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Das Ilsitrium I: Der Harnisch des Lichts
Das Ilsitrium I: Der Harnisch des Lichts
Das Ilsitrium I: Der Harnisch des Lichts
eBook710 Seiten10 Stunden

Das Ilsitrium I: Der Harnisch des Lichts

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Über dieses E-Book

Die Welt wird von einer uralten Macht bedroht. Das erste Königreich der Menschen ist bereits der Dunkelheit der Rauchschwaden der feindlichen Feuer anheim gefallen. Da scheint sich die Prophezeiung zu bewahrheiten und der Sehende tritt auf den Plan. Er gehört jedoch einem Volke an, das, durch einen Fluch gebeutelt, eigentlich nicht in der Lage ist Waffen zu tragen. Es beginnt eine Reise, welche die Welt vor der Finsternis erretten soll ... oder wird sie doch in die Klauen des Bösen fallen?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum1. März 2013
ISBN9783844247107
Das Ilsitrium I: Der Harnisch des Lichts

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    Buchvorschau

    Das Ilsitrium I - Tobias Schnitzler

    Cover_MainCoverwork02

    Inhalt

    Impressum

    Prolog

    Kapitel 1: Der Aufbruch

    Kapitel 2: Die erste Reise

    Kapitel 3: Die Prüfungen

    Kapitel 4: Auf nach Atlon! Die zweite Reise

    Kapitel 5: Die Halbweise

    Kapitel 6: Durch die Wildnis

    Kapitel 7: Durch das Gestein

    Kapitel 8: In die Lande von Aseln

    Kapitel 9: Zu Hofe und weiter hinaus

    Kapitel 10: Sildarain

    Kapitel 11: Unterland

    Kapitel 12: Der Harnisch des Lichts

    Kapitel 13: Die Befreiung Unterlands

    Kapitel 14: Das Geschenk

    Kapitel 15: Zweibergen und ein alter Freund

    Danksagung:

    Tobias Schnitzler

    Das Ilsitrium

    Band I: Der Harnisch des Lichts

    Tobias Schnitzler

    Das Ilsitrium

    Band I: Der Harnisch des Lichts

    Harnisch des Lichts 2

    epubli Verlagsgruppe Holtzbrinck

    1. Auflage

    eBookausgabe März 2013

    published by: www.epubli.de

    Copyright © 2013 by Tobias Schnitzler

    All rights reserved

    ISBN: 978-3-8442-4710-7

    www.epubli.de

    *** 

     Für

    Adrian Tiberius & Ingeborg

    ***

    Prolog

    Hinter den hohen und fast undurchdringbaren Massiven des Nait – Gebirges, lagen drei, eigentlich vier, Halbinseln, die von dem Volk der Pazit bewohnt waren. Diese Pazit waren ungefähr so groß wie ein durchschnittlicher Mensch und sahen diesen auch recht ähnlich. Doch da sie auf Grund eines abscheulichen Fluches dazu verdammt waren hinter eben jenen Bergen in einem Teil der Welt zu leben, an den kein Tageslicht drang, hatten sich ihre Körper ein wenig verändert. Ihre Augen beispielsweise waren im Vergleich zu denen eines Menschen riesig, ungefähr faustgroß. Wenn man in sie blickte, starrte man in eine unvergleichliche Dunkelheit, weil ihre Pupillen meist extrem geweitet waren, um auch noch den letzten Funken Licht aufzunehmen, der sich durch die Finsternis verirrte. Außerdem wären noch ihre überdimmensionalen Ohrläppchen zu erwähnen, die ihnen wie Teller fast bis auf die Schultern herabhingen. Waren diese in den altforderen Zeiten reich mit Ringen und Diamanten geschmückt, so warteten sie in jenen Tagen eigentlich nur darauf alt und schlabberig zu werden. 

    Da wäre aber noch ein Umstand, der dieses Volk besonders beutelte und der auch von diesem Fluch, der später noch erläutert wird, herrührte: Sie konnten keinerlei Klingen und sonstiges Kriegszeug nutzen ohne zu verbrennen. Wie schwierig sich da der Alltag gestaltete,  sollte jedem deutlich werden, der einmal versucht von einem Laib Brot eine Scheibe zu ergattern und das ohne Messer. Deshalb gab es solche Dinge auch nicht bei ihnen und das Essen bestand aus Dingen, die gerupft, gezupft oder einfach auseinandergerissen werden konnten. Fisch gehörte dazu, den sie mit Hilfe von kunstvoll hergestellten Netzen fingen. In der Netzherstellung hatten sie im Laufe der Zeit eine Perfektion erreicht, die ihresgleichen suchte, doch wussten im Rest der Welt nur die Donauh davon. So verhielt es sich auch um die Existenz der Pazit selbst bei allen anderen Völkern, bis auf wenige Ausnahmen. 

    Die Behausungen dieses Volkes waren auch recht einfach gehalten und die Dächer meist mit dem Holz natürlich umgestürzter Bäume gedeckt und durch abgeknicktes Reet verdichtet. Wenn etwas aus Holz gebaut werden musste, so konnte dies freilich nicht geschnitten werden. Die Pazit mussten es schweißtreibend spalten oder solange mit schweren Hämmern bearbeiten, bis es für sie brauchbar geworden war. Auch das Feuer selbst nutzen sie, um einfache Boote herzustellen, indem sie es Baumstämme für sie aushöhlen ließen. Auch diese Handwerke beherrschten sie nach all der Zeit meisterlich. 

    An ihre Isolation am nördlichsten Teil der bis dahin bekannten Welt, hatten sie sich gewöhnt und ihre eigentliche Geschichte hatten sie fast vergessen, weil sie für die meisten Pazit einfach zu unglaublich schien. Sie verstanden sich also aufs Fischen und auch der Anbau von Schattenkorn war ihnen geläufig, aus dem sie allerlei Dinge herstellen konnten, wie kleines Brot, Bier und Kuchen. Sie hatten sich auch daran gewöhnt vom Rest der Welt nichts zu hören und der Kontakt zu den Donauh war das einzige, was sie daran erinnerte, dass es noch andere Ecken auf Altan gab. Doch hatte sie dieses Leben auch bescheiden gemacht und sehr genügsam, sodass die meisten nicht wirklich den Drang verspürten irgendwohin zu gehen oder jemals etwas anderes zu machen, als ihre Väter oder deren Väter. Es gab überhaupt nur einen Pazit, der sich aufmachte den Rest der Welt kennenzulernen und das tat er nicht ganz freiwillig.

    ***

    Kapitel 1: Der Aufbruch

    Mondschein in der Dunkelheit. So war es Tag ein Tag aus im Land der Pazit hinter dem Nait – Gebirge. Hier standen immer die Sterne am Himmel und der Mond ging niemals völlig unter, er kratzte nur den wässernen Horizont des nördlichen Meeres und ließ dann, sobald Nebel aufkam, einen silbrigen Hauch weit scheinen. Dann war die Dunkelheit nur halb so stark wie sonst, ja, das Licht war fast blendend, jedenfalls für die übergroßen Augen der Pazit. An eben solch einem Tag war es, dass Vater und Sohn wieder fischten. Sie taten dies immer, jeden Tag im Jahr. Nun, sie versuchten es zumindest, denn das Wetter spielte freilich nicht immer mit und hatte schon so manch gut geglaubten Fang aus den Netzen fliehen lassen. 

    Sie hatten ein kleines Fischerboot mit einer kleinen Kanzel in der Mitte unter der sie sich, sollte es stürmisch und regnerisch werden, Schutz suchend zurückzogen. Nun war dies aber einer der schönen Tage und die silbrigen Nebelschwaden weit in der Ferne. So glommen sie, hell und friedlich dahingleitend. 

    „Sohn!, sagte der Ältere der beiden, doch sein Sohn hörte ihn nicht, denn das Klappern der Seilwinden war zu laut. „Herr Villigborn! Bist du taub geworden? Diesmal blickte sein Sohn auf, denn letzterer Ausruf war lauter und energischer als der zuvor. 

    „Vater? Was ist denn?", sagte er und ging einige Schritte in Richtung seines mit einem dicken schwarzen Wollmantel bekleideten Vaters. Dieser fasste seinen Sohn, der vor der klirrenden Kälte durch einen ebenso dicken jedoch grauen Wollmantel geschützt war, an die Schulter.

