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Angeschwärzt: Katinka Palfys 13. Fall
Angeschwärzt: Katinka Palfys 13. Fall
Angeschwärzt: Katinka Palfys 13. Fall
eBook328 Seiten4 Stunden

Angeschwärzt: Katinka Palfys 13. Fall

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Über dieses E-Book

Mara will ihrem Vater Bernhard endlich von ihren Heiratsplänen erzählen. Doch der Juwelier kehrt von seiner sonntäglichen Rafting-Tour nicht zurück. Hatte er einen Unfall? Mara und ihre Mutter Kamila beauftragen die Bamberger Privatdetektivin Katinka Palfy mit der Suche nach ihm. Bernhard hat in seinem Geschäftsleben ein ganzes Netz halblegaler Verbindungen gewebt, das bis in abgelegene Steuerparadiese reicht. Wurde er ermordet, oder handelt es sich bei seinem Verschwinden um einen gigantischen Versicherungsbetrug?
SpracheDeutsch
HerausgeberGMEINER
Erscheinungsdatum10. Juli 2019
ISBN9783839261767
Angeschwärzt: Katinka Palfys 13. Fall

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    Buchvorschau

    Angeschwärzt - Friederike Schmöe

    Zum Buch

    Unfall oder Mord? Ein heißer Bamberger Sommer: Privatdetektivin Katinka Palfy untersucht das Verschwinden von Bernhard Lechner, einem begüterten Juwelier mit Immobilieneigentum in bester Stadtlage. Doch bald kommen Katinka Zweifel: Hat der Geschäftsmann seinen Tod inszeniert, um die Versicherung zu prellen? Ein Erpresser fordert von der Familie 200.000 Euro, sonst würde öffentlich, dass Lechner Steuern hinterzog. Kann das stimmen? Die Ehefrau verneint es. Während eine antikapitalistische Gruppe Lechner vor aller Welt zu diffamieren beginnt, bröckelt die private Fassade: In Lechners Leben gibt es ein Geheimnis, das seine Tochter Mara nach langem Verdrängen endlich wahrzunehmen bereit ist. Ben, ihr Zukünftiger, versagt ihr allerdings seine Unterstützung. Und wer ist Schlangenauge, der geheimnisvolle Geschäftspartner Lechners, den niemand je zu Gesicht bekam? Schließlich wird auch Katinka im Netz verleumdet …

    Geboren und aufgewachsen in Coburg, wurde Friederike Schmöe früh zur Büchernärrin – eine Leidenschaft, der die Universitätsdozentin heute beruflich nachgeht. In ihrer Schreibwerkstatt in der Weltkulturerbestadt Bamberg verfasst sie seit 2000 Kriminalromane und Kurzgeschichten, gibt Kreativitätskurse für Kinder und Erwachsene und veranstaltet Literaturevents, auf denen sie in Begleitung von Musikern aus ihren Werken liest. Ihr literarisches Universum umfasst u. a. die Krimireihen um die Bamberger Privatdetektivin Katinka Palfy und die Münchner Ghostwriterin Kea Laverde.

    Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag:

    Kurbäder im Herzen Europas (2019, mit Petra und Carsten Steps), Drauß’ vom Walde (2018), Geisterflug (2018), Mörderische Prachtbäder (Hrsg. zus. mit Petra Steps) (2018), Oberfranken (2018), Kreidekreis (2018), Falsche Versprechen (2017), Dohlenhatz (2017), Die viel zu lange Lüge, E-Book only (2016), Von Zimtsternen und Zimtzicken (Hrsg.) (2016), Die Bernsteinburg, E-Book only (2016), Stille Nacht, grausige Nacht (2015), Kirchweihleichen (2015), Zuträger (2015), Ein Toter, der nicht sterben darf (2014), Wer mordet schon in Franken (2014), Schaurige Weihnacht überall (2013), Du bist fort und ich lebe (2013), Still und starr ruht der Tod (2012), Rosenfolter (2012), Lasst uns froh und grausig sein (2011), Wasdunkelbleibt (2011), Wernievergibt (2011), Süßer der Punsch nie tötet (2010), Wieweitdugehst (2010), Bisduvergisst (2010), Fliehganzleis (2009), Schweigfeinstill (2009),Spinnefeind (2008), Pfeilgift (2008), Januskopf (2007), Schockstarre (2007), Käfersterben (2006), Fratzenmond (2006), Kirchweihmord (2005), Maskenspiel (2005)

    Impressum

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    © 2019 – Gmeiner-Verlag GmbH

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    Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

    info@gmeiner-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten

    1. Auflage 2019

    Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

    Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

    Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

    unter Verwendung eines Fotos von: © derjoachim / photocase.de

    Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

    Printed in Germany

    ISBN 978-3-8392-6176-7

    Haftungsausschluss

    Personen und Handlung sind frei erfunden.

    Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

    sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Prolog

    Dass eine Frau sich über ein außergewöhnliches Schmuckstück mehr freute als über ein besonders teures, musste er Bernhard erst beibringen. Er besaß diese Nase für Außergewöhnliches, das hatte Bernhard zugegeben. Obwohl man es ihm nicht ansah. Den Einkauf hatten sie daher gemeinsam gestaltet, in jenen Zeiten, bevor Bernhard meinte, er wäre etwas Besseres. Es gab Jahre, in denen hatten sie den Handel gerockt, und zwar mit Stil. Damals existierte in Bamberg kein Geschäft, das etwas Vergleichbares an Juwelierskunst geboten hätte. Erst recht hatte noch keiner vom Internet gehört, also blieb nur der Handel vor Ort oder in den Großstädten. Natürlich waren da Kunden, die es sich nicht nehmen ließen, am Wochenende nach München oder Stuttgart zu fahren, um in den einschlägigen Geschäften die noch extravaganteren, noch kostbareren Stücke zu erwerben, aber für eine Provinzstadt schlugen sie sich erstaunlich gut.

    Auf die Kamee war er auf einer Messe in Bozen aufmerksam geworden. Bernhard war gegen die Reise nach Südtirol, was sollte dort schon Besonderes ausgestellt werden, doch er hatte seinen Chef – im Grunde waren sie Kumpel, aber gut, wenn Bernhard Wert auf Formalitäten legte, dann war er sein Chef – überzeugen können: Im Kleinen liegt das Exotische. Lass uns fahren.

    Sie bereuten die Reise beide nicht. Wenngleich Bernhard, kaum dass ihm die Kamee gezeigt worden war, müde abwinkte. Kamee war out, genauso wie Gemme, das trug keine mehr. Die Frauen standen heutzutage auf Schmuck aus Edelstahl.

    Er erinnerte sich noch genau, wie sich die Kanten des sich von dem Schmuckstein abhebenden Reliefs anfühlten. Kunstvoll herausgearbeitet der Feuerachat, er hatte später nie wieder so eine Arbeit gesehen. Das Motiv der Eidechse, aus der Vogelperspektive dargestellt, mit markanten vier Pfoten und einem langen Schwanz, der einmal um das ganze Tier herumführte, erinnerte an Zeichnungen, wie er sie von Indianerschmuck kannte. Selbstverständlich weigerte sich Bernhard, folkloristische Stücke ins Sortiment aufzunehmen, aber sei’s drum.

    Die glänzenden Farben changierten zwischen Bernsteinbraun, Onyx, tiefem Grün, leuchtendem Orange und Gelb.

    Als er Bernhard auf das Stück hinwies, grinste der amüsiert. »Was glaubst du wohl, wer so was in Bamberg kaufen soll?«

    »Und wenn du es deiner Tochter schenkst?«

    Der Spott in Bernhards Gesicht verflog. »Meinst du?«

    Der Hintergedanke bei Geschenken an die weibliche Verwandtschaft war stets der gleiche: Die Damen standen öfter dekorativ im Geschäft herum, die Kundschaft achtete darauf, was der innere Zirkel trug – und wollte das gleiche.

    Bernhard kaufte die Kamee und schenkte sie seiner Tochter.

    Er, der Mann mit den Ideen, der sich stets im Hintergrund hielt, sah das Kleinod nie wieder. Bis … nun ja. Allerdings schlug er später in seiner Enzyklopädie nach. Unter »Feuerachat«. Und fand einen Hinweis auf eine Eidechse, »Schlangenauge« genannt, deren Halsfärbung in ähnlichen Tönen schimmerte wie das Mineral.

    Seitdem nannte er sich Schlangenauge.

    1

    Sie kauert auf einer übelriechenden Matratze, den Rücken gegen eine rohe Wand gedrückt. Es ist dunkel und kalt, sie fröstelt. Das bisschen Licht, das unter der Tür durchscheint, reicht gerade aus, um die Matratze, die Wasserflasche, den Teller mit den Sandwiches und den Eimer ein klein wenig von der finsteren Umgebung abzuheben. Der Eimer.

    Sie hat erbrochen. Kann das Wasser nicht trinken. Ihr ist schlecht, seit sie aufgewacht ist, und weil sie keine Uhr hat und sich nicht erinnern kann, wann sie hierher verschleppt wurde, fehlt ihr jegliches Zeitgefühl.

    Ihr Kopf schmerzt. Sie trägt ihren Schlafanzug. Immer wieder tastet sie über die Knopfleiste am Dekolleté. Dort baumelt wieder die Kette mit dem Anhänger. Vertraut schmiegt er sich in ihre Finger.

    Sie ist müde, so erschöpft, dass sie immer wieder einnickt, glücklich, für Minuten diesen Raum zu vergessen, das Ausgeliefertsein, die Unsicherheit. Warum hat er ihr den Anhänger zurückgegeben? Das Schmuckstück hat ihr kein Glück gebracht.

    Der Brechreiz kommt unvermittelt, sie kriecht zum Eimer, würgt. Viel kommt nicht mehr.

    Der Gestank bringt sie fast um.

    2

    Privatdetektivin Katinka Palfy schloss ihre Wohnungstür ab und spazierte gut gelaunt die Treppe hinunter. Als sie aus dem Haus trat, schlugen ihr die fröhlichen Klänge eines warmen Julitages entgegen. Ein Pärchen hatte sich in ihren Innenhof verlaufen und schoss ein Selfie mit den verlotterten Briefkästen im Hintergrund. Katinkas Stimmung sank um ein paar Grad.

