"Trau Dich, die Tür zu öffnen!": 43 junge Autorinnen und Autoren schreiben
Von Barton Verlag
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Über dieses E-Book
Mit den Teilnehmer/innen an dem sechsten Eifeler Jugendliteraturpreis stehen alle Kinder und Jugendlichen der vier Altersklassen im Vordergrund, die mit ihren Texten zeigen, dass die Literatur lebt. Das diesjährige Thema hat wieder viele zu originellen, überraschenden und berührenden Texten motiviert. Mit "Trau Dich, die Tür zu öffnen!" sollte ein möglichst offener Rahmen vorgeben werden, der junge Autorinnen und Autoren anregt, die "Tür" auch symbolisch zu verstehen und gedanklich grenzenlos vor und hinter einer Tür unterwegs zu sein. Die literarischen Texte, die eingeschickt wurden, bewegen sich in einem weiten Spektrum: sehr persönliche existenzielle Lebensgeschichten stehen neben überraschenden Sichtweisen und Perspektiven. Nahezu alle Texte belegen die Neugier nach dem, was auch sein oder hinter dem Horizont kommen könnte.
Vom hohen Niveau der Beiträge sind die Juror/innen auch 2019 begeistert, und es war nicht leicht, unter den zahlreichen, mit viel Herzblut und Engagement verfassten Erzähltexten die besonders herausragenden Arbeiten auszuwählen. Bei der Wahl der Preisträger/innen haben sich die Juroren in allen Altersklassen schließlich für jene Geschichten entschieden, die das Thema auf besonders originelle Weise aufgreifen und dabei auch sprachlich und erzählerisch überzeugen können.
Die in dieser Sammlung vertretenen jungen Literatinnen und Literaten sollen ausdrücklich ermutigt werden, auch weiterhin an ihrer Begeisterung für das Schreiben von Geschichten festzuhalten.
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Buchvorschau
"Trau Dich, die Tür zu öffnen!" - Barton Verlag
2019
Altersgruppe 6 bis 9 Jahre
Die Tür
In der Heerstraße 9 lebte ein kleiner Junge namens Tom. Alle Kinder hänselten ihn, nur weil seine Lieblingsfarbe pink war. In den Pausen durfte er bei keinem Spiel mitspielen und Freunde hatte Tom auch keine.
An einem Montag im Mai war es besonders schlimm. Es war Pause. Tom mochte keine Pausen, denn da konnten ihn seine Mitschüler ärgern. Als Tom draußen am Fußballfeld vorbeikam, lachten die Fußballjungs ihn aus: »Aah, die Prinzessin mit dem pinken Einhorn-T-Shirt kommt mal wieder vorbei!« Da passierte die schlimme Sache: Zum ersten Mal in seiner ganzen Schulzeit lachten die Jungs und Mädchen, die abseits vom Fußballfeld standen, mit. Ein paar von ihnen schubsten ihn in einen großen Busch und riefen dabei: »Die Prinzessin muss mal kurz in die Büsche«, während sich die anderen vor Lachen kringelten.
Tom landete auf der anderen Seite des Busches. »Aua«, dachte er, als er sich aufrappelte. Er entdeckte eine kleine Tür. Tom bekam Angst. Denn wenn die versteckte Tür im Boden aufging, würde Tom bestimmt von demjenigen, der da rauskam, Ärger bekommen. Leider bimmelte jetzt schon die Pausenglocke. Tom musste zurück in die Klasse. Dieses Mal war er nicht fröhlich, als er sich auf seinen Platz setzte und die Lehrerin hereintrat.
Die Tür fand Tom spannend. Deswegen passte er im Unterricht nicht so gut auf wie sonst. Als es nach den 90 Minuten Kunstunterricht zum zweiten Mal zur Hofpause klingelte, rannte Tom als erster auf den Schulhof und versteckte sich schnell hinter dem großen Busch. Die Tür war immer noch da. »Was sich wohl hinter der Tür verbirgt?«, überlegte Tom. Er beschloss, die Tür zu öffnen. Ihm klopfte das Herz. Er hatte Angst. Trotzdem zog Tom vorsichtig an dem silbernen Ring. Geräuschlos öffnete sich die Klappe. Tom sah in einen hellerleuchteten Raum. In seiner Mitte saßen ein paar Viertklässler. Sie unterhielten sich gelangweilt. Zögernd kletterte Tom die Leiter hinunter in den Raum.
