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Amerika ist anders: Leben in Midwest
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eBook474 Seiten5 Stunden

Amerika ist anders: Leben in Midwest

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Über dieses E-Book

Was tut man, wenn eine Kollegin während eines netten Gesprächs zwischen Kaffee und Mittagspause vor einem steht und davon berichtet, sich in einem Scheidungskrieg mit ihrem Ex-Mann um die gemeinsame Waffe zu streiten? Wenn man Amerikaner nicht von vornherein verschrecken will, dann vor allem eines – zuhören.
SpracheDeutsch
Herausgeberp.machinery
Erscheinungsdatum12. Sept. 2017
ISBN9783957659491
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    Buchvorschau

    Amerika ist anders - Simone Vogel-Knels

    Steph.

    Vorwort

    Das Buch ist in vier Teile gegliedert, wobei der erste und vierte Teil von der Zeit handeln, in der sie geschrieben wurden. Ich hatte damals innerhalb der drei Jahre meiner Entsendung von Januar 2004 bis Dezember 2006 insgesamt vierundsechzig »Geschichten aus Amerika« an Freunde, Familie und Bekannte daheim geschrieben. Teils, um nicht allen am Telefon dasselbe zu erzählen und zu einem guten Teil sicher auch für mich, um das Erlebte auszudrücken und zu reflektieren.

    Teil zwei und drei sind ebenfalls original, aber nicht mehr zeitlich linear, sondern nach Themen geordnet. Teil zwei spielt hauptsächlich im Jahr 2004, Teil drei 2005 bis Ende 2006. Hinzugefügt aus meiner heutigen Sicht sind Tipps und Tricks, die ich 2010 geschrieben habe. Eine Ausnahme ist das Ende des zweiten Kapitels, in dem ich die Erfahrungen des Weihnachtsbesuchs in Deutschland als eine Art Kulturschock so gelassen habe, wie ich sie damals geschrieben und empfunden habe.

    Die Anhänge enthalten ehemals in die Geschichten integrierte Einzelthemen, die zeitlich nicht mehr ganz aktuell sind, wie z. B. die Präsidentschaftswahl in den USA im Jahre 2004 oder die Betrachtungen der atemberaubenden Natur im Mittleren Westen.

    Einleitung

    Vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2006 war ich im Auftrag und Interesse meines damaligen Arbeitgebers in Amerika und habe in diesen Jahren kleine Geschichten nach Hause geschrieben. Sie handeln weitgehend von meinem Privatleben, der Integration und ab und an auch von subjektiven interkulturellen Einsichten. Meine beruflichen Erlebnisse habe ich in diesen Geschichten größtenteils ausgeblendet. Meine Position in der nordamerikanischen Zentrale für Organisationsentwicklung war die des Human Resources Manager im Personalbereich für Führungskräfteentwicklung für USA, Mexiko und Kanada. Die Zentrale lag circa fünfzig Meilen von Detroit, Michigan, entfernt, und ich lebte in Novi, einem kleinen Dorf wenige Meilen davon entfernt.

    Der Kern meiner Geschichten handelt aber immer von meinem eigenen Erleben und wie ich Amerika im Unterschied zu meinen bisherigen Erfahrungen unmittelbar wahrgenommen habe als jemand, der für drei Jahre entsandt war und wusste, dass er zurückkehren würde.

    So diskutierte ich einmal mit einer Ungarin, die mit Unterbrechungen in Ungarn und Deutschland seit dreizehn Jahren in Michigan lebte, den Begriff Heimat. Aber auch wenn sie nach Ungarn zurückgeht, meinte sie, ist dort nicht alles gut. Es gibt dann Dinge, die es in den USA nicht gibt und die stören plötzlich, auch wenn sie vorher nie gestört haben. Bei ihr war es das Schlange stehen, das in Amerika sehr zivilisiert vor sich geht, alle reihen sich ein und warten, bis sie an der Reihe sind. In Ungarn bildet sich eine ungeordnete Menge vor dem Bus oder vor dem Bankschalter und jeder schaut einem bei Bankgeschäften über die Schulter. Also hat sie angefangen, diese Ordnung, die es in USA gibt, zu vermissen.

    Ich glaube, jeder, der seine Heimat für längere Zeit verlässt und sich auf eine andere Kultur einlässt, verliert ein Stück weit seine Heimat als den Ort, an dem alles so ist, wie es sein soll. Plötzlich sieht man auch dort Dinge, die anderswo besser sind, fragt sich, warum die in der Heimat so sein müssen, wie sie sind, wenn es doch anderswo anders und besser ist. Ein Stück weit verliert man seine Unschuld und die Gewissheit, dass es einen Ort gibt, wo alles so ist, wie es sein soll.

