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Die Dunkeldrossel
Die Dunkeldrossel
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eBook229 Seiten3 Stunden

Die Dunkeldrossel

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Über dieses E-Book

Buchjäger Colin Bliss hat die Nase voll vom Schreibtischdienst in der Imperial Arcane Library und nimmt stattdessen einen Privatauftrag an. Er soll den Schatten des Schwertes, ein legendäres und gefährliches Hexengrimoire, finden. Aber dafür muss Colin auf die entlegenen Western Isles reisen und einen jahrhundertealten Mord aufklären.

Für Colin ist das Ganze eine rein wissenschaftliche Aufgabe, doch warum versucht der mürrische – und furchtbar attraktive – Magister Septimus Marx, ihn mit allen Mitteln davon abzuhalten, und geht sogar so weit, Colin auf seiner Reise in den Norden zu verführen?

Doch Septimus ist nicht Colins einziges Problem. Wer ist die seltsame Elfe, die zu den unpassendsten Momenten auftaucht? Und wer zieht zusammen mit der finsteren Abenteurerin Irania Briggs hinter den Kulissen die Fäden? Und warum werfen seine neuen Arbeitgeber vom Museum für Magische Literatur ihm andauernd vor, sie zu hintergehen?

Als Colin sich immer tiefer in die Vergangenheit der langen Insel hineingräbt, beginnt er zu verstehen, warum Septimus ihn um jeden Preis von seinem Auftrag abbringen will. Aber da ist es schon zu spät, um umzukehren.

SpracheDeutsch
HerausgeberBadPress
Erscheinungsdatum4. März 2021
ISBN9781071590881
Die Dunkeldrossel
Autor

Josh Lanyon

Author of nearly ninety titles of classic Male/Male fiction featuring twisty mystery, kickass adventure, and unapologetic man-on-man romance, JOSH LANYON’S work has been translated into eleven languages. Her FBI thriller Fair Game was the first Male/Male title to be published by Harlequin Mondadori, then the largest romance publisher in Italy. Stranger on the Shore (Harper Collins Italia) was the first M/M title to be published in print. In 2016 Fatal Shadows placed #5 in Japan’s annual Boy Love novel list (the first and only title by a foreign author to place on the list). The Adrien English series was awarded the All-Time Favorite Couple by the Goodreads M/M Romance Group. In 2019, Fatal Shadows became the first LGBTQ mobile game created by Moments: Choose Your Story.She is an EPIC Award winner, a four-time Lambda Literary Award finalist (twice for Gay Mystery), an Edgar nominee, and the first ever recipient of the Goodreads All-Time Favorite M/M Author award.Find other Josh Lanyon titles at www.joshlanyon.comFollow Josh on Twitter, Facebook, and Goodreads.

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    Buchvorschau

    Die Dunkeldrossel - Josh Lanyon

    Inhalt

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    At once a voice arose among

    The bleak twigs overhead

    In a full-hearted evensong

    Of joy illimited;

    An aged thrush, frail, gaunt, and small,

    In blast-beruffled plume,

    Had chosen thus to fling his soul

    Upon the growing gloom.

    Thomas Hardy, The Darkling Thrush

    Kapitel 1

    Der Brief war an Mr. Colin Bliss adressiert.

    Er lag auf meinem Schreibtisch, wo er gegen den Bilderrahmen mit dem Foto von Antony und mir lehnte. Das erinnerte mich daran, das Foto zu entsorgen. Schließlich waren mein Chef und ich kein ‚Paar‘ mehr. Natürlich würde das den Eindruck erwecken, dass ich diese Tatsache endlich akzeptiert hatte, aber schließlich hatte ich in dieser Beziehung schon so einiges hingenommen und es würde kaum einen Unterschied machen.

    Ich nahm den cremefarbenen Umschlag in die Hand, um ihn mir genauer anzusehen. Seltsamerweise gab es keinen Absender. Die braune Tinte war ebenfalls seltsam. Librivenatoren, so wie ich, benutzten blaue Tinte. Tatsächlich benutzten die meisten Mitglieder der Societas Magicke blaue Tinte. Andere Zweige der Arcane Services benutzten Purpur. Die Allgemeinheit benutzte Schwarz. Aber braune Tinte schien mir vollkommen unbedeutend. Vielleicht gefiel dem Verfasser einfach die Farbe. Mein Problem ist, dass ich als Buchjäger in jedem noch so kleinsten Schriftdetail ein Geheimnis vermute. Na ja, das ist nur eines meiner Probleme. Mir wurde gesagt, dass ich noch ganz andere habe. Magister Septimus Marx hätte zu dem Thema sicher so einiges zu sagen.

