Insua
Von Manolo Link
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Buchvorschau
Insua - Manolo Link
abrufbar.
Impressum:
1. Auflage
www.karinaverlag.at
Lektorat: Martin Urbanek
Covergestaltung: Karin Pfolz
2019, Karina Verlag, Vienna, Austria
Print ISBN: 978-3-96443-997-0
E-Book ISBN: 978-3-96661-501-3
Dieses Buch widme ich in Liebe
unseren wundervollen Freunden
in Fisterra und Muxia
Insua
Philippe hatte mal wieder von der grünen Insel im Meer geträumt. Einer Insel die sich unweit vom Festland befand und auf der nur ein Mensch lebte. Er liebte diese Insel und fühlte eine Beziehung zu den Bäumen, Vögeln, Quellen mit klarem Wasser und den mystischen Steinformationen. Eine Höhle berührte ihn auf rätselhafte Weise.
Langsam öffnete er seine Augen. Ein wohliges Gefühl legte sich auf sein Herz, als er über den Hafen aufs Meer und zum Horizont schaute. Möwen begrüßten den sonnigen Tag kreischend in seiner neuen Heimat. Philippe dachte an seine Kindheit in Pamplona. An seine Eltern, die ihn, Marcia und ihre Enkelkinder sicherlich schmerzlich vermissten. Doch sein Entschluss, nach Fisterra überzusiedeln, war der Richtige gewesen. Sein Gefühl bestätigte seine Wahl und das Lächeln Marcias und den Kindern, bezeugten ihm jeden Tag, dass es ihre Bestimmung gewesen war in dieses grüne fruchtbare Land gezogen zu sein. Philippe bedrückte allerdings die Armut und Erkrankungen der Menschen. Er dachte oft darüber nach, auf welche Weise er ihnen am besten helfen konnte.
Obwohl Philippe durch die Heilungen, dem Geld seines Vaters und Miguel, Arzt und Freund, zu kleinem Reichtum gekommen war, hatte er mit Marcia den Entschluss gefasst, in Fisterra ein Haus zu kaufen, das nicht größer und luxuriöser als alle anderen im Ort war. Philippe passte sich den Verhältnissen seiner Nachbarn an und zeigte keinerlei Arroganz als wohlhabender Fremder. Seit seinem Besuch bei seinem Großonkel Fernando wusste er, dass die Menschen in Fisterra nicht mit Reichtum gesegnet waren. Doch das war für ihn nicht ausschlaggebend für den Ortswechsel gewesen.
Er wusste ebenfalls, dass genügend Fisch, Fleisch, Kartoffeln, Gemüse und Früchte für alle vorhanden waren. Fernando war ein Beispiel dafür gewesen und hatte verdeutlicht, dass Teilen das Verhältnis unter den Menschen zum Wohle aller beeinflusst. Wer mehr hatte, gab etwas an seine Nachbarn, die weniger hatten, ab. Eine einleuchtende Lösung, die ebenfalls zu Frieden und Glück mit den Nachbarn beitrug. So gibt es keine Neider oder Menschen, die sich benachteiligt fühlen. Teilen führe zu Frieden, hatte Fernando ihm öfters gesagt. Er hatte Recht. Genauso war Philippe eingestellt, weil er gerne etwas abgab und wusste, dass Teilen glücklich macht.
Philippe stellte fest, dass die Menschen unter verschiedenen Krankheiten litten. Das war ein weiterer Grund, wie er glaubte, weshalb er nach Fisterra gekommen war, weil er ihnen helfen konnte. Oft visualisierte er heilende Energie und schickte sie, ohne das Wissen der Erkrankten zu ihnen. Er wollte seine Gabe, dass er Menschen heilen konnte, nicht preisgeben. Das hätte in seinem Leben erneut zu Komplikationen geführt, die er nicht heraufbeschwören wollte.
Zu jener Zeit war es für Menschen aus fremden Gegenden, schwierig in Fisterra in das Dorfleben aufgenommen zu werden. Für Philippe und seine Familie war es leichter, weil Fernando ihn während dessen Besuches vielen Freunden vorgestellt hatte. Die Bar La Frontera spielte in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Christina und Manuel hatten viele Freunde, die sie nach und nach Philippe und Marcia vorstellten. Mit der Zeit hatten die Einheimischen Vertrauen zu ihnen gefasst. Respekt und Freundlichkeit, besonders Kindern gegenüber, war der Schlüssel zur Integration. Das Zugehörigkeitsgefühl war für seine Frau und die Kinder ausschlaggebend für ein glückliches und zufriedenes Leben in ihrer neuen Heimat. Menschen brauchen ihre Nachbarn, wusste Philippe. Sie sind im Stande einander zu helfen und zu geben. Einsame Menschen leiden öfters an Wehwehchen und sind unglücklich.