    Natürlich hat die Geschichte nicht mit meiner Einreise begonnen. Vielmehr begann sie im Frühjahr 2003, als mich jemand aus der Firma fragte, wie ich mir meine weitere Karriere vorstellte und ich von meinem Interesse an einer internationalen Entsendung sprach. Ich war schon zuvor im Rahmen eines Management-Traineeprogramms jeweils ein halbes Jahr in Spanien und in der Schweiz gewesen und hatte Interesse an einem längeren Aufenthalt im Ausland. Es folgte monatelang nichts, dann Gespräche mit einem Amerikaner, der gerade in Deutschland war, dann noch mehr Gespräche mit Geschäftsführern, eine Informationsreise und weitere Gespräche mit Personalleitern. Dazwischen immer wieder nichts, keine weitere Entscheidung und die Unsicherheit, ob es weitergehen würde.

    Ende November 2003 kam es dann doch zu Visaformalitäten, für die ich zur Erlangung der Arbeitsbewilligung nach Frankfurt reisen musste und eine der Ersten war, der Fingerabdrücke genommen wurden. Seitdem hat Amerika bei allen Ein- und Ausreisen viele Fingerabdrücke und Fotos von mir bekommen. Mein Vertrag wurde am 15. Dezember 2003 geschrieben und mir am 17. Dezember zugestellt. Meine Wohnung wurde am 16. Dezember 2003 aufgelöst und in einen Container verpackt, der sechs Wochen auf dem Meer sein sollte. Ich war also praktisch drei Wochen ohne feste Bleibe. Einige ziehen dann ins Hotel, ich hatte das Glück, bei Freunden und Eltern unterzukommen, und lebte die Zeit über aus den Koffern.

    Diese letzten Monate 2003 waren eine aufregende Zeit und irgendwann, viel zu spät, begriff ich auch wirklich, dass es demnächst wohl losgehen und ich diesen Kontinent Europa verlassen würde. Nicht für einen Urlaub oder einen Besuch, ich würde Freunde und Familie nicht mal eben am Wochenende sehen können, ich würde vielmehr für drei Jahre meines Lebens meinen Lebensmittelpunkt nach Amerika verlegen.

    Ich würde in einer fremden Kultur leben. Wie fremd diese Kultur wirklich ist, bei all den Informationen, die Europa mit Amerika teilt, sodass jeder Europäer ein Bild von Amerika viel konkreter im Kopf hat, als von anderen Ländern wie Indien oder China, wie anders Amerika ist, davon handeln diese Geschichten.

    Simone Vogel-Knels

    Kufstein

    30. Oktober 2010

    Einreisen und Ankommen

    Januar 2004

    01.14.2004. Allein das Datum sagt schon alles – hier ist es anders. Zuerst kommt der Monat, dann der Tag, dann das Jahr. Auf den vielen verschiedenen Formularen, die ich bisher ausgefüllt habe, habe ich das sicher das ein oder andere Mal verwechselt und bin jetzt wahrscheinlich american official am 1. November oder eben am 11. Januar geboren – denn manchmal, gerade bei sehr offiziellen Formularen ist es dann doch wieder anders (anders eben), dann kommt wie in Deutschland zuerst der Tag, der Monat, dann das Jahr.

    Wetterkapriolen

    Mein dritter Arbeitstag in der Firma. Und wieder etwas völlig Neues – alle Mitarbeiter wurden um 16 Uhr, also 4 p.. (post meridiem, nachmittags) gebeten, doch nach Hause zu fahren, da der Arbeitgeber sonst nicht sicher sein könnte, dass sie wirklich zu Hause ankommen. Das traf vollkommen zu. Wir haben einen der schlimmsten Schneefälle seit Dekaden hier in Michigan. Tagsüber waren es allein in der Umgebung vierhundert Unfälle, Schulen haben geschlossen, diverse Firmen schlossen schon nach Mittag. Das Fernsehen bringt halbstündlich neueste Verkehrsberichte und Unfallnachrichten. Im Spaß sagte ich mittags zu unserer Sekretärin, es wäre sicherer, wir würden jetzt nach Hause fahren, denn abends würden wir sonst unsere Autos vielleicht nicht mehr finden.

