funktioniert. Irgendwann wird er gebraucht. Also könntest du ihn testen lassen, bevor du die Bilder holst. Bis jetzt weiß niemand von deren Existenz. Die Stahltür im Treppenhaus hat zwei Sicherheitsschlösser. Man kann sie knacken, aber es nimmt Zeit in Anspruch. Schau auch gleich nach den Porzellanen in der Etage darüber und bedien dich! Wem soll ich sie sonst geben? Du weißt, ich habe keine Nachkommen. Ich ahne, was du jetzt sagen willst: Morin ist ein Kunstbanause und hat für antikes Inventar nichts übrig. Dem ist nicht so. Was dich betrifft, wirst du dich an diesen Besitz gewöhnen."

    „Ich finde keine Worte!"

    „Schlechtes Omen für einen Psychotherapeuten, der seine Patienten gesund machen soll! Naja, bescheiden warst du schon immer, doch meist an der verkehrten Stelle. Du weißt, was du da bekommst? Und noch einmal zum Mitschreiben: Halte dich an die Auflage - nichts wird verkauft! Andernfalls hast du die Antik-Mafia am Hals und ich auch. Freilich wirst du die nötigen Tricks finden und meine Auflage umgehen. Das wäre der Fall, wenn du am Hungertuch nagen müsstest. Ich weiß nicht, wie du dein Leben überhaupt meistern willst! Von der Mentalität deines Vaters hast du nichts und von deiner Mutter nicht viel. Aber du bist der Sohn meines Bruders, mit dem ich immer zurechtgekommen bin. Schade, dass er schon tot ist! Nun, wir alle müssen mal abdanken. Apropos Finanzen: Wenn alle Stränge reißen, könnte ich dir etwas Geld leihen oder den Verkauf eines Bildes genehmigen. Letzteres wäre für mich sicherer. Wer weiß, ob du Schulden je zurückzahlen könntest. Und noch etwas: Im Hausflur befindet sich eine Videokamera, die mit meinem Computer gekoppelt ist. Du kannst die Aufnahmen abrufen. Ich hoffe, die Gerätschaften funktionieren noch! Die Kamera befindet sich in Nähe der Treppenhausbeleuchtung im Erdgeschoss. Bei ausgeschalteter Beleuchtung ist sie unsichtbar. Wenn die Lampe in Betrieb ist, blendet das Licht – ein Spezi hat die Kamera so installiert. Prüfe, ob es Fotos von ungebetenen Gästen gibt! Also – wir müssen jetzt Schluss machen!" Morin hatte ohne sich zu verabschieden aufgelegt.

    Dupont rief Perrin am späten Abend an. „Ich habe mit meinem Onkel telefoniert."

    „Und was hat er gesagt?"

    „Er hat mich wieder mal gedemütigt. Für ihn bin ich ein Versager und womöglich auf Almosen anderer angewiesen."

    „Aber du bekommst dein Erbe noch zu Lebzeiten, und zwar als Schenkung. Also bist du in meinen Augen kein Versager!"

    „Wenn du es so formulierst? Zudem hat mich Morin über die Existenz von Bildern aus dem Bereich der Raubkunst informiert. Perrin horchte auf. „Es könnte sich hier auch um Werke von Picasso handeln - darauf sollten wir uns konzentrieren!

    „Am besten, wir fahren schon morgen nach Saint-Cloud - mein Onkel lässt mir freie Hand!"

    „Da habe ich einen wichtigen Termin!"

    „Verschieb ihn - du könntest ein gutes Geschäft verpassen! Du hast selbst gesagt, ich soll mich um die Bilder kümmern!"

    „Gut, ich verschiebe meinen Termin und bis nach Saint-Cloud ist‘s ja nur ein Katzensprung."

    „Auch mein Onkel ist dafür, den Abtransport der Gemälde nicht auf die lange Bank zu schieben. Wie gesagt, er hat seine frühere Anwaltsgehilfin beauftragt, hin und wieder nach dem Rechten zu sehen. Hoffentlich läuft sie uns nicht über den Weg. Mit meinem Onkel müssen wir jedenfalls nicht rechnen. Außerdem hat er gesagt, er müsse beim Räumen nicht zugegen sein. Das verstehe, wer will! Ansonsten wurde an alles gedacht. Im Hausflur befindet sich sogar eine Videokamera, gekoppelt mit einem Computer."

    6. April.

    Dupont und Perrin fuhren also nach Saint-Cloud, um die ehemalige Anwaltskanzlei Morins in der Rue Tahère aufzusuchen. An der Vorderfront hing tatsächlich das Firmenschild mit der Aufschrift „Kalenderverlag Alain Petit. Im Hof befand sich ein Vorgarten. Rhododendren hinter dem schmiedeeisernen Zaun versperrten die Sicht zum Hauseingang, doch das Hoftor stand offen. Dupont verfiel fast in Panik. Perrin mahnte zur Ruhe. „Vielleicht ist die frühere Anwaltsgehilfin zugegen und führt gerade eine Kontrolle durch. Die Männer öffneten die schwere Haustür und bewegten sich ins Treppenhaus. Es roch nach defekter Abflussleitung. Neonlampen flackerten gespenstisch. Dann waren Schritte zu hören. Perrin sprang in den Kellerhals. Eine Dame in Begleitung eines hageren Herrn kam gerade die Treppe herunter. Ihr Äußeres entsprach der Beschreibung Morins. „Wer sind Sie?", fragte sie barsch. Dupont stellte sich vor: „Wenn’s Ihnen nichts ausmacht der Neffe Monsieur Morins. Ich habe die Schlüssel für die

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