Die Heilige vom Sperrmüll
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Über dieses E-Book
Eine facettenreiche Geschichte über die Bewohner einer Hochhaussiedlung, die sich zusammentun, weil sie ihr Umfeld verbessern wollen.
Außer Rosie sind da noch der türkische Bergmann Alkim, die Krankenschwester Renate, die verletzte Tänzerin Anna, der Sänger auf dem Dach ... und etliche andere.
"Du vermittelst gut mit dem mosaikartigen Einblick, den Du erzählend in das Leben verschiedener Bewohner einer Hochhaussiedlung gibst, eine Mischung aus realistischen 'Milieuschilderungen' und inneren Stimmen, von harten Schicksalen und dem Hoffnungsschimmer rund um einen gemeinsam angelegten Garten."
Karin Fellner (Literaturwissenschaftlerin/Lektorin)
Friedel Weise-Ney
Friedel Weise-Ney, von Beruf Ärztin, versucht seit der Kindheit, ihre Welt mit Hilfe der Malerei und Lyrik zu begreifen und zu interpretieren. Zwischenmenschliches und Begegnungen mit der Natur bewegen sie, hinterlassen Spuren, rufen Bilder hervor, die herauswollen.
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Buchvorschau
Die Heilige vom Sperrmüll - Friedel Weise-Ney
Friedel Weise-Ney ist Ärztin, Lyrikerin, Autorin und bildende Künstlerin (Malerei und Fotografie). Gedichte, Texte und Bilder von ihr sind in Anthologien und Bildbänden erschienen.
Einzelwerke: „Gabriels Himmel, Shaker Media, Aachen 2018; „Neue Beine für Schneeweisschen, Arzt-Patientengeschichten
, einhard Verlag, Aachen 2017.
Lyrikband: „Gebunden an den Lebensbaum ersehnen wir uns Flügel", BoD, Norderstedt 2016.
Für die Geschichte „Rattenfänger aus dem Buch „Neue Beine für Schneeweisschen
erhielt sie 2017 den ersten Preis zum Reformationsgedenkjahr von Kirche und Kultur Wiesbaden.
Sie ist Mitherausgeberin von zwei Anthologien.
Arbor vitae
unter der Rinde
die Schatten der Nächte
weben
eingeritzt in die Borke
wie in die Haut
Ängste
vergangener Zeiten
reißen Wunden auf
doch
manchmal wachsen
uns Flügel
Friedel Weise-Ney
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Die Häuser
Rosie
Ina
Der Sänger
Mani
Rosie
Alkim
Der Sänger
Alkim
Mani
Anna
Schwester Renate
Rosie
Anna und die Heilige
Ina
Renate
Alkim
Ina
Die heilige Barbara
Vorwort
Das erste Hochhaus, das ich als Kind kennenlernte, gehörte der französischen Garnison, oder wie die Eltern sagten: „der französischen Besatzungsmacht" in unserer kleinen Stadt. Dort wohnten die Familien der französischen Soldaten. Wir Kinder schlichen uns hinein und fuhren mit dem Fahrstuhl immer rauf und runter, ich glaube es waren zehn Stockwerke. Die Aussicht war phantastisch, wir konnten die Straße erkennen, in der wir wohnten, die Kastanienallee, den Schlachthof und das Dach des Krankenhauses. Wir machten unsere Fahrstuhlfahrten so lange, bis wir Hausverbot erhielten.
1982, als es noch zwei deutsche Staaten gab, musste ich in West-Berlin einen dreimonatigen Fortbildungskurs absolvieren. Ich hatte Glück und erwischte ein kleines Einzimmerapartment im elften Stock eines Hochhauses. Das Zimmer war spärlich möbliert, die Wände rostrot gestrichen, ohne Bilder. Ich musste auf einem harten Sofa schlafen, es gab weder Radio noch Fernseher. Vom Fenster blickte ich auf eine dunkle Industrieanlage, deren Rauch den Himmel noch grauer färbte, als er schon war in diesem regnerischen November.
An den Wochenenden fuhr ich in vollbesetzten, verqualmten Zügen nach Hause, nach Hamburg. Die Schaffner und Grenzbeamten hatten meine Sprache, vielleicht die gleiche Abstammung, denn mein Großvater väterlicherseits stammte aus Halle, und meine Mutter war auch irgendwo im Osten geboren worden, aber es kam mir so vor, als wären sie doch andere Menschen, ihr Ton, ihr Blick war strenger.
