Die erlösende Kraft des Verzeihens: Durch aufrichtiges Vergeben alte Bande lösen und wahrhaft frei werden
Von Hans Stolp
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Über dieses E-Book
Die größte Schwierigkeit, die auf dem geistigen Pfad vor den meisten Menschen liegt, ist die fehlende Bereitschaft, alte Verletzungen zu vergeben oder Menschen zu verzeihen, die einem einst geschadet haben. Es wird dabei weitgehend übersehen, dass derjenige, dem durch dieses Verhalten am meisten geschadet wird - man selbst ist! In seinem berührenden und aufrüttelnden Buch weist Hans Stolp Wege, um aus der Falle des Nicht-Verzeihen-Könnens herauszufinden. Wem es gelingt, sich alte Verletzungen oder Kränkungen wirklich bewusst zu machen und durch die Liebe zu verwandeln, wird eine neue innere Freiheit finden. Eine Freiheit, die dann eine außerordentliche Heilkraft entfaltet, um am Ende dieses Prozesses dem Leben einen neuen Menschen zu schenken. Ein wundervoller Wegbegleiter durch die Schwierigkeiten menschlicher Beziehungen und ein wahrer Führer ins LICHT.
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Buchvorschau
Die erlösende Kraft des Verzeihens - Hans Stolp
Die erlösende Kraft des Verzeichens
Durch aufrichtiges Vergeben alte Bande lösen und wahrhaft frei werden
Hans Stolp
1. Auflage 2020
© Aquamarin Verlag GmbH
Voglherd 1 • D-85567 Grafing
www.Aquamarin-Verlag.de
Umschlaggestaltung: Annette Wagner
unter Verwendung von
© Romain JL (68370568) – shutterstock.com
ISBN 978-3-96861-032-0
Inhalt
Kapitel 1 • Vergebung ist der erste Schritt auf dem Einweihungsweg
Gefühle, die verhärten und innerlich zerfressen
Vergeben ist nicht einfach
Der Umgang mit der Opferrolle
Drei Einsichten, die der Vergebung vorangehen müssen
Distanz und Nähe
Der Wille zum Verzeihen
Kapitel 2 • Von der Rache zur Vergebung
Die Vergebungslehre in der Bibel
Vergebung und Karma
Kapitel 3 • Wahrheit und Versöhnung
Die Botschaft des Nelson Mandela
Ein erstes, hoffnungsvolles Zeichen
Keine Zukunft ohne Vergebung
Kapitel 4 • Eine Begegnung im Licht
Kapitel 5 • Karma und Vergebung
Kapitel 6 • Die Kunst der Vergebung
Das Ego und das höhere Selbst
Kapitel 7 • Vergebung als Einweihungsweg
Kapitel 8 • Die vier Merkmale
Kapitel 9 • Zwei Beispiele aus dem Neuen Testament
Jesus und die Ehebrecherin
Die beiden Mörder am Kreuz
Kapitel 10 • Erfahrungen aus dem täglichen Leben
1) Das widerspenstige Ego
2) Lerne, dir selbst zu vergeben
3) Vergebung für und von Verstorbenen
4) Wie oft sollte man vergeben?
5) Ist wahres Vergessen möglich?
6) Die Bitte um Vergebung
7) Das Christus-Licht
In Dankbarkeit denen gewidmet,
die mich die schwierige Lektion
der Vergebung gelehrt haben:
Meiner Mutter und COJ
Kapitel 1
Vergebung ist der erste Schritt auf dem Einweihungsweg
Gefühle, die verhärten und innerlich zerfressen
Erst wenn ein Mensch sich an einem bestimmten Zeitpunkt seines Lebens einmal die Muße einräumt, um zurückzuschauen, erkennt er, was alles in den zurückliegenden Jahren geschehen ist. Er wird dankbar feststellen, über wie viele schöne, rührende und glückliche Erinnerungen er verfügt. Daneben wird er aber auch auf Erfahrungen und Situationen stoßen, die ihm noch immer Kummer und Schmerzen bereiten. Er wird sich an Augenblicke höchster Liebe erinnern, an die unvergesslichen Momente vollkommener Glückseligkeit; aber auch an jene traurigen Stunden, in denen Abschied genommen werden musste von einem geliebten Menschen. Oft liegen dann im Rückblick Freude und Leid nahe beieinander. Glück und lichtvolle Augenblicke zeigen sich neben jenen des Unglücks und der Dunkelheit. Das Leben kann dann auch grausame Züge annehmen.