    Als ich dann selbst an meinem Auto ankam, sah ich, dass es gut zwanzig Zentimeter Neuschnee gegeben hatte, allein über diese acht Stunden (macht 7 inches, 1 inch ist 2,54 Zentimeter). Man versucht, zu streuen, Salz, weder Sand noch anderes Granulat kann das wegschaffen, aber die Streufahrzeuge stecken wie alle anderen im Stau fest und es kann dauern, bis die Straßen, die großen Miles, geräumt sind. Ich musste noch tanken und fragte den Tankwart, ob es denn seiner Meinung nach sicher wäre, noch nach Farmington Hills zu fahren (denn eigentlich wollte ich meinen deutschen Führerschein umschreiben lassen – was ungefähr so wichtig ist, wie einen neuen Pass zu beantragen); er sagte, wenn ich Zeit mitbringen würde, ginge es wohl schon, aber wenn ich andererseits nicht etwas wirklich Wichtiges vorhätte, sollte ich besser nach Hause fahren. Ich folgte seiner Empfehlung, denn das kann ich hoffentlich auch am nächsten Morgen erledigen, und brauchte dann auch für den normalerweise vier Minuten langen Weg eine halbe Stunde. Jeder fuhr langsam, der Schnee auf der Straße wurde selbst für Leihwagen mit Vorderradantrieb wie meinen zu einer nur langsam zu nehmenden Hürde; an jeder Ampel stauten sich die Autokolonnen, auch wenn man bei Rot rechts abbiegen darf. Der Schnee kam waagerecht, keine großen Flocken, sondern sehr viele kleine. Als ich dann wohlbehalten zu Hause ankam, war der Weg vom Parkplatz zur Haustür nicht mehr erkennbar, die Stufen selbst zugeschneit. Zwei Stunden später fuhr eines dieser Riesenfahrzeuge, gelb mit gelbem Warnlicht und mindestens so groß wie drei Autos, durch die Siedlung und schippte tonnenweise den Schnee beiseite.

    Es ist kalt, kälter, als ich es aus Deutschland und selbst der Schweiz gewohnt bin. 11 Grad Fahrenheit sind es an einem kalten Tag; ich schätze, an diesem Tag waren es um 0 Grad Fahrenheit. Bei Wind bedeuten diese 11 Grad Fahrenheit –12 Grad Celsius und als gefühlte Temperatur –18 Grad. So genau will ich gar nicht wissen, was das dann heißt, wenn es hier 0 Grad Fahrenheit sind! Selbst der Weg vom Parkplatz zur Firma, wahlweise auch zum Einkaufszentrum (Mall), ist ohne Handschuhe eine Tortur, der Wind bläst durch jede Kleidernaht. Den optimistischen Schätzungen meiner Kollegen zufolge dauert das Ganze bis Mai, dann wird es Frühling, aber immerhin soll der Januar der wirklich schlimmste Monat sein. Alle Schuhe außer Moonboots sollten im Büro bleiben, um dort gewechselt zu werden, sonst macht das Salz sie kaputt. Was bin ich froh, dass meine Schweizer Bergwanderstiefel doch noch ins Handgepäck gepasst haben und so mit mir gekommen sind.

    Allerdings haben die Geschäfte ihr Wintergeschäft schon hinter sich – es ist nicht einfach, an wirklich dicke Wintermäntel heranzukommen, da diese schon alle im November verkauft worden waren. Im Moment herrscht die luftige Sommermode in den Geschäften vor, was nicht wirklich hilfreich ist. Aber meine in Deutschland warmen Mäntel, im Zwiebellook getragen, reichen immerhin noch für die Wege zwischen Parkplatz und Wohnung, Büro oder Einkaufszentrum, und bei waagerechten Schneefällen mit eisigem Wind denke ich im Moment auch gar nicht daran, ausgedehnte Wanderungen in einem der zahlreichen Parks der Umgebung zu unternehmen.

    Würde ich in Deutschland bei einem ähnlichen Wetter in meinem inzwischen an meine Eltern verkauften 95er Golf ohne Handy durch die Gegend fahren, wie ich das hier tue, ich wäre auf jedem Meter voller Angst, dass irgendwas passieren könnte. Hier nicht. Der Leihwagen kennt anscheinend die Temperaturen, das Schloss ist nie zugefroren, und er fährt sich, wenn er einmal warm ist, so komfortabel, dass man die krude Gegend außerhalb des Wagens schlicht vergessen kann. Alles hat etwas von Abenteuer im Winterwunderland an sich. Nur tanken musste ich sicherheitshalber doch noch – es gibt nichts Dümmeres, als im Stau stecken zu bleiben, nur weil man kein Benzin mehr hat. Die Handbremse habe ich diesmal nicht angezogen, sie könnte ja zufrieren und ich will gar nicht wissen, was für Temperaturen die erwartete kälteste Nacht seit vielen Dekaden bringen würden.

