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Chaos im Kopf: Eine manisch-depressive Lebensgeschichte
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Chaos im Kopf: Eine manisch-depressive Lebensgeschichte
eBook196 Seiten2 Stunden

Chaos im Kopf: Eine manisch-depressive Lebensgeschichte

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Über dieses E-Book

Ein manisch-depressives Leben. Ein Mann voller Emotionen, Sex, Drugs and Rock 'n' Roll. Eine Berliner Rockband. Partydrogen in den 90ern. Langjährige Aufenthalte in China und den USA. Als Patient berichtet er von den Zuständen in Psychiatrien. Er erzählt uns von gescheiterten Beziehungen und Sehnsüchten. "Ich wollte das zu Papier bringen, was mir etwas geholfen hätte, diese Krankheit besser und früher zu verstehen, auch auf emotionaler Ebene."Mit schrägem Humor und klarer Sprache weiß der Autor, den Leser zu unterhalten. Diesen Trip sollte man sich reinziehen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum8. Juli 2019
ISBN9783966616386
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    Buchvorschau

    Chaos im Kopf - Nino Drescher

    Fade-Out

    Nino Drescher

    Chaos im Kopf

    Eine manisch-depressive Lebensgeschichte

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Copyright © 2019 Nino Brodeur (geb. Drescher)

    E-mail: chaos-im-kopf@online.de

    Internet: http://www.chaos-im-kopf.com

    Illustration: Nino Brodeur

    Lektorat, Korrektorat: Senta Herrmann,

    https://www.sentaherrmann.de/lektorat/

    Fotos: Thomas Hartmann, http://www.h2creativ.de

    E-Book-Erstellung: AutorenServices.de

    Taschenbuch ist erschienen bei BoD – Books on Demand, Norderstedt

    unter der ISBN 9783749435753

    Für alle Menschen, die ebenso wie ich, psychische Probleme haben und manchmal nicht mehr weiterwissen. An meine Familie, die mich trotzdem liebt und unterstützt. Und einen Gruß an jeden Rocker, der sein eigenes Ding durchzieht.

    Intro

    7:00 Uhr morgens, Klinik/Psychiatrie

    »Herr Drescher … Herr Drescher!!!«

    »Was? Was ist los?«

    »Wir möchten Sie aktivieren.«

    »Sie möchten was?«

    »Sie aktivieren.«

    Wieder einmal in der Klapse gelandet – traurige Routine. Man kennt mich dort und scheiß’ die Wand an, ich kenne sie.

    Ich fühle mich leer, taub und kann es kaum erwarten, in den weichgespülten, aufgedunsenen und von Medikamenten durchtränkten Gesichtern zu lesen, wenn sich die Insassen morgens in Zeitlupe ihre Brötchen schmieren. Und dann der schweigsame, überfüllte und langsame Fahrstuhl auf dem Weg nach unten zur Zigarette ... ja, das ist großes Kino.

    Mein guter Freund Ralf ist vor zwei Wochen gestorben. Es war wohl das Herz. So jung. Ich habe erneut die Kontrolle verloren und mein Gehirn wurde mal wieder so richtig durchgefickt.

    Ich bin bipolar oder auch manisch-depressiv.

    Manie: Mein Kopf ist derart von Glücksgefühlen und absurder Stärke durchflutet, dass ich mich nachts auf den Kurfürstendamm lege und mir sicher bin, dass mir kein Auto etwas anhaben kann. Mein Verstand läuft unfassbar schnell. Alle anderen Leute um mich herum scheinen nichts zu begreifen. Ein regelrechtes Feuerwerk im Kopf findet statt. Ich bemerke nicht, dass ich das Limit weit überschritten habe. Der Zusammenbruch kommt, mein Gehirn knallt durch, ich wehre mich aggressiv dagegen und dann fließen verzweifelte Tränen.

    Depression: Kopf und Körper sind nach der Manie völlig ausgelaugt. Ich verbringe Tage oder auch Wochen damit, im Bett zu bleiben, unfähig, etwas zu bewerkstelligen. Ich empfinde nur noch tiefe Traurigkeit, bin total erschöpft. Ich liege da und schaue mir den ganzen Mist im Fernsehen an. Ich schaffe es, auf die Toilette zu gehen, das ist aber auch schon alles. Ich weine manchmal unkontrolliert und schlafe locker 16 Stunden am Tag. Es ist, als ob sich schwarzer Teer über meinem Gehirn ergießen würde. Ich lebe nicht. Die Depression saugt mir das Leben aus.

