Die echte, inoffizielle, geheime Biografie von HIM
Von Marc Halupczok
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Über dieses E-Book
Dies gelingt dem Autor auch dank der Unterstützung durch HIM-Entdeckerin Silke Yli-Sirniö, die von den Bandmitgliedern liebevoll Mutti genannt wird.
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Buchvorschau
Die echte, inoffizielle, geheime Biografie von HIM - Marc Halupczok
Marc Halupczok
Die echte, inoffizielle, geheime Biografie von
HIM
1. Auflage Mai 2012
Titelbild: Tina K von Getty Images
©opyright 2012 by Marc Halupczok
Lektorat: Franziska Köhler
Satz: nimatypografik
Druck & Bindung: AALEXX Buchproduktion GmbH
www.aalexx.de
ISBN: 978-3-939239-66-6
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Ein Leben voller Widersprüche
Vom Skateboard fahrenden Black Sabbath-Fan zum größten finnischen Rockstar aller Zeiten, und das alles in nicht mal fünfzehn Jahren. Der 1976 geborene Ville Hermanni Valo aus dem Helsinkier Stadtteil Vallila hat zusammen mit seiner Band HIM und als Solokünstler eine Karriere hingelegt, die ihresgleichen sucht. Dabei ist er selten den geraden Weg gegangen: Erst etablierte er sich als kettenrauchender, asthmatischer Alkoholiker im Partyrausch, dann als abstinenter Einsiedler, der nicht mehr vor die Haustür tritt – ein Mensch voller Widersprüche. Er möchte der größte Rockstar aller Zeiten werden, beschwert sich aber gleichzeitig über die große Aufmerksamkeit, die ihm seitens der Presse und der Fans geschenkt wird. Es ist seine Idee, in den Titeln der ersten EP 666 Ways To Love: Prologue und des ersten Albums Greatest Lovesongs Vol. 666 die «Zahl des Tieres» unterzubringen, wundert sich dann aber darüber, dass Presse und Fans darauf einsteigen. Einerseits lästert er über Testosteron geschwängerte Heavy Metal-Combos, andererseits sieht er sich und seine Band in der Tradition von Black Sabbath und Led Zeppelin, nennt Kollegen wie Paradise Lost, Cathedral oder Type O Negative als große Einflüsse und würde sein neues Album am liebsten über ein Doom-Metal-Label veröffentlichen. Er versucht alles, um HIM an die Spitze der Charts zu bringen, zeigt in diversen Interviews aber generell kein Interesse an Verkaufszahlen und materiellen Annehmlichkeiten. Er besteht darauf, in sehr sauberen Hotels zu wohnen, lebt aber zum Teil selbst in Wohnungen, die wie eine Müllkippe aussehen. Und diese Liste ließe sich endlos weiterführen.
Ville Valo ist nicht einfach zu greifen. Und schon gar nicht in wenigen Worten. Dafür sind sein Charakter zu vielschichtig, seine Ansichten zu wechselhaft. Früh lernt er seine Bandkollegen kennen, schon in der Schule musizieren sie in verschiedenen Besetzungen zusammen. Ville spielt dabei Bass oder Schlagzeug, in die Rolle des Frontmanns wird er als Jugendlicher «hineingedrängt», weil die Band einfach keinen geeigneten Sänger auftreiben kann. Doch der Job des Band-Chefs ist wie für ihn gemacht. Schließlich sind es seine Songs, seine Texte, seine Ideen, die HIM die ersten kleinen Erfolge einbringen. Da kann er sie auch gleich an vorderster Front verkaufen.
Als es vor der Veröffentlichung des ersten Albums ernst wird, schlüpft er ohne Anpassungsschwierigkeiten in die Rolle des androgynen Mädchenschwarms, obwohl er wenige Wochen zuvor noch als Straßenmusiker in der Innenstadt von Helsinki unterwegs war. Vor allem seine ungewöhnlich intensiven Augen, ein Erbe seiner finnischen (Vater) und ungarischen (Mutter) Vorfahren, machen ihn zu einem Sexsymbol, womit er immer wieder kokettiert, auch wenn er eigentlich als Künstler ernst genommen werden möchte.