    „Dieses Netz ziehst du noch hoch, danach fahren wir wieder gen Land!", sagte er und gab der Schulter seines jetzt lächelnden Sohnes, denn er war froh ein Ende der harten Arbeit zu sehen, einen Klaps. Er nickte und ging zufrieden wieder zurück an das Seil, an dem das Netz hing, das er aus nicht geringer Tiefe hervorzog.

    Tatsächlich war ihr Fang dieses Mal groß gewesen, an Deck lagen mehrere hundert Kilo Leuchtfischchen. Diese Fischchen waren unter der Bevölkerung seines Landes sehr beliebt und auch die anderen Nait – Halbinseln kauften gern den Leuchtfisch von der ersten Insel. Er zog weiter am Seil und wandte seinen Blick rückwärts gen Land, dass um die zwei Kilometer entfernt lag und dessen Häuschen jedes auf seinem Wall ruhig und blass aus den Fenstern leuchtete. Er lebte seit seiner Geburt in dieser Gegend und das gern. Er hatte nie Fernweh verspürt, zumal die Übernahme des väterlichen Fischerhofs ihn freudig in die Zukunft blicken ließ. Sein Vater und er kannten die besten Leuchtfischgründe, die es in der Gegend gab und hatten eigentlich, außer beim großen Unwetter vor zwölf Jahren, nie unter einem Mangel leiden müssen.

    Schon seit vielen Generationen lebten die Pazit auf ihren drei Halbinseln. Legenden ranken sich um die Herkunft dieses Volkes und selbst sie wissen nicht genau, was wahr und was erfunden war. Vor einigen tausend Jahren, so hieß es, beherrschten sie ganz Oberland und waren ein stolzes Volk mit einem Heer so groß, dass es kaum jemand wagte sie herauszufordern. Allein der Gedanke, dass sie einst ganz Oberland ihr Eigen nannten, befremdete die meisten, denn es schien unglaublich. Vom Nait – Gebirge bis zu den Mittelbergen soll ihr Land gegangen sein. Nur der ständige Handelskontakt zu den Donauh erinnerte noch daran und sie sollen tatsächlich die einzigen sein, die heute von den Pazit wissen. Weiter besagt die Legende, dass die Pazit, auf der höchsten Stufe ihrer Verbreitung, weit über das Nassland hinaus, in die Mittelberge gezogen sein sollen. Es hieß vom größten aller Berge der Mittelberge, dem Gipfel von Tuk’pâsch, er beinhalte einen Dämon, den Izar. Dieser Izar war dafür bekannt Dunkelheit und Krankheit über die Unglücklichen zu bringen, die sich weigerten ihm Tribut zu zollen. Dieser Tribut konnte eine Jungfrau oder ein neu Geborenes sein, denn er brauchte unbeflecktes Fleisch, um seiner Bösartigkeit Nachdruck zu verleihen; so hieß es. Die Pazit, gestärkt von ihren heroischen, mit unzähligen Liedern besungenen Siegen und Schlachten, gegen so manch finsteres Geschöpf, glaubten den Izar mit einer List zu besiegen und ihn ein für allemal aus der Welt zu vertreiben. Als der Izar wieder Tribut forderte schickten sie ein Heer von hundert Mann zum Tuk’pâsch, im Glauben den Sieg bereits in den Händen zu halten und ein weiteres Lied singen zu können. Sie wollten ihn mit einer Jungfrau aus seinen Verliesen locken und so schickten sie ein junges Mädchen mit dem Trupp mit. Sie ging vor, die Armee versteckte sich im umliegenden Wald.  So schritt sie auf die verdorrte, aschfahle Erde, vor den Toren des Berges von Tuk’pâsch und wartete, dass sich die schwarzen Türen öffneten. Doch sie blieben verschlossen. Sie wartete die Nacht ab, die dunkler war, als alle anderen Nächte. Manche sagen, dass schwarze beflügelte Gestalten über den Lagern der Armee der Pazit in dieser Nacht kreisten, als würden sie spähen. Der Morgen jedoch graute wie an jedem Tag, die Türen aber blieben verschlossen.  An jenem Tage regnete es, als würde Ilsierie die Weltenmutter bitterlich weinen und es war eisig kalt, obwohl es Spätsommer war; Nebel überall. Der Anführer der Pazitarmee ließ sich dennoch nicht beeindrucken und beschloss die Tore einzuschlagen, falls sie sich nicht öffnen ließen. Er motivierte seine Gefolgschaft zu neuem Hochmut und gab seine Planänderung preis. So befreiten sie das junge Mädchen von ihrer Pein und versammelten sich vor dem finsteren Tor, es war noch immer verschlossen und die Spinnweben an den Zargen und rostigen Beschlägen bewegten sich langsam im Lufthauch dieses grauen Tages. Am Tor waren verschiedene Symbole und üble Fratzen aus verrostetem Eisen angehauen und der Nebel verfing sich an den Splittern des Eisens zu kleinen Wassertropfen. Der Anführer hieß seine Gefolgschaft Aufstellung zu nehmen und die Hundertschaft stand schnell in einem Rechteck vor dem Tor, auf dem dunklen, staubigen Boden und halb im Wald, der vor dem Berg stand. Er erhob seine Streitaxt und wollte gerade zum Aufmarsch befehlen, als sich unter grässlichem Ächzen und Stöhnen, unter tiefem Knacken und Bollern die Tore langsam öffneten. Die tiefste Finsternis, die man sich vorstellen konnte, eröffnete sich der Armee aus tapfren Pazitkriegern und ein übler Gestank schwoll ihnen entgegen. Aber dies alles ließ nur Einzelne unter ihnen erschaudern. Sie alle gingen in die dunklen Verliese, voller Edelmut und Hochstolz, die Fackeln schwingend und Kriegslieder singend.

    Niemals, soweit wir denken können,

    Wird uns jemand den Sieg vergönnen!

    Niemals, nicht im schlimmsten Traum,

    Lassen wir Zweifel in des Krieges Raum!

    Drum lasst uns kämpfen, Schlag um Schlag,

    Und Finsternis wieder werden Tag!

    Doch was all diese tapfren, mutigen Männer nicht wahr haben wollten: Der Izar erwartete sie bereits. Sie gingen Kilometer um Kilometer in die dunklen Höhlen hinein, sangen ihr Kampfeslied, doch nichts war zu sehen. Tief mussten sie sein im Berge, doch nichts war gesehen. Wo war dieser Izar? War er gar nur ein Gespenst aus noch älteren Tagen? Diese Höhlen Minen eines längst vergessenen Volkes? Niemand war in der Lage dies zu wissen und so blieben sie inmitten einer riesigen Halle stehen. Diese Halle war von so unvorstellbarer Größe, dass selbst der hundertfache Fackelschein nicht in der Lage gewesen war die Wände oder die Decke zu erreichen. Sie standen mitten im dunklen Nichts. Und so verstummte ihr Gesang und bei einzelnen verging der Mut. Sie gruppierten sich zu einem Kreis und die Obersten berieten sich, ob sie umkehren sollten. 

    Just in diesem Moment, als hätte alle Zeit hierauf gewartet, erblickten die hundert Augenpaare der tapferen Krieger ein schwaches Glimmen in der Dunkelheit. Aus diesem Glimmer erschien ein greller Blitz und um sie herum ward nun Feuer und die Halle füllte sich mit unwahrscheinlicher Hitze. Die vorher nicht sichtbaren Wände schimmerten silbrig grau in der roten Glut des Feuers. Es sah so aus, als hätte eine riesige Armee von gar biestigen Geschöpfen die mutigen Pazitkrieger umstellt. Doch nun sah es jedes Auge: der Izar bäumte sich in ganzer Größe vor ihnen auf und wer bis zu jenem Moment noch voller Mut steckte, wurde kleinlaut und das Weite suchend. Die riesige Gestalt des Izar war völlig dunkel, mit einer schwarzen Krone auf dem Kopf, die drei hornartige metallene Spitzen nach oben ragen ließ, vier weitere bohrten sich in seinen Schädel hinein. Diese Krone war der des Finstren ähnlich und sollte wohl auch alle daran erinnern, dass nur jener mehr Macht hatte als der Izar selbst. Die Augen glimmten schwach weißlich, der Blick schal und leer, verderbt die ganze Kreatur. Sein Rachen voll von Zähnen, schlimmer als das schlimmste Wolfsmaul. 

