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Tödliche Gerüchte: Tödlicher Reichtum und Tod am Nussbaum
Tödliche Gerüchte: Tödlicher Reichtum und Tod am Nussbaum
Tödliche Gerüchte: Tödlicher Reichtum und Tod am Nussbaum
eBook437 Seiten5 Stunden

Tödliche Gerüchte: Tödlicher Reichtum und Tod am Nussbaum

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Über dieses E-Book

Freuen Sie sich mit diesem Krimi Sammelband auf doppelte Spannung! Dieses eBook enthält die beiden Regionalkrimis aus Österreich „Tödlicher Reichtum“ und „Tod am Nussbaum“ von Lore Macho:

Tödlicher Reichtum:
Die Dorfbewohner von Klein Schiessling leben in Ruhe und in Frieden in ihrem schönen Ort, der umgeben ist von Weinbergen und einem Waldstück, welches aber nun an den Steinbruchbesitzer Giselbert Knaller abgetreten werden soll. Um dieses Ziel zu erreichen, linken die Gemeindevertreter die Dorfbewohner. Dies trägt allerdings zur Entzweiung der Bevölkerung von Klein Schiessling bei. In dieser aufgeheizten Atmosphäre finden zwei Wanderer eine männliche Leiche im Wald.

Tod am Nussbaum:
In Klein Schiessling herrscht Aufregung. Das frisch vermählte Paar Marie und Franz Oberer finden den Gemeinderat Huberbauer am Tag ihrer Hochzeit auf dem Nussbaum erhängt. Kaum beginnt die Polizei mit ihren Ermittlungen, wird der nächste Gemeinderat in der Kirche mit einem Hirschfänger erstochen. Die Einwohner sind überzeugt: ein Politikermörder geht um. Wieder ermitteln der cholerische Inspektor Julius Schreiner und der besonnene Sepp Tauber - zwei Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Die Österreich-Krimis aus dem Federfrei Verlag garantieren Spannung und Lesevergnügen!

SpracheDeutsch
HerausgeberFederfrei Verlag
Erscheinungsdatum2. Dez. 2019
ISBN9783990740811
Tödliche Gerüchte: Tödlicher Reichtum und Tod am Nussbaum
Autor

Lore Macho

Lore Macho lebt mit ihrem Mann seit 1987 in dem kleinen Weinort Straning, nahe Eggenburg (NÖ), wo Wein- und Waldviertel ineinander übergehen. Nach dem Besuch der Handelsschule und einigen Jahren der Tätigkeit als Sekretärin absolvierte sie 1974 die Sommerakademie für Malerei in Sirmione und ist seit dieser Zeit freischaffende Malerin. Neben dem Malen gilt ihre große Freude dem Schreiben. Bisher wurden von ihr drei Bücher zum Thema Malen veröffentlicht sowie ihre Dorfkrimis im Verlag federfrei.

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    Buchvorschau

    Tödliche Gerüchte - Lore Macho

    3

    Tödlicher Reichtum

    Kapitel 1

    Im sanft hügeligen österreichischen Weinviertel liegt, von Weinbergen umgeben, Klein Schiessling, ein niedliches, verschlafenes Dorf, an dessen Bewohnern die Zeit vorübergegangen ist, ohne sie auch nur im Geringsten zu streifen. Mitten im Ortszentrum ragt der Turm einer gepflegten und gut erhaltenen barocken Kirche aus dem 18. Jahrhundert empor. Weiters befinden sich in diesem Ort ein Gemeindeamt, ein Gebäude der freiwilligen Feuerwehr, ein Sportplatz, eine Volksschule, ein Dorfwirtshaus sowie eine Vorrangstraße, die im Nichts endet, dafür aber einer Straße in den Nachbarort den Vorrang nimmt.

    Eines Tages stand ganz plötzlich ein einschlägiges Straßenschild an der Abzweigung, jedoch keiner der Gemeindebürger schert sich darum. Man weiß nicht, warum das Schild aufgestellt wurde, und fährt deshalb nach wie vor so, wie man es seit eh und je gewohnt ist.

    Ein schöner und gepflegter Gemeindewald schließt sich am südwestlichen Ende des Dorfes an und wird von den Bewohnern gerne zu Spaziergängen mit der ganzen Familie, meist sonntags, genützt. In dem überaus friedlich scheinenden Dorf gibt es außerdem eine romantische Kellergasse, die von der Hauptstraße weg leicht bergauf führt und von großen alten Nussbäumen gesäumt ist. Sie schlängelt sich in einer sanften Kurve über die Bahngleise einer Regionalbahn, und nach weiteren fünfzig Metern machen die mehr oder weniger gut erhaltenen Weinkeller kleinen, aber netten Einfamilienhäusern mit gepflegten Vorgärten Platz.

    Vor einem Heurigenlokal, das fallweise geöffnet hat, fristet eine alte, ausgediente Weinpresse ihr Schattendasein, und ein paar seit Jahrzehnten unbewohnte und langsam vor sich hin gammelnde Häuser im Ortskern von Klein Schiessling stören auch niemanden. Selbst an die hat man sich unterdessen gewöhnt, sie dürfen sogar mit offizieller Genehmigung der Gemeinde ihrem Ende entgegenfaulen.

