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Geschichten aus Nian: Der Keysor
Geschichten aus Nian: Der Keysor
Geschichten aus Nian: Der Keysor
eBook294 Seiten3 Stunden

Geschichten aus Nian: Der Keysor

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Über dieses E-Book

Die Zeit der Keysore ein dunkles Kapitel der Vergangenheit Nians, an das niemand gern denkt, bis plötzlich und unerwartet Unruhen im Land entstehen. Was steckt hinter den Kämpfen, die insbesondere die Reiterklans zu betreffen scheinen? Kann tatsächlich ein einzelner Mann die wackelnde Ordnung wiederherstellen, oder ist er am Ende sogar für das entstehende Chaos verantwortlich? Kann das Land mit Hilfe seiner Begabten erneut geheilt werden, bevor die lange überwunden geglaubten dunklen Zeiten zurückkehren?Währenddessen begibt sich eine Abordnung des Federerklans im äußersten Westen des Landes auf die Suche nach dem Letzten Federer, der offenbar seit langem verschollen ist und von alledem vermutlich nicht das Geringste weiß. Ohne zu ahnen, was für Seltsamkeiten und Gefahren sie erwarten, begeben sich die drei auf einen Landstrich mit ganz eigenen Regeln. Ist die Hilfe des Philosophen erforderlich, um der sich ausbreitenden Zerstörung Herr zu werden?
SpracheDeutsch
HerausgeberHunter Verlag
Erscheinungsdatum31. Juli 2020
ISBN9783947086641
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    Buchvorschau

    Geschichten aus Nian - Paul M. Belt

    Inhaltsverzeichnis

    Der Keysor

    Hort des Lebens

    Reise ins Ungewisse

    Vorbereitungen

    Scharmützel

    Brennergemeinschaft

    Über den Pass

    Prüfung

    Kontakt

    Die Gefahr rückt näher

    Westländisch

    Dachdecker

    Wieder zu Hause

    Die Suche beginnt

    Der letzte Schlüssel

    Das Westliche Meer

    Der Philosoph

    Der Klan des Feuers

    Lebenszeichen

    Der Angriff

    Eine dringende Botschaft

    Aufrüstung

    Die Rückkehr

    Eine Besprechung

    Eine Bootsfahrt

    Das Undenkbare geschieht

    Die Zeremonie

    Feuersturm

    Der Mayenzweig

    Hilfe naht

    Alles im Fluss

    Schatten der kommenden Zeit

    Ausblicke

    Rückblick

    Geschichten aus Nian

    Der Keysor

    Paul M. Belt

    Der Keysor

    © Copyright 2020 Hunter Verlag

    Verlagsauflage 1

    Lektorat: Cornelia Schrudde, Kreuztal

    Grafische Innengestaltung: Astrid Eckstein

    Umschlaggestaltung: Azrael ap Cwanderay ; Hunter Verlag

    Umschlagfotografie: Astrid Eckstein ; pixabay

    Satz & Layout: Hunter Verlag

    Verlag: Hunter Verlag, Kiel, Deliusstr.

    Printed in Germany

    ISBN: 978-3-947086-64-1

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

    http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Die Reihe:

    »Geschichten aus Nian«

    Band 1:

    Lindenreiter

    Band 2:

    Landwandlerin

    Band 3:

    Atalan

    Band 4:

    Erzbrenner

    Band 5:

    Der Keysor

    Band 6:

    Selinqua Baruka

    Band 7:

    Licht

    All denen, die am Sinn von Gewalt

    und am fortwährenden Streben

    nach immer mehr Macht zweifeln

    Wenn du jemanden nicht magst, bringe ihm Achtung entgegen. Denn wer dich provozieren kann, ist dein Lehrer. Nichts verändert euer Verhältnis mehr als Respekt vor eurer Andersartigkeit. Es kann dabei auch respektvoll sein, sich still zu verabschieden.