    Die Schrift auf dem Umschlag war elegant und feingliedrig. Ich drehte ihn um und versuchte, ihn zu lesen, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches spüren. Allerdings würde sich die Art von Ärger, die ich mir für gewöhnlich einhandelte, wohl kaum mit schwerem Briefpapier und eleganter Schrift ankündigen. Und wer schrieb in Zeiten von Varityper überhaupt noch per Hand? Ein Brief wie dieser fühlte sich an, als hätte ihn jemand mit guten Manieren und einem luxuriösen Lebensstil geschrieben, eine ältere Person vielleicht. Ein Mann, der in einem eleganten Salon mit Samtvorhängen vor den Fenstern saß, wo große Kisten mit Marmordeckeln standen und ein Tarot-Kartenset auf dem Tisch ausgebreitet lag.

    Ich schnappte mir den Brieföffner mit dem Perlmuttgriff und öffnete den Umschlag.

    Lieber Mr. Bliss,

    erlauben Sie mir, mich vorzustellen. Mein Name ist Aengus Anstruther und ich habe die Ehre, als Presul des Museums für Magische Literatur in London zu fungieren. Ich hoffe, es ist nicht zu überheblich anzunehmen, dass Sie mit unseren bescheidenen Bemühungen, die schriftlichen Überlieferungen unserer metaphysischen Vergangenheit zu bewahren, vertraut sind.

    Amateure. Viel zu oft waren die hilfreichen Bemühungen bloß ein Vorwand für Privatsammler, sich magische Texte unter den Nagel zu reißen, die gerechterweise in eine offizielle Bibliothek gehörten. Ich überflog den Brief schnell, um zu sehen, ob Mr. Anstruther um eine Spende bat. Das tat er nicht. Also las ich weiter.

    Uns ist bekannt, dass Sie der Autor von „Geheimbünde und Staatsfeindliche Bewegungen" sowie der Entdecker der Memoiren von Sir Florian Botolf sind. Da wir offensichtlich eine gewisse Faszination für verlorene Schätze und schriftliche Überlieferungen teilen, würde ich mich sehr freuen, Sie offiziell kennenzulernen und Ihnen eventuell ein kleines, aber interessantes Projekt vorzuschlagen. Sollten Sie am Dreizehnten dieses Monats in der Stadt sein, würde ich Sie gerne zu unserer privaten Ausstellung des Botolf Grimoire um vierzehn Uhr hier im Museum einladen. Falls Sie teilnehmen können, bitte ich um telefonische Bestätigung.

    Hochachtungsvoll

    Aengus Anstruther

    Das Botolf Grimoire. Mr. Anstruther wusste anscheinend genau, womit er mich am besten ködern konnte. Mal davon abgesehen, hätte ich das Museum für Magische Literatur sowieso gern gesehen. Seit ich vor acht Wochen nach London gekommen war, stand es bereits auf meiner Liste der Orte, die ich unbedingt besuchen wollte. Doch dann wurde ich irgendwie abgelenkt.

    Ich sah auf meinen Kalender. Der Dreizehnte war morgen. Das war relativ kurzfristig.

    Nachdem ich meine Sonderrechte verloren hatte, würde es schwierig werden, den Nachmittag frei zu bekommen. Vielleicht aber auch nicht. Ich hatte den Eindruck, dass Antony es vorzog, so zu tun, als würde ich nicht mehr existieren. Aber Basil, Antonys Bruder und Prokurator von Leslie’s Lexicons – der Tarnfirma für den Londoner Zweig der Imperial Arcane Library –, würde einen Anfall bekommen, sollte ich es wagen, mich zu verdrücken, anstatt an meinen Übersetzungen und Transkriptionen von uralten Texten weiterzuarbeiten. Das war der langweiligste Teil meines Jobs. Ich ging lieber auf die Jagd.

    Ich rief die Nummer an, die auf dem Brief stand, und bestätigte kurz darauf einer kurz angebundenen jungen Frau, dass ich tatsächlich Zeit hätte, an der privaten Ausstellung im Museum für Magische Literatur teilzunehmen. Schon länger hatte ich auf eine solche Einladung gehofft, konnte aber nie herausfinden, wer der Presul war. Selbstverständlich verschwieg ich Miss Mildew diesen Umstand, da ich das Gefühl hatte, dass sie das eh nicht interessieren würde. Sie schien es eilig zu haben, sich wieder wichtigeren Dingen, wie dem Sortieren von Büroklammern, zuzuwenden.