    Diese extremen Zustände können sehr schnell wechseln, aber auch Wochen und Monate andauern. Man spricht von Typ 1 und Typ 2. Je stärker und länger die Manie ist, desto heftiger und länger folgt die Depression.

    Außerdem sind in der Manie Drogen, die den Exzess fördern, meistens ein Teil der Krankheit. Künstler und manisch-depressive Menschen neigen beide zu ekstatischen Momenten, großen Gesten und ausufernden Konzepten. Die manische Überzeugungskraft anderen Menschen gegenüber ist äußerst stark.

    Ich heiße Nino, kam 1972 auf diese Welt und mein Lieblingsfilm ist Leolo.

    Bevor ihr dieses Buch lest, muss ich erwähnen, dass es etwas sprunghaft geschrieben ist. Das ist auch ein Teil des Krankheitsbildes. Ich flippe zwischen Gedanken ziemlich schnell hin und her. Trotzdem gebe ich mir Mühe, das Buch unterhaltsam, humorvoll, aber auch ernst zu gestalten.

    Meine Ziele:

    1. Ich möchte meine Geschichte erzählen und hoffe, dass sich Betroffene darin wiederfinden.

    2. Ich will erreichen, dass Freunden, und vor allem auch dem Familienumfeld, das Verständnis für diese Krankheit erleichtert wird. Kommunikation ist sehr wichtig und ich glaube daran, dass eine gemeinsame Zukunftsgestaltung möglich ist.

    Zum zweiten Punkt möchte ich anmerken, dass das Umfeld meist hilflos ist. Es ist kein gebrochener Arm. Es spielt sich im Gehirn ab und es ist schwer, zu helfen. Therapien und Medikamente können ihren Teil zur Genesung beitragen. Jedoch ehrlich gesagt: Nach all der Zeit wird mir klar, dass ich grundsätzlich für immer damit leben muss. Alle Versuche der Heilung meines Dilemmas sind bis dato kläglich gescheitert. Es ist ein ständiger Kampf und er ist sehr schwer durchzuhalten. Das meine ich todernst. Ich habe sehr viel Liebe in meinem Leben erfahren und daran glaube ich, deshalb bin ich noch hier.

    Ich bitte euch, in dem Buch nicht nach Antworten auf eure psychischen Probleme zu suchen. Ich bin kein Arzt oder Apotheker. Ich beschreibe, wie es mir ergangen ist. Es ist meine Lebensgeschichte, nicht mehr und nicht weniger. Die manisch-depressive Erkrankung geht nicht weg, sie ist immer da. Es ist jedoch wichtig, dass ihr, eure Familie und eure Freunde lernen damit umzugehen. Dann fällt es euch nicht mehr ganz so schwer, euer Leben zu leben.

    Auch eine leichte Negativität ist spürbar. Ich schreibe nicht, um auf schöne Dinge aufmerksam zu machen. Dass die Zeit alle Wunden heilt, ist nicht wahr. Es bildet sich ein Narbengewebe um den Schmerz herum und ab und zu schimmert er durch.

    Ich möchte es am liebsten allen immer recht machen, doch das ist in diesem Buch nicht möglich. Ich kann die Ansprüche eines jeden Beteiligten nicht berücksichtigen, Namensänderungen müssen ausreichen. Alles, was ich erzähle, ist genauso passiert. Ich beschreibe den Verlauf meines Lebens natürlich aus meiner Sicht und stelle Vermutungen an über die Gedankenwelt anderer Personen.

    Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll sind Bestandteile dieses Buches. Für zart besaitete Leser ist es vielleicht nicht das Richtige.

    »Du fragst mich, was ich tun soll? Lebe wild und gefährlich, Arthur.« Nichts ist wahr, alles ist erlaubt.