Die Menschen in Fisterra lebten vom Fischfang. Hin und wieder verirrte sich ein Wal in die Bucht, den sie erlegten. Philippe liebte die fruchtbare Erde und pflanzte neue Gemüsesorten an. Setzlinge hatte er wohlwissend aus Pamplona mitgebracht. Er hatte viel über Vitamine und Mineralien gelesen, die für Gesundheit und Stärkung des Immunsystems von äußerster Wichtigkeit waren. Mit seinen Eltern und Miguel hatte er sich zusätzlich ausgetauscht. Er kam zu der Überzeugung, dass Ernährung, Bewegung, naturreines Wasser und Sauerstoff, die Gesundheit der Menschen entscheidend beeinflussten.
Fernandos Familienhaus wurde von seinem ältesten Sohn Antonio Miguel, deren Frau Julia Mariña und ihren fünf Kindern bewohnt. Antonio und Julia hatten den Entschluss gefasst nur noch mit ihren Zweitnamen angesprochen zu werden. Der Grund hatte etwas mit ihrer Familiengeschichte zu tun, über die sie nicht mehr reden wollten. Philippe akzeptierte dies. Sie wurden zu Philippes und Marcias engsten Freunden, wie Manuel und Christina. Manuels Familienname war Insua. Fisterra wurde von den Einheimischen ebenfalls Insua genannt. Immer wenn Philippe das Wort Insua hörte, sträubten sich ihm die Haare. Warum und weshalb wusste er nicht. Hinterfragte es auch nicht. Wenn er mehr darüber erfahren sollte, dann würde es so sein. Und wenn nicht, dann war es ebenfalls in Ordnung.
Sein Traum kam ihm wieder ins Bewusstsein. Die Insel mit ihren mystischen Felsformationen und der Höhle. Und lediglich ein Mensch hatte dort gelebt. Seltsam, dachte er, gab Marcia einen Kuss und spazierte zum Hafen, wo er seine neuen Freunde begrüßte, in sein Boot stieg und hinaus aufs Meer ruderte. Er hatte sich angewöhnt, wie die Einheimischen zu leben. So erregte er am wenigsten Aufsehen. Nur eines unterschied ihn von allen anderen. Er trank keinen Wein, was aber niemand verstehen konnte. Die häufigste Erklärung war, dass er eine Allergie gegen Wein hatte, oder irgendeine seltsame Erkrankung. Denn Wein gehörte zum Leben der Menschen, wie Fisch und Meer.
Auf eine tiefe Weise fühlte Philippe manchmal die Anwesenheit von Fernando und da war noch etwas, dass er sich nicht erklären konnte. Immer wenn er sich bei der Höhle von St. Guillermo aufhielt, hatte er das Gefühl, als wenn ihm jemand Botschaften zuflüstern wolle. Fernando hatte ihm gesagt, dass auch der heilige Leonardo in dieser Höhle gelebt hatte.
Vom Meer aus richtete er seinen Blick zum Monte Pindo, dem Berg, der in vergangenen Zeiten Olympico Celtico genannt wurde. Langsam stieg die Sonne vom Olymp der Kelten auf. Philippe konzentrierte sich nicht nur auf den Fischfang, wenn er sich auf dem Meer befand, sondern nahm ebenfalls die Naturfülle in sich auf. Eine bezauberndere Welt hätte der Schöpfer nicht erschaffen können. Die Menschen waren ebenfalls Schöpfer, dachte Philippe, obwohl es nicht allen bewusst war. Jeder Einzelne trägt zur Gestaltung unserer zukünftigen Welt bei. Jedes Wort, jeder kleine Gedanke, jeder noch so unbedeutende Glaubensfunke, gestaltet das kommende Leben auf der Erde. Zuallererst stellt sich ein Gedanke ein, eine Idee, der Glaube, etwas entdecken, schaffen zu können. Das führt, wenn der Mensch sich auf den Weg macht, zur Handlung. Jahrhunderte zuvor hatten Menschen die Idee, die Vorstellung, ein Haus zu bauen. Die ersten Häuser sahen noch recht primitiv aus. Bestanden aus einer einräumigen Hütte. Die heutigen Häuser sind recht komfortabel mit Feuerstellen, Betten, Decken, Kissen, Stühlen und Tischen. Woher wohl kam die Idee Stuhl? Woher der Gedanke einen Tisch herzustellen? Wenn nicht irgendein Mensch den Gedanken gehabt hätte und sich nicht auf den Weg begeben hätte, einen Stuhl oder Tisch zu bauen, gäbe es sie heute nicht. Dann existierten keine Häuser, keine Boote und keine Ruder, realisierte Philippe, als er die beiden Ruder in seinen Händen wahrnahm.