    Nachdem ich aufgelegt hatte, sah ich mir erneut Antonys Foto an und legte es dann mit der Vorderseite nach unten auf den Schreibtisch. Er hatte immer so hochnäsig auf dem Foto ausgesehen, obwohl mir das erst später aufgefallen war. Zu Anfang fand ich noch, dass er aussah, als ob er mit den Gedanken bei Wichtigerem wäre. Als ich wieder hochblickte, stand Antony in der Tür – und sein Gesichtsausdruck ähnelte verdächtig dem auf dem gerade verbannten Bild.

    „Basil meint, es gäbe ein Problem."

    Oh je.

    „Mit meiner Arbeit?", fragte ich gelassen.

    „Mit deiner Einstellung."

    Gibt es irgendetwas Peinlicheres, als von seinem Chef abserviert zu werden? Genau aus dem Grund vermeiden es die halbwegs Intelligenten, im Büro mit jemandem etwas anzufangen.

    „Es gibt kein Problem, Antony, sagte ich. „Ich bin hier, um meinen Job zu machen, und zwar so gut ich kann.

    „Das freut mich zu hören", sagte Antony, aber er sah keinesfalls erfreut aus. Er blieb an der Tür stehen und sah mich nachdenklich an.

    „War sonst noch was?"

    „Nein." 

    Ich öffnete Nesta Webbers „Seltsame Worte" – ein exzellentes Nachschlagewerk – und schnappte mir meinen Stift, um weiter an dem Manuskript vor mir zu arbeiten.

    Ich spürte, dass Antony mich weiterhin ansah, aber er sagte kein Wort mehr.

    Antony war groß und schlank und gut aussehend, ein typisch englischer Aristokrat mit blondem, leicht schütterem Haar, blauen Augen und charmant krummen Zähnen. Warum zur Hölle fand ich ihn immer noch so unwiderstehlich, obwohl ich ihn nicht mehr leiden konnte?

    Als er sich schlussendlich ohne ein weiteres Wort abwandte, trieb mich der Verlust seiner Aufmerksamkeit dazu, ihn zurückzurufen. „Antony." Es war schon fast peinlich, wie verzweifelt meine Stimme klang.

    Er hielt inne und sah mich über die Schulter an. Sein Blick war alles andere als begeistert.

    „Das Museum für Magische Literatur hat mich für morgen Nachmittag zu einer Sonderausstellung des Botolf Grimoire eingeladen. Ist es okay, wenn ich früher Schluss mache?"

    „Sie haben dich eingeladen? Er dachte einen Moment darüber nach und sagte dann: „Natürlich musst du dahin, wenn sie dich eingeladen haben. Er hielt kurz inne. „Ich schätze, Magister Marx wird ebenfalls hingehen. Du solltest mit ihm sprechen. Vielleicht könnt ihr zusammen gehen."

    „Alles klar." Auf gar keinen Fall würde ich mit diesem arroganten, voreingenommenen Arsch von Septimus Marx irgendwo hingehen.

    Antony verschwand. Ich stützte meinen Kopf ab und starrte auf die leeren Seiten vor mir. Vor zwei Monaten war ich im Rahmen des US-Austauschprogramms zwischen den Büros der Societas Magicke ins gute alte England gereist. Circa viereinhalb Minuten nach meiner Ankunft bei Leslie’s Lexicons – dem verstaubten und labyrinthartigen Palast, der einer der außergewöhnlichsten Sammlungen geheimer und okkulter Bücher der Welt als Fassade diente – traf ich Antony Leslie, den Presul.

    Antony war charmant, gut aussehend und klug – und ich war ziemlich weit weg von zu Hause. Er lud mich zum Essen ein, dankte mir für die fantastische Arbeit, die wir da drüben für die Vereinigung – und die gesamte Menschheit – leisteten und brachte mich anschließend zurück in mein Hotel, wo ich dann den besten Sex meines Lebens hatte.

    Unsere Affäre dauerte sieben Wochen. Antony war nicht nur charmant, gut aussehend und klug, sondern auch noch verheiratet. Zu Anfang schien das kein Problem zu sein. Und wenn doch, war es Antonys und nicht meins, oder? Aber sieben Wochen später, nachdem er mich verführt und dann abserviert und ich mich vollkommen von meinen Kollegen distanziert hatte, begann ich zu verstehen, dass Antonys Ehe doch wohl auch mein Problem war und dass ich mich diesbezüglich vollkommen verschätzt hatte. Und nicht nur diesbezüglich. Wie in aller Welt konnte ich nur auf einen Typen reinfallen, der so furchtbar breite Krawatten trug?

