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Der Schlunz und die Spur des Verräters
Der Schlunz und die Spur des Verräters
Der Schlunz und die Spur des Verräters
eBook276 Seiten3 Stunden

Der Schlunz und die Spur des Verräters

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Über dieses E-Book

Bei Familie Schmidtsteiner bricht der pure Stress aus: Weihnachten steht ins Haus. Anlass genug für den Schlunz, ganz viele Fragen zu stellen: Warum verkleidet man zu Weihnachten das Haus in einen Tannenwald? Warum ist es das Fest der Liebe, aber wenn einsame Menschen mitfeiern wollen, sind sie nicht eingeladen? Auf der Suche nach einem schönen Weihnachtsbaum erinnert sich der Schlunz plötzlich wieder an den Weg, den er damals durch den Wald gegangen ist. Wie ein Verrückter rennt er los. Ob sich jetzt aufklärt, woher er kommt und wo seine Eltern sind?

Und dann – einen Tag vor Heiligabend – taucht auch noch Besuch bei Lukas und Schlunz auf, mit dem niemand gerechnet hat und der das Weihnachtsfest der Schmidtsteiners vollends auf den Kopf stellt.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum18. Sept. 2019
ISBN9783955683078
Autor

Harry Voß

Harry Voß, geboren 1969, ist seit 1995 als Kinderreferent hauptamtlich für den Bibellesebund e.V. tätig. Neben der Kunst des Schreibens fühlt sich der Autor zum Schauspiel hingezogen und ist sowohl begeisterter Theaterbesucher als auch -schauspieler. Auf seinen Lesetouren und bei diversen Veranstaltungen wie Kinderbibelwochen, Kinderfreizeiten und Bibelactionpartys ist er als Gitarre spielender Geschichtenerzähler unterwegs. Mit seiner Frau Iris und den beiden gemeinsamen Kindern Elisa und Josia setzt Harry Voß sich aktiv für die Belange der evangelischen Kirchengemeinde in Gummersbach ein und arbeitet ehrenamtlich für den Christlichen Verein junger Menschen (CVJM). Der Autor lebt mit seiner Familie in Gummersbach / NRW. www.derschlunz.de

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    Buchvorschau

    Der Schlunz und die Spur des Verräters - Harry Voß

    Harry Voß

    Der Schlunz

    Band 6

    Der Schlunz

    und

    die Spur des Verräters

    Zum Autor vom „Schlunz":

    Harry Voß wurde 1969 in Dillenburg geboren (auf der Landkarte zwischen Gießen und Siegen) und ist in dem schönen hessischen Dorf Eibelshausen aufgewachsen. Als Kind ist er dort zum Kindergottesdienst und zur Jungschar gegangen und hat durch die Bibellese-Zeitschrift „Guter Start das Bibellesen kennengelernt. Das hat ihm so gut gefallen, dass er als Jugendlicher selbst in Jungschar und Kindergottesdienst mitgearbeitet hat. Weil er die Arbeit mit den Kindern so klasse fand, besonders Kinderbibelwochen und Jungscharfreizeiten, wollte er das auch beruflich machen. Sein Traumberuf: Kindermissionar. Darum hat er in Darmstadt Religionspädagogik studiert. Und jetzt ist sein Traum wahr geworden: Harry ist Kindermissionar beim Bibellesebund. Er führt in Gemeinden Kinderbibelwochen durch, fährt mit Kindern auf Freizeiten und hat 10 Jahre lang sogar die Kinder-Bibellese-Zeitschrift „Guter Start als verantwortlicher Redakteur geleitet.

    2007 hatte er das Vergnügen, sein erstes Buch schreiben zu dürfen: „Der Schlunz". Das war eine klasse Sache, aber jetzt spuken ihm schon wieder neue Ideen im Kopf herum. Harry spielt für sein Leben gern Theater, mag Peter Pan und Mary Poppins und möchte am liebsten für immer ein kleiner Junge bleiben.

    Mit seiner Frau Iris und seinen Kindern Elisa und Josia lebt er in Gummersbach, geht dort zur evangelischen Kirchengemeinde und arbeitet ehrenamtlich in der CVJM-Jungschar mit.