    Momentan bin ich noch in Psychotherapie, ein weiteres Jahr wurde von der Krankenkasse bewilligt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Therapeutin nach einem zeitlich abgestecktem Schema F vorgeht, aber es gibt auch Aha-Effekte, die mir weiterhelfen. Ab und zu ist ihre Absicht sehr offensichtlich. Sie stellt Fragen und ich weiß genau, worauf das abzielt. Es ist okay, sie untersucht mich ja im Prinzip und das ist ihr Handwerk. Alles in allem bin ich froh darüber, denn es gab über die Jahre verteilt circa fünf Therapeuten vor ihr. Es ist sehr wichtig, dass die Chemie zwischen Patient und Therapeut stimmt, sonst bringt eine Therapie gar nichts.

    Ich bin in Berlin geboren und meine Lieblingsbands sind The Doors und Element of Crime.

    Nähe nicht zulassen zu können, war und ist ein großes Problem, das geht wohl vielen Menschen so. In meinen Beziehungen war das immer ein elementarer Störfaktor. Ein unglücklicher Zustand, zu lieben und es nicht zeigen oder ausleben zu können – jedenfalls nicht so, wie ich es möchte. Ich habe viele Frauen verletzt, ohne dass ich es wollte. Die Suche nach Geborgenheit und der brodelnde Wunsch zu zeigen, wer ich in Wirklichkeit bin – es ist mir nie gelungen. Ich habe die Liebe meiner Freundinnen erfahren und konnte nicht genug zurückgeben. Meine Exfrau hat mir immer vorgeworfen, dass ich in der Vergangenheit lebe.

    Ich glaube fest daran, dass die Vergangenheit, das Jetzt und die Zukunft zusammengehören und als Ganzes wahrgenommen werden sollten.

    Nichts geht mir mehr auf die Nerven als Menschen, die sich dazu zwingen, immer alles positiv zu sehen. Das hält niemand auf Dauer aus. Das Leben bietet die volle Bandbreite an Emotionen, die es auszuleben gilt. Meistens wurden die ›Pseudo-Positiven‹ in der Vergangenheit schlimm verletzt. Das ist tragisch, aber eine Antwort ist es nicht. Die spirituelle Blase ist verbunden mit Egomanie. Anderen Menschen gegenüber sind sie meist rücksichtslos und sie verhalten sich abwertend und überheblich. Für den Moment leben, okay, aber eine Eintagsfliege wird nie in der Lage sein, etwas Historisches oder intellektuell Bewusstes zu verstehen. Ich erwähne dies, weil ich intensive Erfahrungen damit gemacht habe. Es trifft sicherlich nicht generell zu. Vielfalt ist alles und selbstverständlich soll jeder Mensch auf ihre oder seine Weise glücklich werden und sein.

    Der Einstellung jedoch, für alles dankbar zu sein, stimme ich voll und ganz zu. Eine gute Sicht der Dinge.

    Es ist wunderschön, einen Menschen anzuschauen und das ganze Wesen erfassen zu können. Empathie nennt man das wohl. Bei mir stellt sich dann immer so ein Kribbeln ein, ich lächele dann einfach ein bisschen seltsam und freu mir ’nen Kullerkeks. In der Manie jedoch trägt diese Fähigkeit dazu bei, dass noch mehr Emotionen und Informationen ungewollt auf mich einwirken.

    Was ebenso wichtig ist: Der Bipolare hat Schuldgefühle. Ich empfinde mich oft als Belastung für meine Familie, ohnmächtig, etwas zu ändern. Freunde wissen meist nicht, wo sie mich einordnen sollen.

    Familie

    Meine Familie ist immer für mich da und unterstützt mich, das hilft mir, schwere Krisen zu überstehen. Ich liebe meine Familie sehr und bin dankbar für meine Freunde. Mich in einem Normalzustand zu erleben, ist leider selten. Inzwischen weiß ich kaum noch, was das ist.

    Meine Schwester Luisa ist drei Jahre jünger als ich und Ärztin von Beruf. Sie hat eine ähnlich empfindliche Psyche wie ich. In der Grundschule hatte sie einen Klassenlehrer, mit dem sie absolut nicht klarkam. Was genau vorgefallen war, weiß ich nicht, aber sie wurde plötzlich schwerhörig. Alles Mögliche wurde untersucht und meine Eltern befürchteten, dass etwas im Gehirn nicht stimmte. Es war die Psyche. Nachdem sie die Schule gewechselt hatte, kam auch sofort ihr Gehör wieder. Verdammt mächtiges Organ, diese Psyche.