    (Martin Darian Kalder, Herold des Lichts aus Urgalan)

    Der Keysor

    Die Prophezeiung

    „Und siehe, eine Stimme erhebet sich im Westen, die schreiet und spricht: ‚Das Land, das Land, welch Frevel!‘ Und es versinket mit Donnern und Blitzen die Schönheit aller Flecken und Hügel, und das Beben der Mauern vergehet nicht an jenem Tage. Wer weise ist, der schließe seine Augen und laufe gen Süden zu den Bergen, denn brennen wird das Land. Alsdann erhebet sich Rauch, eine gewaltige Säule wie die eines großen Wirbels, und tränket den Boden mit seiner Finsternis. Und aus der Tiefe des Strudels erhebet sich etwas wie ein Skorpion, ein Wesen mit acht Scherklappern und Tentakeln so schwarz wie das Fell eines Nachtjägers und drei hässlichen Schwänzen, stark wie die Masten eines Handelsschiffes, und er trägt ein goldenes Zepter mit den Farben seiner Herkunft. Alle Söhne Kers, jaulet und heulet ob des Skorpions, denn sein ist die Stärke und die Schärfe des Schwerts und das Donnern großer Posaunen mit mächtigem Widerhall! Und er entsendet die Seinen in alle vier Winde, zu versammeln das Geschlecht und zu ziehen in den Krieg gen Westen, denn der Donner wird nicht verhallen, bevor sein Sieg gewiss ist. Achtet aber auf seinen Stachel, denn klein und unscheinbar mag er erscheinen, aber gewaltig und voll Giftes ist sein Inneres, und er wird herniederfahren auf den einen Stein, den Felsen, ihn zu zermalmen und das Land mit der Pestilenz seines Giftes zu vernichten. Hier jedoch, Söhne Kers und Töchter Baras, seid gestärkt und unverzagt, denn euer ist das Licht, und keine Finsternis vermag es zu verschlingen noch euch verzagt zu machen! Fahren wird er in die Höhe und Tiefe seiner Herkunft, und das Feuer des Landes wird gelöschet durch eure Tränen, so dass der Felsen und das Land leuchten werden wie die Sonne eures Herzens."

    (aus dem Buch der Weissagung: Die Prophezeiung des Kol Noramak)

    Hort des Lebens

    Ama klappte das abgegriffene Buch vorsichtig zu und legte es beim Schein des großen Feuers bedächtig zur Seite. Sie blickte den Zuhörern aus der großen Runde in ihre Gesichter, in welchen sich das Flackern der Flammen und ihr Widerschein vom Baumwaldrand fingen. Achtunddreißig Frauen, Männer und auch Kinder hatten sich mittlerweile hier oben im Norden des Mittellandes im „Hort des Lebens" eingefunden, wie dieser bewaldete Hügel schon bei ihrer Ankunft vor zwei Zyklen von seinen Bewohnern genannt worden war. Manche sahen still auf den Boden, andere starrten mit offenem Mund oder auch nur mit großen Augen nach vorn. Die alten Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt.

    Naria näherte sich Amas Stuhl von der Seite her. „Verehrte Schwester und Erste, habe Dank dafür, dass du mich und meine Sippe auf diese Weise ehrest, dass du bereits am ersten Abend unserer Ankunft aus diesem von uns bewahrten Werk in der Versammlung vorzutragen gedachtest!"

    Ama lächelte sanft, wenn auch etwas müde. „Andersherum ist es, verehrte Schwester. Es ist mehr als eine Ehre, dass nach all der Zeit Menschen zu uns gefunden haben, die nicht nur wie auch wir der alten Geheimnisse der Kräuter kundig sind, sondern die auch noch eines der wichtigsten Werke aus der Zeit nach dem Ende der Alten Sprache mit in die heutige Zeit hinübergetragen haben. Euer Erscheinen ist wie das Aufgehen eines Sternes am Ende einer dunklen Nacht. Die Prophezeiung des Kol Noramak war zu lange verschollen, als dass dies ein Zufall sein könnte. Im Gegenteil, ich halte es für ein Zeichen. Noch heute Nacht werde ich mit Kela darüber meditieren. – Ich danke allen für die Teilnahme an unserer Versammlung!"