    Impressum

    © 2009 by Verlag Bibellesebund Marienheide

    SCM R.Brockhaus GmbH & Co. KG, Witten

    © 2019 der E-Book-Ausgabe

    Bibellesebund Verlag, Marienheide

    https://shop.bibellesebund.de/

    Autor: Harry Voß

    Coverillustration: Daniel Fernández Adasme

    Covergestaltung: Julia Plentz

    ISBN 978-3-95568-307-8

    Hinweise des Verlags

    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch teilweise - nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

    Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des Textes kommen.

    Noch mehr eBooks des Bibellesebundes finden Sie auf

    https://ebooks.bibellesebund.de

    Inhalt

    Titel

    Impressum

    1

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    1

    »Boah, eine Höhle, ein Geheimversteck!« Schlunz stand am Eingang und spähte in das dunkle Loch. »Lukas, schau doch mal, da liegen bestimmt hunderttausend Schätze versteckt!«

    Papa trat aus dem Geräteschuppen, in der Hand einen verwitterten Sonnenschirm. »Nein, Schlunz, hier liegen bestimmt keine Schätze«, sagte er und zog die Augenbrauen hoch. »Das ist alles alter Kram. Den kann man nicht mehr gebrauchen.«

    »Warum habt ihr ihn dann aufgehoben?«

    »Weil wir gedacht haben, man könnte das eine oder andere vielleicht doch noch gebrauchen. Aber jetzt brauchen wir den Platz und darum kommt er weg.«

    »Oh, schade«, sagte Schlunz und schaute wieder in den dunklen Geräteschuppen hinein. Schon den ganzen Tag war Papa hier im Garten am Ausräumen und Rumschleppen. Es war Samstagnachmittag und einer der wenigen Tage in diesem November, an denen es mal nicht regnete. Papa hatte schon vor zwei Wochen angekündigt, dass sich im nächsten Jahr die Familie Schmidtsteiner einen Kamin anschaffen würde. Einen schönen, gemütlichen Kamin im Wohnzimmer. Hier im Geräteschuppen sollte das Brennholz gelagert werden. Und dazu musste eben das ganze alte Zeug, das hier bis unter die Decke aufgehäuft war, verschwinden.

    »So einen guten Sonnenschirm wollt ihr wegschmeißen?«, rief Schlunz Papa hinterher, der schon wieder auf dem Weg zur Straße war, wo der Sperrmüll sich inzwischen stapelte. »Was macht ihr, wenn mal wieder die Sonne scheint und ihr einen Sonnenschirm braucht?«

    »Dann nehmen wir den neuen, den wir schon seit zwei Jahren benutzen!«, rief Papa zurück und verschwand vor dem Haus.

    »Aus dem Stoff könnte man noch ein Zelt bauen«, sagte Schlunz zu Lukas, der neben ihm stand. Lukas seufzte und fuhr sich mit seiner Hand über seine kurzen blonden Haare. Er wusste, dass Schlunz jeden Müll gebrauchen konnte. Unter seinem Bett hatte er sich schon eine richtige Schatzkiste angelegt, in der er lauter alte Steine, Stöcke, Mausefallen und anderen Plunder gesammelt hatte. Der Schlunz wohnte erst seit sieben Monaten bei den Schmidtsteiners, aber seitdem war die Kiste mit dem Müll immer voller geworden. Lukas und seine Familie hatten ihn völlig verwahrlost und ohne Gedächtnis im Wald gefunden. Das Einzige, an das er sich erinnern konnte, war das Wort »Schlunz«. So nannten Lukas, Nele und seine Eltern ihn seitdem. Bis sein Gedächtnis wieder funktionierte und er seine Eltern gefunden hatte, durfte er bei Lukas im Zimmer wohnen. Und immer wieder fiel ihm was neues Verrücktes ein, das sie zusammen unternehmen könnten. So wie jetzt hier im Garten.

    »Komm, Lukas«, sagte Schlunz, »wir schauen mal, was wir noch vor dem Sperrmüll retten können.« Damit ging Schlunz in den Schuppen hinein. Es war eng und an den Wänden lehnten noch alte Bettgestelle, sogar noch der Lattenrost von Neles kleinem Kinderbettchen. An einer Wand hingen unendlich viele Gartengeräte an Haken. Für die Gartengeräte war der Schuppen irgendwann wohl mal gebaut worden. In einem Regal lagerten alte Farbtöpfe, Blumendünger, Blumentöpfe und jede Menge weiterer unergründlicher Dosen und Werkzeuge. An einer anderen Wand hingen die Sommerreifen für das Auto, daneben stand der Rasenmäher. Eine Schubkarre mit plattem Reifen stand hochkant gegen die Wand gelehnt, in einer halb zerbrochenen Kiste lagen Spielsachen für den Sandkasten, mit denen Lukas und seine Schwester Nele schon lange nicht mehr spielten. »Und das soll alles weggeschmissen werden?«, fragte Schlunz noch mal. »Das kann ja wohl nicht wahr sein.«