    Ebenso gewöhnt hat man sich bisher an alle klein und groß karierten Entscheidungen der hochverehrten Gemeindevertreter, weil man diese ohnehin nicht ändern kann und deshalb lieber gleich ignoriert. Dorfboss dieses bisher vom rasanten Fortschritt verschont gebliebenen Ortes ist Bürgermeister Alfons Pummerl. In seinem Längenwachstum wurde er zwar von der Natur sehr vernachlässigt, was er jedoch, sich seiner gewichtigen Position in der Öffentlichkeit bewusst, durch Breitenwachstum kompensiert hat. Seine Hängebäckchen schwabbeln bei jedem Wort, und seine vom vielen Weinverkosten gerötete Nase erspart ihm in der Nacht auf dem Heimweg vom Wirtshaus die Taschenlampe. Seine liebe Frau Gemahlin sieht ihm sehr ähnlich.

    Die Männer dieses Ortes gehen ihren kleinen Freuden nach, wenn nicht gerade Arbeiten in den Weinbergen anstehen, und die Frauen kochen daheim ihren Schweinsbraten. Es scheint, als wäre über das gesamte Dorf eine Käseglocke gestülpt worden, die alles, was nicht für die Bevölkerung von unmittelbarem Vorteil ist, fernhält.

    Hier hat sich das Rädchen der Zeit in den letzten Jahrzehnten kaum weitergedreht, hier ist sie stets behutsam über die Weinberge und damit außen um den Ort herumspaziert.

    Doch wie so oft trügt auch hier der Schein.

    Seit Langem brodelt es unter der Dorfbevölkerung, und Grund dafür ist der nahe gelegene Steinbruch. Giselbert Knaller, Besitzer dieses Steinbruches, will seinen Betrieb erweitern und versucht deshalb schon seit Jahren, bei den umliegenden Gemeinden an Grundstücke heranzukommen, die er nach und nach roden und absprengen kann, um zu dem von ihm heiß begehrten Granit zu gelangen. Da sich diese Gemeinden zum Wohl ihrer Bürger aber strikt weigerten, dem Knaller auch nur einen Quadratzentimeter ihres kostbaren Grundes zu opfern, ließ dieser vernehmen, dass er dann eben sein Glück bei den Klein Schiesslingern versuchen würde.

    Aus diesem Grund hat er die Gemeindevertreter von Klein Schiessling so lange bearbeitet, bis diese nichts mehr entgegensetzen konnten und einer Verpachtung ihres geliebten und gern genutzten Waldgrundstückes zustimmten. Damit war die Angelegenheit entschieden, und der Steinbruch konnte erweitert werden. Eine über die Köpfe der Dörfler hinweg getroffene Entscheidung des Bürgermeisters hat das Kraut fett gemacht. Dass man dadurch den Dorfbewohnern ihren Wald genommen hat, den sie zu Spaziergängen und Wanderungen benützen, scherte niemanden, weil scheinbar alle Verantwortlichen gegen Naturschönheiten und gute Luft immun sind. Hauptsache, die Kasse klingelt. Und dass sie dies tun wird, wurde den Gemeindevertretern vom Steinbruchbesitzer nicht nur versprochen, sondern schriftlich zugesagt. Doch die für den Abbau erforderliche behördliche Genehmigung ist noch ausständig. Viele der Gegner haben sich vehement zur Wehr gesetzt, um diese Riesenschweinerei zu unterbinden.

    Und genau das hat die Bevölkerung in zwei Lager gespaltet. In die Befürworter, das waren jene Bürger, die dem Bürgermeister mitsamt seinen Gemeinderäten in irgendeiner Form verpflichtet waren, und jene, die ihre Entscheidungen frei und unabhängig treffen konnten.

    Zu einer Pro-forma-Abstimmung über die Verpachtung des Gemeindewaldes an den Steinbruchbesitzer, von Bürgermeister Pummerl höchstpersönlich ins Leben gerufen, man wollte sich schließlich keinerlei Versäumnisse vorwerfen lassen, wurden dann wohlweislich nicht nur die unmittelbar betroffenen Dorfbewohner von Klein Schiessling in die Abstimmungslokale gerufen, sondern auch jene aus drei weiteren Orten, welche kilometerweit von Klein Schiessling entfernt liegen, jedoch, politisch gesehen, zur Großgemeinde gehören. Da den meisten dieser entfernt liegenden Bewohner sicherlich nicht bekannt war, um welches Naturkleinod es bei dieser Abstimmung überhaupt geht, haben sie für eine Zerstörung des Gemeindewaldes gestimmt. Wahrscheinlich hat die einseitige Information des Bürgermeisters, mit der er schon seine ihm anvertrauten Dörfler von Klein Schiessling austrickste, ebenso dazu beigetragen wie die Aussicht auf jede Menge Kohle. Dieses zu erwartende Geld war selbstverständlich ein großer Anreiz für alle nicht unmittelbar Betroffenen, der beabsichtigten Umweltzerstörung zuzustimmen. Damit blieb die Loyalität zu ihren Mitdörflern auf der Strecke. Die schlauen Gemeindevertreter erzielten das Ergebnis, das sie brauchten, um ihren Wald an Giselbert Knaller verscherbeln zu können, die Klein Schiesslinger fühlten sich hintergangen und waren auf ihre Vertreter in der Gemeinde stinksauer! Verlieren sie doch dadurch nicht nur ihren Wald, sondern auch eine Schutzzone, welche sowohl Lärm, Staub als auch die heftig auftretenden Erschütterungen des Steinbruchbetriebes mildert. Nach Rodung einiger Hektar Wald werden diese Auswirkungen sicherlich auf ein Vielfaches ansteigen.

