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Animals To Go: Anthologie zum Story-Wettbewerb 2017 „Fur-Fiction‟ 
des vss-verlags
Animals To Go: Anthologie zum Story-Wettbewerb 2017 „Fur-Fiction‟ 
des vss-verlags
Animals To Go: Anthologie zum Story-Wettbewerb 2017 „Fur-Fiction‟ 
des vss-verlags
eBook253 Seiten3 Stunden

Animals To Go: Anthologie zum Story-Wettbewerb 2017 „Fur-Fiction‟ des vss-verlags

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Über dieses E-Book

Dreizehn fantastische Kurzgeschichten von zwölf Autorinnen und Autoren, in denen Tiere, Tiermenschen, Misch- und Werwesen usw. eine wesentliche Rolle spielen. Von der klassischen Werwolfsgeschichte bis zu Space Opera.

Dies sind die besten Beiträge zum Story-Wettbewerb 2017 des vss-verlags, der unter dem Thema „Fur-Fiction‟ stand:

Ulrich Reimer – Niederstieren
Gerhard Fritsch – Die Rache des Benu
Marina Heidrich – Experiment Nr. 8
Melanie Brosowski – Brandnnacht
Tatsyr – Wer war gleich nochmal Ernie
Eberhard Mayr – Hexenmeister
Michelle Schrandt – Animal I have become
Stefan Lochner – Weich
Georg Jansen – Ein Wildunfall
Martina Bethe-Hartwig – Wölfe
Joe Tyler – Metamorphosis
Marcus Watolla – Freunde fürs Leben
Ulrich Reimer – Felid Navidad

Dazu als Bonus eine klassische Fur-Fiction Story aus dem Jahr 1908:

Kurd Laßwitz – Aus dem Tagebuch einer Ameise
SpracheDeutsch
Herausgebervss-verlag
Erscheinungsdatum20. Apr. 2018
ISBN9783961270965
Animals To Go: Anthologie zum Story-Wettbewerb 2017 „Fur-Fiction‟ 
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    Buchvorschau

    Animals To Go - Hermann Schladt

    2017

    Impressum

    Hermann Schladt (Hrsg.) - Animals To Go

    1. Auflage – April 2018

    © vss-verlag Hermann Schladt

    Titelbild: Armin Bappert unter Verwendung eines Fotos von http://www.freepics.com/

    Lektorat: Hermann Schladt

    Vorwort

    Es war beim U-Con am 17. Juni 2017 in Dortmund. Nach einem Gespräch mit einem Besucher am Stand meines Verlags über das Subgenre der Phantastik welches als Fur-Fiction bekannt ist, kam mir Idee, die 2017er Ausgabe des alljährlichen Story Wettbewerbs unter dieses Thema zu stellen.

    Der Besucher entpuppte sich dann als Helge Lange, Herausgeber der „Fur Fiction"-Anthologien bei Solar-X.

    Im Verlaufe des Con tauschten wir uns ausführlicher über das Genre und die Möglichkeit eines Story-Wettbewerbs dazu aus. Dann stand es fest: ich mache es und Helge Lange würde in der Jury mitarbeiten. Und Helge war mir während der Laufzeit jederzeit ein guter und kompetenter Berater.

    Fur-Fiction, ein hierzulande doch recht unbekanntes Genre innerhalb der Phantastik. Auch wenn wir uns nicht auf einen engefassten Begriff der Fur-Fiction beschränkt haben (vermenschlichte Tiere in Kleidern á la „Die Schöne und das Biest‟, sondern allgemein fantastische Kurzgeschichten, in denen Tiere, Tiermenschen, Misch- und Werwesen usw. eine wesentliche Rolle spielen zum Wettbewerb zuließen, hielt sich die Zahl der Einsendungen in Grenzen.

    Dennoch hat es gereicht, Ihnen in dieser Anthologie dreizehn ansprechende und qualitativ guter Stories präsentieren zu können, die Ihnen ein gutes Lesevergnügen bescheren werden.

    Dazu dann noch als besonderes Schmankerl eine frühe Fur-Fiction-Story, die schon 1908 entstanden Kurzgeschichte „Aus dem Tagebuch einer Ameise‟ von Kurd Laßwitz

    Ich bedanke mich bei allen Autorinnen und Autoren, die sich mit einer Geschichte an diesem Wettbewerb beteiligt haben.