    Da stand Papa schon wieder an der Tür: »Und glaub bloß nicht, Schlunz, du könntest das alles, was ich jetzt zum Sperrmüll bringe, wieder herauskramen und irgendwo anders neu einlagern. Wir brauchen den Platz. Und manchmal muss man sich sowieso von alten Sachen trennen. Du könntest bei der Gelegenheit sicher auch die Hälfte deiner Sachen aus der alten Kiste unter dem Bett aussortieren.«

    »Kommt nicht infrage«, protestierte Schlunz. »Ich dachte eher, ich füll meine Schatzkiste noch mit wertvollen Gegenständen aus dieser Wunderhöhle auf.«

    »Ich warne dich«, sagte Papa, griff nach einem Rest Maschendrahtzaun und trug ihn nach draußen. Schlunz rollte mit den Augen und schaute sich nacheinander alle Wertgegenstände im Schuppen an.

    »Hier ist ja sogar eine Steckdose«, staunte er, als er die Wand zwischen Schneeschieber und Laubrechen betrachtete. Als Papa wieder zurückkam, fragte Schlunz ihn: »Wozu braucht ihr denn Strom im Schuppen?«

    »Ich weiß auch nicht«, sagte Papa, »ich glaub, als wir damals den Schuppen gebaut haben, hab ich gedacht, ich könnte mir hier so eine Art Werkraum einrichten, in dem ich ein bisschen bohren und sägen kann.«

    »Und warum machst du’s nicht?«

    »Das siehst du doch: Weil hier alles voll ist mit Gerümpel.« Und damit trug er zwei alte Klappstühle nach draußen und war wieder weg.

    »Lukas«, kam es staunend von Schlunz, »wenn hier Strom ist, kann man hier ja richtig wohnen!« Sein Gesicht begann zu strahlen, und Lukas sah ihm an, wie er schon wieder die wildesten Ideen bekam. »Mensch, weißt du, was wir machen? Wenn hier alles leer ist, dann ziehen wir hier ein!«

    Lukas verzog das Gesicht. »Was, hierhin? In dieses Dreckloch?«

    »Klar!« Schlunz legte seine Stirn geheimnisvoll in Falten. »Natürlich nicht für immer. Aber wenn wir mal ganz ungestört sein wollen, dann können wir uns hierher zurückziehen! Das wird unser Geheimversteck!«

    »Schön dreckig, unser Geheimversteck.«

    »Geheimverstecke müssen dreckig sein«, sagte Schlunz mit ernster Miene. »Was sauber ist, ist ja nicht mehr geheim.«

    Draußen im Garten stapfte mit Winterstiefeln und dicker Jacke der kleine Cousin Hiob herum. Hiob war ein Jahr alt. Im Dezember sollte er zwei werden. »Nein, nist machen!«, brabbelte er vor sich hin, hob verschiedene Kleinteile vom Boden auf und warf sie mit aller Kraft gegen die Hauswand. Papa kam dazu, als Hiob gerade einen Pinguin aus Keramik von seinem Sockel riss und ausholte, um ihn in Richtung Hauswand zu schmeißen. »Nein, nicht machen!«, ermahnte Papa ihn, nahm ihm den Pinguin ab und stellte ihn auf die Fensterbank des Geräteschuppens.

    »Nein, nist machen!«, wiederholte Hiob und trat so fest gegen die Wand des Geräteschuppens, dass der Pinguin auf der Fensterbank zu wackeln begann.

    »Hiob!« Papa hob den Zeigefinger. »Du, du, du!«

    Hiob lachte frech, hob auch seinen Zeigefinger und plapperte Papa nach: »Du-du-du!«

    Normalerweise wohnte Hiob nicht bei den Schmidtsteiners. Onkel Torsten und Tante Lydia, die Eltern von Hiob, hatten acht Kinder. Das neunte sollte im Januar zur Welt kommen, aber weil Tante Lydia Probleme in der Schwangerschaft hatte, lag sie nun schon seit etwa vier Wochen im Krankenhaus. Die Kinder waren zum Teil auf die Verwandtschaft verteilt worden. Dabei war Hiob zur Familie von Lukas und Nele gekommen.