    Für die meisten der Bewohner ist ein Baum ja nur ein Stück Holz, das entweder in den Ofen wandert oder sofort in Geld umgerechnet wird, anstatt in ihm nicht nur ein von Gott geschaffenes Wesen, sondern auch den größten Sauerstoffproduzenten im Kreislauf aller Lebewesen zu sehen.

    Wie gut passt doch hier der Ausspruch des bekannten Malers Pierre-Auguste Renoir:

    »Man sagt, ein Baum sei eine chemische Zusammensetzung.

    Ich möchte lieber glauben, dass Gott ihn schuf

    und eine Nymphe darin wohnt.«

    Egal!

    Der Gemeindewald gehört nun bald Giselbert Knaller, und damit basta!

    Alles, was die Gemeinde beschließt, ist für die Bewohner des Ortes bindend und jegliches Gemecker oder Aufmucksen daher zwecklos. Das versprochene Geld stieg den Gemeindeführern sichtbar zu Kopf und löschte den letzten Rest ihrer Urteilsfähigkeit total aus.

    Die Raffinesse des Dorfbosses geht so weit, dass er seinen Bewohnern bei jeder sich bietenden Gelegenheit verkündet, er hätte die Verpachtung und die damit verbundenen Einnahmen gar nicht gebraucht, sondern die Dörfler selbst hätten sich ja bei der Abstimmung für dieses Projekt entschieden! Er habe sich lediglich dem Wunsch der Bevölkerung gebeugt. Der Wunsch auf Vernichtung des Gemeindewaldes gehe also von den Bewohnern selbst aus, keinesfalls von ihm oder von einem seiner Gemeindevertreter. Der Dorfboss wäscht seine Hände in Unschuld!

    Der gute Pummerl!

    Schuld tragen immer die anderen.

    Mit dieser Entscheidung müssen nun alle Klein Schiesslinger leben und für sich das Beste daraus machen.

    Und aus diesem Grund nimmt die Unruhe unter der Dorfbevölkerung stetig zu.

    Ende März finden an einem sonnigen und wolkenlosen Nachmittag zwei Steckenhatscher, das sind sportliche Menschen, welche sich beim Wandern auf Stecken stützen, nämlich Marie Strasserburger und Franz Oberer, beide geborene Klein Schiesslinger, in eben diesem Gemeindewald eine Leiche. Die ist männlich und sieht ziemlich ramponiert aus. Die Hosenbeine sind zerfetzt und mehrere Bisswunden an den Beinen erkennbar. Diese Bisswunden, meint Franz, könnten von Mardern oder Füchsen stammen.

    Marie ist eine blonde, hübsche junge Frau Mitte zwanzig, die seit einiger Zeit für jedermann und jedefrau sichtbar in den ungefähr gleichaltrigen Franz Oberer, einen feschen, großen und sportlichen jungen Mann aus dem Dorf, verliebt ist. Auch Franz ist in Marie verliebt, nur der gegenseitige Austausch darüber hat bisher noch nicht stattgefunden.

    Ich bin vor etwa zwanzig Jahren aus Wien hierhergezogen und wohne in einem kleinen, ebenerdigen Haus etwas außerhalb des Dorfes. Auf meinem Postkastl steht der Name Sandra Weber. Mein Garten grenzt mit der Rückseite an den Ausläufer jenes Gemeindewaldes, der zwar von der Rodung für die Steinbrucherweiterung bis jetzt noch verschont bleiben soll, aber wer kann schon erahnen, welch verworrene Gedanken durch die öfters außer Betrieb geratenen Gehirnwindungen unserer hochverehrten Gemeindevertreter in den kommenden Jahren noch aufblitzen werden.

    Wenn ich die wenigen Stufen, die links und rechts von ebenmäßig geschnittenen Buchsbaumkugeln gesäumt sind, durch den Vorgarten hinuntergehe, sehe ich über meinen Gartenzaun auf einen schmalen Güterweg. Dieser ist befestigt und führt durch den noch vorhandenen Gemeindewald und weiter auf Schleichwegen in den Nachbarort.

    Auf diesem Güterweg kommen Marie und Franz völlig außer Atem, ihre Skistecken unterm Arm, angerannt.

    »Der Hias! Der Hias!«, schreien sie mir entgegen. »Er liegt beim Alten Hexenstein und ist tot!«

    Die beiden sind außer sich. Franz verliert beim Laufen fast seinen Pullover, den er über der Schulter hängen hat, und Marie ist vor lauter Haaren im Gesicht kaum zu erkennen.