    Arbeit

    Die erste Woche in Amerika hatte ich Urlaub und das war auch gut so, denn im Büro haben sie die gesamte Personalabteilung, sowohl die Standort- als auch die Zentrale Personalabteilung, deren Mitglied ich bin, renoviert. Das heißt nicht neu gestrichen, sondern neue Büros eingerichtet und Wände eingezogen, mit all dem Lärm, den das mit sich bringt. Als ich Montag begann, hing an meinem Büro ein Riesenschild mit »Welcome Simone« und es ging eben nicht nur mir so, dass ich von meinem Novemberbesuch nicht mehr wusste, wer wo sitzt – das ging allen so, denn gut achtzig Prozent der Abteilungen sind umgezogen. Dank diesem Riesenschild wussten wenigstens alle, wo ich saß. In den nächsten Tagen werde ich mit allen Termine vereinbaren, um mich vorzustellen und mir erklären zu lassen, was sie tun.

    Ansonsten sind es die üblichen Anfangswehen – der Computer war zwar vorhanden, aber nicht angeschlossen, meine Telefonnummer im Outlook war nicht up to date und wie meine Voicemail am Telefon funktioniert, muss ich mir noch einmal erklären lassen, wenn jemand zu erreichen ist. Die very important Sendung from Germany kam am Freitag im Büro an, aber wo genau, das habe ich erst heute herausgefunden, sodass ich jetzt mit all den wichtigen geschäftlichen Unterlagen versorgt bin, die ich vor vier Wochen in Deutschland zusammengepackt habe.

    Damit beginne ich dann auch, mich auf meinen eigentlichen Job vorzubereiten. Wir haben viel Zeitdruck, das zumindest wurde mir diese Woche schon klar.

    Essen und Trinken

    Es gibt riesige Malls in der Umgebung, wo man wirklich alles kaufen kann. Am Anfang war mein Favorit KROGERS, dort spart man sogar einiges, wenn man sich als Kunde mit eigener Karte registrieren lässt. Im Moment bin ich nicht mehr so sehr von diesem Laden überzeugt, denn als ich am Freitag für meinen Geburtstag eine Flasche Sekt kaufen wollte, trug sich folgende Geschichte zu:

    An der Kasse werden alle Dinge registriert und von der Kassiererin selbst in Plastiktüten verpackt. Als ich schon meine Debitkarte (Kreditkarte gibt es trotz amerikanischem Konto erst mit der Sozialversicherungsnummer – Social Security Number, SSN) durchgezogen hatte, fragte mich die Kassiererin nach meiner Sozialversicherungsnummer, die ich zwar schon beantragt hatte, aber erst in vier bis sechs Wochen erhalten würde. Ich gab ihr meinen deutschen Personalausweis, es nutzte nichts, der Einkauf von Alkohol mit egal welchem Gehalt ginge nur mit amerikanischer SSN oder amerikanischem Führerschein. Ich sagte ihr, ich hätte in diesem Kaufhaus schon Wein eingekauft – im November –, kein Problem mit deutschem Personalausweis; aber nein, sie wollte nicht. Durch eine Kollegin ließ sie ihre Vorgesetzte fragen, die das bestätigte. No chance. Ich fragte nach jemandem aus dem Management – da ich im Auslandsvorbereitungsseminar gehört habe, nach dem Filialleiter zu fragen wäre in solchen Fällen der beste Weg. Allein, es war Freitagabend und keiner da. Ich ließ die noch anwesende Vorgesetzte kommen und entschuldigte mich bei den Leuten in der Schlange nach mir, die alle äußerst verständnisvoll waren – oder eben neugierig, was passieren würde. Wie ich.

    Die Vorgesetzte kam, ich zeigte ihr noch mal meinen deutschen Personalausweis, meinen deutschen Reisepass mit amerikanischem Visum, dann meinen deutschen Führerschein, es nutzte nichts. Ich glaube sogar, sie glaubte mir, dass ich über 21 Jahre alt war, denn das ist eigentlich der Grund, warum man seine SSN beim Kauf von Alkohol zeigen soll, aber die Vorschriften von KROGERS besagen nun mal, dass es eine amerikanische SSN sein muss. Ich erläuterte ihr, dass es ja wohl nicht sein kann, dass man in diesem Land vier bis sechs Wochen auf seine SSN warten muss, bis man als vollwertige Person anerkannt wird, denn es ging natürlich nicht mehr allein um den Sekt, mir ging es um die Politik dieses Einkaufszentrums, und dass man bis zur Bewilligung der SSN hier nicht als Kunde anerkannt wird. Ich solle ihr nicht erklären, wie sie ihren Job zu machen habe, war ihre Antwort und ich solle wiederkommen, wenn jemand aus dem Management da wäre. Ich erklärte ihr, dass ich das zum einen geschäftsschädigend fände, zum anderen unfreundlich und dass ich zehn Leuten mindestens von diesen Praktiken erzählen würde (was ich hiermit mindestens tue), aber sie machte ja auch nur ihren Job und der bestand im Befolgen von Regeln.