    Nele kam gerade nach draußen. Sie war neun Jahre alt, zwei Jahre jünger als Lukas. Sie trug ihre dünnen, blonden Haare unter einer dicken Pudelmütze versteckt. »Hiobchen!«, begrüßte sie ihren Cousin. »Weißt du, wo Lukas und Schlunz sind?«

    »Nein!«, sagte Hiob frech. »Nist Lunz!«

    Schlunz und Lukas kamen aus dem Schuppen nach draußen.

    »Was macht ihr?«, fragte Nele die Jungen.

    »Wir spielen Schatzsuche«, sagte Schlunz. Das stimmte zwar eigentlich nicht, aber Lukas wunderte sich nicht darüber. Schlunz begann seine Spiele oft völlig ohne Ankündigung. Da konnte eine Geräteschuppen-Aufräum-Aktion schon mal zur Schatzsuche werden.

    »Welchen Schatz sucht ihr?«

    »Komm mit«, sagte Schlunz, »wir zeigen ihn dir.« Er rannte voran bis zur Straße zum Sperrmüllstapel. »Hier«, sagte Schlunz, »das ist ein Haufen Wertgegenstände. Wer von uns das wertvollste Stück rausgeholt hat, hat gewonnen.«

    »Das ist Müll«, sagte Nele und rümpfte ihre Nase.

    »Nein, das sieht nur so aus.« Schlunz wühlte ein bisschen herum und zog einen alten Topf aus Blech mit einem Griff an der Seite heraus. »Der hier zum Beispiel ist in echt ganz wertvoll. Der ist aus dem Mittelalter.« Er machte ein wichtiges Gesicht. »Daraus hat Kaiser Franz der Große schon höchstpersönlich getrunken.«

    »Wirklich?«

    Da kam Papa dazu: »Wühlt die Sachen nicht wieder da raus. Schlunz, stell das wieder weg. Das ist doch total dreckig. Das ist ein alter Nachttopf, wer weiß, wer da schon alles reingepinkelt hat!«

    »Iiiiiih!«, machte Nele und hielt sich die Nase zu. Papa lehnte drei abgebrochene Besenstiele an den Müllhaufen und ging wieder nach hinten.

    Schlunz hielt den Nachttopf wie einen Pokal über sich: »Das ist nicht irgendein alter Nachttopf. In diesen Topf hat bereits Kaiser Franz der Große gepinkelt! Höchstpersönlich!« Und um zu beweisen, wie groß Kaiser Franz der Große war, kletterte er auf einen zerbrochenen Liegestuhl und von da aus auf einen wackligen Campingtisch, den Papa zum Sperrmüll gestellt hatte. Nele lachte: »Bist du vielleicht Kaiser Franz der Große?«

    »Ja!«, rief Schlunz stolz und reckte den Topf noch höher in die Luft.

    »Moment«, rief Nele, »dann fehlt dir noch der wichtige Inhalt in dem berühmten Topf!« Nele rannte zurück in den Garten und kam kurz darauf mit einem kleinen Eimer voller Wasser wieder zur Straße gerannt. Sie kletterte auf den alten Liegestuhl, stützte sich mit einem Fuß auf dem Campingtisch ab und goss das Wasser in den Nachttopf. »Die nächtlichen Soßen von Franz dem Großen«, sagte sie und lachte.

    »Sehr gut, Dienerin Nele«, sagte Schlunz und hob den Topf wieder in die Höhe. Ein Reifenquietschen auf der anderen Straßenseite ließ alle drei aufhorchen. Ein kleines Auto hatte angehalten, genau hinter dem großen, schwarzen Mercedes, der den ganzen Tag schon dort stand. Eine Frau mit grünem Wollpullover und blondem Pferdeschwanz quetschte sich hinter dem Lenkrad hervor. Das war Frau Rosenbaum, die Leiterin vom Jugendamt der Stadt. Sie trug trotz der Kälte eine Jeansjacke, damit schien sie jünger wirken zu wollen, aber Lukas sah ihr an den Falten im Gesicht an, dass sie mindestens vierzig Jahre alt sein musste, wenn nicht noch älter. Weil der Schlunz ja nicht wirklich der Bruder von Lukas und Nele war, erklärte Frau Rosenbaum immer mal wieder, eigentlich sei ja sie für den Jungen zuständig. Kinder, die nicht bei ihren Eltern leben, werden vom Staat versorgt. Und der Staat richtet dafür Jugendämter und Kinderheime ein. Frau Rosenbaum war die Leiterin des Jugendamts und des Kinderheims der Stadt. Obwohl Mama und Papa seit einiger Zeit offiziell die Pflegeeltern vom Schlunz waren, zumindest bis er seine richtigen Eltern gefunden hatte, schaute Frau Rosenbaum immer mal wieder vorbei. So wie jetzt. Mit ihren hohen Absatzschuhen klackerte sie über die Straße. »Guten Tag, Kinder«, sagte sie.

