Kinder der Goerzbahn: Heitere und traurige Lausbubengeschichten aus der Zehlendorfer Nachkriegszeit
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Über dieses E-Book
Jörg Volker Dietrich
Jörg Volker Dietrich studierte Geologie an der Technischen Universität Berlin, diplomierte und doktorierte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule, ETH Zürich. Als Professor an der State University of New York, Albany, war er an der Entwicklung der Plattentektonik zu Beginn der siebziger Jahre maßgeblich beteiligt. Nach seiner Rückkehr an die ETH lehrte er als Professor Mineralogie und Petrographie, präsidierte die Schweizerische Geotechnische Kommission und die Stiftung Vulkaninstitut Immanuel Friedländer. Seine vielfältigen geologischen und petrographischen Forschungen umfassten sowohl die alpinen Gebirge von den Alpen bis zum Himalaya als auch Teile der Ozeanböden und Inselbögen im Westpazifik und im Atlantik. Durch Studien an aktiven Vulkanen Italiens und Griechenlands ist er heute von großen Naturkatastrophen und ihrem Einfluss auf die Entwicklung der Menschheit fasziniert. Seine Leidenschaft am Segeln führte ihn über Jahrzehnte durch die griechische Inselwelt mit ihren antiken und prähistorischen Kulturstätten.
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Buchvorschau
Kinder der Goerzbahn - Jörg Volker Dietrich
für
Jenna, Nik, Mina, Lynn und Mats,
Raphael, Marilyn,
Georg, Andrea und Barbara
In
Gedenken
an die Berliner Kinder,
die in den schwärzesten Tagen
des zweiten Weltkrieges
ihr Leben
lassen mussten
Vorwort
Die Goerzbahn gestern und heute ...
... und in der Erinnerung
Seit 1905 verbindet die Goerzbahn das Industriegebiet zwischen der heutigen Goerzallee in Berlin-Lichterfelde und dem Teltowkanal mit dem Netz der Staatsbahn (bzw. heute der Deutschen Bahn AG) am Bahnhof Berlin-Lichterfelde West. Seit jeher wurde sie als Privatanschlussbahn betrieben und hat sich über weit mehr als hundert Jahre gegen alle Widrigkeiten behauptet.
Zurzeit liegt der Betrieb still, und es wird nach Wegen gesucht, die traditionsreiche Strecke durch zeitgemäße Innovationen wiederzubeleben. Wann und wie das gelingen wird, steht jetzt (Frühjahr 2020) noch in den Sternen des Eisenbahnhimmels.
Auf den Gleisen der Goerzbahn betreibt die AG Märkische Kleinbahn seit 1981 ein Eisenbahnmuseum; auch Publikumsfahrten mit historischen Eisenbahnfahrzeugen sind dort zu bestimmten Zeiten möglich.
Vor diesem Hintergrund war es mir eine große Freude, als ich von der Entstehung dieses jetzt vorliegenden Buches Kinder der Goerzbahn erfuhr. Zuerst nur als kurze Vorausschau, verbunden mit der Bitte, einige Fotos aus dem Archiv der Goerzbahn und der AG Märkische Kleinbahn zur Verfügung zu stellen. Keine Frage, dass diese Bitte erfüllt wurde.
Und dann eines Tages – lag das fertige Buch in meinem Briefkasten. Ich habe es in einem Zuge durchgelesen ... es hat mir den Blick auf eine Zeit geöffnet, die ich selbst nicht erlebt habe, aber gleichwohl ist die Erzählung so bildhaft und packend geschrieben, dass das Geschehen wie ein Film vor dem inneren Auge abläuft. Dabei ist das Gelände der Goerzbahn immer wieder der Dreh- und Angelpunkt, was diesen Zugang sicher erleichtert, aber ich bin überzeugt, dass auch Leser, die aus eigenem Erleben nicht mit der Goerzbahn verbunden sind, genauso viel Lesefreude haben werden.