    Also kein Sekt an meinem Geburtstag und seitdem kein Besuch mehr bei KROGERS. In diesem Auslandsvorbereitungsseminar hat man mich darauf vorbereitet, dass gerade in solchen Jobs sehr viele Leute arbeiten, die kurz angelernt sind und über keine Kompetenz verfügen – und genauso war es auch. Allerdings ist es gelinde gesagt unfreundlich, das am eigenen Leib zu erfahren.

    Wie auch immer, bei CVS oder auch bei HILLERS MARKET bekommt man alles ohne diese Prozedur, das nur für Urlauber, die nach Amerika wollen und genau wie ich über keine SSN verfügen.

    Für Deutsche ist es nicht wirklich einfach, etwas zum Frühstück zu finden. Das Brot ist in all seinen Varianten, ob hell oder dunkel, mit oder ohne Korn, immer labberig und lässt sich auf ein Viertel seiner Größe zusammendrücken. Der Käse hat keinen Geschmack, weder den von französischem noch von Schweizer Käse. Die Wurst ist eine Mischung aus Gewürzen und Sägemehl mit Fett.

    Aber man kann etwas Vernünftiges finden, wenn man nur sucht. Beim letzten KROGERS-Besuch fand ich Pastrami und gestern vor dem Schneesturm in HILLERS MARKET italienischen Prosciutto und Salami mit Parmesanrand sowie etwas Ähnliches wie normales Brot. Cornflakes sind okay. Die Suppen sind gut. Es gibt viele Tomatensoßen und alle Sorten von Spaghetti. Viele Supermärkte haben gutes Sushi und selbst gemachte Salate aller Sorten, die zwar preislich hoch liegen, aber auch gut schmecken.

    Die kalifornischen Weine und Sekte (brut, nicht extra dry) sind exzellent, das Wasser ohne Kohlensäure preiswert und wohlschmeckend, der Orangensaft in jeder Variante zu haben, mit Calcium, ohne, mit anderen Zusätzen, mit Fruchtfleisch und ohne und in den Größen einer halben oder ganzen Gallone (eine Gallone entspricht etwas mehr als vier Liter).

    Teuer ist es allemal, ich war bisher dreimal einkaufen und habe jedes Mal um die siebzig Dollar gezahlt, was bei Aldi die Hälfte gekostet hätte.

    Man findet viel mehr an fertig vorbereiteten Speisen als in Deutschland. Diese Fertiggerichte, ob für Mikrowelle, eingefroren oder in Dosen, sind viel weiter verbreitet. Gerade bei KROGERS habe ich erst beim dritten Besuch die ganz normalen Nudeln gefunden, dafür aber drei riesige Gänge mit tiefgekühlten Fertiggerichten. Im HILLERS MARKET ist die Auswahl an Nudeln dagegen kaum überschaubar, aus Italien, Deutschland, Spanien, alles da, und die Essenszutaten aus Korea und Japan sind in Originalverpackungen.

    Wohnen

    Nach immerhin einer Woche in der Übergangswohnung habe ich festgestellt, dass man die Klimaanlage nachts auch ausschalten kann. Tut man es nicht, geht sie pünktlich um zehn Minuten nach jeder halben und jeder vollen Stunde für zehn Minuten an, was einem nachts um zwei wirklich den Schlaf rauben kann.

    Zum Glück ist die Klimaanlage in meiner neuen, richtigen Wohnung nicht ganz so laut sein, wie noch in der Übergangswohnung, und auch der Kühlschrank würde nicht ganz so viel Lärm machen, denn da ich die gesamten Anschlüsse wie Strom und Heizung mit meiner zukünftigen Nachbarin Sue, die unter mir wohnt, teile, wäre es auch nicht so einfach, sie auszuschalten.

    An meinem Geburtstag habe ich in der neuen Wohnung übernachtet, mit Schlafsack und Isomatte, und habe gut geschlafen. Der See, Walled Lake, ist inzwischen vollständig zugefroren und wird es wohl bis zum Frühling bleiben. So sah ich beim Einschlafen auf diese riesige weiße und zugeschneite Eisfläche, mit den erleuchteten Häusern des anderen Ufers am Horizont. Manche Häuser tragen noch ihre Weihnachtsbeleuchtung und es scheint winterlich über das Eis.