Die Luft war klar an jenem milden Junimorgen. Tage streckten sich über viele Stunden, als wenn sie nicht aufhören wollten zu leben. Nächte waren sternenverhangen, klar und rein. Am liebsten war ihm das Sternenzeichen Kassiopeia. Oft fuhr Philippe nachts hinaus und schaute sich die Sterne vom Meer aus an. Er kam sich oft verloren vor in diesem riesigen Universum. Fühlte dennoch deutlich seine Zugehörigkeit zu dem Unendlichen. Menschen versuchten immer wieder einzuschätzen, wie groß das Universum ist. Er war sich sicher, den Weltraum mit einer Größenordnung absolut nicht einordnen oder einschätzen zu können. Das Universum hatte nichts mit Größe oder Weite zu tun. Es war schon immer da und wird ewig existieren, sich verändern, ausdehnen, zusammenziehen, sterben und gebären. Das Universum lebt und die Menschen leben in ihm wie Samenkörner wandelnder Liebe im ewigen Strom des Lebens.
Philippe warf sein Netz aus, dachte an frischen Fisch, den Marcia und die Kinder zu schätzen wussten. Marcia liebte zudem ihren großen Garten aus dem sie nicht nur Orangen, Zitronen, Feigen und Äpfel erntete, sondern ebenfalls Kräuter für gesundes Essen angepflanzt hatte. In Galicien war es im Winter feucht, kalt und stürmisch, was oft zu Erkältungskrankheiten führte. Marcia gab großzügig von ihren Heilkräutern und trug so zur Linderung von Beschwerden ihrer Nachbarn bei. Die Menschen mochten sie, zumal Marcia immer ein Lächeln auf ihrem Gesicht zu haben schien. Einige Menschen lebten jedoch nicht glücklich, wie Philippe und Marcia feststellten. Die Gründe waren Armut, Erkrankungen und Entbehrung. Manche waren unglücklich, weil sie mehr wollten, waren mit dem, was sie besaßen, unzufrieden. Alle in Fisterra hatten genügend Nahrung, ausreichend Fisch, Kartoffeln, Gemüse, Obst und Brot. Wenn nicht aus dem eigenen Garten, so erhielten sie das Nötigste von den Nachbarn. Philippe hatte noch etwas Kostbares entdeckt. In und um Fisterra befanden sich viele Quellen mit glasklarem frischem Wasser. Reines Trinkwasser war für die Menschen unvorstellbar wertvoll. Ausreichend Wasser trinken, hielt manche Erkrankung fern. Das gesamte, perfekt abgestimmte System Mensch benötigt jeden Tag Wasser und ausreichend Sauerstoff. Marcia und die Kinder holten Wasser regelmäßig von der nahegelegenen Quelle. Manchmal auch von der Quelle Cabanas auf dem Weg zum Cup Fisterra, das aus den Bergen reichlich floss.
Philippe zog seine Weste aus, die ihm in den frühen frischen Morgenstunden Wärme gespendet hatte, ließ sein Blick über den fernen blauen Horizont schweifen, atmete tief ein und erfreute sich seines Seins. Das Leben ist berauschend, fand er. Ihm fehlte nichts.
Was kann der Mensch sich mehr wünschen, als eine liebenswerte Frau wie Marcia und drei gesunde, glückliche Kinder. Er ruderte weiter im Kreis und fühlte, dass sich einige Fische in seinem Netz befanden. Philippe hatte die Philosophie von Fernando, was das Fischen anbetraf, übernommen. Er fing nur so viele, dass sie genügend für ein zwei Tage hatten und dass er einige Fische an ältere Nachbarn abgeben konnte, die nicht mehr in der Lage waren sich aufs Meer zu begeben, oder an Witwen, die alleine lebten. Es gab ausreichend Fische im Meer. Philippe holte das Netz ein und freute sich über den Fang. Langsam ruderte er zurück zum Hafen, wo ihn einige Freunde begrüßten, die sich jeden Morgen dort für ein Schwätzchen einfanden. Immer war jemand da, der ihm half, die Fische in seinen Karren zu laden.
Marcia arbeitete in ihrem Kräutergarten, als Philippe mit dem Fang des Tages eintraf. Freudestrahlend lief sie auf ihn zu, schlang ihre Arme um seinen Hals und gab ihm einen Kuss.
»Wie war der Fang, mein Lieber.«
»Der Fang war gut, mein Schatz. Ist das nicht ein wunderschöner Morgen?«
»Ja, schöner kann ein Tag nicht beginnen, wie dieser. Glaubst du, dass wir in den nächsten Tagen auf Regen hoffen können? Der Garten könnte etwas Wasser gebrauchen.«
»Die Fischer sind der Meinung, dass es vielleicht in zwei drei Tagen etwas