Elemente des Lebens: Meine Erde
Von Bruno Moebius, Karina Moebius, Hellmut Bölling und
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Buchvorschau
Elemente des Lebens - Bruno Moebius
Eine blassblaue Scheibe
Bruno Moebius
Mein Rücken schmerzt beim Hinabklettern, doch ich schaffe die wenigen Stufen der Leiter und setze meinen rechten Fuß zuerst auf den Boden, dann den linken. Nach den Tagen der Schwerelosigkeit fühlt es sich kaum anders an als daheim, doch als ich den ersten Schritt mache, hebe ich vom Boden ab und komme gut einen Meter entfernt auf.
Der Rücken meldet sich. Ich muss mir das Steißbein geprellt haben, so tief spüre ich den Stich. Wie würde sich das erst bei normaler Schwerkraft anfühlen?
So ist das also, denke ich. Beinahe wie beim Training an den Gummiseilen, die ein Siebentel der Erdgravitation vortäuschen sollten, und doch anders, weil mich jetzt nichts nach oben zieht, sondern weniger als gewohnt nach unten.
Immerhin weiß ich, wie ich mich bewegen muss: vorsichtig.
Ohne das dunkle Visier am Helm wäre ich geblendet. Keine Atmosphäre, die Licht schluckt. Und ohne Kühlung im Anzug hielte ich es wohl keine Minute lang aus. Death Valley mal zwei, denke ich. Gut, dass die Sonne nicht im Zenit steht; da wäre der Boden unter meinen Füßen hundertdreißig Grad heiß. Der Rücken meines Anzugs ebenfalls.
Wie heiß ist es jetzt?
Nein, ich mag es gar nicht wissen.
Ich mache ein paar Schritte weg vom Lander, drehe mich um.
Es sieht nicht gut aus. Gar nicht gut.
Zwei Beine sind völlig eingeknickt, ein drittes halb.
Der Adler ist gelandet, habe ich ins Mikro gebrüllt, weil ich noch den Nachklang des Knalls vom Aufprall in den Ohren hatte.
Keine Antwort.
Also habe ich noch einmal gebrüllt.
Erneut keine Antwort.
Vielleicht konnten sie ja mich hören. Vielleicht war nur an meinem Empfänger etwas kaputt gegangen, nicht am Sender.
Ich drehe mich zur anderen Seite.
Da hängt sie, die alte Mutter Erde.
Eine bläulich-bräunlich gemaserte Scheibe, fingerbreit über dem Horizont und größer, viel größer als erwartet. Ja, der vierfache Durchmesser des Mondes, das weiß man doch, aber wenn man sie dann direkt vor Augen hat, diese Scheibe …
Zugleich mit der Ehrfurcht vor dem Anblick beschleicht mich Enttäuschung. Blass, sehr blass sieht sie aus, die Erde. Kein Vergleich zu den Bildern, die man kennt, die sie klar und kontrastreich zeigen, auf denen man die Kontinente, Ozeane und Wolkengebilde erkennt, sogar Wirbelstürme und Flächenbrände, die Rauchfahnen des einen oder anderen Vulkans …
Viermal so groß wie der Vollmond, doch ohne scharfe Konturen, weil die Lufthülle einen Teil des Sonnenlichts reflektiert, denke ich. Hätte der Mond zusätzlich eine vergleichbare Lufthülle, wäre die Erde gerade noch zu sehen. Es juckt mich, mein Visier hochzuklappen. Vielleicht wäre das aber genau verkehrt – davon mal abgesehen, dass es gar nicht beweglich ist; im Helm integriert.
Ich wende mich wieder dem Lander zu. Schlimm sieht er aus. So, wie er dasteht, schief und wackelig, kriege ich den niemals wieder hoch, denke ich. An einen Senkrechtstart ist jedenfalls nicht zu denken. Ob es in diesem Winkel funktionieren könnte? Fünfundvierzig Grad, grob geschätzt. Die Jungs in Houston könnten mir das ausrechnen, aber ich kann sie ja nicht hören.
Ich muss sehen, ob ich die Funkanlage reparieren kann. Ja, super. Ich bin Pilot, kein Techniker. Der, vielmehr die, hängt oben in der Kapsel in ihrem Sitzgurt. Tot. Ruhe in Frieden, Lizzy.
Egal. Ich muss da wieder hinein. Muss Sauerstoff sparen. Wer weiß, wie lange ich hier festhänge.
Ich klettere die schiefe Leiter nach oben in die Luftschleuse. Tut gut, den Helm abzunehmen. Lizzys Kopf ist zum Bullauge gedreht, als hätte ihr letzter Blick der Erde gegolten, die da draußen wie festgenagelt fingerbreit über dem Horizont schwebt.
Die erste Frau auf dem Mond.
Endlich.
Und jetzt das!
Ich schäle mich aus dem Anzug. Muss mich besser bewegen können, wenn ich an den Armaturen herumfummle.
Adler an Houston, sage ich, lasse dann den grünen Knopf los.
Nichts. Na ja, ein paar Sekunden würde es schon dauern, bis ich Antwort bekäme, aber sie kommt nicht.
Wo das Bordwerkzeug untergebracht ist, weiß ich. Ich hole es heraus und greife mir einen Schraubendreher. Er passt. Ich löse die beiden Schrauben zu beiden Seiten des grünen Knopfes und das Panel klappt auf. Von der Rückseite des Knopfes führen zwei Drähte nach innen. Ein blauer und ein schwarzer. Mehr gibt es hier nicht zu sehen.
Ich leuchte mit der Stablampe hinein. Nichts. Die Drähte verschwinden irgendwo im Bauch hinter den Armaturen. Wenn ich nicht irre, führen sie nach links. Also schraube ich das Panel links von diesem ab. Vorne dran ist der Höhenmesser. Hinten drei Drähte, schwarz, blau und rot. Auch die verschwinden irgendwo dahinter. Sonst ist auch hier nichts zu sehen.
Liz hätte gewusst, wo man suchen muss, und wenn jemand etwas hätte reparieren können, dann sie, aber sie starrt aus dem Bullauge.
Ich überlege.
Für den Fall, dass mich Houston hören kann, sollte ich eine Statusmeldung absetzen. Also sammle ich die Fakten zusammen, drücke auf den Knopf und rattere alles herunter, was mir eingefallen ist, sage auch, dass ich nichts hören kann.
Mehr kann ich im Augenblick nicht tun. Ich kann doch nicht sämtliche Armaturen abbauen, um dann womöglich festzustellen, dass ich ohnehin nichts reparieren kann.
Antwort kommt selbstverständlich keine.
Was macht eigentlich Frank dort oben? Der saust in der Umlaufbahn dahin und sollte mich doch auch hören, wenn die Kommunikation wenigstens in dieser