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Der gute Ergard und andere Kurzgeschichten: Texte und Mandalas
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eBook244 Seiten2 Stunden

Der gute Ergard und andere Kurzgeschichten: Texte und Mandalas

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Über dieses E-Book

Aus einstigem Unglück und Ungemach heraus gelangte der Protagonist der Erzählungen auf die Sonnenseite des Lebens und hat deswegen mit seiner Ehefrau, weil sie die Not kennen, ein Herz für die Armen, Schwächeren und Leidenden, die sie unterstützen und fördern. In einigen weiteren, teilweise mit Gedichten garnierten Erzählungen werden größere und kleinere Probleme dargestelllt, die wohlhabende Menschen mit dem Reisen haben, sei es ein Diebstahl oder ein fast unauffindbares Fahrziel mit dem Automobil, aber auch ihre Freude an den Sehenswürdigkeiten am Urlaubsort. Das Werk macht sich stark dafür, dass den Wohlstand nur genießen sollte und kann, wer sich auch der Leidenden annimmt.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum23. Dez. 2019
ISBN9783750465312
Der gute Ergard und andere Kurzgeschichten: Texte und Mandalas
Autor

Stephan Kessler

Der Autor Stephan Kessler ist 1947 in München geboren, wo er auch lebt. Der gelernte Speditionskaufmann arbeitete unter anderem auch beim Freistaat Bayern. Von Jugend an schreibt er Gedichte und machte Lichtbilder, mit denen er seine Bände illustriert. Diesen Band gestaltet er mit seinen Mandalas aus. Er befasst sich auch mit Computerkunst und der Gesangskunst als Solist und im Chor. Literarische Prosatexte verfasst er erst in neuerer Zeit. Seine Werke sind begründet auf seiner Lebenserfahrung.

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    Buchvorschau

    Der gute Ergard und andere Kurzgeschichten - Stephan Kessler

    Inhaltsverzeichnis

    Abbildung Titelseite: „Pastellharmonie"

    JULIA

    Ein ungewöhnlicher Mensch

    Die Menschenseele

    ‚Das Kind‘ hat einen Namen

    Sag ja!

    Mit neuen Augen

    Ein weiterer Vorschlag

    Eine tolle Idee

    Abbildung 1: „Im Kreis".

    Zwei Wünsche

    Magenschmerzen

    Sympathisch

    Rollenspiel

    Hinkebein

    Gefunden

    Dank

    Abbildung 2: „Zur Mitte hin"

    REGIONALEXPRESSRE31036

    DERGUTEERGARD

    VERIRRT, Kurzform

    VERIRRT, Langform

    Abbildung 3: „Pastellharmonie"

    AUFERSTEHUNG

    DIE (SCHEIN-)HEILIGE EWIGE STADT, Langform

    Gruß vom Petersplatz zu Rom

    Abbildung 4: „Sternblüten"

    DIE (SCHEIN-)HEILIGE EWIGE STADT, Kurzform

    Gruß vom Petersplatz zu Rom

    Abbildung 5: „Rotgelbharmonie"

    VERSCHULDET?

    SERVUSFOTOGRAFIE! Wie ich ein Hobby verlor und ein neues hinzugewann

    Abbildung 6: „Vielfalt".

    KINDHEITS-UND JUGENDERINNERUNGEN

    Einleitung

    BIS ZUM 5. LEBENSJAHR

    Geburt

    KINDHEITSKRANKHEITEN

    Hüftgelenksentzündung, Kinderlähmung, Leistenbruch

    Eitrige Hüftgelenksentzündung

    Kinderlähmung (Polyemilitis)

    Leistenbruch

    Im Kindergarten

    6. BIS 12. LEBENSJAHR

    Als Volksschüler in der Amalienschule

    In der Schola von St. Ludwig

    Abbildung 7: „Lilasterne"

    Schlittenfahren

    Im Paddelboot

    Der Christbaum brennt!

    Mähmaschinenunfall

    JUGENDGRUPPE „JUNGSCHAR" UND MINISTRANT

    Ministrant von St. Ludwig

    Erste Fahrradreise

    Unliebsame Erinnerung.