    Auto I

    Ich musste in der nächsten Woche ein neues Auto finden, denn dann läuft der Mietvertrag des jetzigen Wagens aus. Morgen will ich mir die Fords anschauen – Taurus und Escape –; gleichzeitig bin ich in Verhandlungen mit dem firmeneigenen Carpool, denn aus dem werden ab und an auch Wagen an die Mitarbeiter verkauft. Wenn das alles noch nichts ist, gibt es tausend Internetseiten, wo man seine Wünsche eingeben kann und ein Cardealer einen höchstselbst innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden anrufen würde, um ein Angebot zu unterbreiten.

    Im Moment fahre ich einen Pontiac Grand Am, ein wirklich nettes Auto, allerdings mit relativ wenig Platz für Dinge, die man befördern will. Das habe ich am Samstag gemerkt, als ich bei SEARS sowohl eine neue Hi-Fi-Anlage als auch einen Computer gekauft habe, dessen Drucker bei mir in der neuen Wohnung auf mich wartet. Nach einigem Drücken und Pressen hat alles gepasst, aber für die Packageboys war es keine leichte Aufgabe.

    Fernsehen

    Im temporary appartment gibt es nur öffentliches Fernsehen, das heißt, kein MTV und auch keinen der wirklichen »in«-Sender. Was auch bedeutet, dass ich vorerst keine neuen Folgen von »Sex and the City« empfangen kann, die am 4.1. auf HBO angefangen haben, also im Kabel. Es ist anstrengend, öffentlich-rechtlich fernzusehen: Alle zehn Minuten gibt es mindesten acht Minuten Werbung; ein Spielfilm ist immerhin die ersten zwanzig Minuten werbefrei – ich vermute ja, bis man sich eingesehen hat –, dann folgen auch hier alle zehn Minuten die üblichen Commercials (Werbungen). – In meiner neuen Wohnung habe ich die Wahl zwischen Kabel und Satellit; auch wenn die vorhandenen Anschlüsse für den Satelliten sprechen, würde ich wohl eher das Kabel versuchen, auch, weil es möglicherweise schon angeschlossen ist. Meine Nachbarin unter mir hat Kabel, und da alles mit allem verbunden ist, kann es gut sein, dass ich das auch haben würde. Genau würde ich es natürlich erst wissen, wenn ich einen Fernseher gekauft habe.

    Alle Fernsehsendungen starten entweder zur vollen Stunde oder zur halben, die Prime Time ist um acht Uhr abends, also 8 p.., wenn alle Spielfilme beginnen. Diese restriktive Einteilung ist vielleicht auch der Grund, warum es hier so etwas wie eine Fernsehzeitung nicht gibt. Alles, was es gibt, ist ein kleines, schwarz-weißes DIN-A5-Büchlein, das alle Sendungen aufführt, aber wenig zu den einzelnen erzählt. Also nicht wie in Deutschland, wo es ungezählte Fernsehzeitschriften mit verschiedenen Geschichten und Starausschnitten gibt, nichts davon hier. Natürlich gibt es eine Menge Zeitschriften aus der Abteilung Regenbogenpresse, denn die Amerikaner sind fast verliebt in ihre Berühmtheiten (Celebrities), die aber dann doch eher als eigenständige Personen angehimmelt werden, weniger in Verbindung zum Fernsehen.

    Menschen

    Ich kenne noch nicht viele, natürlich. Ich kenne Mike, meinen Vermieter, der vier Kinder hat, drei davon Mädchen, der vier Häuser neben mir wohnt, vorher in meiner Wohnung wohnte und sie extra für die eigenen Bedürfnisse umgebaut hat. Vielleicht würde er später einmal zurückkommen, wenn die Kinder groß sind und er kein großes Haus mehr braucht, sagte er. Mike macht alles gern selbst, bis auf Internet, das ist ihm nicht geheuer. Aber wenn ich Probleme mit irgendwelchen Anschlüssen hätte, sollte ich ihm das sagen, das könne er.

    Sue, mit der ich das Haus teile, habe ich einmal gesehen. Sie ist Ende dreißig und sehr krank, als ich sie sah, sodass wir nur kurz Hallo sagten.

    Viel mehr kenne ich noch nicht und auch meinen Staubsauger und mein Telefon habe ich noch nicht abgeholt; beides liegt bei Freunden meiner Vorgängerin. Immerhin habe ich der Organisatorin der Frauenstammtische geschrieben – auf die ich später noch ausführlich zu sprechen komme –, dass ich gern an diesen Stammtischen teilnehmen würde, auch wenn das die Frauen der Entsandten und nicht die Entsandten selbst sind.

