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Grenzenlose Hoffnung: Erinnerungen in Zeiten der Flucht
Grenzenlose Hoffnung: Erinnerungen in Zeiten der Flucht
Grenzenlose Hoffnung: Erinnerungen in Zeiten der Flucht
eBook266 Seiten2 Stunden

Grenzenlose Hoffnung: Erinnerungen in Zeiten der Flucht

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Über dieses E-Book

"GRENZENLOSE HOFFNUNG. Erinnerungen in Zeiten der Flucht" hält die häufig so durcheinandergewirbelten und widrigen Lebensgeschichten der Geflüchteten fest; persönliche Geschichten aus ihren Ursprungsländern, über Kindheit und Familie, Arbeit und Leben, ihre Fluchterlebnisse und über all die Schwierigkeiten, hierzulande Fuß zu fassen, sich einzubringen und anerkannt zu werden. Aber eben auch Erzählungen über Sehnsüchte, Wünsche und Lebensziele – mit all ihren Widersprüchen und Zweifeln. Von Alvaro Solar liebe-, respekt- und auch humorvoll erzählt und von Cristina Collao mit fantasievollen Illustrationen ergänzt." Rolf Gössner
SpracheDeutsch
HerausgeberHirnkost
Erscheinungsdatum15. Mai 2020
ISBN9783948675103
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    Buchvorschau

    Grenzenlose Hoffnung - Alvaro Solar

    DU BIST JETZT HIER

    Mein Name ist Hadi, ich komme aus Syrien.

    Als Kind lebte ich in einem kleinen Ort in der Nähe von Qamischli.

    Dort gab es eine Schule, aber keine Verwandten oder Bekannten,

    bei denen ich leben konnte.

    Ich war sieben Jahre alt, als ich nach Kobanê gebracht wurde,

    um bei meinen Großeltern zu leben und zur Schule gehen zu können.

    Ich war ein kleines Kind und musste

    von meiner Familie Abschied nehmen.

    Auch von meinen Freunden musste ich mich trennen.

    Als der Wagen losfuhr, freute ich mich auf die Schule,

    aber gleichzeitig spürte ich eine tiefe Traurigkeit.

    Na ja, alles im Leben hat Vor- und Nachteile.

    Ich wusste damals nicht, dass ich eines Tages

    noch mal alles hinter mir lassen

    und wieder so viel Heimweh verspüren würde.

    In der Schule saß ich neben einem Mädchen.

    Sie hat ständig alles von mir abgeguckt.

    Eines Tages sollten wir ein Diktat schreiben,

    ich wusste aber nicht, wie das geht.

    Man hatte mir gesagt,

    dass man bestraft wird, wenn man null Punkte bekommt,

    indem man auf die Füße geschlagen wird.

    Ich bekam Angst.

    Ich schaute zu dem Mädchen neben mir

    und diesmal kopierte ich alles, was sie schrieb.

    Nicht nur das, sondern auch wie sie schrieb.

    Sie hat über die Seite geschrieben, diagonal von oben nach unten.

    Es war das reine Chaos.

    Ich dachte, das Mädchen sieht schlau aus,

    sie weiß, was sie tut, so muss es richtig sein.

    Dann gab ich dem Lehrer mein Diktat.

    Sie bekam null Punkte. Und ich? Ich natürlich auch.

    Wir wurden beide bestraft und auf die Füße geschlagen.

    Dann brachten sie uns von Klassenraum zu Klassenraum,

    damit alle sehen konnten, wer beim Diktat,

    null Punkte bekommen hatte.

    Wir sollten uns richtig schämen.

    Dabei hat uns der Lehrer ununterbrochen beschimpft.

    Er meinte damals, dass das erste Jahr in der Schule

    genau definiert, wie der Rest des Lebens sein wird.

    Er sagte mir:

    „Wenn du jetzt schlecht bist, dann wirst du immer schlecht sein!"

    Er meinte auch, dass ohne körperliche Strafe,

    ein Kind nicht richtig lernen kann.

    Zum Glück ist das in Syrien mittlerweile verboten.

    Mein Start in der Schule war also sehr schlecht.

    Trotzdem habe ich es geschafft, mein Abitur zu machen

    und später an der Universität Betriebswissenschaften zu studieren,

    wo ich mit Bachelor promoviert habe.

    Von wegen immer schlecht!

    Meine Heimat zu verlassen war sehr schwer.

    In meiner Erinnerung blieb das Gesicht meiner Mutter,

    ihr Lächeln und die Tränen in ihren traurigen Augen.

    Meine Frau und ich wussten nicht, was auf uns zukommt.

    Wir sind geflohen mit der Ungewissheit,

    ob wir überhaupt überleben würden.

    Aber wir wollten vom Geräusch der fallenden Bomben weg,

    vom Schmerz und Weinen der Frauen und Männer

    über den Verlust ihrer Kinder.

    Wir haben es geschafft und nun sind wir in Deutschland.

    In Bremen fühle ich mich sicher.