    Mein Dank geht auch an Helge Lange, der mir die Idee zu diesem Wettbewerb nahebrachte und als Mitglied der Jury an der Entstehung dieser Anthologie beteiligt war.

    Ebenfalls in der Jury arbeiteten Armin Bappert und Chris Schilling mit, bei denen ich mich hiermit auch herzlich bedanke.

    Jetzt wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen der vierzen Stories diese außergewöhnlichen Anthologie.

    Hermann Schladt

    Herausgeber

    Ergebnis

    1. Platz                Melanie Brosowski                Brandnacht

    2. Platz                Eberhard Mayr                                Hexenmeister

    3. Platz                Ulrich Reimer                                Felid Navidad

    4. Platz                Ulrich Reimer                                Niederstieren

    5. Platz                Joe Tyler                                Metamorphosis

    Einen herzlichen Glückwunsch von der Jury zu diesem Erfolg.

    Weiterhin in die Anthologie aufgenommen werden die Stories:

    Martina Bethe-Hartwig                Wölfe

    Gerhard Fritsch                                Die Rache des Benu

    Marina Heidrich                                Experiment Nr 8

    Otto Jansen                                                Ein Wildunfall

    Stefan Lochner                                Weich

    Michelle Schrandt                                Animal I have become

    Marcus Watolla                                Freunde fürs Leben

    Tatsyr                                                Wer war gleich nochmal Ernie

    Auch euch unseren herzlichen Glückwunsch.

    Niederstieren

    (eine kleine Geschichte aus dem lebendigen Universum)

    von Ulrich „Wer-Kater" Reimer

    Die Katze hatte das letzte Wort.

    Schon allein bei dem Gedanken zog sich Marcus Desertson der Pansen zusammen. Dabei passte es unter Umständen durchaus in sein Konzept, aber dass ließ das ungute Gefühl nicht verschwinden. Die Abfolge der wahrscheinlichen Argumente genau abzustimmen hatte ihn Stunden gekostet. Nun hatten Bär und Katze getauscht, was diesen Teil der Planung völlig ruinierte.

    Im vagen Versuch sich gelassen zu geben bohrte der Stier seinen Ellbogen in die Armlehne, stützte den Kopf auf die Hand und zeichnete mit der anderen ein weiteres Strichmännchen auf das digitale Papier. Durch die Lücken zwischen seinen breiten Fingern behielt er die übrigen Teilnehmer der Konferenz im Blick. Er achtete auf Zeichen und nonverbale Äußerungen die er zu seinem Vorteil nutzen konnte.

    Ein zuckender Schweif, eingeklappte Ohren, alles konnte nun den entscheidenden Hinweis geben. Dabei wirkte die eigentliche Frage, der letzte Punkt auf der Tagesordnung, so erschreckend simpel.

    Abstimmung über die Vergabe der vakanten Stelle des Abteilungsanwalts.

    Eine einzelne Entscheidung, gnädig von der Geschäftsleitung an die Abteilungsleiterkonferenz abgetreten, um die Illusion demokratischer Mitbestimmung aufrecht zu erhalten. Niemand machte sich diesbezüglich etwas vor. Doch die Entscheidung blieb zu fällen. Das hart erkämpfte Recht musste verteidigt werden, und der Streit um das Wie zog sich nun in die dritte Stunde. Im Grunde hatten sich die Bewerber auf die zwei reduziert, deren Akten noch in der Mitte des Tisches blinkten.

    Auf der einen Seite Ian Desertson. Ein junger Stier, frisch dem Anwaltsgehilfendasein entwachsen, dazu zwei außerplanetarische Semester auf der Erde. Zwar nur Boston, aber immerhin doch mehr als andere vorzuweisen hatten. Nicht zu vergessen, Sohn der Schwester von Marcus Frau. Nicht dass Marcus sich sonderlich gut mit seinem Neffen verstand, aber Blut war dicker als Wasser und Stierblut insbesondere.

    Auf der anderen Seite Lauren Plow. Eine verschlagene Kojotin mit drei Jahren Prozesserfahrung, einer beachtlichen Erfolgsquote und einem Lächeln das einem Schauer über den Rücken jagte.