    Naria nahm das Buch an sich, verneigte sich vor Ama und wandte sich zum Gehen, als deren leise Stimme sie noch einmal zurückrief. „Liebe Naria, du bist eine Bruka wie ich. Es ist wahrlich respektvoll, dass du dich vor deiner Ersten verneigen möchtest. Bitte lasse mich dir dennoch mitteilen, dass wir in dieser Gemeinschaft nicht auf diese Weise verfahren. Wir ehren uns durch den Austausch des Lichtes in uns und durch sein äußeres Anzeichen, das Lächeln, nicht jedoch durch Verbeugungen. – Könntest du dies auch bitte zu denjenigen tragen, welche mit dir hier heute eingetroffen sind?"

    „Selbstverständlich und gern!" Überrascht und mit einem Strahlen im Gesicht begab sich die junge Frau zu der frisch errichteten Holzhütte am Rand des großen zentralen Platzes, welche ihr neues Zuhause war. Schmunzelnd sah Ama ihr nach, bevor eine tiefe Männerstimme ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.

    „Sag, Ama, du hast uns nun ein wahrhaft schrecklich gezeichnetes Bild aus dem alten Buch vorgelesen, sagte Finn zu ihr. „Weißt du denn auch Näheres zur Bedeutung dieser Zeilen? Ist das Beschriebene bereits geschehen oder steht es uns noch bevor?

    „Sowohl das eine als auch das andere ist der Fall", sagte Ama langsam und betont, während sie dem hünenhaften Mann in die Augen sah. Er war einer der ursprünglichen Bewohner des Hügels und Begründer der hiesigen Gemeinschaft des Wiegeler Waldes. Sie lächelte in sich hinein, als sie sich daran erinnerte, wie misstrauisch er Sus, Gita und sie nach ihrer Reise durch das Küstenland begrüßt hatte. Kräuterväter und -mütter hatten derzeit wirklich keinen einfachen Stand.

    „Du meinst, es ist wie schon so oft und die Geschichte wiederholt sich?, fragte Finn. „Soweit ich weiß, wurden diese Zeilen vor vielen Dekazyklen geschrieben, als Schrecken im ganzen Land die Menschen ängstigte und die Soldaten des Herrschers alle verfolgten, die ihm nicht genehm waren, insbesondere Menschen mit unserer Begabung.

    „Ob sie sich wiederholt oder reimt, das wird sich zeigen, sinnierte Ama halblaut und schaute in die prasselnden Flammen. „Ich spüre seit einiger Zeit, dass sich Unruhe im Lande ausbreitet, und je mehr von uns sich hier versammeln, desto deutlicher ist mein Eindruck geworden. Heute Nacht werde ich darüber mit Kela auf dem Plateau an der Quelle eine Lichtmeditation durchführen.

    „Ich werde ebenfalls zu euch stoßen", verkündete die Stimme einer Frau mittleren Alters von der Seite her, die sich den beiden genähert hatte.

    „Gern nehmen wir dich mit dazu, Lera, erwiderte Ama lächelnd. „Zu dritt war der Fluss des Lichtes immer besonders intensiv.

    Finn nickte. Zwar war auch er ein Bruk, aber wenn die Erste, ihre Vertreterin und die Geistkundlerin beschlossen hatten, zu dritt zu meditieren, dann war es für ihn in Ordnung. Er war praktischer veranlagt. Gerade wollte er Feuerholz nachlegen, als er bemerkte, wie sich eine kleine Gruppe mit Fackeln vom verborgenen Haupteingang des Geländes her dem Lager näherte. „Ron, Mark?", rief er, um dann mit den Angesprochenen auf die Ankömmlinge zuzugehen. Es waren aber nur Han, Jule und Gita, die von ihrem spätabendlichen Besuch beim nahe dem Baumwald gelegenen Bauerngehöft mit neuem Käse zurückkehrten. Allerdings hatten sie einen seltsam erregten Gesichtsausdruck.