    »Was ist los? Wer ist tot? Beim Alten Hexenstein?«, stottere ich.

    »Der Hias!«

    »Was heißt tot? Und wieso ist der Hias tot?« Ich bin ebenso total durcheinander wie die beiden.

    »Das gibt’s doch gar nicht! Seid ihr euch ganz sicher, dass es der Hias ist?«

    »Natürlich. Es ist der Hias, und es sieht aus, als hätte ihn jemand erschossen«, sagt Franz und legt sich seinen Pullover wieder über die Schulter.

    »Oh Gott, der Hias! Nein, doch nicht der Hias!«

    »Ja, doch!«

    »Ihr seid euch wirklich ganz sicher, dass es der Hias ist?«

    »Wir kennen doch den Hias!« Marie schreit das blanke Entsetzen aus ihrem blassen Gesicht, und Franz nickt zustimmend mit dem Kopf.

    »Glaub uns, es ist sicher der Hias!«

    »Das ist doch unmöglich! Der Hias?« Ich kann mich gar nicht fangen.

    »Habt’s ihr ihn nicht vielleicht verwechselt? Wenn einer tot ist, schaut er doch ein bisserl anders aus?«

    »Zuerst haben wir ja geglaubt, es ist der Knaller, der Steinbruchbesitzer, aber Franz hat dann genauer hingeschaut, der Tote liegt mit dem Gesicht ein bisserl auf der Seite, und da konnten wir genau erkennen, dass es der Hias ist!«

    »Er hat seine braune Hose und die schwarze Lederjacke an, wie immer. Genauso, wie sie der Knaller auch trägt, und im Rücken hat er ein blutiges Loch.«

    Franz schüttelt dabei seinen Kopf und rückt den Pullover neuerlich zurecht.

    »Und sein Schirmkapperl mit der Firmenaufschrift Knaller, das er einmal im Wald gefunden hat, dürfte er aufgehabt haben, weil das liegt neben ihm.«

    »Ja, und auch sein Feldstecher, mit dem er immer Vögel beobachtet hat, liegt daneben«, ergänzt Marie.

    Marie ist ebenso wie ich total durch den Wolf gedreht. Ihr laufen die Tränen über die Wangen, und sie lehnt sich an Franz.

    »Wir haben schon die Polizei verständigt, die haben uns gesagt, dass sie gleich kommen werden.«

    Hias ist tot, die Polizei kommt, und ich stehe da und weiß nicht mehr aus und ein. Ich wende mich den beiden wieder zu.

    »Und wieso seid ihr nicht dort geblieben und habt auf die Polizei gewartet?«

    »Ich hätte mich bei der Leiche gefürchtet«, schluchzt Marie, »und der Franz wollte mich nicht allein gehen lassen.«

    »Ja, dann kommt’s halt rein und trinkt’s erst einmal einen Schnaps. Und beruhigt’s euch.«

    Die beiden schnaufen meine Stiegen rauf und lassen sich unter der Pergola auf die Sessel fallen. Ich laufe total erschüttert ins Haus, hole eine Flasche Calvados, den besten, den ich je getrunken habe und den die Frau eines Weinbauern aus dem Nachbardorf selbst aus ihrer jährlichen Apfelernte brennt, nehme drei Stamperln mit und schenke großzügig ein. Marie hängen die blonden Haare noch immer ins verschwitzte Gesicht, ihre Hose ist mit Erdflecken übersät, und Franz schaut in seinem rot karierten Hemd und dem hellgrauen Pullover über der Schulter ziemlich käsig aus. Marie ist, wie schon erwähnt, eine fesche junge Frau und lebt noch bei ihren Eltern, Gerhard und Valerie Strasserburger. Beide Elternteile sind eingefleischte Dörfler. Die Mutter ist aktiv sowohl im Pfarrgemeinderat als auch im Verschönerungsverein des Ortes tätig, und der Vater betätigt sich ehrenamtlich bei der freiwilligen Feuerwehr und als Funktionär im örtlichen Sportverein. Beide sind im Dorf sehr beliebt und angesehen, deshalb achten sie auch kritisch auf Marie und nehmen ihre Freunde genau unter die Lupe. Franz Oberer wäre ihnen schon recht. Er ist ein fleißiger Kerl und bei allen Leuten, besonders bei Marie, sehr beliebt. Vor ein paar Jahren ist er in das kleine Haus gleich hinter der Dorfkirche gezogen, das er von seiner Tante, Julia Richter, geerbt hat. Zum Haus gehört auch ein kleiner Weinberg, den er ganz allein bestellt und der Trauben für einen köstlichen Rotwein liefert. Soweit die dörfliche Chronik zurückgeht, war auch die Familie Richter sehr angesehen und ein Familienmitglied für eine kurze Zeitspanne sogar Bürgermeister der Kleingemeinde.

    Und Hias, also die Leiche, wäre übrigens im heurigen September sechzig Jahre alt geworden, heißt eigentlich gar nicht Hias, obwohl Hiasln gibt’s genug, sondern Johann Bürger, aber seit eh und je sagen alle im Ort Hias zu ihm. Vielleicht, weil sein Vater Mathias geheißen hat und er seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sieht. Hias’ Eltern sind vor knapp dreißig Jahren bei einem Traktorunfall auf der Bundesstraße, die in die nahe gelegene Mittelalterstadt Eggenburg führt, ums Leben gekommen. Seither lebte er allein.

