Das Sanatorium zur Todesanzeige
Von Bruno Schulz
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Das Sanatorium zur Todesanzeige - Bruno Schulz
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Der Frühling
1
Das ist die Geschichte eines bestimmten Frühlings, eines Frühlings, der echt war, blendender und greller denn andere Frühlinge, eines Frühlings, der seinen Text einfach ernst genommen hatte, dieses begeisterte Manifest, mit dem hellsten, feiertäglichsten Rot geschrieben, dem Rot des Siegellacks und des Kalenders, dem Rot des Farbstifts und dem Rot der Begeisterung, dem Amarant glücklicher Telegramme von dorther . . .
Jeder Frühling fängt so an, mit diesen ungeheuren und betäubenden, nicht für eine Jahreszeit bemessenen Horoskopen, in jedem ist — um es einmal zu sagen — dies alles vorhanden: endlose Märsche und Manifestationen, Revolutionen und Barrikaden, durch jeden geht in einem bestimmten Augenblick dieser heiße Wind des Fanatismus, diese Grenzenlosigkeit von Trauer und Trunkenheit hindurch, die vergeblich eine Entsprechung in der Wirklichkeit sucht.
Aber dann treten diese Übertreibungen und Kulminationen, diese Stauungen und diese Ekstasen in das Blütenstadium ein, gehen zur Gänze in die Üppigkeit kalten Laubes, in nächtlich aufgewühlte Frühlingsgärten über, und das Rauschen verschlingt sie. So werden sich die Frühlinge selbst untreu, einer nach dem anderen versinkt in dem atemlosen Rascheln blühender Parke und in deren Schwellungen und Fluten; sie vergessen ihre Schwüre und verlieren ein Blatt nach dem anderen aus ihrem Testament.
Dieser Frühling allein hatte den Mut auszuharren, treu zu bleiben und alles zu halten. Nach so vielen mißlungenen Proben, Flugversuchen und Beschwörungen wollte er endlich in Wahrheit einen allgemeinen und endgültigen Frühling auf der Welt konstituieren und ausbrechen lassen.
Dieser Sturm der Ereignisse, dieser Hurrikan der Ergebnisse: ein glücklicher Staatsstreich, diese pathetischen, erhabenen und triumphalen Tage! Ich wollte, jeder Schritt dieser Geschichte würde ihren hinreißenden und begeisterten Takt erfassen, den heroischen Ton dieser Epopöe übernehmen und sich im Marsch dem Rhythmus dieser Frühlingsmarseiliaise angleichen!
So unermeßlich groß ist das Horoskop des Frühlings! Wer kann es ihm übelnehmen, daß er es auf hundert Arten gleichzeitig lesen, blindlings kombinieren und nach allen Richtungen buchstabieren lernt, glücklich, daß es ihm überhaupt gelingt, inmitten des störenden Vogelgezwitschers etwas zu entziffern. Er liest diesen Text von vorn nach hinten und von hinten nach vorn, verliert den Sinn und nimmt ihn von neuem in allen Versionen, in tausend Möglichkeiten, Trillern und Pfiffen auf. Denn der Text des Frühlings besteht völlig aus Vermutungen, unvollendeten Sätzen und Ellipsen, die ohne Buchstaben im leeren Lazur auspunktiert sind, und in die Lücken zwischen den Silben setzen die Vögel ihre launischen Einfälle und Lösungen. Deshalb wird sich diese Geschichte als Muster dieses Textes auf viele verzweigte Geleise erstrecken und ganz mit frühlingshaften Gedanken, Seufzern und Gedankenstrichen bestickt sein.
2
In diesen wilden und ausladenden Vorfrühlingsnächten, noch von rohen und duftlosen, doch ungeheuren Himmeln bedeckt, die mitten durch die Irrgärten und Scheidemauern der Lüfte in gestirnte Weglosigkeiten führen, nahm mich mein Vater oft zum Abendessen in ein kleines Gartenrestaurant mit, das von den Hofmauern der letzten Häuser des Rings eingeschlossen war.