Herzlichen Dank an den Autor für diese sehr persönliche, bewegende Geschichte und doch zeitgeschichtlich gleichermaßen bedeutsame Erzählung.
Martin van der Veer
Vorstandsmitglied der AG Märkische Kleinbahn
im Mai 2020
Inhalt
Prolog
Wir, die Kinder der Goerzbahn
Spielzeug, was ist das?
Dschungelparadies Laehrpark
Die Schokoladenbahn
Mutproben auf dem Südbahnhof
Gewehre und Pulverspiele
Pusterohre, Flitzbogen und Katapulte
Tragödie im Löschteich der ’Spinne’
Der Teltowkanal, ein Nachkriegsbiotop
Experimentierzoo Balkon
Angeln aus Spaß, Fische zum Essen
Das Strandbad am Teltowkanal
Obstklau mit Brückenspringen
Schrottsammeln in Ruinen
Dem Eistod entronnen
Die Geschwister Goerzbahn und Teltowkanal
Epilog
Dank
Quellennachweis
Prolog
Wir, die Kinder der Goerzbahn
Wir, die Kinder haben neues Leben in ein vom Krieg während der letzten Tage verwüstetes Gebiet im südöstlichen Teil Zehlendorfs gebracht, in dem Teile der Roten Armee die Umklammerung und Invasion Berlins mit der Überquerung des Teltowkanals am 24. April 1945 begannen.
Plan der Invasion der Roten Armee unter Marschall Konew von Teltow über den Teltowkanal nach Zehlendorf und Lichterfelde am 24. April 1945 nach intensivstem Artilleriefeuer aus mehreren hundert Kanonen je Kilometer. Sämtlicher Widerstand des Volkssturms (schwarz) wurde dabei total vernichtet. Alle Brücken waren am 21. Und 22. April von der SS gesprengt worden. Über rasch errichtete Pontonbrücken konnten russische Panzer und Infanterie (rot) widerstandslos vorrücken und erreichten in wenigen Stunden die Mitte Zehlendorfs.
S-Bhf. = Südbahnhof, KB = Knesebeckbrücke, SB = Fritz-Schweitzer-Brücke.
Quelle: modifiziert nach Trumpa (1994) in Glatzel (2015)
Das schreckliche Kriegsgebiet war durch das nördliche Kanalufer zwischen den beiden von der Waffen-SS gesprengten Brücken (Fritz-Schweitzer-Brücke und der Knesebeckbrücke) im Süden, dem Teltower Damm im Westen, dem Laehrpark mit dem Gelände des Südbahnhofs der Zehlendorfer Eisenbahn (‘Goerzbahn’), und der Wupperstraße im Norden und Osten begrenzt.
April 1945 sowjetische Artillerie vor Berlin.
Quelle: Bundesarchiv Bild 183-E0406-0022-012, Wikimedia commens
Große Teile des Geländes, zur Spinnstofffabrik und zu den Zeiss-Ikon-Goerz-Werken gehörend, sind durch Gleisanlagen der Goerzbahn getrennt und waren durch Bombardierungen, massives Artilleriefeuer und Granatwerfer des 24. April teilweise zerstört worden. Die Bevölkerung Zehlendorfs bestand dieser Tage überwiegend aus Frauen, Müttern mit Kleinkindern und älteren Menschen. Wir, die Kinder im Schulalter von 6 bis 15 Jahren, gehörten auch zu den Übriggebliebenen.
Nach dem Ende des schrecklichen Weltkrieges, der sinnlosen Zerstörung Berlins, dem Abzug der russischen Besatzungssoldaten und der Übernahme Westberlins durch die alliierten Streitkräfte im Juli 1945, durften wir Kinder endlich wieder auf die Straße und in den naheliegenden Laehrpark.
Alle Frauen mussten irgendwie und irgendwo arbeiten. Männer waren kaum vorhanden oder