In Interviews steuert er geschickt seine eigene Legendenbildung, da er immer wieder neue Geschichten über sich, seine Mitstreiter und seine Musik in die Welt setzt. Dahinter schimmert in der Öffentlichkeit nur selten der echte Valo durch. Ein schüchterner, zurückhaltender Mann, der im Rampenlicht zu einem Rockstar wird und immer wieder versucht, seine Rolle im Leben zu finden. Und sich vor Verletzungen in Ironie und Sarkasmus flüchtet.
Trotz der großen und allgegenwärtigen Versuchungen hat er kein Interesse an schnellem Sex, sondern ist bemüht, ernsthafte Beziehungen aufzubauen, die jedoch alle nach wenigen Jahren zerbrechen, was ihn oft an den Rand des totalen Zusammenbruchs treibt. Er selbst bezeichnet sich als romantisch und melancholisch und sieht die Liebe als einzig wahre Antriebsfeder für sein Leben.
«Ich selbst sehe Liebesbeziehungen immer noch als das Monumentalste, das es auf der Welt gibt. Du weißt schon, wenn man von einer Person überwältigt ist und ein neuer Mikrokosmos von Gedanken um einen entsteht. Das ist jedes Mal wie ein Märchen, und man weiß nie, wie es enden wird. Das ist für mich immer wieder faszinierend. Selbstverständlich gibt es auch negative Aspekte, aber es ist besser, diese Melancholie in Songs zu stecken, als sie im täglichen Leben mit sich herumzutragen», antwortet er in einem Interview auf die Frage, warum alle seine Songs von der Liebe handeln würden.
Einfluss auf die Entwicklung von Valo hat natürlich auch die Tatsache, dass er seinen bis dato erfolgreichsten Song bereits mit einundzwanzig schreibt. Join Me (In Death) schießt weltweit in die Charts und bringt die Ville-Mania erst so richtig ins Rollen. Dennoch ist es Segen und Fluch zugleich. Denn er wird fortan an diesem Erfolg gemessen, der sich in diesem Ausmaß nicht mehr einstellt. Natürlich schreibt er mit Stücken wie The Funeral Of Hearts, Gone With The Sin oder Killing Loneliness weitere Hits, das Album Dark Light aus dem Jahr 2005 wird als erstes finnisches Album überhaupt in den USA mit Gold ausgezeichnet, aber der ganz große kommerzielle Wurf ist nicht mehr dabei. Das bekommen HIM, und vor allem Ville, direkt zu spüren. Weniger von den Fans, als vielmehr von der Industrie. Und natürlich versucht sich der Sänger dagegen zu wehren. Meistens auf charmante Art, manchmal aber auch ganz direkt, offen und verletzend.
Ein bekanntes Zitat aus seinem Mund zu diesem Thema: «Für uns ist es besser, keine zu hohen Erwartungen zu haben und uns einfach treiben zu lassen. Das ist immer ein großes Plus, egal was am Ende herauskommt.» Und in einem anderen Interview: «Wenn wir weiterhin gute Musik machen, kaufen die Leute Musikmagazine, weil wir darin interviewt werden. Sie werden uns mögen und hoffentlich nicht hassen.»
Als das Album Venus Doom aufgenommen wird, ist der Frontmann an seinem persönlichen Tiefpunkt angelangt. Er begibt sich für vier Wochen in eine Klinik, um vom Alkohol loszukommen. Die Therapie ist erfolgreich, er steht zum ersten Mal als nüchterner Mensch auf der Bühne und komponiert mit Screamworks: Love In Theory And Practice sein bisher letztes Werk. Er gibt später offen zu, enttäuscht über das Abschneiden des Albums zu sein, bricht sogar die dazugehörige Tour ab und zieht sich für fast zwei Jahre aus der Öffentlichkeit zurück. Keine neuen Songs, keine Live-Auftritte, so gut wie keine Interviews.