    13. BIS 16. LEBENSJAHR

    Mitglied des Knabenchors der Benedktinerabtei Scheyern und der „Euterpe"

    WOLFERKAM

    Baumhaus mit Michel

    Tischfußball „Tipp-Kick"

    Dreikönigssingen

    Abbildung 8: „Rotblauorangegelb"

    Predigen...

    „PLEITEN, PECH UND PANNEN"

    Schiedsrichterkurs

    Kampfrichter

    Segelschule am Steinhuder Meer, westlich von Hannover, Segelkurs

    „TANTE" JOHANNA UND VICKEL

    „Tante" Johanna

    Vickel

    UNHEIMLICH

    ENDE DER WELT? ENDE DER WELT!

    Abbildung 9: „Inzell"

    WANDERPAUSEN ZU RUHPOLDING, Langform

    Schönen Urlaub!

    Wanderpausen zu Ruhpolding - Hymnus auf des Höchsten Werk -

    Spaziergang in Ruhpolding, verzögert nachempfunden

    AUS DEM LEBEN EINES SCHLAFHUNDES.

    Abbildung 10: „Rustikal (Ruhpolding)"

    EIN SCHIER UNGLAUBLICHES ERLEBNIS. WANDERPAUSEN ZU RUHPOLDING, Kurzform

    Schönen Urlaub!

    Wanderpausen zu Ruhpolding - Hymnus auf des Höchsten Werk -

    Spaziergang in Ruhpolding, verzögert nachempfunden

    Abbildung 11: „Rotgelbgrün"

    NACHWORT

    JULIA

    Eine phantastische Kurzgeschichte

    Ein ungewöhnlicher Mensch

    Vor nicht langer Zeit lebte einmal am Rand einer Großstadt am Flusse Isar ein älteres Ehepaar. Der Mann hieß Andreas, seine Frau Else. Sie waren etwa gleich alt und führten ein ruhiges Leben. Er arbeitete im Zentrum und Else in einem Restaurant nahe dem gemeinsamen Reihenhaus. Es bot Platz für fünf Zimmer; zwei waren für Gäste.

    In Else, einer außergewöhnlichen, körperbehinderten Frau schlugen zwei Herzen in der Brust. Das eine für Schwache, körperlich und seelisch Benachteiligte, für Menschen, die mit dem Leben ihre liebe Mühe hatten. Das andere Herz schlug für Menschenseelen, die zwar ihren Körper abgestreift haben, sich aber einem Dasein in unserer Welt nicht haben entziehen können, weshalb auch immer. In Bezug auf sie war sie befähigt, wortlos zu kommunizieren.

    Andreas hingegen tat sich beim Stehen und beim Gehen schwer und litt an der Seele. Else konnte ihn schon deshalb seit Anbeginn ihrer Beziehung umso besser verstehen.

    Die Menschenseele

    Schon sehr bald sollte sich in Elses und Andreas´ Leben etwas unerwartet Spannendes ereignen, denn es sollte ihnen jemand begegnen, von dem sich Andreas schwerlich ein Bild zu machen vermochte.

    Eines Abends saß das Ehepaar im Wohnzimmer und sah sich im Fernsehen einen Film an. Er hieß „Erscheinungen aus dem Jenseits" und handelte von Wesen, besser gesagt von Erscheinungen, die ohne Körper auf die Welt kamen, um eine Aufgabe zu erfüllen. Sie konnten solange nicht ins Jenseits zurückkehren, bis sie ihre Pflicht erfüllt hatten.

    Plötzlich – der Film war in vollem Gange – sagte Else, es sei jemand an der Haustür.

    „Sieh doch mal nach, wer da ist!" bat sie Andreas.

    „Es tut mir leid, ich hörte nichts! Bist du sicher?"

    „Ja, absolut. Sieh, bitte, nach!"

    Er stand zweifelnd auf und ging die Haustür öffnen, konnte aber niemanden sehen.

    „Wer ist da? fragte er in die Leere. „Else, hier ist wirklich niemand, keine Menschenseele!

    „Doch, Andreas, gerade eine solche ist dort! Nämlich die junge Frauenseele Julia! Ich lernte sie schon heute Nachmittag im Park kennen. Ich las gerade die Vorschau auf den Film, den wir jetzt ansehen. Bitte sie herein, ich schalte inzwischen den Fernseher aus!" rief Else aus dem Esszimmer.