Jeder Mensch trägt in seinem Inneren die Erinnerungen an jene Erfahrungen, in denen er in der Fülle des Lebens glücklich war, und an jene Erlebnisse, in denen er selbst ein wenig mitgestorben ist. Alle diese Bilder und Eindrücke bestehen nebeneinander in seinem Herzen, wo sie bis heute aufbewahrt sind.
Inmitten all dieser Bilder und Erinnerungen zeigen sich auch die Gesichter jener Menschen, die einem einst Leid und innere oder äußere Verletzungen zugefügt haben. Wenn diese vor das innere Auge treten, können sie noch immer Gefühle der Wut und des Schmerzes auslösen. Wenn sich diese Emotionen mit großer Macht zeigen, sind sie meistens Hinweise darauf, dass sie den Betreffenden noch immer innerlich ‘zerfressen’. Sie entziehen ihm im wahrsten Sinne des Wortes seine Lebenskraft. Im „Bilderbuch seines Herzens sind jene Szenen abgedruckt, die den Schmerz und das Leid verursachten – und ihre Verursacher. Es bedarf meist keiner großen Anstrengung, um diese Bilder abzurufen, sie zeigen sich vielfach ganz ohne Mühe. Viele Menschen blättern regelmäßig in ihrem persönlichen „Bilderbuch
.
Diese Erinnerungen führen leider nicht nur dazu, die inneren Lebenskräfte aufzuzehren, sie verhärten den jeweiligen Menschen auch, der ihnen Raum gibt. Sie vermindern seine Feinfühligkeit und sein Mitgefühl und lassen ihn über andere urteilen, sie sogar verurteilen. Vor allem, wenn jene anderen Menschen auf die eine oder andere Weise etwas von jenen Eigenschaften ausdrücken, die einst diejenigen besaßen, die er als Quelle des eigenen Schmerzes in seinem „Bilderbuch" aufbewahrt. So können diese, ohne es zu wissen, zum Ziel seines tiefsitzenden Hasses werden. Manche auf diese, manche auf jene Art, je nachdem welche Erinnerungen und Schmerz- oder Wutgefühle sie auslösen. Es sind also nicht andere Menschen, sondern die eigenen Erinnerungen, die jene negativen Emotionen freisetzen. Gewinnen diese die Überhand, kehren mit ihnen Misstrauen und Vorverurteilung in die Seele des Betreffenden ein. Dann machen diese alten Erinnerungen manchmal einsam, sehr einsam. Wer andere Menschen ständig be- oder verurteilt, verliert letztlich jeden seiner Freunde; denn wahre Freundschaft erträgt kein Urteil.
Vergeben ist nicht einfach
Die christlichen Kirchen lehren, man solle seinen Feinden vergeben. Aber wie soll diese Vergebung konkret vonstatten gehen? Oft sind Gefühle der Wut, des Kummers und des Schmerzes so machtvoll, dass man sie nicht einfach verdrängen oder vergessen kann. Dies ist nicht allein eine Angelegenheit des Wollens. Doch besteht eine Voraussetzung, um vergeben zu können, darin, die schmerzhaften alten Erinnerungen aufzulösen. Erst wenn die alten Eindrücke aus dem „Bilderbuch des Herzens" gelöscht wurden, kann man dem Menschen, der sie ausgelöst hat, wieder unbefangen, freundlich und mit einem offenen Herzen begegnen.