    Nun schrie der Oberste der Pazitkrieger, tief und gänsehauterweckend und die Krieger stoben auseinander, denn der Izar hob seine rechte, mit messerscharfen schwarzen Klauen bewährte Pranke in die Höhe und bildete in ihr einen gar schauderhaften Feuerball, der nun erstmals die Decke der Unglückshalle des Tuk’pâsch erhellte. Mit einer schnellen Abwärtsbewegung schleuderte der Izar den Feuerball auf die Krieger und traf die Hälfte, die um Hilfe flehend entflammt auseinander stob. Viele der anderen noch übrig gebliebenen Hälfte warfen, verrückt vor dem Grauen, dass sie packte, all ihre Waffen beiseite und suchten den Weg aus der Halle. Eben jene waren die nächsten, die der Izar mit seinem heißen Atem anhauchte und entflammen ließ. Die Schreie der nun schon so gut wie besiegten Armee schlugen allesamt in Entsetzen um und erfüllten die Halle mit einem grausigen Wehklagen. 

    Die restlichen Krieger erschlug der Izar mit seinen mächtigen Pranken und ließ nur einen, noch immer mutig kämpfenden Krieger übrig. Nachdem all seine Gefährten besiegt waren, fiel der letzte seiner Hundertschaft auf die Knie und erwartete sein finales Schicksal. Nun jedoch hielt der Izar inne und lenkte seine Blicke einzig und allein auf eben jenen letzten Krieger. Laut der Legende sprach er diese Worte:

    Ihr Winzlinge! Ihr wagt es den Izar mit einer List zu beleidigen? Dafür verdamme ich euch! Nie mehr werdet ihr in der Lage sein eine Waffe in die Hand zu nehmen oder eine Rüstung zu tragen. Wagt ihr es doch, so sollt ihr brennen, wie die Feuer von Tuk’pâsch!

    Der letzte Krieger, zitternd vor Furcht, merkte, dass sich der Izar zurückzog und die Feuer um ihn herum erloschen. Die donnernden Schritte, welche die Halle erbeben ließen, wurden leiser und Stille kehrte schlussendlich wieder ein. Nun umgab den letzten der Pazitkrieger von Tuk’pâsch wieder Finsternis, nur der Geruch von verbranntem Fleisch erinnerte noch an die Schlacht. Er griff sich eine Fackel, die er nach langem Suchen im Dunkeln auf dem Boden ertastete. Er entzündete die Fackel mit seinem letzten Zunder und hielt sie in die Höhe. Das Bild, das er nun sah, ließ Tränen in seine Augen steigen: All seine Gefährten, seine Brüder, Mitstreiter, verbrannt und nun völlig verkohlt auf dem kalten Grund dieser Unglückshalle liegend zu sehen, war zu viel für ihn. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und ging in die Knie, die Fackel noch immer in die Höhe halten, jedoch ließ er sie nun langsam auf den Boden sinken. So saß er da einige Momente, der geschlagene Held der Pazit. 

    Plötzlich jedoch wurde ihm warm, er begann zu schwitzen und stellte sich wieder auf. Ihm wurde immer wärmer und wärmer, doch war der Luftzug, der ihn durch die Gänge nun erreichte eisig kalt. Nach einigen Momenten wurde ihm unerträglich heiß und er suchte nach Abkühlung, doch anstatt dieser ersehnten Abkühlung begann sein rechter Arm zu brennen. Er schrie auf, mehr aus Schreck, als aus Schmerz. Nun brannte auch noch sein linker Arm und er verstand: Er erinnerte sich zurück an den Fluch, den der Izar ausgesprochen hatte, dies musste es sein. Er wurde hastig und versuchte sich die eiserne Rüstung vom Leib zu reißen, doch er schaffte es nicht und schon begannen seine Haare und kurz darauf sein ganzer Kopf zu brennen, er sank in die Knie. Er wurde immer benommener, die Schmerzen der Verbrennungen wurden so heftig, dass er sie nicht mehr spürte. Nun verließ ihn sein gesamtes Bewusstsein und er schlug auf den Boden auf und teilte nun endgültig das Schicksal seiner Kriegsgefährten.

    Seit jenem Tage schwand die Macht des Pazitreiches, denn all ihre Krieger mussten ihre Rüstungen niederlegen und ihre Schwerter in den Staub der Vergessenheit niedersinken lassen. Oberland wurde von den Menschen übernommen und später zum Sitz der Weisen. Die Pazit fanden unter dem Schutz der Donauh ein neues Heim und zogen bis weit hinter das Nait-Gebirge, auf die drei Halbinseln, die in der ewigen Nacht liegen. Der Fluch des Izar säte schiere Angst in die Herzen des Volkes und so wagten sie es fortan nie mehr ihr Land zu verlassen, auch wenn ihre Wünsche und Sehnsüchte danach noch so stark waren. Die Dunkelheit wurde von Jahrhundert zu Jahrhundert heller für die Augen der ehemaligen Herrscher Oberlands, denn sie passten sich der ewigen Nacht an und wurden größer, um auch den letzten Lichtschein einzufangen. Das sind die Pazit, etwa halb so groß wie ein Mann und mit einer unvergleichlichen Nachtsicht ausgestattet, doch von einem bösen Fluch befallen.

    Dies jedoch war kaum mehr von Belang, jedenfalls nicht für Kelsarion, denn er hatte genug mit dem heutigen Fischfang zu tun. Es waren diesmal wie schon gesagt erstaunlich viele. Die Netze waren voll und schwer, seine schulterlangen hellbraunen Haare durchnässt vom Seewasser. Das letzte Netz war eingeholt, der Bauch des Bootes voll mit Fischen. Sie kehrten um in Richtung Land und waren beide froh, denn dieses Tagewerk würde sie für mindestens eine Woche versorgen. Als sie an Land anlegten, waren die meisten Fischer schon da. Niemand hatte einen ähnlich guten Fang zu verzeichnen, aber dies war mit Sicherheit Zufall, denn die letzte Woche waren es noch die Villigborns, die nichts in ihren Netzen hatten. 

    Ihr Pony, Langmähne, wartete geduldig am Pier und schaute kurz auf, als seine Herren nun endlich wieder vom großen Wasser kamen. Es wusste, es hatte viel zu ziehen und es würde harte Arbeit werden. Zwei Freunde Kelsarions, ebenfalls Fischer, kamen herbei und bestaunten den reichen Fang der Villigborns. 

    „Meine Güte, Kel! So viele Leuchtfischchen habe ich schon seit mehreren Monaten nicht mehr auf einem Haufen gesehen!", sagte der kleinere der beiden, der sich Addibo nannte und mit seinem Fang heute überhaupt nicht zufrieden war. 

    „Tja, sagte Kelsarion mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht, „heute hatten wir wirklich Glück, ich glaube morgen werden wir nicht rausfahren müssen. Was habt ihr denn heute gefangen?

    Addibo Helsenbruck, so sein Nachname, schaute etwas beleidigt, denn er wusste, dass diese Frage nur höflich gemeint war und nur von der Unmenge an Leuchtfischchen die Kelsarion und sein Vater gefangen hatten, ablenken sollte.

    „Digson und ich haben nur knapp zwanzig Kilo erbeutet! Irgendwas stimmt mit den Gewichten nicht, ich glaube die Fische schlüpfen am Grund unter den Netzen wieder heraus!" Digson Bellingbeusen intervenierte sofort, denn es war seine Aufgabe die Netze zu warten und in die Tiefe des Meeres zu entlassen. Er konnte sich diesen Vorwurf nicht gefallen lassen.

    „Nein! Addi! Ich habe darauf geachtet, dass die Gewichte weit genug auseinander sind, damit das Netz am Boden gespannt ist und keine Spalte entsteht!", sagte er und riss sich die schwere braune Filzkapuze vom Kopf, seine blonde Wuschelmähne flog nur so durch die Luft; er war außer sich. Addibo schaute ihn mit ernster Miene an und wollte schon etwas Abfälliges sagen, beherrschte sich aber letztendlich und drehte sich mit einer Handbewegung wieder Kelsarion zu. 

    „Bei dem Streit, den ihr beiden oftmals habt, wundere ich mich, dass ihr noch gemeinsam Fischen fahrt!", scherzte Kelsarion eine weitere Kiste voller Fisch auf den Wagen hebend. 