    Einkaufen

    Bisher habe ich bei CVS eine Kaffeemaschine eingekauft und wieder umgetauscht, da sie nicht funktionierte – noch weiß ich nicht, ob die Neue jetzt geht. Außerdem kaufte ich eine Hi-Fi-Anlage, sowie einen Laptop und einen Drucker bei SEARS. Das waren die großen Dinge. Außerdem gab es bei SEARS eine Decke und einen Schlafsack. An Kleinigkeiten habe ich Bilder entwickeln lassen, Telefonkarten gekauft, die wirklich funktionieren, Briefe verschickt, Briefmarken auf der Post gekauft und bin dabei, mich über Handy, Telefon und Internetanschluss zu informieren. Letzteres ist bei der verwirrenden Anzahl von Anbietern und noch dazu Tarifen nicht wirklich einfach.

    Auto II

    Die Entscheidung ist gefallen. Ich lease einen Ford Escape, einen small SUV (Suburban Vehicle oder auch Sport Utility Vehicle, eine Art Geländewagen) in aspen green, einem sehr, sehr dunklen Grün, mit Klappdach, Klimaanlage, heizbaren Sitzen, 20.000 Miles im Jahr und kaum Anzahlung für drei Jahre.

    Das Problem ist – die Social Security Number und damit meine Kreditwürdigkeit. Es ist echt zu seltsam, mit diesen paar Zahlen könnte ich alles sofort bekommen, ohne sie ähnelt es immer einem Drama. Mit meinem persönlichen Cardealer, David, habe ich einen Deal ausgehandelt: Er bekommt alles an offiziellen Papieren, was ich bisher habe und er versucht bis nächsten Donnerstag etwas in die Wege zu leiten. Also hat er: meinen Antrag für die SSN, meinen Auslandsreisepass inkl. Visum, die Blanket Petition meines Arbeitgebers, die besagt, dass sie ohne individuelle Prüfung Leute verschicken darf, meinen vorübergehenden Führerschein mit deutschem Führerschein und der Übersetzung desselben ins Englische, meinen amerikanischen Vertrag (eine Seite), meinen deutschen Entsendungsvertrag (zwölf Seiten ohne Anlagen) und meinen Mietvertrag. All die Papiere sollen eigentlich nur das aussagen, was die SSN darlegen soll: dass ich hier lebe und tatsächlich existierte.

    Und bis Donnerstag, vielleicht auch Samstag, versucht David, das neue Auto zu bekommen, eine Autoversicherung in die Wege zu leiten und Nummernschilder zu besorgen. Wenn das nicht klappt, muss ich bis Mitte Februar auf die SSN warten und mit meinem Arbeitgeber verhandeln, dass ich das Leihauto, das eigentlich nur für drei Wochen gedacht war, vielleicht länger haben kann.

    Aber es sieht gut aus und ich habe auch keinerlei Bedenken, dass der Grand Am verlängert werden kann, wenn es sein muss.

    Führerschein

    Das ging einfacher als erwartet. Das Secretary of State, wo ich letzten Mittwoch war, hatte nicht allzu viel Betrieb – was verwunderlich ist, denn hier muss alles umgeschrieben oder neu beantragt werden: Adresse, Autonummernschilder etc. Wie üblich hatte ich Ausweis, Visum, Blanket Petition, Führerschein, Übersetzung des Führerscheins und zur Sicherheit noch mal den amerikanischen Vertrag dabei. Zwei Identifikationen sind notwendig, normalerweise die Geburtsurkunde als erstes –, die ich natürlich nicht hatte, sie liegt wohlbehalten bei meinen Eltern. Ich konnte die Dame aber überreden, dass ich Pass, Visum und Führerschein habe und das reichte dann auch. Wieder eines der Formulare ausfüllen, dann 25 US-Dollar zahlen, genau den Betrag hatte ich noch dabei (Kredit- oder Debitkarte werden nicht akzeptiert), dann Foto machen und schon hatte ich den vorübergehenden Ausweis, in drei Wochen soll der offizielle folgen.

    Beim Foto fragte sie mich noch, ob ich die Brille nicht ausziehen wollte, und mir ging leider erst nachher auf, dass sie das deshalb fragte, weil ich nun immer mit Brille herumlaufen muss, sonst glaubt mir kein amerikanischer Streifenpolizist, dass ich mit Kontaktlinsen richtig sehen kann. Naja, auch dafür wird sich zu gegebener Zeit eine Lösung finden.

