Schwarzes Tier Traurigkeit
Von Anja Hilling
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Über dieses E-Book
Man könnte sagen, sie sind Freunde. Sie kennen sich, mehr oder weniger, mögen sich, irgendwie, verachten sich manchmal. Sie wollten mal raus an diesem schönen Sommertag, der Welt den Rücken kehren, ein Grillfest, eine Nacht unter freien Himmel, Sorgen vergessen, Sterne zählen. Satt sein, betrunken sein und leicht, sehr leicht, mitten auf einer Lichtung, zwischen Bäumen, die hoch sind und grün, sie umgeben mit Knacken und Rascheln, leise und schön, wie das erste Geräusch der Welt.
Irgendwann liegen sie müde und zufrieden in ihren Schlafsäcken auf dem Waldboden. Einer macht die beiden Öllampen aus. Einer singt noch ein Lied; dann schlafen sie ein. Ihr Schlaf wird kurz sein, ein, zwei Stunden. Sie werden von einer Hitze geweckt werden, einem Feuer, sie werden einen Brand erleben, der jede Fantasie überholt, blitzschnell, und jede Vorstellung in Schutt und Asche legt.
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Buchvorschau
Schwarzes Tier Traurigkeit - Anja Hilling
Anja Hilling
Schwarzes Tier Traurigkeit
FELIX BLOCH ERBEN
Verlag für Bühne, Film und Funk
Inhaltsverzeichnis
Title Page
Personenverzeichnis
Teil eins: Das Fest
Teil zwei: Das Feuer
Das Leuchten (Minute eins)
Der Schrei (Minute zwei)
Der Körper (Minute zwei bis fünf)
Der Bus (Miranda)
Die Explosion (Flynn und Martin)
Die anderen (Jennifer, Oskar und Paul)
Die absolute Sicherheit (Miranda)
Die Pause (Jennifer, Oskar und Paul)
Glück (Martin und Flynn)
Schwarzes Tier (Jennifer, Oskar und Paul)
Das Ehepaar
Die Rettung (Martin und Flynn)
Teil drei: Die Stadt
I. Fragen zum Geschehen
II. Anrufe für Paul
III. Bei den Pferden
IV. Anruf für Martin
V. Wuthering Heights
VI. Besuche für und von Oskar
VII. Clubbing
VIII. Auf der Straße
IX. Die Luft nach dem Regen
X. Träume
Always on my mind
Über die Autorin
Über das Stück
Impressum
Personenverzeichnis
Miranda, um die 30
Paul, um die 40
Martin, Mitte 40
Jennifer, Anfang 40
Oskar, um die 40
Flynn, Anfang 30
Ein Ehepaar
Teil eins: Das Fest
„Viel in Liedern gepriesen entwuchs er der Göttinnen Pflege,
zog dann gern von Gehöft zu Gehöft durch die Wälder,
mit Efeu schwer behangen und Lorbeer. Nymphen machten Gefolge,
er war der Führer, die endlosen Wälder hallten vom Donner.
Darum dir auch Heil, Dionysos, Traubenbeladner!
Lass uns die Jahreszeiten in Freude noch einmal erleben,
doch nach den Jahreszeiten noch viele weitere Jahre!"
(Homerische Hymnen: Hymne an Dionysos)
Ein Wald, ein Mischwald, Kiefer, Esche, Linde, Buche, auch Eiche, manchmal eine Weide. Es ist Abend. Und Sommer. Der Wald leuchtet. Es ist heiß, nicht warm. Seit vierunddreißig Tagen wartet der Wald auf Regen. Sein Warten macht ihn bunter, lauter, schöner. Kriechen des Tausendfüßlers auf brüchigem Buchenblatt, Klappern des Käferpanzers, glitzernd, beim Fall auf Grund ohne Flüssigkeit, Schaben von Eichhörnchennägeln an abblätternden Baumrinden, rot und braun. Irgendwann ein Motorengeräusch, Wegspringen von Steinen, Erdballen auf schmalem, zweispurigem Weg. Ein VW-Bus, schwarz und beige, die Fenster geschlossen, klimatisiert, getönt. Wie lange der Bus seinen Weg sich schon schlängelt durch den Wald, wer kann das wissen. Irgendwann ist er einfach hier. Die Geräusche der Tiere, Blätter, Rinden werden kurz lauter, schneller. Dann verschwinden sie. Der schwarz-beige Bus fährt langsam, von den Umständen irritiert: Schlaglöcher, Steinspitzen. Äste mit Blättern, gelb, rot, meist