    Es fällt mir schwer, über meine Mutter zu schreiben. Sie nimmt sich immer alles so sehr zu Herzen. Sie möchte die Vergangenheit ruhen lassen. Wenn ich alte Bilder meiner Eltern anschaue, kann ich nur erahnen, wie sehr die beiden früher geliebt und gelebt haben. Von meiner Mutter habe ich den Weltschmerz geerbt. Sie hat mir ihre starke Emotionalität gegeben und viele Charaktereigenschaften kommen von meinem Vater. Ich bin so fifty-fifty.

    Im erweiterten Familienkreis meiner Mutter gab es einige Vorfälle: Depressionen, Sucht, Selbstmord. Daraus schließe ich, dass bei mir eine genetische Vorprogrammierung vorhanden ist.

    Meine Schwester hingegen hat sich zum Teil an rezessiven Genen bedient und das ist ihr bewusst. Sie hatte schon in jungen Jahren ein Bild von Oma auf ihrem Schreibtisch stehen, sie spürte die Verbindung zu ihr. Luisa ist schön und unnahbar, introvertiert. Sie spricht nur selten auf einer emotionalen Ebene. Trotzdem sind wir beide gleichgeschaltet. Jeder, der Geschwister hat, kennt das: eine Situation, ein Augenblick. Man schaut sich an und fängt an zu lachen, Worte sind nicht nötig.

    Ab einem Punkt in ihrem Leben wusste sie, was sie wollte und hat dafür gekämpft. Ich wollte immer Kinder haben, sie hat’s gemacht. Ich beneide sie dafür. Nun ja, zwei Frauen, von denen ich weiß, waren schwanger von mir, eine aus Norwegen und eine aus Bremen. Ich habe nichts mehr von ihnen gehört und es ist schon sehr lange her.

    Ich hoffe, den beiden Jungs von meiner Schwester ein guter Onkel sein zu können. Nun aber los …

    Kindheit

    Ich war in eine Decke eingewickelt. Ich hörte eine Frauenstimme.

    »Uiii, was ist denn das? Ein Paket … für mich? Was mag da wohl drin sein?«

    Dann öffnete sich die Decke und ich sollte antworten: »Ich«.

    »Ohhhh, das ist ja Nino«, freute sich die Frauenstimme.

    Ich war gerade einmal fünf Jahre alt und schon in Therapie. Ich mochte die Welt nicht wirklich und stotterte. Mein Vater hat das wohl in den Genpool mit eingebracht. Er hatte früher auch Probleme damit. Eine Therapeutin versuchte, meine Selbstsicherheit aufzubauen. Bereits als kleiner Junge hatte ich kaum Selbstvertrauen. Ich habe andere Kinder beim Spielen beobachtet und in meiner eigenen Welt gelebt. Das hat sich bis heute nicht geändert; ich lebe immer noch in meiner eigenen Welt, das ist okay. Mit der Zeit ging es mir besser und mein Stottern wurde ich auch los.

    Etwa zur gleichen Zeit fing ich mit Sport an. Ich spielte hauptsächlich Feldhockey und Tennis und im Winter lernte ich Skifahren. Bis zu meinem 14. Lebensjahr war ich jeden Tag viele Stunden sportlich aktiv. Wir waren immer eine Sportlerfamilie und die Hälfte unserer Zeit haben wir in einem Tennis- und Hockeyverein verbracht. Das ist immer noch so. Die Vereinstreue meines Vaters stieß nicht immer auf die Gegenliebe mütterlicherseits. Er war selten zu Hause, entweder in anderen Ländern arbeiten oder im Sportverein das Leben genießen. Mir selbst hat der Sport geholfen, ein gutes Sozialverhalten zu entwickeln. Tennis ist wohl eher ein Egospiel – ich weiß nicht, wie viele Schläger ich zertrümmert habe – aber zum Glück ist Hockey ein Teamsport und hat Schlimmeres verhindert.

    Ich kann mich erinnern, dass wir anfangs noch Kohlebriketts zum Heizen aus dem Keller holten, als ich ein Kind war. Der Lieblingsgeruch meiner Mutter war ›Keller‹. Unser Fernseher hatte keine Fernbedienung und wir empfingen ganze

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