Im Februar 2012 meldet sich der Sänger zurück, kündigt ein neues, deutlich härteres Album an, ohne dabei jedoch konkret zu werden. Zwei Jahre von der Bildfläche zu verschwinden ist gewagt, zumal Ville immer noch viele Fans im Teenie-Lager hat, die sich bekanntermaßen schnell neuen Helden zuwenden. Doch das alles scheint ihn nicht zu stören. Er wird, das hat er über die Jahre bei unzähligen Gelegenheiten betont, immer Musik machen. Ob ihm dabei jemand zuhört oder nicht. Er sieht sich eben gerne in der Rolle des Außenseiters, blickt zu Leuten wie dem Musiker Johnny Cash, dem Schauspieler James Dean oder dem Schriftsteller Charles Baudelaire auf. Sie alle waren künstlerisch erfolgreich, sie alle waren nicht glücklich. Sie alle wollten den großen Ruhm, gleichzeitig aber keine Kompromisse eingehen. Vielleicht die Quintessenz für Ville Valos Leben: «Kunst wurde schon immer kritisiert, und vor allem die Außenseiter bekommen ihr Fett weg.»
Doch es ist nicht so, dass Ville einfach nur Songs schreibt und wartet, was damit passiert. Er arbeitet an sich als Mensch, wie sein Alkoholentzug, sein Verzicht auf Zigaretten und diverse Aussagen in Interviews beweisen. Es ist okay hinzufallen, aber man darf nicht liegen bleiben. Oder um es mit Villes Worten zu sagen: «Es gibt immer einen Grund, warum du Fehler machst. Denn beim nächsten Mal machst du andere Fehler. Also sind es gute Fehler.»
1. Kapitel (1976–1993)
Morgens halb neun in Helsinki. Ein Rockstar wird geboren. Zumindest ist das am Montag, den 22. November 1976 so, als ein gewisser Ville Hermanni Valo (deutsch: Wilhelm Hermann Licht) zum ersten Mal mit seinen später legendär werdenden «Smokey Eyes» in die Augen seiner Mutter Anita blickt. Wie alle montags vom Band rollenden Exemplare gibt es auch bei Valo die ein oder andere Macke. Aber die entwickeln sich erst im Laufe der Zeit. Vorerst ist die kleine Familie, zu der auch Vater Kari gehört, glücklich und vollständig.
Die drei Valos wohnen im Stadtteil Vallila, der zu dieser Zeit noch eindeutig in der Hand der Arbeiter ist. Die vielen kleinen Holzhäuschen haben für Besucher etwas Romantisches, für die Bewohner sind die Hütten, die mehrheitlich zwischen 1920 und 1930 erbaut wurden, eher ein Ärgernis. Die sanitären Anlagen und die Bausubstanz sind dem Alter entsprechend überholt. Umfangreiche Renovierungsarbeiten wird es erst in den 1980er-Jahren geben, als betuchte Künstler diesen Teil von Helsinkis Innenstadt für sich entdecken, Mitte der Siebziger steht sogar zur Debatte, das so genannte «Puu-Vallila» («Holz-Vallila») abzureißen und die rund siebentausend Bewohner in andere Viertel umzusiedeln. Der bekannte finnische Regisseur Risto Jarva dreht ein Jahr vor Villes Geburt in dem Viertel einen viel beachteten Film mit dem Titel Der Mann, der nicht nein sagen konnte.