»Endlich kommt einer«, sagte der Größte der Viertklässler. Tom guckte erstaunt. »Wir haben schon auf das erste Kind gewartet, das die Tür sieht und öffnet. Denn nur die Kinder, die geärgert werden, sehen diese Tür.« Jetzt hatte Tom verstanden, warum er die Tür entdeckt hatte. »Wer seid ihr?«, wollte Tom wissen.
»Wir sind die Bande GKB. Das bedeutet: »Geärgerte Kinder beschützen«. Wir werden dir demnächst helfen. Kletter wieder hoch. Du hast nichts mehr zu befürchten.« Tom war glücklich und hüpfte in seine Klasse. Ab jetzt ärgerte ihn keiner mehr, denn die Großen beschützten ihn.
Emil Schaps, 8 Jahre
Der gewaltige Sturm
Im Mittelmeer gab es vor etwa 100 Jahren eine Felseninsel die Kavity hieß. Von oben sah sie wie ein Rechteck aus. Alex und Lisa wohnten dort und spielten fast immer Verstecken zwischen den Felsspalten. Es war nicht sehr gefährlich. Die beiden waren acht Jahre alt und kannten sich aus.
Die Kinder Alex und Lisa waren fast immer glücklich. Aber eines Tages bekamen sie ein Telegramm von der ersten Wetterstation. Alex fiel fast in Ohnmacht, als sie es entschlüsselten. Die Nachricht sagte, dass ein Hurrikan sich über ihrer Insel ausbreiten würde und die Holzhäuser der Bewohner vernichten würde.
Aber dann fiel Alex die geheimnisvolle Tür ein, von der ihm sein Opa immer erzählte.
Die Tür befand sich auf dem Gipfel eines hohen Berges. Der Sage nach war sie magisch und konnte ein einziges Mal Sturmkatastrophen abhalten.
Alex und Lisa rannten zum Opa und waren aus der Puste. Lisa keuchte: »Wir haben einen Sturmnotfall. Kannst du uns die Schatzkarte zu den sechs Kristallen für die magische Tür geben?«
»Natürlich hier ist sie«, sagte der Opa. »Die Karte ist durch einen Farbcode geschützt. Ihr müsst die Lücke mit der richtigen Farbe füllen!« Also versuchten es beide Kinder und der Code lautete: blau grün rot blau rot. »Und was kommt in die Lücke?«, fragte Alex. Lisa antwortete: »Vielleicht Grün?!«
»Ja, zeichnen wir es ein«, antwortete Alex.
Es funktionierte. Jetzt mussten sie die sechs Kristalle finden. Die ersten drei befanden sich in der kleinen Felsenhöhle in einer steinernen Truhe. Die Kinder machten sich auf den Weg in die Höhle. Alles war wie erwartet. Der nächste Ort war der Strand. Sie buddelten im Sand, wo die Kristalle versteckt waren. Da sagte Alex: »Spürst du auch die Luftbrise, die immer stärker wird?« Da bekam Lisa fast einen Herzanfall: »OH NEIN! DER STURM KOMMT! BEEIL DICH!!!«
Sie fanden die Kristalle und machten sich auf den Weg zur Tür. Sie schoben die Kristalle in die Vorrichtung in der Mitte der Tür ein und gerade, als der Sturm sich entwickelt hatte, öffneten sie die Tür. Es begann ein gewaltiger Kampf zwischen Magie und Hurrikan. Die Magie gewann den Kampf und die Tür LÖSTE SICH AUF, aber dafür hatten sie bis zum heutigen Tag sturmfrei.
Jonas Engels, 9 Jahre
Ida und der Flamingo
Ida ist zehn Jahre alt und es sind Sommerferien. Eines Morgens haben ihre Eltern eine Idee. Sie fahren in den Zoo. Dort ist nicht viel los. Ida hat ein bisschen Angst. Sie fürchtet sich schon immer vor Vögeln und möchte diese Tiere hier nicht besuchen. Deshalb geht sie zum Eisstand bei den Bären.