    „Ach weißt du Kel, ich könnte es nicht übers Herz bringen den guten Digson allein an Land zu lassen, mit ihm fährt ja sonst niemand!", sagte der schwarzhaarige Addibo sich auf die Schulter von Kelsarion stützend und einen herausfordernden Blick gen Digson werfend. Dieser kochte jetzt vor Wut. Das wäre ja ungeheuerlich sagte er und meinte, dass er nur weiterhin bei Herrn Helsenbruck mitfährt, weil er weiß, dass dieser nicht allein mit Netzen umgehen kann. 

    „Und da, sagte Addibo seinen alten Freund, denn Freunde waren sie schon seit sie Kinder waren, beschwichtigend bei der Schulter nehmend, „da hat er leider Recht! Ich kann einfach nicht mit Netzen umgehen. Ich angle lieber! Er kannte Digson einfach zu gut und wusste, dass er damit wieder besänftigt war. Digson wusste alles was es über Netze zu wissen gab. Er machte Netze selber, nicht nur welche für den Fischfang, auch für die Jagd an Land hatte er Netze entwickelt. Fataler Weise konnte sein Volk diese nicht einsetzen, denn das gefangene Tier musste ja getötet werden. Seit dem Fluch des Izar ging das nicht mehr. Aber trotz allem fanden sogar diese Netze noch ihren Einsatz. Ziegenhirten waren für diese Entwicklung dankbar, denn eine entlaufene Ziege war nur schwerlich aus den Bergen wieder herauszutreiben, mit den Netzen jedoch konnte man das Tier aus zehn Meter Entfernung wieder einfangen.

    „Kommst du heute Abend noch in die Taverne?", fragte Digson, seine Kapuze wieder aufsetzend. Kelsarion nickte und meinte aber, dass es wohl etwas später werden würde. Schon wurde er von seinem Vater gerufen, der schon auf dem Kutschbock saß und die Zügel in der Hand hielt. Mit einem schnellen ‚Bis dahin!’ verabschiedeten sich die drei Freunde und es begann just in diesem Moment heftig zu regnen. 

    Der Weg zum Villigborn’schen Gehöft war nicht weit, ein knapper Kilometer. Der Weg wurde schnell matschig und Langmähne hatte Schwierigkeiten nicht auszurutschen. Als sie in die Nähe des Hofes kamen sahen sie schon das einladende, warme Licht vom Kaminfeuer; Rauch stieg aus dem Schornstein des Haupthauses. Nachdem sie schließlich den Hof erreichten und durch das Tor gefahren waren, muhte Pinkie die Zwergkuh ihnen entgegen, sie war vor dem Regen in ihren Stall geflüchtet und wartete nun auf ihr Futter. Kelsarions Vater erkannte dies und beschloss, gleich nach dem Verstauen des heutigen Fangs die Kuh zu füttern. Kelsarion sprang vom Wagen und wurde sogleich vom Hund der Familie, Wetzel, begrüßt, einem mittelgroßen Mischlingshund mit schwarzem, struppigen Fell. Er war schon alt, seine Schnauze war bereits grau, aber er freute sich noch immer wie am ersten Tag. Kelsarion beruhigte ihn, ging zur hinteren Seite des Kutschwagens und öffnete sie. Die Kisten mussten entladen und in den Räucherstall gebracht werden. 

    „Julie, mach’ schon mal die Glut an!", rief Kelsarions Vater, der übrigens Keltarion hieß, in Richtung des Wohnhauses seiner Frau entgegen, die durch das Fenster lugte und erstaunt war, wie viel die beiden Männer diesmal mitgebracht hatten. Sie nickte auf diese Aufforderung und ging sofort los. Sie brauchte nicht durch den Regen, der jetzt beträchtlich zugenommen hatte, zu gehen, denn das Wohnhaus hatte eine direkte Verbindung durch die Vorratskammer zum Räucherstall. Kelsarion kam mit einer Kiste in den Stall und lächelte seiner Mutter zu, die gerade dabei war die Glut anzufachen und zurücklächelte. Danach ging er wieder in den Regen zum Wagen zurück, um die nächste Kiste zu holen. Keltarion spannte währenddessen die großen Leinentücher, auf welche die Fischchen verteilt wurden. Alles dampfte nachdem die Fischchen auf den Tüchern verteilt im Raum hingen, die Glut hatte nicht einmal richtig angefangen zu qualmen, denn das dazugehörige Wasser war noch nicht beigemengt. Doch die Hitze, die von der Glut bereits erzeugt wurde, ließ das Wasser aus den Fischchen weichen. Dies war durchaus beabsichtigt, denn das Aroma des Qualms ging besser auf die Fischchen über, wenn sie bereits trocken waren. 

    „Die letzte Kiste!", stöhnte Kelsarion, als er die zehnte der Kisten, die jeweils fünfundzwanzig Kilogramm fassten, auf den mit Kopfsteinpflaster belegten Boden sinken ließ. Die Kiste knarrte etwas unter der Last. 

    „Danke, Sohn. Du kannst schon reingehen und dich umziehen, wir kommen dann nach Sagte Keltarion, die Fischchen aus der letzten Kiste mit einer perforierten Holzschaufel schöpfend. Julie lächelte ihren Sohn an und nickte. „Essen ist schon im Topf sagte sie.

    Kelsarion erreichte sein Zimmer, das direkt unterm Dach des Wohnhauses war. Der Regen prasselte noch immer und erzeugte ein Rauschen im Raum. Er entzündete die Öllampe, die mit dem Talg größerer Fische gefüllt war, die als Beifang öfter mal im Netz waren. In seinem Zimmer befand sich nur das nötigste, abgesehen davon, dass sowieso nicht viel in den kleinen Raum hinein passte. Ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett und eine Waschstelle, bestehend aus einer Tonschüssel und einem metallenen Krug voll Wasser, waren die Hauptbestandteile seines Zimmers. Seine Kleidung befand sich im oberen Flur vor Kelsarions Zimmer in einem großen Schrank aus dunklem Holz. Kelsarion zog seinen jetzt noch schwereren, da mit Wasser vollgesogenen, Filzmantel aus und legte ihn so breit es ging über den Stuhl. Der Filzmantel hielt zwar eine lange Zeit normalen Regen zurück, aber bei einem solchen Guss, wie er Draußen herrschte, war selbst dieser Schutz nicht mehr vorhanden. Sein weißes Hemd und die braune Hose waren ebenfalls völlig nass und hingen klamm an ihm herunter. Hätte er nicht seine ledernen Hosenträger gehabt, so hätte er wohl schon auf dem Weg nach Hause seine Hose verloren. Nachdem er sich gewaschen und neue, trockene und warme Sachen, bestehend aus einer dunkelblauen Leinenhose und einem weißen Stoffhemd, angezogen hatte, begab er sich in den Esssaal. Dieser Esssaal bestand aus dem großen Kamin, über dem ein großer schwerer eiserner Topf hing, einer Arbeitsfläche aus Holz und einem großzügigem hölzernen Tisch, an dem gegessen wurde. Einen Schrank mit Geschirr und anderen Dingen des täglichen Gebrauchs, fand man über der Arbeitsfläche. In einer Ecke war ein großes Fass Bier, denn Bier war das Leibgetränk der Pazit. Der Raum war durch den Kamin schön warm und Kelsarion fühlte sich sogleich behaglich. Er hatte schon gehört, dass seine Eltern sich ebenfalls bereit machten zum Essen zu kommen und so deckte er den Tisch. Im Topf über dem Kaminfeuer brutzelte eine Fischsuppe mit einer Brühe[1], die durch verschiedenste Kräuter aromatisch duftete und den Fisch dadurch wettmachte, dass leckeres Gemüse ebenfalls seinen Platz in dieser Komposition gefunden hatte. Pazit waren zwar hauptsächlich Fischer, jedoch fanden selbst sie Fisch auf Dauer etwas einseitig und geschmacklos. Deshalb gab es verschiedenste Gerichte, in denen Fisch nur noch Eiweiß und Fett lieferte, für den Geschmack des Mahls jedoch nicht mehr von Belang war. 

    Nachdem Kelsarion den Tisch gedeckt hatte, beschloss er, dass er sich ein Bierchen verdient hatte und so füllte er sich einen Krug und setzte sich an den Tisch, um auf seine älteren Herrschaften zu warten. Er konnte gerade mal zwei Züge aus seinem Krug nehmen, als die beiden auch schon den Saal betraten. 