    Es gibt zwar viele Regeln, auf die man achten muss,

    es ist viel zu kalt, es regnet zu oft,

    es ist grau und ich muss von null an anfangen.

    Aber ich sage mir:

    „Du bist jetzt hier!

    Die Vergangenheit muss hinter dir bleiben.

    Wir sind im richtigen Land angekommen."

    Eine wichtige Verbindung zu diesem Land ist meine Tochter:

    Sie ist in Bremen zur Welt gekommen,

    in einem Land, das in Frieden lebt.

    Wie gesagt, alles im Leben hat Vor- und Nachteile.

    Wie in der Liebe.

    Nichts ist leicht im Leben.

    Man braucht Mut und einen starken Willen,

    um das zu erreichen, was man möchte.

    Manchmal fühlen wir uns wie Fremde und manchmal wissen wir,

    dass unser Leben hier besser ist als das Leben vieler anderer.

    Die Liebe, die ich für meine Heimat empfinde,

    bleibt weiterhin bestehen, ich vermisse sie.

    Meine Kindheit ist dort geblieben,

    der Gesang der Vögelchen am Himmel über den Ruinen der Städte.

    Eines Tages werde ich zurückkehren,

    zu meiner Mutter, zu ihren Tränen,

    die in meiner Erinnerung geblieben sind.

    Eines Tages werde ich zurückkehren,

    zu meinem Vater, der voller Geduld auf uns wartet.

    Eines Tages werde ich zurückkehren, zu meinen Geschwistern,

    für die das Leben ohne mich bitter ist.

    Eines Tages werde ich zurückkehren,

    zu meinem Syrien,

    das wir in düsteren Zeiten verlassen mussten.

    Manchmal wünsche ich mir, dass meine Mutter bei uns ist,

    damit sie ihre Enkeltochter umarmen kann.

    Dann würde ich ihr auch erzählen,

    wie großzügig die Deutschen sind,

    wie sie uns unterstützt haben,

    wie solidarisch sie sind.

    Ich würde die fröhlichen Augen meiner Mutter anschauen

    und den traurigen Blick von damals,

    als wir unsere Heimat verlassen mussten,

    für immer vergessen.

    BAMBUS

    Ich bin Sheriff und ich komme aus Kamerun.

    Seit 2018 lebe ich in Bremen.

    Ich bin sportlich und spiele gerne Trommel.

    Ich bin gut als Handwerker und kann im Haus gut helfen.

    Ich finde die Natur in Deutschland sehr schön,

    auch den Respekt vor dem Gesetz.

    Und, sehr wichtig, die Sicherheit.

    Nicht besonders schön finde ich das Wetter;

    in Bremen ist es sehr kalt.

    Die Polizei hier mag ich auch nicht.

    Na ja, ich mag die Polizei nirgendwo.

    Und die Straßenbahn auch nicht,

    weil man dort zu eng zusammen ist.

    Als Kind wollte ich Automechaniker werden,

    es war mein Wunschtraum.

    Ich habe damals mit Bambusstäben

    meine eigenen Autos gebastelt.

    In meinem Dorf gab es damals viele Bambusbäume,

    sie waren sehr gut dafür geeignet

    weil man sie biegen kann, wie man will.

    Bambus ist ein gutes Material, weil es sehr flexibel ist.

    Flexibel, aber resistent.

    So konnte ich die Form gut bearbeiten.

    Ich erinnere mich,

    dass ich damals schnell groß werden wollte,

    um die Mechanismen eines Motors zu erlernen,

    um zu erfahren, wie ein Auto wirklich funktioniert.

    Ich bin ein Waisenkind.

    Ich war 10 Jahre alt, als mein Vater in meiner Heimat starb.

    Er hatte mit seinem LKW einen Unfall.

    Mein Vater war sehr zärtlich zu mir, ich war sein Lieblingskind.

    Ich durfte sogar manchmal mit ihm mitfahren,

    dann waren wir von morgens bis abends zusammen.

    Als er den Unfall hatte, war ich noch in der Schule;

    der Chef meines Vaters rief meine Mutter an,

    um sie zu benachrichtigen.

    Als ich nach Hause kam, sagte mir meine Mutter,

    dass mein Vater gestorben war.

    Ich habe aber nichts verstanden;

    ich wusste nicht genau, was sie meinte.

    Ich fragte:

    „Mama, was bedeutet tot zu sein?"

    Sie antwortete:

    „Du wirst deinen Vater nie wieder sehen."

    Ich fragte:

    „Warum nicht?"

    Aber sie antwortete nicht.

    Jetzt ist auch sie nicht mehr bei mir,

    sie starb vor einiger Zeit hier in Bremen.

    Ich bin ein Mensch, der das Leiden

    schon im Säuglingsalter erfahren hat.

    Meine Mutter war sehr arm.

    Mein Leben kann man beschreiben

    wie in jenem Satz in der Bibel:

    „Mit Schweiß im Gesicht wirst du dein Brot essen."

    Ich bin in einer mittellosen und bedürftigen Familie

    geboren, und trotz dieser Armut

    wurde ich von meiner Familie liebevoll und herzlich erzogen.