Als sie ein Eis kaufen möchte, hört sie ein Flattern hinter der Bude. Es ist ein Flamingo-Küken, das anscheinend aus dem Gehege entwischt ist. Obwohl es ganz weich und flauschig aussieht, hat Ida Angst, dass es sie piksen könnte.
Ein schreiendes Kind erschreckt das Flamingobaby und es möchte weglaufen. Doch Ida hat Angst, dass es vielleicht in das Bärengehege nebenan läuft. Sie ist ganz mutig und schnappt den Flamingo. Ganz warm und weich ist das Küken und es piekst nicht. »Oh, wie süß!«
Ida geht mit dem Flamingo im Arm zum Tierpfleger: »Können sie den Kleinen wieder zu seiner Mutter ins Gehege bringen?« Zur Belohnung bekommt sie eine Urkunde und viele Eintrittskarten für den Zoo. Jeden Tag geht Ida nun in den Zoo und besucht ihr Küken im Flamingo-Gehege. Und auch vor flatternden Vögeln hat sie keine Angst mehr.
Hannah Koerffer, 8 Jahre
Trau dich, die Tür zu öffnen.
Papa, meine jüngeren Geschwister Ida und Paul und ich waren auf Entdeckungstour in der Kakus-Höhle. Papa hatte uns die Geschichte vom Riesen Kakus erzählt und wir waren neugierig, ob der Kakus immer noch in der Höhle hausen würde. Auf der Suche nach einem geeigneten Picknick-Platz stießen wir auf eine Nebenhöhle. Vor der Höhle lagen riesige Baumstämme, die sich super als Sitzgelegenheit eigneten. Unsere Butterbrote waren schnell aufgegessen, von den Apfelstücken blieben noch einige übrig.
Als es uns am Höhleneingang in der prallen Sonne zu warm wurde, gingen wir in die Höhle. Dort hörten wir einen schrillen, piepsigen Schrei, als ob ein Tierjunges in Gefahr wäre. War es ein Hilferuf? Wir wussten nicht, was der Schrei bedeuten sollte. Daher suchten wir in der Höhle nach der Ursache. Der Riese Kakus konnte es nicht sein, dafür war das Geräusch zu schwach. Ich war noch mit Suchen beschäftigt, als Ida plötzlich aufgeregt rief: »Ich habe etwas Lebendiges gefunden.« Sofort rannten wir zu Ida, die auf ein Fellknäuel mit Ohren zeigte, das in einer kleinen Kuhle lag und laut wimmerte. Es hatte noch keine Augen. Ein verlassenes Tierjunges!
Wir gingen zurück zum Höhleneingang. Während Papa versuchte, im Internet herauszufinden, um was für ein Tier es sich handelte, kamen weitere Besucher, einige mit Hunden, die in die Höhle wollten. Ich stellte mich ihnen in den Weg: »In der Höhle liegt ein verlassenes Tierjunges. Es könnte ein Siebenschläfer sein. Geht bitte nicht rein!« Manche Leute gingen trotzdem hinein. Das fand ich richtig doof!
Als sich nach einer Weile immer noch keine Tiermutter um das Junge kümmerte, hob ich es auf und legte es in die Butterbrotdose, die wir mit dürren Blättern ausgepolstert hatten. Dann machten wir uns auf den Heimweg. Während der Autofahrt versuchte der augenlose Frechdachs, aus der Dose zu entwischen. Zu Hause angekommen, fragten wir eine Nachbarin, die schon verlassene Wildtiere aufgezogen hatte, um Rat. Was mochte sich wohl das Findelkind gedacht haben in seiner Brotdose?
Vielleicht: »Meine Mama hatte meine Geschwister und mich vor einem kläffenden Hund in Sicherheit bringen wollen. Dabei war ich verlorengegangen. Zuerst bin ich in eine kleine Kuhle gefallen. Dort habe ich bange gewartet, ob Mama mich findet. Doch die kam und kam nicht. Ich wurde immer ängstlicher und habe geschrien. Ob mich meine Mama hier jemals wiederfinden wird?«, ging mir durch den Kopf.