    Es brauchte wenig Rechenkunst, um auszutüfteln, wie die Lager der sechs Abteilungsleiter sich aufspalteten. Drei auf jeder Seite machten das Patt perfekt, und auch wenn die Tischordnung es verbergen mochte war die Aufteilung der Fronten doch für jeden ersichtlich. Man konnte es verstecken, es wegdiskutieren bis man sich in einen Politiker verwandelte, das änderte nichts an den Tatsachen. Darauf lief es immer hinaus; Karnivore gegen Herbivore.

    Es klang, als ginge Susan Mareness langsam der Atem aus. Marcus hatte sich nicht die Mühe gemacht ihrem Gefasel zuzuhören. Die Abteilungsleiterin des Verkaufs sang Loblieder auf seinen Neffen. Die beiden hatten sich ein einziges Mal bei einer Vorstellung getroffen. Konnten sich nicht ausstehen. Doch die fette Stute würde den Posten eher dem nächsten veganen Penner von der Straße geben, ehe sie zuließ dass die Fleischfresser die Überhand bekamen. Im Nachhinein wünschte Marcus sich wirklich, die Konferenz nicht für den lockeren Freitag angesetzt zu haben. Die legere Kleidung sollte eigentlich für entspannte Atmosphäre sorgen. Wer hätte auch ahnen können, dass ausgerechnet Susan Mareness sich als Naturalistin entpuppte? Nur mit Mühe hatte sie sich noch zu einem Lendenschurz überreden lassen, aber das sie darauf bestand ihre ausgelutschten Euter frei baumeln zu lassen würde ihren Argumenten sicher nicht weiterhelfen.

    Endlich ging dem Pferd die Luft aus. Die ausschweifende Rede hatte ihre Position klar gemacht, wenn auch nicht viel mehr. Ian Desterson, ohne Zweifel. Dazu Marcus Stimme machte schon die Hälfte des Nötigen. Über Fred Pinkerton war Marcus sich lange nicht sicher gewesen, der Eber besaß nie das was man eine gefestigte Persönlichkeit nannte. Aber seine Argumentation hatte sich schon nach vier Sätzen zu einer Tirade über die Vorzüge des Veganismus gewandelt. Als er weitere drei Sätze später begann über zeitübergreifende Schuldkomplexe im kollektiven Unterbewusstsein einer Spezies zu referieren hatte Marcus auch ihm nicht mehr zugehört. Wichtig war nur, das Schwein brachte seinen Neffen auf fünfzig Prozent. Natürlich hatte sich auch Marcus selbst in seinem Vortrag um die entscheidenden Qualitäten nicht lumpen lassen.

    Die Gegenseite jedoch ebenso wenig. Einkauf und Marketing waren seit Gründung der Firma stets in karnivorer Hand. Fin Jolings Ansprache war die Schlimmste. Der Iltis verstand sein Metier mit einer Finesse, die seinesgleichen suchen konnte. Ihm traute man zu einem Elefanten Ballettschuhe zu verkaufen. Seine Argumente hätten fast Marcus selbst überzeugt. Was er sagte fühlte sich an wie ein Labyrinth, das einen wenn man sich erst in seinen Pfaden verirrt hatte, unweigerlich zu der einen, seinen Schlussfolgerung führte. Besondere Sorgen hatte Marcus sich dabei um Pinkerton gemacht, es war nur zu bekannt was der Eber im Kühlschrank seiner Abteilung bunkerte. Doch Fin schien nicht recht in Form zu sein, am Ende blieb es bei seiner Stimme für die Kojotin.

    Von Erich Humberts hingegen ging nie eine Gefahr aus. Der Bär war in seinem schienenhaften Denken gefangen seit Marcus ihn kannte. In gewisser Weise bewunderte er ihn sogar. In Konzentration und Sturheit konnte es niemand mit dem obersten Einkäufer aufnehmen. Das machte ihn ebenso verlässlich wie berechenbar. Dass er sich auch zu den Naturalisten zählte machte Marcus weniger aus. Einerseits schadete er damit wenn überhaupt der Gegenseite; andererseits hatte er den, vielleicht nicht beabsichtigten, Anstand alles was man nicht unbedingt sehen wollte unter seinem Wanst zu verstecken.