    Inzwischen hört man die Polizeisirene durch die Landschaft heulen. Da hat sicher Sepp Tauber Dienst, weil der gern mit Blaulicht und Sirene fährt, auch wenn kein Schwein unterwegs ist.

    Sepp Tauber ist ein gestandenes Mannsbild, so um die vierzig, nicht verheiratet, und er schaut gut aus. Besonders in seiner Uniform. Aus seinen dunklen Augen blitzt der Schelm, und in den Mundwinkeln hat er immer ein Grinsen auf Lager. Er gefällt mir!

    Ich rate Franz und Marie, zurück zum Alten Hexenstein zu gehen, damit sie der Polizei zur Verfügung stehen können, falls die irgendwelche Fragen hat.

    »Soll ich mit euch gehen?«

    »Na, bleib nur da. Wir schaffen das schon«, meint Franz, und die beiden machen sich bedrückt auf den Weg zurück.

    Der Alte Hexenstein ist eine ehemalige Kultstätte, von der leider durch die hilfreiche Unterstützung der überaus aktiven Steinbruchfirma Knaller nur mehr ein kleines Fleckerl Erde übrig geblieben ist. Auf diesem übrig gebliebenen Stück Land hat nach Vernichtung des legendären Kirschenhains, welcher sogar in der Ortschronik Erwähnung findet, der Steinbruchbesitzer einen Grottenolmteich als Biotop angelegt, für den er dank einer großzügigen Spende an die Umweltorganisation »Blüml und Heide« eine Auszeichnung erhalten hat, obwohl kein Mensch je einen Grottenolm oder gar ein anderes Tier dort gesehen hat.

    Wer will schon leben, wo laufend gesprengt und Dreck in die Luft gewirbelt wird? Jedes vernünftige Tier packt sein Köfferchen und wandert ab. So auch der unter Schutz stehende Schwarzspecht. Selbst die wild wachsenden Orchideen im Trockeneichenwald werden sich bald auf Nimmerwiedersehen verabschieden. Man sieht von Jahr zu Jahr immer weniger davon.

    Ich gönne mir noch ein Stamperl von dem überaus köstlichen Calvados oder lieber zwei, um den Schock besser verdauen zu können, und gehe dann ins Haus. Die Sonne wärmt zwar schon angenehm, aber mich schüttelt es ordentlich vor Kälte, darum ziehe ich mir noch eine dicke Strickweste über.

    Na, so was? Der Hias ist tot? Das ist ja gar nicht möglich! Entsetzlich!

    Ich glaube es einfach nicht.

    Wie Sepp Tauber mit Blaulicht und Sirene am Fundort der Leiche ankommt, winkt er Marie und Franz zu, die inzwischen auch wieder dort eingetroffen sind, steigt aus seinem Dienstfahrzeug und besichtigt zunächst einmal den toten Hias von allen Seiten. Er ist entsetzt. Zerrissene Hose, Bisswunden an beiden Beinen, die Leiche liegt auf dem Bauch und hat ein Loch im Rücken, genau unter der linken Schulter. Wahrscheinlich eine Schussverletzung.

    Nach dem Puls zu fühlen, erübrigt sich. Der Mensch ist mausetot. Tauber geht zum Einsatzfahrzeug und benachrichtigt seine Dienststelle. Während er auf die Kollegen wartet, schaut er sich um, aber sehr vorsichtig, um nicht etwaige vorhandene Spuren zu vernichten. Den Rest überlässt er den Fachleuten, nachdem er den Fundort mit Absperrbändern gesichert hat. Er stellt sich wieder zum Franz und zur Marie.

    Die Einsatzfahrzeuge sind schon von Weitem durch ihr eingeschaltetes Folgetonhorn zu hören. Nach ihrem Eintreffen werden sie von Sepp Tauber eingewiesen. Als Erster verlässt Inspektor Julius Schreiner, ein kleiner dünner Mann mit deutlich sichtbarer Glatze am Hinterkopf, sein Auto und gesellt sich zu Sepp Tauber und zur Leiche, danach entsteigen dem zweiten Wagen, einem Kleinbus, zwei Männer der Spurensicherung in weißen Overalls, mit riesigen Taschen und Kamera ausgestattet.

    Ein weiteres Auto mit dem Polizeiarzt trifft ein. Alle beugen sich hoch interessiert über den toten Hias. Nach eingehender Begutachtung und fotografischem Festhalten der Situation weist Inspektor Schreiner an, dass die Leiche abtransportiert werden kann und seine Leute die Umgebung nach irgendwelchen Spuren absuchen sollen.

    »So, wie es aussieht«, meint Inspektor Schreiner, »handelt es sich wahrscheinlich um einen Jagdunfall. Wir brauchen also nicht das gesamte Repertoire durchziehen.«

    Nach dieser Feststellung wendet er sich Franz und Marie zu. Die beiden berichten genau bis in alle Einzelheiten, wie sie die Leiche gefunden haben. Da Marie immer käsiger im Gesicht wird und zusätzlich noch heftig zu zittern beginnt, verschiebt der Inspektor die Befragung und lädt beide für den nächsten Tag in sein Büro vor, um die Einvernahme dort fortsetzen zu können.