    »Guten Tag«, sagten Schlunz, Nele und Lukas im Chor. Als sie dabei leicht mit dem Kopf nickten, knackte der Campingtisch einmal laut und gefährlich.

    Frau Rosenbaum blieb vor dem Tisch stehen. »Was habt ihr? Was macht ihr da?«

    Lukas sah dem Tisch an: Wenn Schlunz oder Nele sich jetzt nur noch einen Millimeter bewegten, würde das Ding zusammenkrachen. »Nichts«, presste Nele zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

    Frau Rosenbaum legte ihre Hände zusammen und starrte Schlunz an. »Seid ihr ein Denkmal? Muss ich jetzt raten, wen ihr darstellt?«

    »Ich bin Kaiser Franz«, sagte Schlunz, aber weiter kam er nicht. Mit einem weiteren »Kracks« knickte das vordere Bein des Campingtischs ein und Schlunz kippte vornüber. Dabei verlor er seinen Nachttopf, der mit einem großen Platsch Frau Rosenbaum genau auf dem Kopf landete. »Aaaaah!«, schrie sie und ruderte mit den Armen. Die komplette Soße von Franz dem Großen triefte ihr von Nase, Kinn und Schultern herunter. Der Nachttopf saß auf ihrem Kopf und bedeckte Haare und Augen. Nele krachte nach hinten und landete in einem alten Lampenschirm. Schlunz lag auf der Straße.

    Da kam Papa angerannt: »Was ist denn hier los? Frau Rosenbaum, sind Sie das?«

    Frau Rosenbaum stand bewegungslos auf der Straße und schnüffelte angewidert mit der Nase. »Was, bitte, war in diesem Topf?«

    Nele beugte sich in ihrem Lampenschirm leicht vor und erhob ihren Zeigefinger: »Das war die Soße von ...«

    Lukas sprang mit einem Satz neben Nele, hielt ihr den Mund zu und redete schnell weiter: »Da war ganz normales Wasser drin. Wir haben nur gespielt. Tut uns leid.«

    »Gespielt«, wiederholte Frau Rosenbaum angeekelt. »Widerlich.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und stakste auf ihr Auto zu. Sie schloss es auf und stieg ein, ohne den Topf von ihrem Kopf zu nehmen. Dann startete sie, fuhr ein Stück rückwärts und dann mit Vollgas nach Hause. Ihren Kopf hob sie dabei so hoch, dass ihre Augen unter dem Rand des Topfes hervorlinsen konnten. Offensichtlich fand sie den Topf so eklig, dass sie ihn lieber auf dem Kopf behielt, als ihn mit den Händen anzufassen.

    Hiob stand am Gartenzaun, zeigte auf das Auto und rief: »Oma – bats macht!«

    Papa hatte die Hände in die Seiten gestemmt. »Seid ihr verrückt geworden?« Mehr brachte er nicht raus. Schlunz, der sich schon wieder auf seinen Beinen befand, legte den Zeigefinger auf seinen Mund. »Kein Wort zu Mama, ja? Sonst flippt die aus.«

    Papa schüttelte den Kopf und ging davon. Hiob lief ihm hinterher und rief immer wieder: »Oma – bats macht!«

    »Ja«, sagte Papa, während er hinter dem Haus verschwand, »bei der Oma hat’s ganz schön batsch gemacht.«

    »Seht ihr«, sagte Schlunz zu Lukas und Nele. »Der Topf war so wertvoll, Frau Rosenbaum hat ihn gleich mitgenommen. Sicher verkauft sie ihn jetzt für viel Geld.« Alle drei lachten laut los.

    Da öffnete sich die Tür der großen, schwarzen Mercedes-Luxuslimousine, die den ganzen Tag schon vor der Haustür stand. Genau genommen stand die da nicht nur schon heute den ganzen Tag, sondern bereits seit über zwei Wochen. Ein breitschultriger Mann stieg aus, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und kam langsam auf die Kinder zu. Nele erstarrte in ihrem Lampenschirm.