    „Mutter, ich werde heute noch in die Taverne gehen, Addi und Digson sind auch da und haben mich gefragt" sagte er und seine Mutter nickte. 

    „Ist in Ordnung mein Sohn, wenn du willst kannst du auch Langmähne nehmen oder Keltarion? Ihr Gemahl nickte und füllte sich auch gerade ein Bier ab. Julie setzte sich neben ihren Sohn. „Ihr habt einen guten Fang gemacht heute. Da müsst ihr morgen gar nicht los, was hast du vor?, fragte sie ihn und strich ihm durchs braune Haar. Er lächelte sie an und überlegte kurz.

    „Vielleicht fahre ich mal mit Addi und Digson raus, wird bestimmt spaßig" gab er zur Antwort und nahm noch einen Zug aus seinem Krug. Keltarion setzte sich und so stand Julie auf, das Essen zu servieren. 

    „Kelsarion, sagte er, seinen Sohn ernst anblickend, „du weißt, dass ich bald mit der Fischerei aufhören will. Mein Rücken ist nicht mehr der Beste, deshalb ziehst du ja jetzt auch die Netze hoch. Aber auch so merke ich den Zahn der Zeit an mir nagen. Je mehr ich auf dem Meer bin, desto schlechter werden meine Gelenke. Weißt du noch vor zwei Wochen? Dieses eisekalte Wetter? Ich konnte das Tau nicht halten und ... Kelsarion unterbrach ihn, da er wusste worauf sein Vater aus war. Er wollte ihm die Fischerei überlassen und sich nur noch der Räucherei widmen. Kelsarion blickte ihn an und sagte lächelnd: „Ich weiß Vater. Ich übernehme die Fischerei gern, du weißt, dass ich mein Leben gern zum Fischen gefahren bin"

    „Aber du wärest ganz allein, wer sollte dir helfen?" 

    „Ach, Addi und Digson sind doch da! Mit Digsons Netzen, Addis Fahrkunst und meiner Schnelligkeit beim Einholen der Netze, da werden wir doch die Könige von Naitland! Ich habe da keine Sorgen! Da hab’ ich den beiden ja heute noch was Ordentliches zu erzählen!" 

    Das beruhigte Keltarion und er klopfte seinem Sohn auf die Schulter. Er wusste, dass er das Geschäft am Laufen halten würde, denn er hatte den Elan seines Sohnes seit zwölf Jahren gesehen und erlebt. Nachdem dies nun eindeutig geklärt war, schmeckte ihm das Essen noch mal doppelt so gut, wie sonst und sie verbrachten ein angenehmes Abendmahl zusammen.

    „Ich werde mich dann mal auf machen zum ‚Torkelnden Seemann’!", sagte Kelsarion und streckte sich noch einmal auf seinem Stuhl bevor er aufstand. 

    „Vergiss deinen Geldbeutel nicht, Meister Haggenkorn kann nicht immer alles aufschreiben, auch wenn du ein guter Kunde bist!" Wohlweislich war dieser Ratschlag, denn nur allzu oft vergaß er sein Geld und ließ anschreiben. Kelsarion nickte und ging die Treppe hoch in sein Zimmer, um seinen ledernen Geldbeutel zu holen. Als er aus dem Fenster blickte merkte er, dass der Regen aufgehört hatte. Er war froh darüber, denn dann musste er keinen Regenmantel anziehen, die waren viel zu unbequem beim Reiten. Plötzlich sah er einen schwarzen Schatten vor seinem Fenster weghuschen. Er ging an das Fenster und schaute genauer. Da sah er sie, eine pechschwarze Gestalt, die sich in zackigen und blitzschnellen Bewegungen, sie waren so schnell, dass er sie kaum sah, vom Gehöft wegbewegte. Es war klein, ungefähr so groß wie ein Pazit, aber aus seinem Kopf gingen zackige Spitzen. Einen ganz kurzen Moment lang sah er etwas so seltsames, dass es ihm den Rücken kalt hinunterlief. Kleine weiße Augen, die ihn zwar nur kurz ansahen, aber dieser Blick schien ihn zu durchbohren. Er blieb wie erstarrt stehen und verfolgte diese unheimliche Kreatur solange, bis sie hinter einigen Büschen verschwunden war. Selbst danach blieb er noch für einen Moment lang still und starr stehen. Danach schüttelte er sich, nahm irgendwie benommen den Geldbeutel und verließ sein Zimmer. Es musste sich um eine seltsame Art der Einbildung gehandelt haben, dachte er sich noch, als er sich schon von seinen Eltern verabschiedete. Langmähne stand bereit und grunzte ein wenig, als er zu ihr trat. Er streichelte ihr kurz die Nüstern und öffnete dann die Stalltür. Pinkie muhte ihn wieder an und schien noch immer hungrig zu sein. 

    „Vater! Hast du Pinkie gefüttert?", rief er hinüber zum Wohnhaus und sah, wie kurz danach sein alter Herr aufstand und sich vor die Stirn schlug; er hatte es vergessen. Kelsarion musste lächeln, rief seinem alten Herren herüber sitzen zu bleiben und fütterte schnell die Kuh. Dann ließ er Langmähne aus dem Stall und nahm den Sattel, der sich ebenfalls im Stall befand. Nachdem er ihn fest auf dem Pony verzurrt hatte bestieg er das Tier und sah Keltarion aus der Türe treten. Er ritt los und hörte noch ein kurzes ‚Danke!’ als er das Tor passierte. 

    Es war noch immer matschig und so konnte er nicht im vollen Galopp den Weg zum Hafen reiten, wo sich der ‚Torkelnden Seemann’ befand; seine Stammkneipe seit mindestens sechs Jahren. Nach einer halben Stunde erreichte er den Hafen und nachdem er Langmähne neben den beiden Ponys seiner Freunde an der Koppel festgemacht hatte, betrat er den ‚ Torkelnden Seemann’. Addibo und Digson saßen am Tresen und hatten jeder einen Krug Bier vor sich stehen. Sie riefen ihm ein freundliches ‚Hallo!’ herüber und er erwiderte dieses Willkommen durch ein kurzes aber herzliches Winken; auch der Wirt, der alte Haggenkorn, nickte ihm freundlich entgegen. Ja, er war mit seinen vierundzwanzig Jahren und nach dem heutigen Fang erst recht, eine angesehene Person in seiner Gegend und er lebte hier gern. Jetzt, nachdem ihm sein Vater offiziell das Fischereigeschäft übergeben hat, war er noch froheren Mutes, denn nun konnte eigentlich nichts mehr schief gehen. Mit diesem Gedanken setzte er sich neben seine beiden Freunde an den Tresen und bestellte ebenfalls einen Krug frisch gezapften Bieres und wandte sich schließlich Addibo und Digson zu.

    „Ich habe gute Neuigkeiten! Mit diesen Worten war nun die Aufmerksamkeit der beiden ungeteilt auf Kelsarion gerichtet. „Mein Vater hat mir die Fischerei übergeben! Jetzt können wir drei zusammen auf Fischfang fahren! Ist das nicht toll? Addibo und Digson waren freudig überrascht dies zu hören und klopften Kelsarion auf die Schulter. 

    „Das ist wunderbar, sagte Digson, dessen Augen vor Freude nur so funkelten. „Mit deinen Netzen, Addis Manövrierfähigkeiten und meinem Geschick beim Auslegen der Netze, da fangen wir an einem Tag Fische, die bis an unser Lebensende reichen! Freilich war dies etwas übertrieben, aber Kelsarion hatte die beiden auf seiner Seite. Jetzt, da die Lichtfischchensaison gerade erst begann, würde es ein gutes Jahr werden, wenn diese drei auf Fang gingen. Sie stießen an und jeder nahm einen kräftigen Schluck aus den metallenen Krügen. 