    „Was gibt es?", fragte Finn sofort.

    „Etwas Merkwürdiges. Wir brauchen umgehend etwas Redezeit, um allen eine Nachricht zu überbringen", verkündete Han.

    „Dann geh und sprich Ama an, bevor sie mit Kela und Lera auf das Plateau geht. Es sind praktisch noch alle da. Sie hat gerade die Prophezeiung verlesen."

    „Na, das trifft sich ja prächtig, knurrte Han, der die alten Worte aus dem Buch bereits am frühen Abend vernommen hatte. „Ungefähr um etwas Derartiges dürfte es sich handeln.

    Während die kleine Gruppe zum Lager zurückkehrte, war Ama bereits dabei, sich mit ihren beiden Begleiterinnen auf den Weg zum Quellplateau zu machen. Sie wurde jedoch am Rande des Lagers von Sus aufgehalten. „Verehrte Schwester, sagte diese, während sie ihre Freundin mit ihrem nachdenklichen Blick aus dunklen Augen ansah. „Etwas geschieht gerade. Ich spürte ein Beben des Lichtes wie das Flackern des Mondes, wenn eine Wolke vorbeizieht.

    Ama umarmte Sus. Sie kannte sie lange genug, um das innere Schaudern ihrer engsten Vertrauten auch ohne äußere Anzeichen wahrzunehmen. „Ich habe es auch gespürt, wisperte sie ihr ins Ohr. „Deshalb gehen wir drei ja gerade, um nach Klärung zu suchen.

    „Die Klärung kommt dieses Mal von dort", sagte Sus in geheimnisvollem Ton und zeigte auf die Gruppe mit den Fackeln, die soeben beim Feuer eingetroffen war und sich nun suchend umschaute.

    Sofort kehrte Ama zum Lager zurück. Kaum wurde sie von Han erspäht, unterbrach dieser die Stille der Nacht mit seiner halblauten Stimme: „Erste, wir bringen Kunde, die unser Leben und das vieler Menschen in Nian nachhaltig verändern könnte. Ich erbitte daher die Möglichkeit, unmittelbar zur gesamten Gemeinschaft zu sprechen."

    Ama spürte ein Prickeln ihre Wirbelsäule emporklettern. Nicht nur Sus’ eindringliche Worte hatten sie aufmerken lassen – wenn nun auch Han, ein sehr ruhiger und besonnener Mann, auf diese förmliche Weise und in so dramatischem Ton zu ihr sprach, musste die Angelegenheit wirklich sehr ernst sein. Sie begab sich neben das Feuer, hob die Hände und rief: „Das Wort hat nun noch einmal Han. Bitte lauscht und spürt inwendig, wie es geschehen wird."

    Fast schlagartig wurde es ruhig um das Feuer. Jegliches Gespräch verstummte, nur noch das Knacken der brennenden Scheite war zu vernehmen, als Han vortrat und zu sprechen anhob.

    „Verehrte Geschwister, liebe Gemeinschaft des Waldes. Wir kommen soeben von unserem Tauschbesuch beim Bauern. Dieses Mal bringen wir aber nicht nur Käse mit. Als wir dort eintrafen, war bereits Besuch dort. Wir wissen ja seit einiger Zeit, dass hier in der Nähe Menschen leben, die sich rasend schnell über Kräuterwiesen hinwegbewegen können. Einige von uns sind diesen sogenannten Federern bereits begegnet. Einer von ihnen namens Pal Gernok befand sich vorhin gerade im Haus des Bauern und machte den Eindruck, uns erwartet zu haben. Als wir gingen, verließ er ebenfalls das Haus und nahm uns ein paar Mittelmaße weiter beiseite, um uns einige wirklich bedeutende Dinge mitzuteilen. Gebannt lauschten alle Anwesenden, als er weitersprach. „Zuallererst soll ich uns allen, besonders aber unserer Ersten, er nickte Ama zu, „im Namen seines Ersten herzliche Grüße ausrichten. Vor wenigen Tagen wurde im Mittelland nämlich der Klan der Federer neu gegründet. Ein Junge namens Kai hat dessen Führung inne."