    2

    Nachdem vor etwa drei Wochen ein zweiter Verbrecher versucht hatte, den Schlunz zu töten, hatten die Erwachsenen beschlossen, den Jungen zu beschützen. »Personenschutz« nannten sie das. Damit meinten sie, dass seitdem jeden Tag dieser schwarze Mercedes mit zwei bis drei Polizisten vor ihrem Haus stand. Und immer, wenn der Schlunz irgendwohin gehen oder fahren wollte, fuhr ihm das Luxusauto hinterher. Sogar in die Schule begleitete sie das Fahrzeug, wobei die Polizisten nie mit in die Klasse kamen, sondern bis zum Ende des Unterrichts an der Straße warteten. Dabei achteten sie auf alles, was ihnen ungewöhnlich vorkam.

    In der ersten Woche hatten sich die Polizisten ihnen vorgestellt und ihnen erklärt, wie der Personenschutz in der nächsten Zeit aussehen würde. Zwei Teams mit jeweils drei Personen würden sich abwechseln und das Haus und den Schlunz beobachten. Natürlich so, dass der Schlunz sich nicht gestört fühlen sollte. Aber doch auch so, dass ständig zwei von ihnen in seiner Nähe waren, wenn er unterwegs war: am Stadtweiher, auf dem Fußballplatz, im Gottesdienst oder auch einfach wenn Lukas und er nur ihre ferngesteuerten Autos auf der Straße fahren ließen. Anfangs fand der Schlunz das »total cool« und er prahlte überall mit seinen »persönlichen Leibwächtern«, wie er sie nannte. Aber nach einer Woche nervte das schon einigermaßen, wenn einem andauernd ein bis drei Polizisten versteckt folgten. Nele traute sich noch nicht mal mehr, ohne Fahrradhelm ihr Fahrrad in die Garage zu schieben, weil sie immer das Gefühl hatte, die Polizisten schauten nicht nur nach dem Schlunz, sondern auch, ob die Kinder sich an alle Verkehrsregeln hielten.

    Einer von ihnen hieß Berthold Bruchsal. Er war etwas älter als Mama und Papa und schien der Chef der Truppe zu sein. Er hatte einen Schnauzbart wie der Schutzmann im Kasperletheater und sprach auch immer ganz vornehm. Der zweite hieß Stefan Medeweiher. Der war mindestens zehn Jahre jünger als der andere. Und weil die Polizisten beim Beobachten keine Polizeikleidung, sondern normale Klamotten trugen, sah er eher aus wie einer der Supersportler aus dem Fernsehen. Die dritte Person vom Personenschutz war eine Frau: Sabine Gütersloh. Mit ihren blonden, schulterlangen Haaren hätte sie gut auch den Wettbewerb für Deutschlands nächstes Topmodel gewinnen können. Aber Lukas sah ihr auch an, dass sie sehr stark war und dass es ihr sicher ein Leichtes war, einen Verbrecher mit zwei gekonnten Griffen zu überwältigen. Manchmal war nur ein Personenschützer von ihnen vor dem Haus zu sehen. Manchmal zwei. Und wenn die Kinder zur Schule oder sonst wohin unterwegs waren, waren sie zu dritt. Und einer von ihnen, Stefan Medeweiher, stand jetzt vor ihnen: »Alles klar bei euch?«, fragte er.

    »Ja«, sagte Schlunz. »Sieht man doch.«

    »Was wollte die Frau gerade?«

    Schlunz hob seinen Zeigefinger: »Ich weiß es. Sie wollte sich den wertvollen Nachttopf von Kaiser Franz dem Großen abholen.«

    »Aha«, sagte der Polizist. »Trägt man den jetzt auf dem Kopf?«

    »Ja«, sagte Schlunz und nickte. »Weil der Griff so dreckig ist, dass man ihn nicht anfassen möchte.«

    Der Polizist lachte und kehrte zu seinem Wagen zurück.

    Später waren sie mit Nele zusammen wieder im Geräteschuppen. Schlunz erklärte ihr: Wenn der Schuppen leer wäre, dann gäbe das eine Wohnung.

    »Aha«, sagte Nele. »Und wer soll hier wohnen?«

    »Na, wir natürlich. Wir Kinder.«

    »Ich denke, da soll das Holz für den Kamin

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