Wir gingen im nassen Licht der Laternen, die im Windhauch klirrten, quer über den großen, gewölbten Ringplatz — allein, erdrückt von der Wucht der Luftlabyrinthe, verloren und desorientiert in den leeren Räumen der Atmosphäre. Der Vater erhob das von einem nichtigen Schein übergossene Gesicht gen Himmel und schaute mit bitterer Sorge in den Sternenkies, der über die Untiefen weit verzweigter Strudel verstreut war. Ihre unregelmäßigen und unzählbaren Verdichtungen hatten sich noch in keine Konstellationen eingereiht, und keine Figuren beherrschten noch diese ausgedehnten und abgestandenen Überschwemmungen. Die Trauer der Sternenwüsten lastete auf der Stadt, die Laternen durchwirkten die Nacht von unten mit Bündeln von Strahlen, indem sie diese gleichgültig mit Knoten aneinanderknüpften. Unter diesen Laternen blieben die Fußgänger zu zweit und zu dritt im Kreis des Lichts stehen, das rings um sich die flüchtige Illusion eines Zimmers im Schein der Tischlampe schuf — in der gleichgültigen und keine Geborgenheit schenkenden Nacht, die oben in unregelmäßige Räume, in wilde, von Windstößen ausgefranste, klägliche und obdachlose Luftlandschaften zerfiel. Die Unterhaltungen reimten sich nicht zusammen und lachten im tiefen Schatten der Hüte mit den Augen, während sie nachdenklich dem fernen Brausen der Sterne lauschten, die — gleichsam auf Hefe angesetzt — im Raum dieser Nacht emporschossen.
Im Restaurationsgarten waren die Wege geschottert. Zwei Laternen auf Pfählen zischten nachdenklich. Herren in schwarzen Gehröcken saßen zu zweit und zu dritt über die weißgedeckten Tischchen geneigt, gedankenlos in die glänzenden Teller versunken. Während sie dasaßen, zählten sie im Geiste die Züge und Manöver auf dem großen, schwarzen Schachbrett des Himmels und sahen im Geiste inmitten der Sterne springende Pferdchen und verlorene Figuren und Konstellationen, die an deren Stelle traten.
Die Musikanten auf der Estrade tunkten ihre Bärte in Seidel bitteren Biers und schwiegen, stumpf in sich selbst versunken. Ihre Instrumente, die edelgeformten Geigen und Celli, lagen verlassen auf der Seite unter dem tonlos rauschenden Platzregen der Sterne. Von Zeit zu Zeit nahmen die Musikanten sie in die Hände und probierten sie sozusagen an, stimmten sie winselnd auf den Ton ihrer Brust ab, den sie räuspernd von sich gaben. Dann legten sie die Instrumente wieder weg, als ob sie noch nicht zur Mensur dieser Nacht herangereift wären, die gleichgültig weiterrann. Dann erhoben sich plötzlich in der Stille und Ebbe der Gedanken, während die Gabeln und Messer auf den weißgedeckten Tischen leise klapperten, die Geigen selbst, vorzeitig erwachsen und großjährig, obwohl eben noch wimmernd und unsicher, standen beredt, schlank und schmal in der Taille da und gaben Nachricht von ihrer Vollmacht, übernahmen die auf ein Weilchen vertagte menschliche Sache und führten den verlorenen Prozeß vor dem gleichgültigen Tribunal der Sterne weiter, in deren Mitte sich im Wasserdruck die S-Löcher und Profile der Instrumente, fragmentarische Schlüssel, unvollendete Lyren und Schwäne drehten: der imitative, sinnlose Kommentar der Sterne am Rande der Musik.