Es klingt so einfach, wenn es heißt: Du sollst vergeben und vergessen! Aber viele Menschen, die es versucht haben, schildern, dass es ihnen gar nicht möglich war, einfach nur als eine Tat des Willens zu vergeben. Sie konnten nicht einfach einen Schalter im Kopf oder im Herzen umlegen und sagen: Jetzt habe ich dem anderen vergeben. So einfach lässt sich dieses schwerwiegende Problem nicht lösen.
Es drängt sich der Eindruck auf, als wenn die kirchliche Vergebungslehre in ihrer simplen Form zum Scheitern verurteilt ist. Sie hinterlässt bei den Menschen eher Hilf- und Ratlosigkeit. Sie sollen ihren Peinigern vergeben, aber wenn sie es versuchen, erkennen sie die Unmöglichkeit dieses Unterfangens. Sie können nicht allein mit dem Willen versuchen, schmerzhafte alte Erinnerungen zu löschen und denen zu vergeben, die sie ausgelöst haben. Es gelingt nicht, nur durch eine willentliche Anstrengung alte Urteile und negative Gefühle umzuwandeln.
Der Umgang mit der Opferrolle
Ich habe als Pfarrer mit vielen Frauen und Männern gesprochen, die in ihrem Leben das Opfer von sexuellem Missbrauch waren. Wobei vor allem letztere extreme Schwierigkeiten hatten, ihre Schamgefühle zu überwinden und über ihre traumatischen Erlebnisse zu sprechen. Die öffentliche Meinung übersieht gelegentlich, dass auch eine große Zahl von Männern Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind. Die Täter sind meist Familienangehörige. Manchmal sind es die Väter oder Stiefväter, die Mütter oder Stiefmütter, die Großeltern, die Onkel und Tanten oder auch die eigenen Geschwister. Es können aber auch Personen aus dem sozialen Umfeld gewesen sein, wie Lehrer oder Lehrerinnen, Priester oder Seelsorger. In vielen Fällen gab es eine starke emotionale Bindung oder ein Vertrauensverhältnis zwischen Täter und Opfer, welches die Verarbeitung des Geschehenen zusätzlich erschwert.
Auch eine Vergewaltigung löst tiefe und einschneidende Folgen aus; denn es geht nicht nur um eine körperliche, sondern vor allem um eine seelische Verletzung. Das Opfer ist häufig noch sehr jung und verfügt damit nicht über die geistige Einsicht, um das Geschehen einzuschätzen oder gar zu verarbeiten. Nicht selten fühlt sich sogar das Opfer schuldig, weil es nichts gegen den Vorfall unternommen und sich nicht gewehrt hatte. Vielleicht glaubt es sogar, das Ganze mit verursacht zu haben. Das Opfer sucht also in einem gewissen Maße die Ursache für das Geschehene nicht beim Täter – sondern bei sich selbst!
In einem solchen Fall leben die Opfer oft eine lange Zeit mit falschen Schuldgefühlen, die ihnen alle Vitalität und Lebensfreude rauben. Mit diesem Prozess geht dann häufig noch eine Unterdrückung der eigenen Gefühle einher, denn sie haben die (oft vielfache) Vergewaltigung nur überleben können, indem sie die eigenen Empfindungen verdrängten. Sie haben eine Vorstellung darum errichtet, als ob „sie selbst gar nicht dabei gewesen wären, sondern „nur ihr Körper
. In ihrer Bilderwelt haben sie gleichsam „von weitem" zugesehen, was mit ihrem Körper geschah. Diese innere Abspaltung war die einzige Möglichkeit, um die Grausamkeit des Geschehens zu überleben. So entstand ein tiefgreifender Riss zwischen ihrem Körper und ihrer Seele. Diese Spaltung besteht oft ein Leben lang. Diese Opfer verharren während ihres ganzen Lebens in der Rolle eines Zuschauers. Es gelingt ihnen nicht mehr, wieder als Mitspieler beziehungsweise Mitspielerin