    Andreas, immer noch zweifelnd an dem, was Else sagte, glaubte zu spüren, wie jemand an ihm vorüberging. War da nicht ein leiser Lufthauch? Instinktiv wich er zur Seite und schloss die Haustür hinter sich.

    Er stand wie zum Denkmal versteinert da mit weit aufgerissenem Mund und traute seinen Sinnen kaum. Er war ziemlich misstrauisch geworden. Wie sollte urplötzlich eine junge Frauenseele „vorhanden" sein? Was er nicht sah oder fühlte, konnte er sich nur schwerlich vorstellen. Wollte ihn Else auf den Arm nehmen oder war es seine Unfähigkeit, eine Seele wahrzunehmen, so wie es Else ja konnte? Gewiss, Else hatte einen besonderen Draht zu den Menschen, ja sogar zu einer unsichtbaren Seele. Das wusste er schon. Doch war es ihm nicht bewusst, hatte es vergessen, zumal er noch nie zugegen war, wenn Else von ihrer ganz besonderen Fähigkeit Gebrauch machte. Er entschloss sich also, Else zu vertrauen, denn er liebte sie ja. Er durchquerte schließlich die Diele, schloss die Tür und setzte sich an den Esstisch, in der Annahme, der Unsichtbaren gefolgt zu sein.

    „Komm, nimm hier Platz, Julia! Was führt dich zu uns, und woher kommst du?" fragte Else, nachdem sie Julia den freien Platz neben sich zugewiesen hatte.

    Else nutzte nun ihre Fähigkeit, nicht nur Julia, die unsichtbare Seele, sondern auch alles, was Julia bewegte, wahrzunehmen und begann, gewissermaßen als Dolmetscherin, als Medium zwischen Julia und der Umwelt zu vermitteln. So sehr sich Andreas bemühte, er konnte seine Zweifel nicht gänzlich unterdrücken.

    Else antwortete für Julia: „Sie sagt, sie sei in der Hoffnung zu uns gekommen, wir würden ihr helfen."

    Als sie vermuteten, dass sich Julia zu den beiden gesellte, dünkte ihnen, das Knarren des Stuhles neben Else zu vernehmen. Else und Andreas begannen, sich mit Julia zu unterhalten, wobei Else zwischen Julia und Andreas vermittelte. Else begann: „Erzähl uns doch, Julia, was dich zu uns führt!"

    Else gab das, was Julia ihr bedeutet hatte, nun wieder: „Julia sagt, seit dem Tod ihres Körpers vor zwei Jahren sei sie auf der Wanderschaft. Sie könne dem Diesseits nicht entfliehen. Eine große Last liege auf ihr, die sie hier festhalte. Julia bittet uns, ihr zu helfen, diese Last loszuwerden!"

    Andreas entgegnete: „Wie können wir dir helfen?"

    Else erzählte Andreas, was Julia bewegte: „Sie glaube, sagt Julia, die Last bald vermindern zu können, wenn wir uns mit Liebe in sie einfühlten. Wir müssten leider das Versagen anderer an ihr wieder gutmachen."

    Andreas fragte: „Worin bestand das Versagen der anderen, Julia?"

    Else fuhr fort, Julia zu interpretieren: „Als Mensch sei sie geächtet worden, sagt Julia, wie ein streunender Hund, den niemand wolle, ihre Seele geschunden und zutiefst verletzt. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern habe sie kaum ein richtiges Zuhause gehabt. Immerzu habe sie ein warmes Nest gesucht, Geborgenheit und Liebe."

    „Was, warf Else ein, „hätte dir da herausgeholfen, Julia?

    Else weiter: „Julia antwortet, es hätte für sie ein großes Glück bedeutet, wenn jemals irgendwer ein noch so kleines Glück mit ihr geteilt hätte. Die Menschen jedoch, auf die sie getroffen sei, wären entweder mit sich selbst zu sehr beschäftigt gewesen oder aber hätten miteinander gestritten, seien vor ihren Computern oder ihren Fernsehgeräten gesessen und hätten keine Zeit und Lust zu Gesprächen gehabt. Sie hätten ihr von den wenigen Rosinen, die das Leben ließe, nichts abgeben wollen."