Der Herr Photograph, der uns schon seit einiger Zeit über den benachbarten Tisch hinweg verständigende Blicke zuwarf, setzte sich endlich zu uns, indem er sein Seidel Bier von Tisch zu Tisch trug. Er lächelte vielsagend, kämpfte mit den eigenen Gedanken, schnalzte mit den Fingern und verlor immer wieder die unbegreifliche Pointe der Situation. Wir spürten von Anfang an ihre Paradoxie. Dieses improvisierte Lagerleben des Restaurants unter den Auspizien ferner Sterne machte rettungslos bankrott, brach jämmerlich zusammen, weil es sich von den ins Maßlose wachsenden Ansprüchen der Nacht nicht befreien konnte. Was konnten wir schon diesen bodenlosen, unergründlichen Einöden entgegensetzen? Die Nacht strich dieses menschliche Unternehmen, welches die Geigen vergeblich zu verteidigen suchten, einfach durch, nahm diese Lücke selbst ein und zog ihre Sternenchöre auf den wiedergewonnenen Positionen zusammen.
Wir sahen das sich auflösende Lagerleben der Tische, das Schlachtfeld der weggeworfenen Servietten und Tischtücher, über welche die leuchtende, unermeßliche Nacht im Triumph hinwegschritt. Auch wir erhoben uns; während unsere Körper ausspannten, liefen die Gedanken schon längst dem lauten Gerassel ihrer Wagen, dem fernen, weitzerstreuten Sternengerassel dieser großen und lichten Wege nach.
So gingen wir unter den Leuchtraketen ihrer Sterne und nahmen im Geist mit halb geschlossenen Augen ihre immer unfaßlicheren Blendungen vorweg. Ach dieser Zynismus der triumphierenden Nacht! Nachdem sie vom ganzen Himmel Besitz ergriffen hatte, spielte sie jetzt Domino in seinen fahrlässigen und verschwenderischen Räumen und raffte gleichgültig die Millionengewinne an sich. Dann zeichnete sie gelangweilt auf dem Schlachtfeld der umgedrehten Tischplatten durchsichtiges Gekritzel, lachende Gesichter, immer ein und dasselbe Lachen in Tausenden von Wiederholungen, das nach einer Weile — schon verewigt — in Sterne überging und in gestirnte Gleichgültigkeit zerfloß.
Wir machten uns auf den Weg zur Konditorei. Kaum hatten wir durch die läutende, gläserne Tür deren weißes, überzuckertes Innere voll funkelnder Süßigkeiten betreten, blieb die Nacht mit allen Sternen stehen — aufmerksam, plötzlich, bedächtig und neugierig, ob wir ihr nicht entkämen. Sie wartete eine ganze Stunde geduldig auf uns, indem sie vor der Tür Wache stand und von oben durch die Spalten mit regungslosen Sternen hereinschaute, während wir in tiefer Versunkenheit Kuchen auswählten. Da erblickte ich zum ersten Mal Bianka. Sie stand im Profil mit ihrer Gouvernante am Ladentisch, in einem weißen Kleidchen, schlank und kalligraphisch, als wäre sie aus einem Tierkreiszeichen herausgetreten. Sie drehte sich nicht um, sondern stand in der musterhaften, zurückhaltenden Stellung junger Mädchen da und aß Kuchen mit Schlagrahm. Ich sah sie nur undeutlich, noch ganz von den Zickzacklinien der Sterne gezeichnet. So kreuzten sich unsere Horoskope das erste Mal noch sehr verworren. Sie begegneten einander und entbanden sich gleichgültig. Wir hatten unser Schicksal in diesem frühzeitigen Sternenaspekt noch nicht verstanden und gingen, gleichgültig mit der gläsernen Tür läutend, hinaus.