Doch Ville dürfte kaum Erinnerungen an diesen Teil der Stadt haben, denn seine Eltern kratzen ein wenig Geld zusammen und ziehen bereits wenige Monate nach der Geburt mitsamt Nachwuchs sechs Kilometer nördlich nach Oulunkylä, einer der vielen Vororte Helsinkis. In den modernen Hochhäusern der Siedlung, wo die Valos eine Drei-Zimmer-Wohnung angemietet haben, herrscht die Mittelschicht. Und dazu gehört Familie Valo ebenfalls. Wenn auch eher zum unteren Drittel. Vater Kari arbeitet als Taxifahrer, während sich Mutter Anita, deren Familie aus Ungarn stammt, um den Nachwuchs kümmert. Mama Valo ist gläubige Christin, erzieht ihren Sohn aber heidnisch, mit interessanten Auswirkungen.
Später erzählt Ville in diversen Interviews, dass seine musikalischen Einflüsse bis ins Säuglingsalter zurückreichen. Denn immer wenn Klein-Valo schreit, spielt der Vater Songs der finnischen Folk- und Rocksänger Tapio Rautavaara und Rauli «Badding» Somerjoki. Seine Mutter hält ihn derweil im Arm und tanzt. Niedliche Anekdote, aber deutlich einflussreicher dürfte Jallu – ein enger Freund der Familie – gewesen sein, der bei einer Feier eine Interpretation von Elvis Presleys Are You Lonesome Tonight zum Besten gibt und den kleinen Ville damit mächtig beeindruckt. Der Legende nach soll das Kind zu den Bongotrommeln gekrabbelt sein und begeistert den Takt vorgegeben haben. Wer sich das Lied in Erinnerung ruft, wird mit etwas Fantasie zudem durchaus Parallelen zu Valos späterem Gesangsstil entdecken.
Mit vier Jahren lotst der ältere Sohn von Jallu Ville in sein Zimmer und spielt ihm zum ersten Mal Bands wie Iron Maiden, Kiss oder Black Sabbath vor. Valo hat nach eigenen Angaben mächtig Angst vor Maidens Maskottchen Eddie, kann sich aber für den Sound begeistern, der ihm da entgegenschlägt. Ein wichtiger Grundstein für sein späteres Leben ist gelegt. Doch der kleine Knirps denkt keinesfalls in Genres, auch Sachen von Neil Young, Johnny Cash oder Roy Orbison treffen seinen Geschmack. Anita und Kari bemerken die Begeisterung für die Musik und unterstützen den Spross nach Kräften.
Doch es gibt noch eine zweite Leidenschaft in den ganz frühen Jahren des Ville Valo: sein Mischlingshund Sammy (andere Quellen schreiben: Sami). Die Familie ist sehr tierlieb und hält über die Jahre eine ganze Menge verschiedener Haustiere, aber Sammy ist Villes «erster Bruder», wie er zugibt. In einem Fernsehinterview erklärt er: «Ich habe heute noch Angst vor Pferden. Die machen mich irgendwie traurig. Meine Mutter ist über zwanzig Jahre lang geritten, das wäre nichts für mich. Doch als ich ganz klein war und noch nicht mal laufen konnte, fanden meinen Eltern einen Hund, den sie Sammy nannten. Er sollte mir wohl dabei helfen, mich auf den Beinen zu halten. Er starb, als ich sechs Jahre alt war, und von diesem Trauma bekam ich Asthma. Seit diesem Erlebnis habe ich echte Probleme mit Tieren jeglicher Art.» Was den kleinen Ville aber nicht davon abhält, später noch eine Schildkröte zu halten. «Sie hieß William», erinnert er sich. «Als sie starb, erklärte mir mein Arzt, dass ich auch keine Schlangen oder andere Reptilien haben dürfe, da ich auf Stoffe ihrer Ausscheidungen ebenfalls allergisch reagiere.»
Das Kind entwickelt in den kommenden Jahren eine Reihe von weiteren Allergien – unter anderem gegen Pferdehaare, vielleicht daher die Angst vor diesen Tieren – und schließlich sogar schweres Asthma. Viele Jahre später wird Ville auf einer Pressekonferenz an der Universität von Helsinki sagen, dass der Ursprung für die Melancholie in der Musik und den Texten von