Plötzlich hörte ich eine Kinderstimme aufgeregt rufen. Natürlich hatte ich die Laute nicht verstanden, Vermutlich verstehen Siebenschläfer nur siebenschläferisch. Aber dann merkte ich, dass mich zwei kleine Hände sanft hochnahmen. Ich kuschelte mich in die kleine Händehöhle. Weil meine Augen noch fest zu waren, konnte ich nichts sehen, aber ich hörte flüsternde fremde Stimmen. Das Nest, in dem ich lag, roch nicht nach meiner Mama, aber das war mir egal, Hauptsache schön weich und warm. Aber ich hatte Hunger und Durst! Doch statt mir etwas zu trinken zu geben, wurde ich in eine Dose gesteckt. Die roch nach Äpfeln. Der Duft war mir von Mama bekannt: Äpfel waren ihre Lieblingsfrüchte. Ich konnte an einem Apfelstückchen nur nuckeln, denn ich hatte noch keine Zähne. Dann hörte das Schaukeln und das Geräusch auf und ich hörte eine fremde freundliche Stimme. Endlich bekam ich etwas zu trinken. »Ach, hat mir das gut geschmeckt!« Ich fühlte mich schon viel besser und fiel in einen tiefen Schlaf …
Unsere Nachbarin hatte uns für das Siebenschläferchen einen Käfig geliehen. Darin richteten wir ihm ein Kuschellager mit Wärmeflasche unter meiner Bluse her. An meinen Geruch hatte er sich ja schon gewöhnt. Dann standen wir, Papa, Mama und wir Kinder am Käfig und überlegten, wie der Knirps heißen sollte. Schließlich entschieden wir uns für »Kakus«, nach seinem Fundort.
Kakus musste nun alle zwei Stunden tagsüber und alle vier Stunden nachts gefüttert werden. Wenn er aus dem Käfig kam, kroch er in den Ärmel meines Bademantels, oder unter meinen Pullover oder in meine Hosenbeine oder, oder, oder… Ob er mich wohl als Mutterersatz betrachtet hatte?
Cillika, unsere Katze, interessierte sich auch sehr für Kakus. Sie verwechselte ihn wohl mit einer Maus. Einmal, als sie ihm zu nahekam, hatte Kakus seinen Schwanz abgeworfen. Siebenschläfer können das auch! Der Schwanz war zum Glück wieder nachgewachsen. Von da an verpassten wir Cillika einen Spritzer mit der Wasserpistole, wenn sie dem Käfig zu nahekam und sie nahm reißaus. So wurde Kakus groß und größer und wollte lieber seine Umgebung erkunden als eingesperrt sein. Bei seiner echten Mutter hätte er ja mit seinen Geschwistern unter Mamas Aufsicht aus dem Nest gedurft.
Als wir in Urlaub waren, büchste Kakus aus. Und das kam so: Mama hatte in der Eile vergessen, die Käfigtüre zuzumachen. Opa Heinrich hatte den Käfig leer vorgefunden und uns die schlechte Nachricht mitgeteilt. Jeder kann sich vorstellen, wie traurig wir waren: Ida und ich hatten sogar geweint. Die Trauer ließ nach, als wir andere Tiere in einem Safari-Park beobachten konnten. Erst als wir auf der Fahrt nach Hause waren, fiel uns Kakus wieder ein, doch er blieb verschwunden.
Nach etwa 14 Tagen rief Papa aufgeregt aus der Garage: »Kommt mal schnell, ich habe jemanden gefunden!« Wir ließen alles stehen und liegen und rannten so schnell wir konnten zu Papa. Und wen sahen wir da? Kakus!! Vor Freude sprangen wir in die Luft! »Kakus ist wieder da!«, teilte Mama allen über What’s App mit, nachdem sie Opa Heinrich über Telefon Bescheid gesagt hatte.
Da der Schlingel seinen Winterspeck noch nicht angefuttert hatte, musste er nochmal in den Käfig. Aber Mama versprach ihm: »Du musst solange bei und bleiben, bis du bereit bist für den Winter.« Einige Wochen später war es dann soweit: Papa meinte: »Jetzt müssen wir uns von Kakus verabschieden, sonst findet er kein Winterquartier mehr.« Wir trugen Kakus in einem kleinen Käfig in den alten Pferdestall und ließen die Türen von Käfig und Stall offen. Dann gingen wir zurück ins Haus. Am nächsten Tag war der Käfig leer und Kakus war verschwunden. Ob wir ihn jemals wieder zu Gesicht bekämen?