    So stand es drei Stimmen für Ian, zwei gegen ihn.

    Was blieb war nur die Datensicherheit. Die kleinster aller Abteilungen, im Grund nur eine Bande verschrobener Fachidioten, die sich freuten mit überteuerter Software spielen zu dürfen. Und ihre Königin bekam nun das Wort. Justizia Lex, eine Katze, was musste man mehr wissen? Niemand hatte gern mit ihr zu tun, denn das bedeutete dass man die Datensicherheit brauchte. Was wiederum bedeutete, dass man in irgendeine Falle getappt war. Ein Fakt, den die Katze einen nie vergessen ließ. Angeblich war sie verheiratet, nach Menschenart. Marcus bedauerte den armen Kerl wenn es denn stimmte. Sie würde für die Kojotin stimmen. Um das zu wissen brauchte man ihr Geschwätz gar nicht erst zu hören. Sie würde das Patt vollenden, die Konferenz in die Länge ziehen und alle wären wütend auf sie. Irgendwann würde diese Wut umschlagen, Fin war dabei das schwache Glied. Der Iltis war ungeduldig, auch wenn er es gut verstecken konnte. Er war clever, aber nicht standhaft. Erkannte er lange genug keinen Fortschritt würde er umschwenken. Marketing war letztlich auch nur eine Facette von Betrug. Marcus kratzte sich dezent am Ansatz seiner Hörner. Geduld war eine feine Tugend.

    Er hatte sich so sehr in der Auslegung seiner Taktik verloren, dass es ihm beinahe entgangen wäre als die Katze das Wort ergriff. Die silbergraue Gestalt erhob sich galant aus ihrem Sessel, zupfte ihre violette Geschäftsbluse zurecht; afrikanische Musterung, sicher nicht billig; und räusperte sich leise.

    Ihre schimmernden Katzenaugen überblickten den Tisch als inspizierte ein Buffet.

    „Stellt den Stier ein.", sagte sie und setzte sich wieder.

    Stille schwappte in den Raum wie eine zähe Flüssigkeit.

    Marcus brauchte einige Sekunden um richtig zu begreifen. Er hatte es geschafft. Sein Neffe war drin, vier gegen zwei, daran gab es nichts zu rütteln. Doch wurde jedes Aufkeimen von Freude sogleich durch das Wissen erstickt, dass all seine ausgeklügelte Taktik sich in Rauch aufgelöst hatte. Der Triumph schmeckte seltsam schal.

    Bär und Iltis bedachten die Katze mit Blicken irgendwo zwischen Zorn und Überraschung. Sie schien nichts davon zu bemerken.

    „War es das?", fragte sie nach einigen Sekunden ohne von ihrem digitalen Papier aufzusehen.

    „Sicher", nickte Marcus. Die Verblüffung zog sich nur sehr langsam zurück.

    „Hervorragend, sagte die Katze. Ihre Stimme troff vor Sarkasmus. Sie presste den Daumen auf das digitale Papier und schnippte ihren zeitcodierten Fingerabdruck in die Protokolldatei. „Wenn Sie noch etwas brauchen, sagen Sie es mir am Montag.

    Sie wischte ihre ausgebreiteten Dateien zusammen, erhob sich und verließ den Konferenzraum. Marcus wäre fast vom Stuhl gefallen als er ihr hinterher hastete.

    „Moment!", rief er ihr nach.

    Die graue Katze blieb auf dem Gang stehen und bedachte ihn mit einem durchbohrenden Blick. „Dauert das lange?"

    „Nur eine Frage., entgegnete Marcus „Warum?

    Die Katze rollte mit den Augen „Ist das wichtig?"

    „Ich habe mich etwas über sie informiert., erwiderte Marcus „Ihre Eltern waren Anwälte. Sie kennen doch das Spiel, niemand tut etwas ohne Grund.

    „Da haben Sie es doch. Meine Eltern waren Anwälte. Ich weiß wovon ich rede. Auf lange Sicht ist Ihr Neffe besser für den Job."

    Marcus verzog ungläubig das Gesicht. „Was hat das damit zu tun?"