Wir kehrten dann auf einem Umweg durch die entlegene Vorstadt nach Hause zurück. Die Häuser wurden immer niedriger und seltener, schließlich traten die letzten vor uns auseinander — und wir schritten in ein anderes Klima hinein. Wir traten plötzlich in einen milden Frühling, in eine warme Nacht ein, die sich mit dem jungen, eben aufgegangenen veilchenblauen Mond silbern in den Pfützen widerspiegelte. Diese Vorfrühlingsnacht schritt in raschem Tempo voran und antizipierte fieberhaft ihre späten Phasen. Die Luft, eben noch von der üblichen Herbheit dieser Jahreszeit angerührt, wurde plötzlich süß und mild, duftete nach Regenwasser, feuchtem Lehm und den ersten Schneeglöckchen, die mondsüchtig im weißen, magischen Licht erblühten. Und welch ein Wunder, daß unter diesem freigiebigen Mond die Nacht nicht von Froschgallerte auf den silbernen Pfützen wimmelte, nicht den Laich ausbrütete, nicht ins Plaudern geriet über die tausend schnatternden Schnäbelchen auf den Kiesgruben am Fluß, die aus allen Poren von einem funkelnden Netz süßen Wassers überflossen. Und man mußte nachstoßen, um zum Verständnis des Gequakes in dieser geräuschlauten, sprudelnden, subkutaner Schauder vollen Nacht zu gelangen, auf daß sie — ein Weilchen aufgehalten — weiter ginge und der Mond kulminierte, immer weißer und weißer, als ergösse sich sein Weiß von einer Schale in die andere, immer höher und immer strahlender, immer magischer und transzendentaler.
So gingen wir unter der zunehmenden Schwerkraft des Mondes dahin. Der Vater und der Herr Photograph nahmen mich zwischen sich, als ich mich vorübergroßer Schläfrigkeit nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Unsere Schritte knirschten im nassen Sand. Ich schlief schon längst im Gehen und hatte schon die ganze Phosphoreszenz des Himmels mit den leuchtenden Zeichen und Signalen astraler Erscheinungen unter den Lidern, als wir endlich auf freiem Feld Halt machten. Der Vater breitete den Mantel aus und legte mich auf die Erde. Durch die geschlossenen Augen sah ich, wie die Sonne, der Mond und elf Sterne sich in Paradeformation am Himmel aufstellten, um vor mir zu defilieren. »Bravo, Józef!« rief der Vater anerkennend und klatschte in die Hände. Es war ein offenkundiges Plagiat, an einem anderen Józef begangen und auf völlig andere Umstände angewandt. Niemand machte mir deshalb Vorwürfe. Mein Vater Jakub nickte mit dem Kopf und schmatzte mit der Zunge, der Herr Photograph stellte seinen Dreifuß auf den Sand, zog den Balg des Apparats wie eine Harmonika auseinander und hüllte sich ganz in die Falten eines schwarzen Tuchs: er photographierte diese sonderbare Erscheinung, dieses funkelnde Horoskop am Himmel, während ich mit kreisendem Kopf, vom Glanz geblendet, auf dem Mantel lag und ohnmächtig diesen Traum zur Belichtung aufrechterhielt.
3
Die Tage wurden lang, hell und ausladend, fast zu ausladend für ihren noch ärmlichen, unbestimmten Inhalt. Es waren Tage, zur Aufzucht bestimmt, Tage voller Warten, etwas bläßlich vor Langweile und Ungeduld. Ein heller Hauch, ein funkelnder Wind, noch nicht angefeuchtet von den Ausdünstungen nackter und sonnenvoller Gärten, strich über die Einöde dieser Tage, blies die Gassen sauber, und sie wurden lang und hell, feiertäglich gekehrt, als warteten sie auf jemandes nochferne, unbestimmte Ankunft. Die Sonne hielt allmählich auf die Tag- und Nachtgleiche zu, verlangsamte ihren Lauf und gelangte in eine Musterstellung, in der sie regungslos in idealem Gleichgewicht stehenbleiben sollte, um Ströme von Feuer, eine Portion nach der anderen, auf die öde und gierige Erde abzuschießen.
Ein heller und endloser Luftzug wehte über die ganze Breite des Horizonts, stellte unter den sauberen Linien der Fernsichten Spaliere und Alleen auf, glättete sich im großen und öden Wehen und begeisterte sich schließlich, ungeheuer reflektierend, als wollte er in seinem allesumfassenden Spiegel ein fata morganisch in die Tiefe seiner leuchtenden Hohlrundungen verlängertes Idealbild der Stadt beschließen. Da verhielt die Welt einen Augenblick, blieb atemlos, geblendet stehen, um ganz in dieses illusionistische Bild, in diese provisorische Ewigkeit einzugehen, die sich ihr öffnete. Doch das beglückende Angebot