VerLUST in Baden-Baden: Eine Liebes- und Kriminalgeschichte
Von Philippe Maisch
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Buchvorschau
VerLUST in Baden-Baden - Philippe Maisch
Philippe Maisch
VerLust in Baden-Baden
AQUENSIS
roman
Philippe Maisch wurde 1972 in Karlsruhe geboren.
Er ist gelernter Bankkaufmann und seit 15 Jahren bei einem Versicherungskonzern tätig. Mit seiner Frau und den drei gemeinsamen Söhnen lebt, wohnt, liest und schreibt er in Baden-Baden. Dies ist sein erster Roman.
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Über den Autor
1
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4
5
6
7
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10
11
12
Impressum
Weitere Bücher
Klappentext
1
Es war Montag, Ende Oktober. Die Strahlen der Herbstmorgensonne fielen in den Saal des Gerichtsgebäudes. Baden-Baden lag verträumt am Fuß der herbstlich bunten Schwarzwaldhänge.
Seine Uhr zeigte 09 : 56. Ralph Schmitz war klar, dass es seine Scheidung war, die gerade verhandelt wurde. Trotzdem fühlte er sich irgendwie unbeteiligt. Die Richterin hatte ihm die Schuld für die Trennung gegeben, und entsprechend fiel auch die Aufteilung der Vermögenswerte aus. Man – in diesem Fall die Richterin und auch die Anwältin seiner Frau – hatte festgestellt, dass seiner Frau Raphaela (in zehn Minuten seiner Exfrau Raphaela) gar nichts anderes übrig geblieben war, als sich in die starken Arme ihres Golftrainers zu flüchten. Er hatte sich einfach zu wenig Zeit für sie und die beiden Kinder genommen.
Sein schüchterner Versuch, den Zeitmangel mit seiner leitenden Tätigkeit bei einer namhaften Bank in Baden-Baden zu erklären, waren genauso gescheitert wie der Versuch seines Anwalts – ein Schulfreund, welcher in den Vorbesprechungen wesentlich optimistischer geklungen hatte als im Moment –, auch ihm einen Teil der Vermögenswerte zu sichern.
Seine Exfrau und die Kinder durften im eigenen Haus bleiben, er sollte seine bescheidene Mietwohnung behalten, welche er sich nach Abzug des monatlichen Unterhalts für Exfrau und die beiden Kinder, Paul acht Jahre und Elena drei Jahre, hoffte, weiterhin leisten zu können. Diese Mietwohnung hatte er vor 13 Monaten bezogen, als er beschlossen hatte, zu Hause auszuziehen – natürlich in der stillen Hoffnung, seine Exfrau würde ihn bitten zurückzukehren. Was aber bisher nicht geschehen war und wohl auch nicht mehr geschehen würde. Stattdessen war kurze Zeit später der Golflehrer Jean Claude eingezogen und nahm seitdem seinen Platz ein. Einen gewissen Trost vermittelte ihm die Gewissheit, dass dieser seine Kinder gut behandelte.
Auch stand es ihm nach einstimmiger Meinung der Damen – Exfrau, Richterin und Anwältin seiner Exfrau – nicht zu, sein Porsche Cabriolet zu behalten. Dieses solle lieber verkauft werden, mit dem Erlös sei der Leasingvertrag des Porsche Geländewagens abzulösen, den seine Frau dann zukünftig fahren solle. Aufgrund der zentralen Lage der Bank, in welcher er tätig ist, seien die öffentlichen Verkehrsmittel für ihn absolut ausreichend.
Als er das Gerichtsgebäude verließ, kam er sich trotzdem nicht als Verlierer vor, sondern eher an einer Art Neuanfang angekommen. Die Gewissheit, dass etwas vergangen war, gab ihm doch die Zuversicht, endlich damit abschließen zu können.
Er stieg in seinen Porsche und machte sich auf den direkten Weg in sein Büro. Bei der Bank angekommen, fragte ihn seine Sekretärin, Frau Wolter – 42 Jahre alt, vollschlank und wie immer im grauen Kostüm -, wie der Termin vor Gericht gelaufen sei.
Mit einem kurzen „Geht so" schloss er die Tür hinter sich und schaute, was sein Outlook-Terminkalender für ihn bereithielt: Es gab zwei neue Termine für den Nachmittag, beide mit treuen Kunden, welche schon lange von ihm beraten wurden. Und zwei Telefonnotizen mit der Bitte um Rückruf. Diese würde er später tätigen, ihm fehlte der Elan.
Es war jetzt kurz nach elf Uhr, als das Telefon klingelte. Es war ein bankinternes Gespräch: Die Sekretärin des Direktors Renzo von Flock bat ihn, sofort zum Chef in die oberste Etage zu kommen. Er machte sich also auf den Weg, und als er das Sekretariat betrat, nickte Claudia dos Santos, die 26jährige Sekretärin des Chefs, ihm zu und teilte ihm mit, dass man ihn schon erwarte.