    In Amas Gesicht erschien ihr schönstes und breitestes Lächeln. „Es ist also wahr!, rief sie halblaut. „Unser Freund und Vertrauter hat seine Bestimmung gefunden!

    „Das ist aber leider nicht alles, setzte Han fort und seine bisher entspannte Miene verdüsterte sich. „Gestern hat besagter Pal ein Teleskript seines Klans mit dem Auftrag erhalten, der Gemeinschaft der Kräutermütter und -väter nahe dem Elvon – damit können nur wir gemeint sein – zwei Botschaften auszurichten. Die eine ist recht angenehmer Natur: Offenbar gibt es weitere Geschwister im Land, die unsere Anwesenheit hier erspürt haben und zu uns aufgebrochen sind, um uns und auch ihre Erste hier zu treffen. Die andere jedoch hat es in sich: Anscheinend gibt es einen sich rasch im Lande ausbreitenden Streit zwischen verschiedenen Reiterklans, der nun offenbar nicht mehr nur mit Worten ausgefochten wird, sondern auch mit Taten. Eine zentrale Figur dabei soll der neue Erste des Klans der Lindenreiter sein. Laut einer Warnung, die der Erste Federer persönlich von einem Merkantusbaum erhalten hat, sei dieser neue Erste daran interessiert, tiefe Gräben durch die Gemeinschaft der Reiter zu ziehen und Unfrieden zu stiften, wo immer er nur könne. Zugleich schare er Getreue um sich und bereite sich auf einen Kampf vor. Wörtlich habe der Merkantus gesagt, den Reitern stehe eine dunkle Zeit bevor, und allen Menschen, die nicht auf das Licht in sich achten würden, drohe Gefahr.

    Ein Raunen ging durch die versammelten Brukas. Hatten sie nicht gerade aus dem Munde ihrer Ersten einige Worte aus einem uralten Buch vernommen, die dem gerade Gehörten auf verblüffende Weise ähnelten?

    „Das ist aber immer noch nicht alles. Der Erste Federer lässt uns ausrichten, er vermute konkret, dass eine Art Herrschaftsübernahme durch den Ersten der Lindenreiter geplant sein könne, der sich übrigens seit kurzem ‚Ältester‘ nennen ließe. Und als Letztes teilt er uns noch den Namen desjenigen mit: Sid Lucius Albo. Kann irgendjemand von uns etwas damit anfangen?"

    Ama wiederholte den Namen gedankenverloren vor sich hinmurmelnd. Es war nicht unüblich, dass ein hochgestellter Amtsträger sich einen zweiten, klangvollen Vornamen gab. Lucius, das bedeutete „der Strahlende oder auch „Mensch des Lichts. Auch die Bezeichnung „Ältester" war nicht ungewöhnlich, um die besondere Stellung des Ersten des Klans der Lindenreiter zu betonen.

    Han führte nun seine Rede zu Ende. „Auch wenn dies alles keine direkte Bedrohung für uns zu bedeuten scheint, so dürfte es uns mittelbar betreffen, wenn bei den Reitern eine Art Bruderfehde vom Zaun gebrochen wird. – Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit, verehrte Geschwister."

    Ama trat nun wieder vor und sagte laut: „Ich danke Han für diese eindringlichen Worte. Es ist wahr, Dinge geschehen derzeit in Nian, deren Auswirkungen wir noch nicht abzusehen vermögen. Falls jemandem in dieser Runde noch etwas zu diesem Thema einfallen sollte, bitte ich darum, es uns – oder gern auch mir allein – mitzuteilen. Ich möchte nun diese Runde schließen und die Gelegenheit nutzen, auch die soeben erhaltenen Neuigkeiten zusammen mit Kela und Lera oben an der Quelle mit in die Verbindung einzubringen. Habt herzlichen Dank für eure Zeit."