    Heute befinde ich mich in Europa.

    Hier habe ich keine Eltern, keinen Schutz,

    keine Verwandten, hier habe ich nichts.

    Ich bin nicht hier, weil ich unbedingt wollte,

    ich musste mein Land verlassen, ich floh vor dem Bürgerkrieg.

    In meinem Land stehen sich Separatisten

    und Sicherheitskräfte der Regierung gegenüber,

    Menschen werden dort entführt und getötet.

    Mein Leben ist voller Hindernisse

    und bitterer Erfahrungen gewesen.

    Ich habe viele Schwierigkeiten überwinden müssen,

    trotzdem habe ich es geschafft.

    Ich habe Rechte wie jeder andere Mensch,

    nicht mehr und nicht weniger.

    Wenn ich jetzt in Bremen meine Stimme

    für meine Rechte erhebe, dann tue ich es,

    weil ich weiß, dass es Menschenrechte gibt,

    die für alle gelten und wichtiger sind,

    als die lokalen Grundrechte eines Landes.

    Ich bin dafür, dass alle Migranten,

    die sich in der deutschen Gesellschaft

    integrieren wollen, akzeptiert werden;

    sie sollen legal in Deutschland leben.

    Viele sagen, dass wir kein Recht haben, hier zu bleiben.

    Warum nicht? Wir sind keine Kriminelle.

    Wir wollen nur arbeiten, Geld verdienen,

    ein gutes Leben führen wie jeder andere.

    Zumindest, dank eines vom Himmel gekommenen Engels,

    kann ich mittlerweile in Deutschland die deutsche Sprache erlernen.

    Ich besuche endlich eine Schule, etwas,

    dass ich mein ganzes Leben machen wollte,

    aber nie die Chance hatte, es zu tun.

    Ich will die Sprache beherrschen, ich möchte weiterlernen,

    ich will für mich eine Zukunft in Deutschland aufbauen.

    Ich möchte weiter zu Schule gehen und danach eine Ausbildung

    im Bereich der Elektromechanik absolvieren.

    Jetzt wo ich erwachsen bin, möchte ich natürlich lernen,

    wie die Mechanik funktioniert, die zur Bewegung eines Autos führt.

    Wenn ich in die Zukunft schaue,

    dann sehe ich mich als Automechaniker arbeiten.

    Ich habe meine eigene Werkstatt und einige Mitarbeiter.

    Ich wünsche mir für meine Zukunft ein schönes Haus,

    eine gute Frau, vier Kinder,

    und natürlich das schönste Auto der Stadt.

    Ich bin sicher, ich werde es schaffen,

    weil ich wie der Bambus meines Dorfes in Afrika bin:

    stark und resistent, aber flexibel.

    DER HIMBEERBAUM

    Ich bin Ayman und komme aus Syrien.

    Ich bin in einer Ortschaft, die wie ein Gebirgsdorf aussah,

    groß geworden.

    Im Garten hatten wir Granatapfelbäume,

    Oliven und Apfelbäume.

    Auch einen Himbeerbaum hatten wir.

    Er war sehr groß und sein Stamm war glatt.

    Deshalb war es sehr schwierig für uns, am Baum hochzuklettern.

    Das ging nur mit einer Leiter.

    Auf unserem Himbeerbaum haben

    mein kleiner Bruder und ich ein Baumhaus gebaut.

    Mein Bruder war sieben und ich zehn Jahre alt.

    Mein Lieblingsspiel war damals „die Biene".

    Man versucht dabei, den Gegner

    auf die Hände zu schlagen.

    Ich sagte immer meinem Bruder, er soll richtig hart zuschlagen.

    Als ob er eine richtige Biene wäre.

    Ich wollte immer draußen sein,

    mit den Kindern der Nachbarn,

    Drachen in die Luft steigen lassen oder Fußball spielen.

    Ich freute mich immer, wenn wir Gäste zu Hause hatten,

    weil meine Mutter sich dann mit ihnen beschäftigte

    und wir Kinder länger spielen durften.

    Sie merkte nicht, dass es für uns schon Zeit war zum Schlafen.

    Ich freute mich besonders,

    wenn unser Onkel zu Besuch kam.

    Er war Psychiater und alle mochten ihn, besonders die Frauen.

    Ich wollte eines Tages wie er sein.

    Er spielte oft mit mir und ich bekam von ihm viele Geschenke.

    Einmal schenkte er mir ein Flugzeug mit Fernbedienung.

    Alle waren auf mich neidisch.

    Als Kind war ich sehr laut und voller Energie.

    Ich wollte immer viele Freunde um mich haben.

    Niemand sollte schlecht gelaunt oder gelangweilt sein.

    Ich habe viel getan, damit das so ist.

    Deshalb sind alle vor mir geflohen.

    Aber andere haben mich eben wegen meiner Energie sehr geliebt.

    Trotzdem fühlte ich mich damals oft sehr einsam.

    Ich wollte einen Bruder haben.

    Einen Bruder so groß wie ich und im selben

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