    „Etwas das ich damals gelernt habe. Justizia lächelte bösartig „Jura ist eine Sache für Wiederkäuer.

    Die Rache des Benu

    von Gerhard Fritsch

    Er – oder Es, wie man im Nachhinein sagen würde, konnte sich nach der dritten Phiole noch erinnern, dass er alle neun Phiolen trinken müsse. Das hatte ihm der alte Mann gesagt, den er glaubte zu kennen und der Tag für Tag um ihn war. Danach würde er geheilt sein, sozusagen neu geboren.

    Nach der fünften Phiole, die ihm wie alle anderen der Alte im Fünf-Stunden-Takt eingab, verlor Benu, wie wir ihn jetzt als Sinnbild für den „wiedergeborenen Sohn" der altägyptischen Mythologie nennen wollen, das Bewusstsein – oder zumindest den Teil davon, der ihm noch geblieben war.

    Fünf Stunden nach der neunten Eingabe des bittersauren Elixiers erwachte er. Sich krümmend und windend versuchte er, die Schmerzen abzuschütteln, die ihn quälten. Der Schrei, den er ausstoßen wollte, erstickte in einem Krächzen, die Hände, mit denen er sich an den Kopf fassen wollte, schienen ihm mehrfach zusammengefaltet zu sein und schnitten ihm Wunden ins Fleisch. Sein Gedächtnis an vorher war nur noch rudimentär vorhanden, doch dass er sich auf seinem Lager wälzen konnte, erstaunte ihn. Er fiel herab und hörte ein Surren, das ihm in vager Erinnerung war, das er aber nicht deuten konnte. Plötzlich wurde es hell und ein Ruf der Verzweiflung durchdrang den Raum. Der alte Mann eilte mit bestürzter Mine herbei und bedeckte voller Schreck sein Gesicht mit den Händen. „Oh mein Gott, stöhnte er. „Was habe ich getan!

    Doch Benu verstand die Bedeutung seiner Worte nicht. Seine Schmerzen waren wie verflogen, er spürte Kraft in sich, in seinem Körper aufsteigen – ein Gefühl, das ihm wie neu, wie wiedergegeben erschien, und das ihm Selbstvertrauen verlieh, Vertrauen darauf, diese neue Kraft auch zu nutzen. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und blickte auf den alten Mann vor sich hinab, der gerade seine Hände wieder vor sein Gesicht führen wollte. Doch wie aus einem angeborenen Reflex heraus, der einen Angriff gegen ihn abwehren wollte, schlug Benu dagegen und traf mit seinen Krallen die Augen des alten Mannes.

    Hineingeworfen aus dem Nebel seiner Vergangenheit in ein neues Leben mit einem neuen Körper und ohne die Erfahrungen des Hineinwachsens konnte Benu nur den Instinkten des Augenblicks folgen. Und dieser Instinkt befahl ihm, sein Verlangen nach Blut und Eingeweiden zu stillen. Blitzschnell verkrampfte er sich im Kopf seines Opfers und hackte ihm mit seinen krallenbewehrten Händen die Augäpfel aus dem Gesicht. Um sein Leben ringend wand und schlug der Alte verzweifelt um sich. Benu konnte er damit nicht gefährden, vielmehr bestärkte er ihn noch in dessen Aggressivität. Doch er traf mit seinen Füßen den nebenstehenden Tisch, von dem daraufhin diverse Gefäße und elektrische Laborgeräte auf den Boden fielen und in Brand gerieten.

    Für Benu war auch das Feuer ungewohnt. Er konnte sich schleierhaft erinnern, so etwas schon einmal gesehen zu haben, aber nicht, welche Wirkungen es haben kann. Den Versuch, es zu bekämpfen, gab er bald auf und floh durch die Tür, durch die der alte Mann hereingekommen war.

    Das Feuer wurde größer und größer. Bald vernahm Benu rasch näherkommende laute Signalgeräusche und blau aufflackernde Lichter in der Dunkelheit. Angst überkam ihn vor dem Unbekannten, das tosend und blitzend herbeieilte. Instinktiv beschloss er, sich in Sicherheit zu bringen. Er begann zu rennen, und ohne dass er es bewusst herbeiführte, breitete er seine langen mit Flughäuten  verbundenen Arme aus und schwang sich in die Lüfte.