    Damit war die Versammlung abermals beendet. Nachdenklich begaben sich Ama, Lera und Kela erneut auf den Weg zum Hügelplateau. Sie alle konnten sich des Eindrucks nicht erwehren, dass nun Dinge von großer Tragweite dabei waren, ihren Lauf zu nehmen.

    Reise ins Ungewisse

    „Hallo, da seid ihr ja wirklich!" Mit einem strahlenden Lächeln öffnete Herk die Tür seiner Wohnung, durch die zwei ebenso fröhlich grinsende andere Federer eintraten.

    „Also, ich muss sagen, leicht gemacht hast du es uns nicht gerade, dich zu finden, feixte Lutz gespielt vorwurfsvoll. „Einen so klangvollen Straßennamen wie ‚Neuer Weg‘, den es in Medriana ja auch nur lächerliche drei Male gibt – da braucht man ja gar nicht lange zu suchen.

    „Schon klar, tut mir leid, ich vergesse immer, den nördlichen Bezirk anzugeben, erwiderte Herk augenzwinkernd. „Und, Malu, bist du bei der Suche schon verhungert?

    „Jetzt, wo du es erwähnst …, sagte das Mädchen, schnupperte in die Luft und leckte sich über die Lippen, „… sind das etwa deine Kohlschnetzel mit Kümmel auf Nudeln mit Käse-Sahnesauce?

    „Hab ich es doch geahnt, dass du wie immer einen Bärenhunger mitbringst! Klar, ich weiß doch, wie gern du dieses Gericht magst! – Also, dann legt mal eure Sachen ab und lasst uns erstmal anständig tafeln. Dabei kann ich euch erzählen, wie wir am besten zur Ebene gelangen können."

    „Ich verstehe immer noch nicht, weshalb wir nicht einfach Kais Megafon-Methode benutzen, warf Malu ein. „Wer immer dieser ominöse letzte Federer ist, er würde uns hören und könnte uns entgegenreisen.

    Lutz schüttelte den Kopf. „Du weißt doch, was Kai dazu gesagt hat: Er kann es zwar nicht erklären, ist sich aber ganz sicher, dass das so nicht funktionieren würde. Aber an etwas hast du mich doch erinnert, wir wollten ihm doch bei der Abreise Bescheid geben! Können wir deinen Teleskriptor nehmen, Herk?"

    „Klar. Aber konzentriert euch bitte trotzdem auch nochmal in Richtung der Flussstadt und schickt eine Gedankennachricht, damit Linn mitbekommt, dass wir losziehen, ohne dass wir seinen Vater ‚mit Teleskripten zuschütten‘, wie dieser sich wohl ausdrücken würde."

    Malu schnaubte verächtlich. Pah. Nur weil Linns Vater ein hoher Reiter war, sollte er nicht das Recht haben, sich wegen ein paar Teleskripten zu beschweren, die sein Sohn von seinen Klanfreunden geschickt bekam. Zum Glück konnte Linn als bislang Einziger im Klan intensiv geformte Gedanken aller anderen Federer in seinem Kopf hören, ohne dass man einen übermäßig verstärkten Ruf in seine Richtung herausschreien musste. Ohne ihn hätten sie von der Existenz des verschollenen Federers auf der Westlichen Ebene nichts geahnt. Da war es natürlich klar, dass man ihn ebenfalls auf dem Laufenden hielt. Malu seufzte. Wenn doch nur alle Erwachsenen so wären wie Lutz oder Herk oder auch Kais Eltern! Dann wären viele Dinge deutlich unkomplizierter.

    Nach dem Verschicken des Teleskripts setzte sich Lutz mit an den schlichten Küchentisch, an

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