    Sie hatten alle drei gerade den letzten Schluck genossen, als die Tür der Taverne mit einem lauten Krachen aufsprang. Der alte Haggenkorn schaute verärgert in Richtung der Tür und meckerte, dass die Tür noch einige Jahre halten müsse! Das gesamte Lokal richtete die Blicke auf die Eingangstür, ein kühler Wind pfiff hinein und im Türrahmen standen zwei dunkle Gestalten. Sie waren leicht gebückt, da sie Helme trugen, die an ihren Spitzen Wedel hatten und so passten sie nicht aufrecht stehend in die Tür. Nachdem sie einen Schritt getan hatten, richteten sie sich auf. Dies waren zwei Wesen, die so noch kein Pazit gesehen hatte. Sie waren knapp einmeterachtzig groß und in dunkle, dicken, schwere Mäntel gehüllt, die sie mit ihren Händen vor der Brust zusammenhielten. An den Handgelenken sah man, dass sie eine Art Rüstung tragen mussten, das Kerzenlicht wurde auf dem Metall gespiegelt. Sie hatten beide etwa schulterlanges Haar, das unter ihren Helmen hindurchlugte; der eine in bräunlichem blond und der andere in dunkelbrauner Farbe. Die Helme waren aus dunklem Eisen, das mit silbrigen und goldenen Verzierungen besetzt war, welche die Form eines Vogels bildeten, eines Falken, dessen goldene Flügel sich in dem Teil, der die Stirn bedeckte, berührten. Nachdem einer der beiden die Türe wieder schloss, ließen sie ihren Umhang los und wieder hinter ihre Rücken fallen. Nun sah man prachtvolle Rüstungen, aus dunklem Eisen, wie die Helme auch waren. Die Verzierungen waren ebenfalls aus silbrigem und goldenem Material, das in einer Art Gefieder angeordnet war. Nun traten sie an die Theke und wurden auf diesem Wege von allen Augen der Gäste bestaunt, denn so große Wesen sah man hier so gut wie nie. Sie waren den Donauh, die jedes Jahr nach der Fangsaison kamen und sich die Schuppen der Leuchtfischchen abholten, recht ähnlich. Aber die Donauh waren um einiges graziler und dünner. Nein, diese beiden waren ganz andere Kreaturen, die hier noch niemand jemals gesehen hatte. Sie setzten sich hin, neben Kelsarion und seine Freunde, die respektvoll das anstarrten, was da gerade gekommen war. Haggenkorn fasste sich ein Herz und fragte sie schließlich etwas stotternd, wie er ihnen dienen könnte.

    „Habt ihr eine kleine schwarze Kreatur gesehen, die sich blitzschnell bewegt?", sagte der, der dieses bräunlich blonde Haar hatte. Haggenkorn schüttelte den Kopf, aber Kelsarion wusste, wonach die beiden suchten, wandte seinen Blick ab und schluckte. 

    Nach einer kurzen Weile wandte er sich schließlich wieder den beiden Fremden zu. „Ich habe heute Abend eine solche Kreatur gesehen, mein Herr" sagte er und schaute den Fremden ängstlich an. Dieser wandte seinen finsteren Blick auf Kelsarion und musterte ihn. Er schien es nicht glauben zu können und schaute noch ein zweites Mal auf gleiche Weise. Addibo und DIgson blickten ihren Freund entsetzt an.

    „Wo?", fragte der Fremde knapp. Kelsarion sagte ihm, dass er das Wesen in der Nähe seines Gehöftes gesehen hätte und dass er sie gerne an die Stelle führen würde. 

    „Geht das sofort?", fragte der Fremde sich von seinem Hocker erhebend. Kelsarion schaute ein wenig überrumpelt drein, schließlich hatte er an diesem Abend etwas anders vor, aber er nickte.

    „Wir werden aber mit ihm gehen!", riefen Addibo und Digson fast im Chor, sich ebenfalls erhebend. Kelsarion schaute die beiden an.

    „Du glaubst doch nicht, dass wir dich so mir nichts dir nichts in die Hände solcher seltsamen Fremden geben! Wir kommen mit" sagte Digson, einen kritischen Blick in Richtung der beiden Fremden werfend.

    „Na dann kommt, ihr drei Herren!", sagte der mit den dunkelbraunen Haaren und die beiden Fremden standen auf und gingen zur Tür. Kelsarion, Addibo und Digson folgten ihnen. 

    „He! Kel, Addi und Digson, was ist mit der Zeche?", rief der alte Haggenkorn den dreien noch hinterher, aber da waren sie schon aus der Tür in die kalte Nacht entschwunden. 

    Zwei mächtige Rosse standen neben der kleinen Langmähne. Die Tiere waren mit einem mehrteiligen, reich verzierten Nackenpanzer ausgestattet und hatten an den Beinen ebenfalls metallische Platten. Die Verzierungen waren wie die der Rüstungen der beiden Fremden gestaltet. Sie schauten beide auf, als sie sahen, dass ihre Herren wieder aus der Taverne traten und wieherten ihnen leise zu. Ihre Stangengebisse klimperten bei der Kopfbewegung metallen und das Sternenlicht erzeugte ein seichtes Glitzern. 

    „Diese Pferde sind bestimmt sehr schnell!, sagte Kelsarion, der schon befürchtete mit Langmähne nicht hinter diesen Tieren her zu kommen. Der bräunlich blonde Fremde sah ihn an: „Wir können auch langsam reiten, mach dir keine Sorgen, du führst uns. Kelsarion nickte und stieg schweigsam auf Langmähne; Addibo und Digson taten es ihm auf ihren Ponys gleich und so setzte sich der Trupp Richtung Villigborn’sches Gehöft in Bewegung. 

    Kelsarion fiel ein seltsam glimmerndes Seil auf, das an der Seite vom Pferd des dunkelhaarigen Fremden baumelte. Es war recht dünn und machte keinen sonderlich starken Eindruck. Es schienen feine Splitter von Silber eingewebt, die im Licht des Mondes schimmerten. 

    „Was ist das für ein Seil? Es erinnert mich an Geschenkband … was hat so etwas an einem Pferd zu suchen?", fragte Kelsarion danach greifend, doch wurde sein Arm barsch vom dunklehaarigen Fremden abgewehrt und sein Blick war fest und in seine Augen greifend. „Fass es nicht an, es ist verzaubert! Dies ist das Seil des Gehorsams und wir brauchen es für unsere Jagd." Finster funkelte er Kelsarion an und eingeschüchert wandte er seinen Blick ab, um still weiterzureiten.

    Es war sehr dunkel geworden und noch dunklere Wolken waren kurz nach Antritt des Weges aufgezogen. Die Luft war feucht geworden und die Kleidung aller wurde schnell klamm. Auch war es ganz still, die Nachtigallen schwiegen und wäre nicht ein leichter Wind gegangen, so hätte man kein Rascheln der Büsche vernehmen können, denn kein Getier ging um. Kelsarion, Addibo und Digson schauten sich alle mit besorgten Gesichtern an; irgendetwas Seltsames ging vor. Sie verhüllten sich noch tiefer in ihre dicken Mäntel und ritten schweigend weiter.

    Nach einer halben Stunde erreichten sie ihr Ziel, sie standen vor dem Tor des Hofes. Wetzel schaute kurz auf, als er die fünf Gestalten vor dem Tor sah, erspähte aber Kelsarion und verzichtete deshalb darauf zu bellen. Die Fünf stiegen von ihren Pferden, Kelsarion und seine Freunde hielten ihre Ponys an den Zügeln fest, die beiden Männer aus der Ferne ließen ihre Zügel einfach auf den Boden fallen und die Pferde blieben wie angewurzelt stehen. Einer der beiden kniete sich hin und musterte die Gegend. Der braunblonde wandte sich Kelsarion zu und kam ihm einige Schritte entgegen. Er nahm seinen Helm ab und das schulterlange Haar wurde nun vom Wind durchfahren. 

    „Wo war die Kreatur?", fragte er knapp. Kelsarion schaute auf, in die Richtung seines Zimmers, damit er abschätzen konnte, wo ungefähr die Kreatur war. Dann zeigte er auf die Stelle. Der Mann wandte sich wieder ab und ging zu seinem knienden Begleiter. Dieser zog nach einigen knappen Worten ein kleines Objekt aus einer seiner Taschen und hielt es in die von Kelsarion bestimmte Richtung. Es war ein etwa faustgroßer, glatter, dunkler Stein, der wie gewachsen aussah; vielleicht eine Art Kristall. Nach kurzer Zeit begann er leicht dunkelrot zu glimmen. Beide Männer standen auf.

    „Wie lange ist das nun her?", fragte der braunblonde.

    „Etwa drei Stunden" gab Kelsarion nach einem kurzen Moment des Überlegens zur Antwort.