    »In der Zwischenzeit beruhigen Sie sich ein bisserl. Ihnen selber ist ja nichts passiert.«

    Mit dieser überaus gefühlvollen Aussage verabschiedet sich Julius Schreiner. Auch seine Leute in den weißen Overalls packen ihre Sachen zusammen und verstauen alles im Kleinbus.

    »Auf Wiedersehen!«

    »Ja, auf Wiedersehen!«

    Am nächsten Tag erzählt mir dann Annerl Passer, unsere Dorftratschen, wie ich sie im Ort unten treffe, dieses Ereignis brühwarm und in den schrillsten Farben ausgemalt. Als wenn ich dieses Drama nicht eh schon kennen würde!

    Annerl erzählt jedem alles, ob er’s wissen will oder nicht. Und wenn man will, dass sich eine Nachricht im Dorf rasch verbreitet, braucht man diese nur Annerl anzuvertrauen. Die ist schneller als die Post.

    Sie berichtet mir, dass Hias mit einem Schuss in den Rücken ins Jenseits befördert wurde. Wahrscheinlich, meint sie, hat wieder einmal einer der Jäger nicht aufgepasst und Hias mit einem Rehbock verwechselt. Das ist ja schon öfter vorgekommen. Einmal wurde sogar ein Kleinwagen, der am Feldrand abgestellt war, mit einem Wildschwein verwechselt und angeschossen. »Einige dieser Zunft gehen ja nicht nur mit einem Gewehr, sondern auch mit ihrem Blindenhund auf die Jagd.« Annerl ist wütend und auf die Jäger nicht gut zu sprechen. »Ich kann nicht glauben, dass es einer von unseren Jägern war«, meine ich, »weil die Jagdsaison ist doch schon vorbei.«

    »Geh zu«, Annerl ist ziemlich erregt, »die Jäger schießen doch allerweil und auf alles, was sich bewegt.«

    »Wie’st halt meinst«, sage ich daher und verabschiede mich von ihr, sonst verzapft sie noch länger diesen Schmarren. Ich muss weiter und mir beim Günter Uhudler ein paar Flaschen Rotwein bestellen, der mir ausgegangen ist. Weißwein für einen Gspritzten habe ich noch genug im Keller. Unter Umständen nehme ich mir auch noch zwei Flaschen Obstler mit. Obwohl, denke ich weiter, ich habe ja noch etliche Flaschen Calvados im Haus.

    Auch wurscht! Man kann, wie man sieht, nie genug Hochprozentiges auf Lager haben!

    Auf der Polizeiwache, die sich in der einige Kilometer entfernten größeren Stadt Horn befindet, geht’s lustig zu, wie ich am Nachmittag dort aufkreuze.

    »Habt’s ihr den Mörder vom Hias denn schon gefasst, weil ihr da so munter umeinander sitzt und Wurstsemmeln esst«, frage ich forsch und lasse mich auf einen der Besuchersessel fallen.

    Es handelt sich um ein gemütlich eingerichtetes Beamtenzimmer im Erdgeschoss eines großen, vierstöckigen alten Gebäudes, mit vier Schreibtischen, auf denen riesige Bildschirme stehen, jede Menge Telefone und eine überdimensionale Kaffeemaschine, die auf einem kleinen Ablagepult thront.

    Von den vier Schreibtischen sind im Moment jedoch nur zwei besetzt.

    »Nichts haben wir bis jetzt herausgefunden. Aber was heißt hier Mörder? Ein Jagdunfall wird’s halt gewesen sein, meint zumindest unser Herr Inspektor. Die Jäger haben garantiert nicht bemerkt, dass der Hias wieder einmal im Wald herumgestrichen ist und Vögel beobachtet hat.«

    Sepp Tauber spricht heute sein schönstes Hochdeutsch, von dem er meist nur am Sonntag in der Kirche Gebrauch macht.

    »Da bin ich mir gar nicht so sicher«, meine ich und behalte meinen forschen Ton bei.

    »Der Hias war doch sehr neugierig und hat das Vögelbeobachten meistens nur als Ausrede gebraucht, um allen Leuten aus Langeweile hinterherspionieren zu können. Wahrscheinlich hat er dabei etwas entdeckt, das er nicht entdecken durfte?«

    Die beiden anwesenden Beamten schauen mich neugierig an.

    »Man hat ihn doch in der Nähe vom Grottenolmteich gefunden, oder?«, schnattere ich weiter. »Und was munkelt man hinter vorgehaltener Hand? Na, jetzt geht euch ein Licht auf. Ihr wisst es, ich weiß es, und alle anderen im Dorf wissen es auch. Vielleicht hat der Hias zugeschaut, wie die Grube für den Grottenolmteich ausgehoben wurde? Und vielleicht hat er gesehen, dass da etwas nicht zusammenpasst? Er hat doch bei seinen Spaziergängen immer einen Feldstecher dabeigehabt. Hat man den eigentlich bei ihm gefunden?«

    Nachdem ich diese lange Tirade von mir gegeben habe, lenkt einer der Beamten ein.

