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Gespannte Gesichter und Die Trauer in den Fingerspitzen: Bemerkungen zu zwei Phänomenen
Gespannte Gesichter und Die Trauer in den Fingerspitzen: Bemerkungen zu zwei Phänomenen
Gespannte Gesichter und Die Trauer in den Fingerspitzen: Bemerkungen zu zwei Phänomenen
eBook113 Seiten1 Stunde

Gespannte Gesichter und Die Trauer in den Fingerspitzen: Bemerkungen zu zwei Phänomenen

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Über dieses E-Book

Vergänglichkeit und Tod bleiben selbst in der hochtechnologischen Aufgerüstetheit unserer Kultur das Gewaltige, das Drohende – der individuelle, bisweilen gemeinsame Feind.
Den Zeichen des Alterns soll vorgebeugt werden, gegen Falten als sichtbare Spuren der Zeit angekämpft werden: Glätte gilt als attraktiv und erstrebenswert.

Mit "Gespannte Gesichter" erkundet Paul Divjak die Wahrnehmung des mediatisierten Gesichts nach dem schönheitschirurgischen Eingriff.
"Die Trauer in den Fingerspitzen" folgt den Repräsentationen des Todes und Ausdrucksformen von Trauer, Gedenken und Erinnern in der digitalisierten Gesellschaft und sorgt dabei für unerwartete Wiederbegegnungen mit längst vergessen geglaubten Kulturmustern.
SpracheDeutsch
HerausgeberHollitzer Verlag
Erscheinungsdatum28. Sept. 2020
ISBN9783990128572
Gespannte Gesichter und Die Trauer in den Fingerspitzen: Bemerkungen zu zwei Phänomenen

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    Buchvorschau

    Gespannte Gesichter und Die Trauer in den Fingerspitzen - Paul Divjak

    GESPANNTE GESICHTER

    UND

    DIE TRAUER IN DEN FINGERSPITZEN

    PAUL DIVJAK

    GESPANNTE GESICHTER

    UND

    DIE TRAUER IN DEN FINGERSPITZEN

    Bemerkungen zu zwei Phänomenen

    Mit freundlicher Unterstützung der MA 7 – Kulturabteilung der Stadt Wien

    Paul Divjak: Gespannte Gesichter und Die Trauer in den Fingerspitzen.

    Bemerkungen zu zwei Phänomenen

    Hollitzer Verlag, Wien, 2020

    Coverbild: „Pine Trees" von Hasegawa Tōhaku (1539 – 1610) Covergestaltung: Nikola Stevanović

    Satz: Daniela Seiler

    Hergestellt in der EU

    Alle Rechte vorbehalten

    © Hollitzer Verlag, 2020

    www.hollitzer.at

    ISBN 978-3-99012-857-2

    INHALT

    Gespannte Gesichter

    Anmerkungen

    ~

    Die Trauer in den Fingerspitzen

    Widmung

    Zitate

    Anmerkungen

    Literaturverzeichnis

    Für Meg Ryan, Mickey Rourke und all die anderen

    Gerade die Vielheit dessen, was das Gesicht offenbaren kann, macht es oft rätselhaft (…)

    Georg Simmel

    Pay your surgeon very well

    To break the spell of aging

    Celebrity skin, is this your chin?

    Or is that war you’re waging?

    Red Hot Chili Peppers („Californication")

    GESPANNTE GESICHTER

    Intro

    Am Anfang standen persönliche Irritation wie Faszination. Die mediale Verbreitung von schönheitsmodifizierten Stargesichtern begleitet uns, sie ist längst zum fixen Bestandteil in der Ökonomie der Aufmerksamkeit (Georg Franck) geworden. Die Gesichter der Celebrity-Kultur werfen im jähen Wechsel ihrer Erscheinung/​ihres Abbilds Fragen auf. Und doch finden wir uns in ihrer alltäglichen Rezeption zumeist mit lapidaren Zuschreibungen (den immer gleichen Phrasen) und offenkundigen, redundanten Interpretationen ab.

    Die gespannten Gesichter der Medienprominenten werden immer zahlreicher. Mit der Generation der in den 1980er-Jahren bekannt gewordenen Entertainment-VertreterInnen ist eine ganze Star-Kohorte angetreten, um zu kollektiven Prototypen des Verwandlungs-Dispositivs zu werden.

    Bei dem vorliegenden Text rückt ein tief in der Popkultur verankertes Phänomen in den Fokus: Die Transformation des mediatisierten Gesichts, das post-operative Gesicht des Stars als prototypische gesellschaftliche Schablone. Die Annäherung an die Operation Starface erfolgt dabei wie bei einem schönheitschirurgischen Eingriff: Bestandsaufnahme, Arbeit am Material und Präsentation des (nicht immer zur Gänze kontrollierbaren) Ergebnisses. Ein gewisses Restrisiko, was die beabsichtigten Resultate betrifft, bleibt bestehen; unkontrollierbare theoretische Wucherungen, ideelle Verwachsungen können und sollen nicht ausgeschlossen werden.

    Kulturgeschichten

    Zur Philosophie und Phänomenologie der Physiognomie (aus dem Griechischen: Natur/​Gestalt – Erkenntnis) ist viel geschrieben worden. Philosophische wie kunsthistorische Lesarten und Diskurse in Bezug auf das Gesicht waren immer schon an Machtdispositive geknüpft. Mit Fragen der Wahrnehmung, der Bildwerdung und der Erinnerung beschäftigt sich die westliche Welt seit den alten Griechen. Schon bei Aristoteles finden sich methodologische Auseinandersetzungen mit physiognomischem Wissen. (Er hat bereits auf die Gefahren der Täuschung und Irreführung unserer Wahrnehmung hingewiesen.)