grün, sommergrün, streifen, schlagen die geschlossenen Fensterscheiben, das Dach, die Achse des Wagens. Im Wagen Klappern von Gegenständen, Getränkekisten, Bier, Cola, Wasser, Wein, eine Flasche Cognac, Alufolie, Pappgeschirr, sechsmal echtes Glas, sechs Cognacschwenker. Ein Karton, im Karton Würzflaschen, Ketchup, Curry, Curryketchup und Tüten, Tüten mit Gemüse, Zucchini, Tomaten, Tüten mit Kartoffeln, Tüten mit Brot, Baguette, Ciabatta, Vollkorn, Tüten mit Fleisch, Rindfleisch, Schweinefleisch, Geflügel, Grillgut. In der Ecke, gut verstaut, der Grill, darunter Kohle, ein ganzer Sack. Vorne, vor dem Klappern der Gegenstände, in drei Reihen hintereinander sechs, nein sieben Personen. Vier Männer, zwei Frauen, auf dem Schoß der jüngeren Frau ein Kind, ein Baby, ein Mädchen. Das Mädchen hat eine Flasche im Mund, aber es saugt nicht mehr, es ist eingeschlafen. Die Reisenden sehen nach draußen oder sehen sich um oder nach vorne, nach hinten, rutschen auf dem kühlen, beigen Polster. Draußen der Wald. Der Abend ist dunkler als er ist, durch die Tönung der Scheiben später als es scheint. Es ist kurz vor sechs. Die Personen sind länger unterwegs, als sie es erwartet hatten, länger, als es ihnen gefällt. Aber dann doch, immer wieder, der Blick, der Versuch von Worten, die was erzählen von der Ehrfurcht, die das Sitzen und das Rutschen in den Schatten stellt, angesichts des Waldes, der Schönheit der Welt, das Staunen und die Freude, jetzt, wo wir schon mal hier sind.
Miranda
Guck mal.
Paul
Ja.
Miranda
Guck mal Gloria.
Martin
Die Farben.
Miranda
Ein Reh.
Jennifer
Ja.
Oskar
Schön.
Jennifer
Ja. Sehr schön.
Paul
Ein Reh.
Miranda
Ja.
Paul
Wo.
Miranda
Jetzt hat es Angst.
Oskar
Sag auch mal was.
Flynn
---
Oskar
Warum sagt er nichts. Dein Freund.
Jennifer
Lass ihn in Ruhe.
Martin
Da.
Paul
Wo.
Martin
Da. Die Sonne im Baum
Paul
Ja. Supersonne Superbäume.
Martin
Die Farben Freunde. Ganz schön bunt da draußen.
Oskar
Eigentlich grün. In der Hauptsache grün.
Flynn
Da war s wieder.
Jennifer
Was.
Flynn
Das Reh.
Oskar
Geht doch. Das Sprechen.
Miranda
Halt mal an.
Martin
Muss jemand pissen.
Paul
Das mit den Rehen nervt.
Martin
Geraucht wird jetzt nicht.
Pissen würd ich gelten lassen.
Oskar
Wie weit noch.
Jennifer
Ja. Wie weit noch. Ist doch schön hier.
Oskar
Schöner wird s nicht.
Martin
Bisschen noch. Wart s ab.
Miranda
Halt an. Hab ich gesagt.
Paul
Weiter geht s. Ich hab Hunger.
Jennifer
Jetzt seht euch die Roteiche an.
Oskar
Die ist nicht rot.
Jennifer
Doch. Die Krone. Feuerrot.
Oskar
Feuer ist nicht rot.
Miranda
Halt jetzt an.
Martin
Warum
Miranda
Ich will Gloria ihr erstes Reh zeigen.
Man könnte sagen, sie sind Freunde. Sie kennen sich, mehr oder weniger, mögen sich, irgendwie, verachten sich manchmal, wissen voneinander, einiges, wollen sich gefallen. Sie wollten mal raus an diesem schönen Sommertag, der Welt den Rücken kehren, ein Grillfest, eine Nacht unter freien Himmel, Sorgen vergessen, Sterne zählen, Wind auf Haut, Mücken, Lächeln, Augenglanz. Satt sein, betrunken sein und leicht, sehr leicht, mitten auf einer Lichtung, zwischen Bäumen, die hoch sind und grün, sie umgeben mit Knacken und Rascheln, leise und schön, wie das erste Geräusch der Welt. Sie sind da.
Jennifer
Was soll das.
Paul
Was.
Jennifer
Was tust du.
Paul
Atmen.
Paul ist groß, er sieht stark aus, unbeweglich. Sein Gesicht ist breit, die Augen klein, aber hell, die Lippen voll in einer rauen Haut. Er ist um die vierzig, ja, um die vierzig und Architekt. Jennifer ist nicht seine Frau, sie war es mal. Sie hat