    »Geh, was du schon wieder denkst. Glaub uns, bei unserer Erfahrung können wir die Situation viel besser beurteilen und einschätzen als du.«

    »Übrigens, ja, der Feldstecher lag neben der Leiche. Aber leider ist ein Feldstecher keine Digitalkamera, sodass wir nicht sehen können, was er zuletzt beobachtet hat«, ergänzt Sepp Tauber.

    »Ja, wenn ihr meint«, sage ich, hänge meine Handtasche über die Schulter, stehe auf und gehe.

    »Pfüat euch!«

    Ich verlasse das Gebäude, gehe zu meinem Auto, für das ich ausnahmsweise genau vor dem Amtsgebäude einen der wenigen heiß begehrten Parkplätze gefunden habe, und fahre wieder heim. Unterwegs mache ich noch vor einem der großen Supermärkte halt und kaufe ein paar Kleinigkeiten zum Essen ein. Auch beim Bäcker in der auf der Strecke liegenden Mittelalterstadt Eggenburg schaue ich rein und versorge mich mit Brot, Semmeln und einem köstlichen Mohnstrudel.

    Wie ich in mein Auto steige, ist die Sonne hinter einer dichten Wolkendecke verschwunden, und ich drehe die Fußheizung an. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit biege ich von der Bundesstraße wieder ab. Ich fahre lieber über die kleinen Nebenstraßen und Güterwege nach Hause. Hier sieht man mehr, als wenn man auf der breiten Durchzugsstraße dahinrast.

    Die niedlichen Bauernhäuser mit ihren schönen Vorgärten, in denen zu dieser Jahreszeit schon einige hübsche Frühlingsblüher sichtbar sind, eine riesige alte Eiche, die an einer Wegkreuzung steht und zu der ich mich hingezogen fühle, sowie die hügeligen Weinberge, die das Weinviertel prägen und unser Dorf umschließen, faszinieren mich immer wieder. Ich fahre in meinen liebenswerten Ort hinein, linker Hand steht die mächtige barocke Kirche mit dem angebauten Pfarrhaus, daneben das niedrige Gebäude mit der Volksschule und dem Gemeindeamt drin, und schräg gegenüber ist das Dorfwirtshaus, in dem Herr und Frau Krügerl residieren.

    Die Nähe zur Kirche ist vorteilhaft, fallen doch die Dörfler nach dem Besuch der heiligen Messe haufenweise dort ein. Vor allem die Männer! Und die Wirtsleute sind sehr geschäftstüchtig und bieten den Besuchern jede Menge Schmankerln an. Auch ich gehe öfters dorthin essen. Das Essen ist besonders gut, nur die Portionen sind mir meistens zu groß. Wenn ich das alles, was ich da auf den Teller kriege, aufesse, habe ich daheim immer Probleme mit der Waage. Die zeigt dann Sachen an, die es gar nicht geben darf! So bleibt mir nur die Wahl: Entweder ich lasse was auf dem Teller zurück, oder ich kaufe mir eine neue Waage. Aber ob die dann besser ist?

    Ich fahre am Wirtshaus vorbei und biege links in die Kellergasse ein. Die Nussbäume haben schon grüne Spitzen, und vor einem der Einfamilienhäuser stehen zwei große Holzfässer mit überwinterten Oleandern. Ein rostrotes Eichkätzchen überquert vor meinem Auto die schmale Straße und verschwindet in einem der Vorgärten.

    Ich mag diese putzigen Tierchen, auch wenn sie lange Zeit vor mir meine Haselnüsse ernten, sodass ich zu keiner einzigen mehr komme, höchstens zu einer tauben, die sie mir immer überall herumliegen lassen. Aber wozu brauche ich denn Haselnüsse aus meinem Garten, wenn’s die auch im Supermarkt zu kaufen gibt.

    Ebenso wie mit den Haselnüssen geht es mir mit jeder Art von Gemüse, das ich bis jetzt angebaut habe. Die roten Rüben und auch die Karotten nagen die Wühlmäuse unterirdisch an, die Dille ist eine Leibspeise von Blattläusen, und die Blätter der Kohlrabi werden bevorzugt von den Weinbergschnecken gefuttert. Aber was soll’s. Wenn es ihnen schmeckt? Auch diese Tiere bevorzugen Biokost, nicht nur wir Menschen.

    Ich könnte mir keinen schöneren Ort, aber mit Sicherheit einen wärmeren Ort vorstellen, um hier zu leben. Daher reise ich auch sehr gern in warme Länder, wie Mauritius, Lanzarote oder Sri Lanka. Wenn die Flüge nicht so lang und unbequem wären, käme ich viel öfter dorthin, weil ich ebenso wie die hügeligen Weinberge um unseren schönen Ort und meinen Garten das Meer liebe.