    Entwickelte beispielsweise Albrecht Dürer eine umfassende Proportionenlehre zur Darstellung unterschiedlicher Körpertypen in der Kunst und Paracelsus eine Art okkultes Mapping von Pflanzen, Tieren und Menschen, so widmete sich Alexander von Humboldt der Erschließung neuer Begrifflichkeiten hinsichtlich der Physiognomik. Georg-Friedrich Lichtenberg veröffentlichte Über Physiognomik; wider die Physiognomen (1777)¹ und Arthur Schopenhauer Zur Physiognomik (1851).

    Bereits Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich die rassistisch geprägte Biometrie, im Rahmen derer Herkunft/​race, intellektuelle Fähigkeiten und Aussehen in Relation gesetzt wurden.

    Publikationen zu Physiognomik waren auch Anfang des 20. Jahrhunderts populär und nicht ausschließlich von rassistischen Ideologien motiviert. (Vgl. u. a. Béla Balázs Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films). Wertkonservative Kulturkritik der Moderne und ideologisch-verbrämte Pseudowissenschaft prägten freilich die NS-Weltvorstellung hinsichtlich ihres Rassenwahns und der „Vermessung der Ethnien".

    Findet im zeitgenössischen US-akademischen Diskurs die Beschäftigung mit der sogenannten Makeover-Culture (Jones, 2006),² dem konstituierenden „kosmetischen Blick" (The Cosmetic Gaze, Wegenstein, 2012)³ oder den Oberflächen (von Haut und Fotografie), in die sich plastische Chirurgie einschreibt (Surface Imaginations, Hurst, 2015)⁴ in Form kulturkritischer wie (post-)feministischer Lesarten Beachtung, so erfolgt im deutschen Sprachraum die kulturwissenschaftliche Auseinandersetzung beispielsweise mit der Prominenz des Gesichts, seiner Bedeutungsproduktion in der massenmedialen Verbreitung, dem Wandel seiner Repräsentation und seiner Virtualisierung (u. a. Löffler/​Scholz, 2004).⁵ Auch die Wirkung des Gesichts als Aufmerksamkeitsmaschine von mittelalterlichen Ikonenbildnissen über Renaissance-Porträts bis hin zu Werbeplakaten ist Gegenstand der historisch-essayistischen Analyse. (Groebner, 2015)⁶

    Umfassende Kulturgeschichten der Darstellung des Gesichts haben etwa Daniel McNeill mit Das Gesicht. Eine Kulturgeschichte (2001) und Hans Belting mit Faces. Eine Geschichte des Gesichts (2013) vorgelegt. Kritiker attestieren Beltings Zugang kunst- und kulturgeschichtliche Präzision bei zunehmendem Kulturpessimismus. Von prähistorischen Masken bis zu den medial konstruierten Gesichtern in Fotografie, Film und Gegenwartskunst befasst er sich mit der Bildwerdung und dem „Scheitern am Leben des Gesichts und des Selbst".

    Da, wo Belting mit Faces. Eine Geschichte des Gesichts einen Endpunkt markiert, indem er „Die Krise des Gesichts" ausruft, soll dieser Essay unter anderem ansetzen.

    Die Idee ist, eine Rückbindung der Reflexion an Diskurse der Körperlichkeit sowie ein frei schwebendes, ebenso idiosynkratisches wie transdisziplinäres Mäandern und Verweben der Thematik in ein Geflecht aus literarischen, phänomenologisch-philosophischen, semiotischen, bild- und filmtheoretischen, kulturwissenschaftlichen, soziologischen und popkulturellen Ansätzen und Verweisen. Alles ist dabei potenzielles Denkmaterial, kann zur Annäherung an den Bedeutungsträger Stargesicht im Wandel dienen, dazu beitragen, dem Phänomen als Zeichen der Zeit, der Gestaltetheit von Gesichtsentwürfen – auch und gerade in ihren temporären, phasenorientierten Ausprägungen – näher zu kommen sowie Fragen von Subjekt-/​Identitätskonstruktionen aufzuwerfen.

    Die Kulturwissenschaftlerin Claudia Schmölders, die den Diskurs hinsichtlich Gesicht und dessen kultureller Bildwerdung seit Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt hat, stellt fest: „Der lebendige Körper, zu dem ein Gesicht gehört, ist aus diesen Diskursen weitgehend verschwunden – während doch gleichzeitig der lebendige Mensch in Gestalt flüchtender, verletzter, schreiender und sterbender Personen mit Namen, Stimme und Geschichte unser Interesse und unsere Fürsorge mehr denn je verlangt. Wohin also gehört der faziale Diskurs? Man muss darüber nachdenken, mehr denn je."

    Was folgt, ist eine Bewegung hinein ins Spannungsfeld von Kult und drohendem Gesichtsverlust.

    ~

    Everybody wanna be a star

    It’s all about who they think you are

    Donna Summer

    Starfaces

    Das Abbild des Starface/Stargesichts zirkuliert als Bedeutungsträgerteilchen im Medienrealitätsbeschleuniger. Es erscheint, erfährt seine maximale Ausdehnung in der Gegenwart und verschwindet wieder in den medialen Archiven, liegt auf den weltweiten Servern. Jederzeit abrufbereit. Das Starface durchläuft

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