    ***

    Das Rodenwälder Tagblatt berichtete am 2. Mai von einem sehr tragischen Geschehen. Das Haus eines emeritierten Professors der Zytologie, etwas abseits eines kleinen Dorfes im Rodenwald gelegen, war in der Walpurgisnacht vollständig abgebrannt. Brandursache, hieß es, wäre ein Kurzschluss im Privatlabor des Professors gewesen, hervorgerufen wahrscheinlich durch das Herabfallen eines elektrischen Prüfgerätes. Die Begleitumstände waren überaus mysteriös: der Professor selbst hatte sich anscheinend ins Freie retten können, wurde aber mit ausgestochenen Augen aufgefunden. Seine Ehefrau war im Bett liegend verbrannt und der 30jährige, nach einem unverschuldeten Autounfall seit Jahren querschnittsgelähmte und geistig behinderte Sohn spurlos verschwunden. Er musste zuletzt im Labor gewesen sein, da sich dort sein umgestürzter Rollstuhl befand. Ohne diesen hätte er sich aber kaum bewegen können, weshalb man von einem Verbrechen ausging. Schwere Körperverletzung, Entführung, Brandstiftung und Totschlag.

    Der Professor konnte bislang noch nicht vernommen werden, da er immer noch unter Schock stand.

    ***

    Als Benu das brennende Anwesen verlassen und voller Überraschung festgestellt hatte, dass er fähig war zu fliegen, kehrte er noch einmal zum Unglücksort zurück. Obschon es noch Nacht war, sah und hörte er, als er darüber kreiste, sehr genau, was dort vor sich ging: Fahrzeuge, Motorengeräusche, Lichter, schreiende und hektisch umherlaufende Menschen, zum Teil mit Helmen auf dem Kopf, alles Dinge, die ihn nur vage an etwas erinnerten, das ihm selbst schon einmal widerfahren war. Es machte ihm Angst. Er wollte Ruhe haben und alleine sein, wie zuvor auch.

    Benu drehte ab und suchte die Dunkelheit, ohne Lichter, die verrieten, dass dort Menschen hausten. Am Rande eines hochgelegenen Feldes, weit weg von der nächsten Siedlung, ließ er sich nieder. Als er sich vergewissert hatte, dass er alleine war, verkroch er sich ins Unterholz, um dort zu schlafen.

    Doch als das erste Dämmerlicht sich ankündigte, erwachte er von einem Motorengeräusch. Augenblicklich hatte er die nächtliche Szenerie mit den schreienden und umherlaufenden Männern vor dem brennenden Anwesen wieder vor Augen. Angst und auch Wut überkamen ihn.

    Der Motor des Fahrzeugs wurde abgestellt, ein in einen grünen Mantel gehüllter Mann stieg aus und warf die Türe des Wagens wieder zu.

    Benu wollte sich anpirschen, um zu sehen, was da vor sich ging, verursachte dabei aber Geräusche, die den Waidmann aufhorchen und neugierig näher kommen ließen. Als der aber die Gestalt Benus durch das Gebüsch erspähte, überkam ihn große Furcht und er schickte sich an, zu seinem Wagen zurückzukehren, um sich mit einem Jagdgewehr auszurüsten. Doch der Schatten holte ihn ein und versperrte ihm den Weg.

    ***

    Am 5.5. berichtete das Rodenwälder Tagblatt von einem neuerlichen grausamen Vorfall. Ein Jäger, der eigentlich nur zur Wildbeobachtung sein Revier aufgesucht hatte, war in den frühen Morgenstunden des 4.5. von einem Kollegen tot in der Nähe seines Geländewagens aufgefunden worden. Sein Körper wies eine Vielzahl von Stich- und Schnittwunden auf und war post mortem wahrscheinlich von Raubwild oder Wildschweinen schon angefressen worden. Darauf wiesen zumindest die äußeren Umstände hin, für eine genaue Analyse müsse aber das Ergebnis der Gerichtsmedizin abgewartet werden.

    ***

    Manfred Eiler war erst vor kurzem nach Obschonfurt zugezogen. Er war als Referendar zur Realschule im Nachbarort Alskanfeld versetzt worden, hatte dort aber keine passende Wohnung

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