    „War es in Bewegung oder verweilte es an dieser Stelle?"

    „Erst bewegte es sich schnell wie ein Pfeil und blieb dann kurz stehen."

    „Hat es dich angesehen?" Der Ton wurde nun ernster, als er bereits war.

    „Ich glaube ja, weiße Augen schienen mich anzusehen."

    Stille. Die beiden Männer wandten sich ab und schauten nochmals in die gezeigte Richtung und dann zurück zum Hof. 

    „Es hat ihn bemerkt. Es weiß, dass er es sehen kann. Wir müssen morgen nach Do aufbrechen. Er sollte mitkommen." Sie nickten einander zu. Sie drehten sich nun beide um und traten auf Kelsarion und seine Freunde zu. Ihre Gesichtszüge waren nun ein wenig lockerer, nicht mehr ganz so dunkel, wie zu Anfang ihres Zusammentreffens in der Taverne. 

    „Können wir in euer Haus eintreten? Wir haben Dinge zu bereden." Kelsarion nickte und so gingen sie durch das Tor zur Eingangstür des Wohnhauses. Durch die Fenster war das Kaminfeuer zu sehen, dass langsam am Erlöschen war, jedoch noch ein warmes rotes Flimmern im Raum erzeugte. Seine Eltern waren nicht mehr im Saal und so ließen sie sich am großen Tisch nieder. Kelsarion besorgte fünf Tonkrüge, füllte sie mit Bier und gab jeder Person im Raum einen Krug. Wetzel war mit in den Saal gekommen und legte sich vor den Kamin, der von Digson noch schnell mit einigen Holzscheiten bestückt wurde und das Feuer entflammte von neuem.

    Nun nahm auch der blonde Fremde seinen stählernen Helm ab und ein angedeutetes Lächeln trat auf seine Lippen.

    „Ich denke, so begann er, „wir sollten nun sagen wer wir sind. Wir sind die Jäger von Atlon, der Stadt der Weisen. Ich bin Vingrain, Sohn des Ronwolth und mein Begleiter trägt den Namen Arwelath, Sohn des Valuter. Wir sind beide auf der Suche nach den Häschern Muruks, denn die Weisen haben eine düstre Strömung der Welt wahrgenommen. Vor wenigen Monden ist in den Bergen der Finsternis in Unterland das Böse erwacht. Die Urkutug sind in großer Zahl gesichtet worden. Kelsarion und seine beiden Freunde schauten sich ängstlich an, ein kalter Schauer erfasste sie alle drei, als sie den Namen Urkutug vernahmen. 

    „Wer sind die Urkutug?", wollte Kelsarion wissen.

    „Sie sind die Krieger des Finstren Herrschers von Muruk. Bei uns erzählt man Kindern eine alte Sage über sie, um sie zu gruseln. Vor Anbeginn Altans, so wie es nun ist, gab es eine Zeit, in der die Welt karg war. Nur Stein und Erde bildete die Welt, kein Licht, kein Wind und keine Luft. Die große Mutter Ilsirie erschuf Altan und sah ihre Kargheit. Sie war nicht damit zufrieden und so gebar sie die Vierzehn Weisen. Sie waren mit göttlicher Macht ausgestattet und sollten die Welt gestallten. Um es kurz zu fassen: Diese Vierzehn Weisen formten die Welt, so wie sie heute ist und nur die Drei wandten sich vom Pfad des Lichts ab. Sie wollten all das großartige, was ihre elf noch schöpferisch tätigen Brüder und Schwestern vollbrachten zerstören, denn Neid erfasste sie. Nachdem die elf Weisen die Welt geformt hatten, wollten sie Kreaturen erschaffen, die auf ihr wandeln und sich an ihr erfreuten; so erschufen sie das Vieh; alles, was kreucht, fleucht und schwimmt. Dies war aber auf lange Zeit zu wenig und so begannen sie die Donauh zu kreieren. Sie sollten ihrer würdig sein und so sind sie unsterblich. Jedoch entstand der Gedanke der Vielfalt und so wünschten sie sich sterbliche Wesen wie die Tiere, aber weit weiser und fähig die Welt zu verstehen; so erwachten die Menschen. Die Drei jedoch waren nun so voller Zorn und Neid, dass sie sich eine große Scharr der Menschen nahmen und nach ihrer Vorstellung veränderten. Mit großer Pein und unendlichem Leid, das von langer Dauer war, entstanden die Urkutug. Kampfmonstren, unglaublich stark und schnell, jedoch abgrundtief hässlich und von widerlichem Gestank. Sie sind zwischen der Stufe des Biestes und des Menschen; können zwar sprechen aber sind nicht besonders weise. Sie sind es, die zu den Streitkräften des Bösen wurden, welches sich nun im Muruk-Gebirge auf Galdera befindet, weit im Süden in Unterland. Wie ich schon sagte hat ihre Zahl beträchtlich zugenommen und sie beginnen Unterland und Mittelland zu bedrohen. Wenn die Entwicklung so weiter geht, dann werden sie bald auch Oberland bedrohen und es wird irgendwann zum Krieg kommen ... Selbst eure Lande sind dann gefährdet." Kelsarion legte seine Stirn in Falten, er hatte noch nie davon gehört, geschweige denn angenommen, dass es solche Wesen überhaupt geben sollte. Er nahm einen großen Schluck aus seinem Krug und nachdem er durch das Bier nun neuen Mut errang, setzte er sich aufrecht hin und blickte Vingrain und Arwelath fest an.

    „Was hat das mit dem zu tun, was ich gesehen habe?", fragte er.

    „Das, was du gesehen hast, ist ein Uzkur, ein Späher des Bösen. Diese Kreatur bewegt sich so schnell, dass es niemand sehen kann..." Es wurde still im Raum und alle Blicke ruhten nun auf Kelsarion, der nicht wusste wie ihm geschah. 

    „Warum konnte ich es dann sehen?"

    „Das wissen wir auch nicht und deshalb brauchen wir dich und du musst mit uns nach Do kommen. Der Uzkur hat dich ebenfalls bemerkt und wird davon zu berichten wissen. Der Finstre Herrscher von Muruk wird seine Häscher aussenden und dich zu vernichten suchen, denn du könntest für ihn gefährlich werden. Wir müssen also schnell handeln, aber unsere Pferde brauchen eine Pause und wir auch! Deshalb sollten wir in aller Frühe morgen los. Dürfen wir hier die Nacht verbringen?" 

    Kelsarion war nun noch mehr überrumpelt und wusste erst nicht, was er sagen sollte, dennoch willigte er in den Plan ein. „Gerne könnt ihr hier übernachten, ich muss aber den zweiten Teil eurer Überlegungen erst noch mit meinen Eltern besprechen. Ich habe schließlich erst heute den Hof übernommen und muss für Ersatz sorgen, wenn ich weggehe." Kelsarion bemerkte nun die Blicke seiner beiden Freunde, Besorgtheit und Unruhe spiegelte sich in ihren Gesichtern wider. 

    „Kel, begann schließlich Addibo nach einem Moment des Schweigens, „ich denke, ich spreche auch für Digson, wenn ich sage, dass wir beide dich begleiten möchten, schließlich sind wir jetzt so was wie Partner. Kelsarion schaute Digson an und der bestätigte Addibos Worte mit einem knappen Kopfnicken. 

    Kelsarion entschied sich seine Eltern zu dieser Unterredung hinzu zu holen, denn die Wichtigkeit diktierte diese Maßnahme, auch wenn er sie dafür wecken musste. Er ging also die Treppe hinauf zum Schlafgemach seiner Eltern und sagte ihnen, dass sie unbedingt in den Saal kommen müssten, es gäbe wichtige Dinge zu bereden. Unter schläfrigem Murren und einigen Worten des Protestes kamen sie schließlich hinab und waren über den Anblick der beiden Menschen überrascht; auch sie hatten noch nie Menschen gesehen. Vingrain und Arwelath stellten sich vor und vermittelten auf behutsame und höfliche Weise, denn ihr Orden sah es als sehr wichtig an, Fremden mit großem Respekt zu begegnen, ihr Anliegen. Keltarion war gar nicht davon begeistert, dass sein Sohn auf Reisen gehen sollte, nicht jetzt in der Hauptsaison. „Kelsarion, wer soll den Hof und die Fischerei erledigen, wenn du nicht da bist? Ich kann nicht mehr lange auf See fahren, wer weiß schon wie lange deine Reise dauert?" 