    Das Allerletzte, was mir zu meinem Glück jetzt noch fehlte, war Septimus Marx, der von oben auf mich herabsah und mich spöttisch angrinste, weil ich all seine Erwartungen – oder Befürchtungen – erfüllt hatte.

    Marx arbeitet auch für Leslie’s Lexicons, wobei ich mir nicht ganz sicher war, als was. Er war Magister und hatte einen Master in irgendeinem Bereich innerhalb der Societas Magicke, dem Firmenzweig der Arcane Services, der für jegliche Magie in Schriftform zuständig war. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er für die gefürchteten Vox Pessimires arbeitete. Die waren dafür zuständig, zu gefährliche oder mächtige magische Texte, die im Umlauf waren, zu zerstören – und sie machten auch nicht vor den Regalen der Imperial Arcane Library Halt. Aber selbst wenn das stimmte, würde es nie jemand bestätigen. Die Identitäten der Vox Pessimires waren geschützt. Vielleicht war ihre Arbeit ja notwendig, aber die meisten von uns innerhalb der Societas Magicke fanden das, was sie taten, abscheulich.

    Und genau aus diesem Grund konnte ich mir Marx ganz gut in dem Job vorstellen. Er war oft im Außeneinsatz. Wobei für ihn ein Außeneinsatz schier alles bedeuten konnte, von Verhandlungen mit Schwarzmarkthändlern bis hin zum Einsammeln von gestrandeten Kollegen. So hatten wir uns jedenfalls kennengelernt. Marx hatte mich am Flughafen abgeholt. Schon damals war er recht unbeeindruckt von mir gewesen. Und mittlerweile war er – wenn überhaupt möglich – noch weniger beeindruckt.

    Und irgendwie konnte ich ihn verstehen.

    * * * * *

    Das Museum für Magische Literatur lag gegenüber vom Telescope House auf der Great Lowden Street. Es war ein imposantes Gebäude im klassischen Stil mit großen geriffelten Säulen und gemeißelten Friesen. Das Museum sah so aus, wie ich mir das Hauptquartier der Imperial Arcane Library gewünscht hätte. Das Gebäude war auf alle Fälle pompöser als Leslie’s Lexicons, und tatsächlich besaßen sie eine der größten Privatsammlungen magischer und okkulter Texte der Welt.

    Laut meiner Taschenuhr war es kurz vor zwei. Ein sehr junger, sehr hübscher Sekretär in einem grünen Samtanzug begrüßte mich und brachte mich sogleich nach oben ins Allerheiligste des Presuls.

    „Sind die anderen Gäste unten?", fragte ich.

    „Oh, die Ausstellung ist erst um drei."

    Darüber grübelte ich nach, während der junge Mann leicht an eine Mahagonitür klopfte, die teilweise von einem massiven Wandteppich mit Calistras Enchantment of the Infidels verdeckt war.

    Eine Stimme bat uns einzutreten. Der Sekretär drehte am gewunden Messingring und öffnete die Tür. Er trat beiseite und ich ging an ihm vorbei in den großen Raum hinein. Lange schwarze Samtvorhänge, Tapeten aus goldener Moiré-Seide und Bücherregale mit Bleiglas waren meine ersten Eindrücke.

    Eine massive Frau saß vor einem massiven Schreibtisch. Die Tischplatte war auf Hochglanz poliert, die Frau hingegen nicht. Sie sah aus, als hätte ein Windstoß sie hereingeweht. Ihre grau melierten Haare standen nach allen Seiten ab, und ihr blauer Seidenanzug war zerknittert. Ihr roter Lippenstift war ebenso übertrieben aufgetragen wie ihr Grinsen, und beides wirkte fehl am Platz in dem abgedunkelten Raum.

    „Mr. Bliss, sagte sie und ich war überrascht von der tiefen Honigsüße ihrer Stimme. „Wie schön, dass Sie es so kurzfristig einrichten konnten.

    Hinter dem Schreibtisch saß ein kleiner, pummeliger älterer Herr. Sein kahler Kopf ließ ihn wie ein sehr altes Baby aussehen, wobei nichts Kindliches in seinen schwarz funkelnden Augen lag, aus denen er mich von oben bis unten begutachtete. Er lächelte nicht und stand zur Begrüßung weder auf, noch bot er mir einen Händedruck an.