    Nach einer kurzen Pause, in der Else sich räusperte, fuhr sie fort: „Julia berichtet weiter, es sei ihr so fast nur Leid geblieben, allem voran ihre spastische Lähmung. Durch diese Behinderung sei sie offenbar allen zur Last gefallen. Wie ein schlechtes Gewissen sei sie verdrängt, gemieden, ja ignoriert worden. Oder aber die Leute wären ins Gegenteil verfallen und hätten ihre Köpfe nach ihr umgewandt oder auf ihre Beine gestarrt, als sei sie eine Sehenswürdigkeit."

    Andreas meldete sich an dieser Stelle zu Wort und sagte: „Genau so geht es auch mir oft! Was, denkst du, Julia, veranlasst die Leute dazu, was mich manchmal sehr verletzt?"

    „Vielleicht, fuhr Else fort, Julias Antwort wiedergebend, „wären sie ihren Gedanken nachgehangen. Aber das habe mehr gekränkt, als ein Übersehen. Freilich habe es sich nach ihrer jeweiligen seelischen Verfassung gerichtet, wie sie es empfunden habe. Sie wäre ungemein mühsam gegangen, sagt sie. Deshalb sei sie häufig, vor allem von Kindern, verlacht worden. Julia würde sich reich beschenkt fühlen, könnte sie sich bei uns erholen. Sie schließt mit der Frage, ob wir einverstanden seien.

    Nach einer Pause des Nachdenkens wandte sich Else direkt an Julia: „Du kannst gern hier bleiben, bis du keine Hilfe mehr zu brauchen glaubst! und fuhr fort: „Sag mal, Julia, was meinst du damit, wenn du sagst, auf deiner Seele liege eine große Last, die dich hier festhalte?

    „Sie selbst, fuhr Else fort, Julia wiederzugeben, „könne das nicht wissen. Doch sie sei öfter zu einem Arzt, einem wirklichen Freund, zu Gesprächen gekommen. Der habe gemeint, durch all die Kränkungen, seelischen Verletzungen, Misshandlungen, Grausamkeiten, Hänseleien habe sie sich so sehr an etwas in sich selbst geklammert, ja sich vollkommen verkrampft, dass ihr Innerstes, bildhaft gesprochen, vollkommen verknotet wäre. Irgendwo müsste doch jeder Mensch einen Halt im Leben finden. Da ihr dies mittels schöner Dinge wie Hobbys oder lieber Menschen nicht habe gelingen können, habe sie eben ohne Hilfe von außen versucht, in sich selbst Halt zu finden, sagte Else.

    Else richtete folgende Frage an Julia: „Was, meinte denn der Arzt, hätte dir helfen können? Else fuhr fort: „Sie wäre dann, berichtet Julia weiter, ‚befreit‘, habe der Arzt gemeint, wenn sie endlich über längere Zeit immer wieder durch Liebe, Verständnis, seelische Wärme zunächst gestützt, dann gestärkt und gefestigt worden wäre. Dadurch könnte sich ihr Innerstes entkrampfen, entspannen, also der innere Knoten auflösen. - Julia fragt abschließend, ob sie sich verständlich ausgedrückt habe.

    „O ja, sehr", entgegnete Andreas, der Else aufmerksam und gespannt zugehört hatte.

    Aber immer noch zweifelte Andreas insgeheim daran, ob eine Julia auch wirklich anwesend war. Sehr gut hätte doch Else all diese Gespräche auch erfinden können...

    ‚Das Kind‘ hat einen Namen

    Es trat Schweigen ein. Dann erkundigte sich Andreas bei Julia:

    „Weshalb hast du die Gespräche bei dem befreundeten Arzt nicht fortgesetzt?"

    Sie gab durch Else zur Antwort: „Mir fehlten die Mittel. Er verlangte ohnehin für die Therapie fast nichts. Ich bin aber froh und dankbar, dass er mir das Gesagte mitgeteilt hatte. Das kommt mir wahrscheinlich jetzt zugute. Zumindest hatte ‚das Kind‘ jetzt einen Namen."

    Andreas nickte: „Jetzt wissen auch wir, was dir fehlt."

    Schließlich sprach Else zu Julia: „Du bekommst das Gästezimmer im ersten Stock. Ich begleite dich hinauf. Du wirst dich sicher heimisch fühlen. Selbstverständlich kannst du, wann immer wir Zeit haben, die Tage mit uns verbringen. Komm einfach zu mir, wenn du Ansprache brauchst. Ich sag´ es dir schon, wenn es nicht geht."