    Vingrain mischte sich nun in das Gespräch ein und versuchte beschwichtigend zu wirken. „Werter Herr Keltarion, ich kann Euch versichern, dass Ihr nicht unter irgendeinem Mangel zu leiden habt, während Euer teurer Sohn fern von diesen Landen ist. Mein Orden und die Weisen von Atlon sind mit den Donauh fest verbündet und wir werden Euch entschädigen. Wir wissen, dass Euer Volk mit den Donauh handelt und Ihr werdet Lieferungen erhalten, damit Ihr und Eure Frau nicht leiden müsst. Dies verspreche ich Euch." Keltarion rang nach diesen Worten zwar noch immer mit sich selbst, jedoch musste er sich eingestehen, dass es nicht der Verlust der Tüchtigkeit seines Sohnes war, die er so ungern verlor, sondern die Trennung von seinem geliebten Sohn war es, die ihm das Herz zerriss. 

    „Euer Sohn, sprach nun Arwelath, „hat eine ungeheuerlich wichtige Gabe, er kann die finstren Späher sehen. Eine unserer Prophezeiungen sagt uns, dass es eines Tages jemanden geben wird, der in der Lage ist, die Geschicke der Dunkelheit unverworren zu erkennen. Euer Sohn könnte diese Person sein, er könnte der Sehende sein. Dies ist immens wichtig für unseren Kampf gegen das Böse, wir müssen es herausfinden und deshalb müssen wir nach Do. Und ihr könnt versuchen was ihr wollt, Euer Sohn wird uns begleiten. Keltarion war ob dieser letzten deutlichen Worte fast geschockt und sah seinen Sohn mit wässrigen Augen an; Kelsarion selbst war in einer nicht besseren Verfassung. 

    „Mein Sohn, willst du dies tun?", fragte er schließlich und griff nach der Rechten seines Sohnes. 

    „Du hast die ganze Geschichte gehört, die Urkutug werden früher oder später kommen. Wenn ich helfen kann, dies zu verhindern, so will ich dies tun, sagte Kelsarion mit einem festen Blick. Keltarion nickte und umarmte seinen Sohn. „So sei es denn. Ich wünsche dir dabei das Beste dieser Welt. Sei vorsichtig. Kelsarions Herz war bei diesen Worten wie von einer Last befreit und Erleichterung erfüllte ihn nun. 

    Keltarion erlaubte Vingrain und Arwelath im Saal zu nächtigen und sogleich holten sie ihre Schlafmatten, die sie an den Sätteln ihrer Rosse befestigt hatten und breiteten sie aus. Nachdem sich die beiden Männer von ihren Rüstungen befreit und sie am Kamin gelagert hatten, servierte Julie noch etwas Stärkeres, um die Ereignisse dieser Nacht besser zu verarbeiten; einen Dunkelbeerenlikör. Addibo und Digson verabschiedeten sich danach auch gleich und begaben sich schnell nach Hause, man würde schließlich am nächsten Tage so früh wie möglich aufbrechen.

    „Wie seid Ihr hierher gekommen?, wollte Keltarion wissen, denn er wusste um die Unwegsamkeit des Nait-Gebirges. Es war mehrere Kilometer breit und die Berge sehr hoch; kein Weg war bekannt, der durch die Berge direkt führte. Vingrain, der jetzt ein blaues, samtenes Hemd trug, das im Kaminlicht glitzerte, sagte: „Wir sind durch das Gebirge gestiegen, immer auf der Spur des Uzkur. Unsere Linse, so nennen wir jenen Kristall, den du gesehen hast, Kelsarion, hat uns durch die Schluchten geführt. Es war sehr unwegsam. Seine Gesichtszüge waren nun ganz entspannt und er nahm noch einen Schluck aus seinem Bierkrug.

    „Was macht diese Linse genau?, wollte Kelsarion wissen. „Sie zeigt die Spuren des Uzkur, gab Arwelath zur Antwort und fuhr fort: „Der Uzkur nämlich hinterlässt einen roten Schein, den wir den Schatten nennen. Durch die Linse können wir diesen Schatten für drei Tage sehen, wenn wir die Spur länger verlieren, macht eine Verfolgung keinen Sinn mehr. Als wir hier ankamen, hatten wir die Spur verloren und nur durch dich, Kelsarion, wiedergefunden." Arwelath leerte daraufhin seinen Krug und stand auf.

    „Wir sollten nun alle schlafen gehen, es ist schon spät! Und morgen in der Frühe müssen wir einen weiten Weg antreten." Vingrain nickte und leerte ebenfalls seinen Krug, stand auf und legte sich auf seine Schlafmatte. Keltarion, Julie und Kelsarion gingen ebenfalls in ihre Gemächer. Gleich morgen, wenn die Nachtigallen wieder anfangen würden zu singen. 

    ***

      Kapitel 2: Die erste Reise

    Als Kelsarion die Treppe hinab kam, sah der, dass Arwelath und Vingrain bereits den Kamin angezündet hatten und ein Topf heißen Wassers köchelte schön über den züngelnden Flammen. Julie stand bei den beiden großen Herren und begann den Topf mit getrockneten Krebschen zu füllen, es gab Garnelensalat und einige Eier. 

    „Ah, Kelsarion! Einen guten Morgen wünsche ich dir!, sagte Arwelath mit einem Lächeln auf den Lippen, Vingrain nickte Kelsarion zu. „Wird es bei euch denn nie hell?, wollte Arwelath wissen und fuhr fort: „Als wir über die spitzen Pässe des Gebirges kamen wurde es schon immer dunkler, aber hier ist die Sonne selbst jetzt nicht zu sehen."

    Kelsarion schüttelt den Kopf und nahm am Tisch platz. Er war noch etwas müde und gähnte, hielt sich aber, wie es sich gehörte, die Hand vor den Mund. „Nein, hier scheint nur der Mond. Es bleibt hier immer dunkel. Die Donauh erzählen uns immer von der Sonne, wie schön und strahlend sie doch sei."

    „Das ist sie, für wahr, sagte Vingrain und blickte aus dem Fenster in den Hof zu seinem Pferd hinüber. Sein Blick wurde jedoch schnell abgelenkt und fiel auf zwei Gestalten, die auf ihren kleinen Pferdchen das Tor passierten. „Oh, sagte er, „die Herrn Addibo und Digson kommen schon! Dies müssen feine Freunde sein, dass sie so pünktlich erscheinen."

    Kelsarion lächelte, denn er wusste um die Wahrheit in Vingrains Worten. Er verließ sogleich seinen Platz und öffnete die Tür, um seinen beiden Freunden Einlass zu gewähren. Es war kühl draußen, ein kalter mittelstarker Wind pfiff. Addibo und Digson waren in warme, graue Filzmäntel gehüllt und hatten jeder einen großen Rucksack auf dem Rücken. Digson hatte an seinem noch ein ganzes Sortiment an Töpfen und Pfannen baumeln und bei jedem Schritt schepperte es. 

    „Guten Morgen die Herrn, Frau Villigborn!", begrüßte Digson die Runde und trat ein. Kelsarion reichte seinen beiden Freunden gleich die Hand und schloss, nachdem sie eingetreten waren sofort die Türe, denn noch länger wollte er die Kälte nicht hereinkommen lassen. Julie rief nun ihren Sohn zu Tisch, denn das Frühstück war fertig. Auch Addibo und Digson setzten sich dazu, warteten jedoch, bis Keltarion da war, was nicht lange dauerte. Die beiden Menschen, noch immer in ihren samtenen Kleidern, bedankten sich nochmals für die Gastfreundschaft und begannen dann zu essen. 

    Nach einer Weile des Schweigens, in der jeder seinen eigenen Gedanken nachging, wischte sich Vingrain den Mund mit einer Serviette, stand auf und begann zu sprechen: „Da wir nun alle hier zusammen sind, möchte ich unser weiteres Vorgehen besprechen. Arwelath und ich sind nun doch dazu übereingekommen, dass es das Beste ist, wenn wir uns trennen. Arwelath wird gen Westen ziehen, hinter der Spur des Uzkur her. Ich werde den Rest von euch bis nach Do begleiten." Kelsarion schaute etwas verwundert.

    „Warum wollt ihr den Uzkur weiter verfolgen?"

    „Wir wollen verhindern, dass

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