Vielleicht verändert auch das Leben in einem Hochhaus die Menschen? Sie leben wie in einem Ameisenhügel, dicht an dicht. Hören und riechen sich, stolpern über den Dreck der andern, gewöhnen sich mehr oder weniger an das Leben dort oder verzweifeln daran.
Selten traf ich in dem Berliner Hochhaus jemanden auf dem Flur. Man muss sicher selbst etwas tun, um mit den Mitbewohnern in Kontakt zu treten, dachte ich und klingelte zu unterschiedlichen Zeiten an den Nachbarwohnungen, um mich vorzustellen. Niemand öffnete, das Haus wirkte verlassen. Ich fühlte mich unwohl, hatte sogar Angst.
Auf einem der vielen Flohmärkte kaufte ich ein großes altes Ölgemälde, eine Landschaft mit gelber Blumenwiese, in der Mitte eine Eiche unter einem blauen Himmel. Das Bild hatte einen dicken Goldrahmen, ich nagelte es an die Wand, da schien die Sonne im Zimmer!
Auf diese Hochhauserlebnisse folgten noch viele weitere. Als Allgemeinmedizinerin war ich in verschiedenen Hochhäusern zu Krankenbesuchen. Leider hatte ich wenig Zeit, die Aussichten von dort zu genießen. Ich war froh, wenn ich die richtige Klingel im Eingangsbereich und die richtige Wohnungstür erwischte. Damals gab es keine Handys, mit denen man eben mal anrufen konnte, wenn zum Beispiel die Namensschilder unleserlich waren. Ich war auf die Mithilfe der Nachbarn angewiesen und auf funktionierende Telefonzellen in Hausnähe. In einigen Hauseingängen lungerten Betrunkene und lärmende Jugendliche herum, auch Drogenabhängige und Prostituierte saßen oder standen dort. Ich hatte Angst um meinen Arztkoffer, der Medikamente und Spritzen enthielt. Einige Arztkollegen und Krankenhauswagen waren Opfer von Raubüberfällen geworden.
Auf den folgenden Seiten begegnen Ihnen, liebe Leser, Menschen einer Hochhaussiedlung, die ich kennenlernen konnte, die es vielleicht noch gibt. Sind sie etwas Besonderes? Ich glaube, schon.
Ihre Friedel Weise-Ney
Aachen, im September 2019
Gerda Warning-Rippen – „New York"
Die Häuser
Hinterm Parkplatz des Supermarkts stehen fünf Wohnblocks, einige von ihnen sind sechs Stockwerke hoch. Die Häuser sind erst fünfzehn Jahre alt, sehen aber aus, als wären sie schon vor vierzig Jahren gebaut worden. Vor den bunten Graffitiwänden liegt ein großer Berg kaputter Matratzen, defekter Elektrogeräte und ausgedienter Möbel.
Vor Haus 2 stehen Pflanzenkübel auf einem Handkarren. Daneben machen zwei Frauen merkwürdige Bewegungen. Schaufeln sie Erde? Tatsächlich, sie drehen dabei ihre Oberkörper wie Insekten, wie riesige Ameisen.
Die Frau, die den Spaten mit einem Stiefeltritt in die Erde rammt, mit dem gelben Plastiksack in der Hand ist Mani, die ewige Studentin. Und die andere Schaufelnde daneben ist Anna, die ehemalige Tänzerin, sie spricht gerade mit dieser Rosenfrau, die sich selbst Rosie nennt. Auf einer leeren Holzkiste sitzt noch jemand, sie sieht aus wie Schwester Renate, die hier von ihrer schmalen Rente leben muss.
Anna zeigt mit ihrem Spaten erst aufs Dach, dann auf die Erde, so als würde sie etwas von oben nach unten holen. Mani lehnt ihren Spaten an die Hauswand, bückt sich und ergreift etwas vom aufgegrabenen Boden, das sie den anderen zeigt.
„Wir haben Knochen gefunden", ruft sie dem vorbeigehenden Mann vom Hausmeisterdienst zu. Er wohnt auch in einem der Häuser. Einige behaupten, er sei der Sänger vom Dach. Der Mann kann nicht ganz normal sein. Wer singt schon auf einem Dach?
„Schauen Sie mal, sind es vielleicht Menschenknochen?, fragt Mani, „ich werde nachher Ina fragen, ob sie die Knochen ihrem Vater zeigen kann, der ist Arzt.
„Kann sein", antwortet der Mann beim Anblick eines schmalen Knochens und