    „Ich bin Lady Margaret Lavenham, stellte die Frau sich vor. „Ich bin die Prokuratorin des Museums. Das ist Mr. Anstruther, unser Presul.

    „Sehr erfreut", sagte ich höflich.

    Anstruther nickte mir zu. „Setzen Sie sich, Mr. Bliss."

    Ich setzte mich auf den Stuhl neben Lady Lavenham.

    „Ich dachte, Sie wären älter", sagte Anstruther.

    „Ich bin dreiundzwanzig."

    „Dreiundzwanzig!"

    „Ich bin seit drei Jahren Buchjäger."

    „In drei Jahren kann man eine Menge Erfahrung sammeln", gab Lady Lavenham zum Besten.

    Anstruther sagte: „Wenn Sie mal in mein Alter kommen, klingt dreiundzwanzig ziemlich jung." Er beäugte mich weiter.

    Mir war schon klar, welchen Eindruck er von mir hatte. Es irritierte mich zutiefst, dass ich jünger aussah, als ich wirklich war. Ich war eher schmal und dünn, hatte große blaue Augen und einen rotblonden Lockenkopf. Als ich einmal versucht hatte, mir einen Bart wachsen zu lassen, war das Ergebnis nicht die ganzen Krümel wert, die mir ständig am Kinn kleben blieben.

    „Ich finde, wir sollten Tee trinken", sagte die Lavenham-Lady zu einem kleinen Wichtel, der auf einem rot lackierten Chinoiserie-Schränkchen in der Ecke stand.

    Der Wichtel erwachte zum Leben und flitzte davon.

    Nur wenige Augenblicke später flog die Tür auf und der hübsche Sekretär kehrte mit einem voll beladenen Tablett zurück. Lady Lavenham servierte heißen, blumig riechenden Tee in blau-weißen Teetassen.

    „Keine Kekse?", beschwerte sich Mr. Anstruther mit düsterem Blick.

    „Ich habe Ihnen die kleinen Kuchen mitgebracht, die Sie so mögen. Die mit den Mandelblättchen."

    „Aber keine Kekse?"

    „Nein. Ich fürchte, wir haben keine."

    Mr. Anstruther stieß einen genervten Seufzer aus. „Mögen Sie Kekse zum Tee, Mr. Bliss?"

    „Wenn es welche gibt."

    „Es gibt keinen Grund, warum es keine Kekse geben sollte." Anstruther warf Lady Lavenham einen vielsagenden Blick zu. Sie lächelte mich entschuldigend an.

    „Das nächste Mal gibt es bestimmt Kekse."

    „Es ist alles gut, sagte ich. „Die Kuchen sind wunderbar.

    Keiner antwortete darauf. Wir nippten an unserem Tee und knabberten am Kuchen. Ich schielte unauffällig auf die Marmor-Uhr, die auf dem verzierten Bücherregal stand, und fragte mich, warum ich eigentlich hier war.

    Schließlich nahm Mr. Anstruther einen letzten Schlürfer Tee und stellte seine Tasse klappernd auf dem Untersetzer ab. „Mr. Bliss, haben Sie vom Faileas a‘ Chlaidheimh gehört?"

    „Dem Schatten des Schwertes? Ja, natürlich. Laut der Legende ist es das umfangreichste Grimoire der Hexen der Western Isles."

    „Das ist nicht nur eine Legende."

    Ich holte Luft, stellte dann aber fest, dass es unangebracht war, mit Mr. Anstruther zu diskutieren.

    „Es ist keine Legende, wiederholte der Presul. „Das Grimoire existiert und wir wollen, dass Sie es finden.

    Kapitel 2

    „Oh?" Ich schaffte es, diese eine Silbe halbwegs höflich klingen zu lassen – was nicht gerade meine spontanste Reaktion auf die Behauptung war.

    „Mr. Bliss, Sie haben die Gabe, verlorenen Dinge wieder aufzuspüren, sagte Anstruther mit Nachdruck. „Schließlich haben Sie auch die Botolf-Memoiren gefunden.

    Ich starrte das Teetablett an. Der Wichtel war wieder da und kehrte ein paar Zuckerkrümel zusammen. „Es gibt keinen Eintrag über das Faileas a’ Chlaidheimh in den Archiven der Imperial Library."

    „Wir alle wissen, dass das nichts zu bedeuten hat", mischte sich Lady Margaret ein. „Schließlich wurde erst vor fünfzig Jahren damit begonnen, in den Archiven halbwegs Ordnung zu schaffen. Davor herrschte

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