    Es gab auch noch einen Sehtest, bei dem man nur eine Zeile lesen musste, und den bestand ich. Zum Glück, denn viele andere Staaten haben noch einen Fahrtest eingeführt, bei dem man im eigenen Auto um den Block fahren muss – und das kann tricky sein, wenn man nicht weiß, wie viele Feet man von einer Ampel entfernt parken darf oder wie viele Miles in welchen Wohngebieten erlaubt sind. Es gibt alles zwischen 25 Miles, wie bei mir in Novi am East Lake Drive, oder 45 Miles auf den großen Straßen. 30 Miles sollte man bei schlechter Sicht fahren, 40, wenn große Kreuzungen in Sicht kommen. Und man sollte sicher sein, dass es an Kreuzungen kein »Don't turn by red«-Zeichen gibt, das sagt nämlich, dass man warten muss, bevor man rechts abbiegt, sonst und ohne dieses Zeichen kann man einfach rechts und nur rechts abbiegen. Leider steht das Zeichen meist hundert Meter vor der Ampel, sodass man es sich merken muss.

    Shopping

    Sonntag war ich Shoppen. Das ist so großartig am Sonntag. Den Samstag über verbummeln und den Sonntag dann verschärftes Einkaufen, noch dazu, wenn sie hier gerade Winter Sales haben, also vieles einfach reduziert, um die Winterlager leer zu bekommen. Leider ist das meist schon geschehen und ich habe immer noch keinen wirklich warmen Mantel oder wirklich warme Stiefel gefunden, die sind alle schon verkauft oder einfach nicht wirklich schön. Mit den Kleidergrößen komme ich nicht wirklich zurecht, auch wenn es eigentlich einfach sein sollte – 12 ist 40, 10 ist 38, aber die Kleider halten sich nicht wirklich daran. Der Mantel in 12 war ein Zelt und in 10 viel zu eng, wie eine Wurst. Aber das hatte ich schon in Deutschland; einen wirklich warmen und schönen Mantel zu finden, ist immer eine Herausforderung.

    Dafür hatte ich einen anderen Shop gefunden, der Kerzen und Kerzenständer zum halben Preis verkauft und hier habe ich sogar einige Geruchskerzen gekauft. Es gibt kaum Kerzen ohne jeden Flavour, sie riechen nach Apfel, Banane, Kokosnuss, was auch immer man will. Es war etwas ganz Besonderes, als mir die Verkäuferin nach langem Nachdenken Kerzen ohne Geruch anbieten konnte, danach fragt wohl sonst niemand.

    Einzug

    Nach einem langen, langen Umzugswochenende schaue ich in der möblierten Wohnung im »Citation Club« die Verleihung der Golden Globes und stelle fest, wie viele Serien, Mini-Serien und Comedies es dann doch nicht über den großen Teich schaffen und mir völlig unbekannt sind.

    Freitag um zehn Uhr morgens kam die Umzugscrew – zehn Uhr, weil ich vorher noch einen Kennenlerntermin mit einem der Vice Presidents unserer Personalabteilung hatte, den ich wirklich nicht verlegen wollte. Also, um zehn Uhr waren sie da, vier Packer, zwei davon erfahrener und zwei unter zwanzig, sowie mein 20-ft-Container, den ich zuletzt sah, als er vor meiner Wohnung in Deutschland parkte und vollgeladen wurde. Die Jungs packten von zehn bis dreizehn Uhr nur Kisten aus, von dreizehn bis vierzehn Uhr versuchten sie, die Möbel aufzubauen, und dann waren sie weg. Und ich mit diesen geschätzten fünfzig Kisten allein. So ganz einfach war es nicht, ihnen die Logistik des Aufbaus eines IKEAregals beizubringen – wo ist oben und unten, wozu sind die Pöbbel da, und dass das Ganze auch noch geradestehen sollte, war ebenfalls ein Geheimnis, das ich lüften konnte. Allerdings gegen den Willen der Wohnung. Da war keine Wand gerade, und schon gar kein Fußboden eben. Der Teppich war so dick, dass die Regalteile tief darin versanken. Ich konnte nur hoffen, dass die dicken Ordner, die ich zuunterst eingeordnet hatte, dem Ganzen ein bisschen Stabilität verliehen. Und es war gut, dass ich noch in Deutschland so viel ausgesondert hatte; sogar hier fiel mir noch das eine oder andere in die Hände, bei dem ich mir nicht erklären konnte, warum ich es eigentlich mitgenommen hatte.

    Und es war noch Glück, dass wir es überhaupt in die Wohnung geschafft

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