Renzo von Flock stand – ihm den Rücken zugewandt – am großen Panoramafenster und sah über das herbstliche Baden-Baden. „Schmitz, nehmen Sie Platz", sagte er, ihm immer noch den Rücken zuwendend. Er tat, wie ihm geheißen, und nahm auf dem weichen Barcelona-Ledersessel Platz und schlug ein Bein über das andere. Erst jetzt merkte er, dass einer seiner Strümpfe dunkelblau und der andere schwarz war. Er setzte beide Füße auf den Boden und dachte, dass der Tag bis jetzt nicht der seine war.
Renzo von Flock drehte seinen beleibten Körper auf den Spitzen seiner eleganten handgenähten und sündhaft teuren Budapester Schuhe und ließ sich in den Eames Chair fallen. Kopfschüttelnd sagte er:
„Schmitz, Schmitz, Sie waren mal mein bester Mann."
Auch dieser Gesprächsbeginn ließ nicht wirklich auf einen angenehmen weiteren Verlauf der Unterhaltung hoffen.
„Herr von Flock, was meinen Sie damit?"
„Schmitz, sagt Ihnen der Vorgang Frau von Grauburg etwas?"
Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: „Frau von Grauburg war im Frühjahr bei Ihnen und wollte nach eigenen Angaben eine risikoarme Geldanlage für den Erlös aus dem Verkauf ihres Mietshauses am Stadtrand. Ich habe mir gerade mal ihre Kundenverbindung genauer angesehen, Schmitz, und musste feststellen, dass die Aktien, welche Frau von Grauburg auf ihre Empfehlung gekauft hat, nur noch 53 % des Werts des ursprünglichen Kaufpreises haben. Was glauben Sie, Schmitz, was die Bridgedamen von Frau von Grauburg dazu sagen, wenn sie davon erfahren? Die Damen haben Millioneneinlagen bei uns."
„Herr von Flock, die Aktien sind zwar gefallen, ich bin mir jedoch sicher, dass bei dem breiten Produktspektrum der Firma noch immer Fantasie in der Aktie ist. Bei der Aktie handelte es sich um einen deutschen Automobilzulieferer, welcher durch den Verlust eines Großkunden entscheidende Marktanteile verloren hatte."
„Schmitz, lassen Sie das Gerede. Ich will, dass Sie die Sache schleunigst wieder in Ordnung bringen. Guten Tag!"
In seinem Büro angekommen, fehlte Schmitz nun endgültig die Lust, die Rückrufliste zu erledigen. Er beschloss also, etwas früher auf einen Cappuccino in das kleine Café gegenüber zu gehen.
Er fand einen kleinen Tisch am äußeren Rand der Terrasse und die Kellnerin brachte ihm schnell seine Bestellung, Cappuccino mit aufgeschäumter Milch, ein Croissant und ein stilles Mineralwasser.
Es war ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, knapp 18 Grad Ende Oktober. Er blätterte in einem Magazin für Inneneinrichtung, welches ein Gast am Nebentisch liegen gelassen hatte.
Obwohl er seinen Cappuccino sonst immer ohne Zucker trank, warf er diesmal spontan einen braunen Rohrzuckerwürfel in die dickwandige Tasse. Ein Kaffeespritzer landete auf seiner hellblauen Hermeskrawatte. Er tupfte mit der Serviette etwas Mineralwasser darauf und es gelang ihm, den Fleck zu entfernen.
Er hatte die Krawatte damals nach dem Abschluss seines bankinternen Studiums von seinem Vorgesetzten Dr. Schleus geschenkt bekommen. Dr. Schleus war letztes Jahr, drei Jahre nach seiner Pensionierung, an einem Schlaganfall gestorben. Er hatte ihn gemocht, denn er hatte ihm viel zu verdanken. Er war eine Art Mentor für ihn gewesen.
„Ist der Platz noch frei?" Er sah auf und blickte auf eine hochgewachsene Frau im beigefarbenen Burberry Trenchcoat und großer dunkler Sonnenbrille.
„Ja, bitte." Er las weiter, nur ab und zu fiel sein Blick auf seine Tischnachbarin. Eigenartig, dachte er, als du verheiratet warst, warst du der größte Charmeur, jetzt bist du wieder allein und dir fällt nichts ein, wie du eine schöne Frau ansprechen kannst.
Er trank seinen Cappuccino in kleinen Schlucken und nippte auch am Mineralwasser. Das Croissant tunkte er nebenbei in die Tasse.