    „Vielen Dank!" erwiderte Julia. Else führte sie hinauf.

    Sag ja!

    In den Tagen, nachdem Julia zu Andreas und Else ins Haus gekommen war, ‚erschien‘ die Unsichtbare oft bei ihren Gastgebern im Wohnzimmer. Wegen ihres großen Nachholbedarfs brauchte sie viel Ansprache.

    Sie machte den beiden keine Arbeit, denn sie benötigte ja nur Menschlichkeit und Zuwendung und einen Raum, in dem sie sich aufhalten konnte. Bekanntermaßen aß und trank sie nicht, benutzte niemals die Toilette und machte, da sie vollständig unsichtbar und nicht greifbar war, auch nichts schmutzig und nutzte nichts ab. Manchmal jedoch schien Andreas, der noch immer nicht gänzlich von seinen Zweifeln befreit war, Druckspuren auf dem Bett wahrzunehmen. Es war, als hätte sich ein Vogel ins Zimmer verirrt und für einen winzigen Augenblick Ruhe auf dem weißen Leinen gesucht, ehe er wieder in den blauen Himmel entfloh...

    In der nun folgenden Zeit kam Julia immer öfter darauf zu sprechen, wie sehr die Kränkungen und Verletzungen bezüglich ihres körperlichen Gebrechens ihr zusetzten und sie kränkten.

    „Damit komme ich immer noch nicht zurecht, dass die Leute mich wie einen Fußabstreifer behandelt haben. Ich war doch behindert. Darauf hätten sie Rücksicht nehmen müssen!" begann Else für Julia eines dieser Gespräche.

    Else entgegnete: „Wie stehst du selber eigentlich zu deiner Behinderung?"

    „Für mich ist es ein großes Übel, eine übergroße Last, die mich sehr bedrängt." antwortete Else für Julia.

    Else fuhr fort: „Ich verstehe es, dass du deine Behinderung noch immer ablehnst. Das führt dazu, dass du innerlich verspannt bist. Um jedoch locker zu sein, versuche einmal ja zu deiner Behinderung zu sagen! Sie gehörte zu dir, war gleichsam ein Teil von dir. Lade sie doch bei dir ein als deinen Geliebten, deine Gespielin, deinen Lebensgefährten! Stelle vor sie ein großes JA! Verschmelze mit ihr zu einer Einheit! Sag ja zu deinen kranken Füßen, aber auch zu all den Ängsten, die du ihretwegen hattest! Sag ja zu all Deinen Schwächen und Stärken und zu dir! Auch deine Behinderung war ein Teil von dir!"

    „Gern würde ich das tun, wenn ich das nur könnte. Wie stellst du dir das vor, Else?" wandte Julia mittels Else ein.

    „Ich versuche, es dir klar zu machen. Dein Gebrechen gehörte zu deiner Lebensaufgabe, die wohl darin bestand, ja zu sagen zu deiner Schwäche und mit ihr in Harmonie zu leben. Aber auch aus ihr Kraft zu schöpfen und den Sinn des Lebens neu zu bestimmen."

    Hier unterbrach Julia Else erneut.

    „Else, worin, denkst du, könnte der Sinn meines Lebens bestehen?" gab die Befragte selbst Julia wieder.

    „Durch deine spastische Lähmung gehörst du zu den Privilegierten, den Bevorzugten, die sich diese Frage vor allen anderen vielleicht am besten beantworten können. Du bist in der Lage, die innere und äußere Welt mit Sicherheit bewusster wahrzunehmen und ihr näher sein zu können als die meisten Nichtbehinderten. Wenn du nur dazu bereit bist, deine Chance zu nutzen. Solche Menschen sind oft tief religiös. Sie fragen nicht: ‚Warum gerade ich?‘ Sie wissen, ihr Kreuz, ihr Leid zu tragen, denn es ist ihre Lebensaufgabe. Sie finden Trost und Halt in ihrem Glauben. Freilich ist nicht jeder religiös. Sie lernen aber alle das Leben schätzen, haben sie es einmal angenommen, so wie es ist, und die Depressionen bereits weitgehend überwunden. Sie sind dankbar für jeden neuen Tag und freuen sich des Lebens

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