    Kapitel 2

    Das nette Haus am Dorfrand von Klein Schiessling, in dem Hias wohnt, besser gesagt, gewohnt hat, liegt neben dem Haus von Annerl Passer und ist von einem großen Garten mit altem Baumbestand umgeben. Schräg gegenüber liegt der örtliche Friedhof. Umgrenzt wird das schöne Grundstück von einem Jägerzaun. In ein paar gepflegten Blumenbeeten schauen schon die Blattspitzen einiger Tulpen heraus, der Weg zum Haus ist mit Natursteinen gepflastert, und ein putziges Rotkehlchen huscht über die Wiese wie eine kleine Maus.

    Ich gehe um den Garten herum, kein Mensch ist zu sehen. Ich versuche, das Gartentor zu öffnen, zu meiner Überraschung ist es nicht verschlossen. Und wenn eine Tür offen ist, kommt das doch einer freundlichen Einladung gleich. Oder? Also gehe ich durchs Türl und über den Natursteinweg auf das einstöckige Wohnhaus zu, an das an der rechten Hausecke ein Erker angebaut ist. Niemand bemerkt mich. Ich drücke die Klinke runter, die Tür geht auf, gerade so, als wollte sie sagen, komm doch rein. Nach dem Eintreten schließe ich die Tür rasch wieder hinter mir, muss ja keiner merken, dass ich da bin. Wo Annerl sowieso immer am Fenster hängt, wenn sie daheim ist.

    Es ist oberflächlich aufgeräumt, das Geschirr vom Frühstück steht noch auf dem Tisch, und die Wäsche, welche Annerl für Hias immer gewaschen und gebügelt hat, stapelt sich auf der Sitzbank in der Küche. Also alles normal. In der Stube liegen auf dem Tisch ein paar beschriebene Zettel, die Schrift ist saumäßig und fürchterlich. Kaum zu lesen diese Klaue. Dazu brauche ich Ruhe und ein bisserl Zeit. Deshalb stecke ich die Zettel einstweilen in meine Handtasche und schaue mich weiter um. Auf der Fensterbank steht eine gelb blühende Orchidee. Ich greife in das Substrat und stelle fest, dass das Pflanzerl dringend Wasser braucht, nehme ein Glas aus dem Küchenkastl und fülle es mit lauwarmem Wasser. Orchideen wollen ja bekanntlich kein kaltes.

    Wie das Wasser so in das Glas rinnt, sehe ich, dass aus der Lade des Esszimmertischs etwas heraussteht. Ein Nylonsackerl. Und was soll die komische, bröckelige Erde da drin? Das Sackerl samt Inhalt nehme ich vorsichtshalber auch an mich und verstaue es ebenfalls in meiner Handtasche. Merkwürdig ist nur, dass die Polizei noch nicht da war, um sich umzusehen. Schließlich sieht man in Kriminalfilmen immer, dass die Unterkunft eines auf unbekannte Weise Verstorbenen gründlich untersucht und auseinandergenommen wird.

    Im selben Moment sehe ich durch das sauber geputzte Küchenfenster Sepp Tauber im Polizeiauto vorfahren. Schnell mache ich die Tischlade zu und verdrücke mich durchs Hintertürl und durch den Garten, gehe außen um den Zaun herum und vorn zur Tür wieder rein. Sepp Tauber dreht sich um.

    »Ja, schau an, was willst denn du da?«

    »Nix, nur schauen, was los ist. Hast was gefunden?«

    Er schüttelt den Kopf. »Bin grad erst kommen.«

    »Na, dann mach mal schön deine Hausaufgaben, lieber Sepp«, sage ich. »Übrigens – ich glaub, es war kein Jagdunfall, sondern ein Mord.«

    »Geh du, mit deinen Hirngespinsten! Wie kommst denn auf so eine Idee?«

    Die Antwort darauf bleibe ich ihm lieber schuldig.

    Nichts zu machen mit dem Sepp. Stur wie ein Esel, aber sonst ein allerliebster, friedlicher, warmherziger und gutgläubiger Mensch. Dass der noch keine Frau gefunden hat? Mir würde er sofort gefallen.

    Auf dem Heimweg begegne ich Marie. Sie hat sich inzwischen ein bisserl beruhigt und ist unterwegs zur Gemeindeärztin, weil sie Magenschmerzen hat.

    »Das ist wahrscheinlich vom Schock«, tröste ich sie, »man ist es ja schließlich nicht gewohnt, Leichen zu finden.«

    »Gell, ganz narrisch kannst werden und dein Kind verlieren. Zum Glück bin ich nicht schwanger.«

    »Aber viel Zeit darfst dir auch nimmer lassen, wenn’st nicht als alte Jungfer sterben willst.«

    Ich schaue sie mir genau an. Ein fesches Madl in ihrer dunkelblauen Hose und dem roten Blazer darüber. Man kann gut verstehen, dass die Mannsbilder wild hinter ihr her sind.

    »Hast eigentlich schon einen fixen Freund?«, versuche ich, sie auszuhorchen. »Der Franz vielleicht? Man sieht euch ja öfter zusammen. Auch im Wald.«

    »Der Franz? Ja, ich weiß nicht recht«, stottert sie. »Der Franz ist ja zum Knutschen ganz nett, aber was Ernstes? Dran hab ich noch gar nicht gedacht.«

    »Da braucht man doch

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