Auch seine Tischnachbarin bestellte Kaffee und Mineralwasser. Die Getränke kamen und die Dame zog eine kleine Mappe mit Dokumenten aus ihrer Tasche. Während sie darin las, trank sie Schluck für Schluck ihres Kaffees. Ihr Lippenstift hinterließ deutliche Spuren am Tassenrand.
Ein schrilles Klingeln ließ ihn aufhorchen. Die Dame neben ihm zog ihr Mobiltelefon aus der Handtasche und nahm das Gespräch an.
Er wollte gar nicht lauschen, nur war es anhand der räumlichen Nähe nahezu unmöglich, nichts vom Gesprächsinhalt mitzubekommen.
„… Nein, es läuft alles so, wie du vorausgesagt hast, wir sind uns mit dem russischen Vertragspartner über die Übernahme vollkommen einig. Ja, ja, der Betrieb in Russland hat seit der Privatisierung genügend Liquidität für die feindliche Übernahme. Alle Beteiligten bekommen ein großes Stück vom Kuchen ab."
Plötzlich sah sie auf und ihr wurde klar, dass sie nicht allein war. Er tat so, als bemerkte er es nicht und blätterte gedankenverloren in seinem Magazin weiter.
„Ja, fuhr sie fort, „lass uns nachher beim Essen darüber sprechen. Hol mich um 20 Uhr im Foyer von Brenners Park-Hotel ab … Ja, ich freue mich auch.
Sie klappte das Telefon zusammen und ließ es mit einer raschen Handbewegung in ihrer Hermes Kelly Bag verschwinden. Sie winkte die gestresste Kellnerin an den Tisch und bezahlte. Mit einem kurzen Nicken verabschiedete sie sich und lief durch die Fußgängerzone Richtung Allee.
Er schlug das Magazin zu und überlegte, was ihn mehr fasziniert hatte, die Frau oder die Informationen über eine feindliche Übernahme eines Unternehmens durch russische Investoren. Da er heute Abend nichts vorhatte – es ging ihm in den letzten dreizehn Monaten meistens so – beschloss er, mehr über beide zu erfahren.
Der Rest des Tages in der Bank verlief normal, er lächelte sogar manchmal, was in letzter Zeit selten genug der Fall gewesen war. Die beiden Termine liefen gut, und auch alle Rückrufe erledigte er. Es war kurz vor 17 Uhr, als er den Computer ausschaltete und seinen leichten Mantel überstreifte.
Er kaufte noch ein paar Lebensmittel ein. Nur ein wenig Obst, Espressobohnen, zwei Flaschen stilles Mineralwasser, abgepackten Toast und Erdbeermarmelade. Jürgen Vogel, der Inhaber des Ladens gegenüber der Bank, wünschte ihm einen schönen Abend und reichte ihm die gefüllte Einkaufstüte über den Ladentresen.
Er ging zur bankeigenen Garage und stieg in sein silbernes Porsche Cabrio, welches er nicht mehr lange sein Eigen nennen durfte. Es war kurz nach 18 Uhr, als er die Tür zu seiner 1,
5-Zim
mer-Wohnung im zweiten Stock des Mehrfamilienhauses am westlichen Stadtrand aufschloss.
Obwohl er seit über einem Jahr hier lebte, war es in keiner Weise häuslich oder gemütlich. Im Flur stapelten sich Kisten mit Büchern und Aktenordnern. Möbel hatte er nicht aus dem gemeinsamen Haus mitgenommen. Daher war die Einrichtung eher spartanisch. Eine Matratze, ein Stuhl und Tisch, der sowohl als Esstisch als auch Schreibtisch diente, ein Regal und eine Kleiderstange. Über dieser hingen seine Anzüge und Jacken. Hemden und Pullover hatte er im Regal untergebracht. Seine Wäsche bewahrte er in einer Kommode im kleinen Badezimmer auf. Seine Schuhe standen neben den Umzugskartons im Flur.
Er räumte rasch seine Einkäufe in den Kühl- bzw. Vorratsschrank. Er nahm sich einen Apfel und biss herzhaft hinein. Äpfel schmeckten ihm nur im Herbst und Winter.
Er sah dann nach seinem Anrufbeantworter, auf dessen Display eine rote Zwei blinkte. Er drückte auf die Wiedergabetaste. Sein Anwalt gratulierte ihm zum Ausgang des Scheidungsprozesses, es hätte alles noch viel schlimmer kommen können. War der Mann bei einer anderen Scheidung gewesen? Hätte man ihm noch mehr nehmen können? Zum Beispiel seine nicht unbedingt lebensnotwendigen Organe, die könnte man noch auf eBay zu Gunsten seiner Exfrau versteigern … Er löschte die Nachricht.
Die zweite Nachricht stammte von seinem Vater, der ihm aufmunternde Worte auf dem Band hinterlassen hatte und um einen Rückruf bat.
Nicht mehr heute, dachte er. Er sah auf