    »Morgen!«, grüßte sie.

    Die beiden drehten sich um. Er mit Hipsterbart, sie bauchfrei.

    »Sorry, mein Name auf meinem Briefkasten hat im Internet nichts zu suchen.«

    Das Pärchen starrte Katinka tumb an.

    »Do you speak English?«

    Der Hipster legte den Arm um seine Liebste und führte sie eilig hinaus auf die Gasse.

    Katinka seufzte.

    »Frau Palfy, heute ausnahmsweise zu den üblichen Geschäftszeiten unterwegs?« Hinter Katinka materialisierte sich Dante Wischnewski. Der Reporter lebte seit geraumer Zeit als Mieter im obersten Stock ihrer Immobilie, die in ihrem momentanen Verrottungsstadium anscheinend allerhand Schaulustige anzog.

    »Morgen, Wischnewski.«

    »Was wollten denn die beiden Schnuckiputzis? Kaufinteressenten?«

    »Nein, professionelle Selfisten.«

    »Was ist das denn?« Er guckte ehrlich interessiert.

    »War ein Scherz, Wischnewski. Die haben ein Selfie mit unseren Briefkästen geschossen.«

    »Dagegen können Sie nichts machen, Frau Palfy, ehrlich. Oder wollen Sie ernsthaft jeden ersuchen, seine Bilder zu löschen, weil Ihr Briefkasten drauf sein könnte? An solche Restriktionen glauben nur Bürokraten.«

    Katinka zwang sich zu einem Grinsen. Der Tag hatte vielversprechend angefangen, sie war nicht in der Stimmung, sich mit Lappalien abzugeben, auf die sie ohnehin keinen Einfluss hatte.

    »Eben war ich noch bester Laune. Ich bin extra früh aufgestanden, um in der Detektei ein bisschen Papierkram wegzuschaffen. Sie wissen, das ist nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung.«

    »Klar, Sie schlagen sich ja lieber die Nächte mit Beschattungen um die Ohren.«

    »Wenn Sie auf meinen letzten Fall anspielen …«

    »Der hat Ihnen sicher eine Menge Zaster eingebracht, wie?« Dante hatte sogar für die Zeitung eine kleine Meldung aus Katinkas Erfolg gebastelt. Einem Sammler war eine 400 Jahre alte Madonnenfigur geraubt worden; Katinka hatte sie wiederbeschafft. Der Raub war nicht sehr spektakulär verlaufen, der Sammler hatte erst am folgenden Morgen bemerkt, dass ihm die Figur fehlte. Der Räuber selbst erwies sich allerdings nicht als super-smart, er hatte nämlich den ebenfalls recht wertvollen und passgenauen Sockel an Ort und Stelle zurückgelassen. Katinka war sicher: Er würde zurückkommen, um sich dieses Teil auch noch unter den Nagel zu reißen. Allerdings musste sie sich geschlagene sechs Nächte auf die Lauer legen, um den Knaben zu erwischen. Wenn sie ehrlich war, fühlte sie sich immer noch müde.

    »Ich bin zufrieden. Finanziell und auch rundum.« Katinka lächelte. Immerhin war vom Sommer noch genug übrig, um heute Abend ein paar Runden in der Regnitz zu schwimmen.

    »Wie wäre es, wenn Sie einen Teil der Einnahmen in Ihre Immobilie investieren?«

    Katinka blickte an der Fassade des Hauses hoch. Neue Fenster wären vor dem Winter das Mindeste. Außerdem könnte mal neu verputzt werden. Sie seufzte. Allein die Fenster würden ein Riesenloch in ihr Budget reißen. Abgesehen davon, dass man derzeit ohnehin keine Handwerker bekam.

    »Ehrlich gesagt, manchmal trage ich mich mit dem Gedanken, zu verkaufen.«

    »Was? Im Ernst?« Dante sah ehrlich bestürzt aus. »Das können Sie nicht machen! Ich habe so viel Herzblut und Geld in die Wohnung gesteckt, wenn Sie jetzt verkaufen und der nächste Eigentümer entscheidet sich für eine Generalsanierung …«

    »Keine Panik. Im Moment rühre ich keinen Finger in dieser Hinsicht.« Sie setzte sich in Bewegung. Dante folgte ihr bis in den Durchgang zur kopfsteingepflasterten Concordiastraße. Eine Schwalbe umtanzte den efeuberankten Torbogen.

    »Sehen Sie? Die Schwalben mögen es hier.« Tatsächlich hatten die schwarz-weißen Flugkünstler in diesem Frühjahr zum ersten Mal ihre Nester an die Außenfassade geklebt. »Spricht für den Umweltfaktor. Man kann mit gutem Gewissen sagen, dass Ihr Haus das naturbelassenste in der Straße ist.« Dante stellte seinen Rucksack ab. »Und der Wettbewerb ist wahrlich nicht leicht zu gewinnen. Also, Sie warnen mich vor, wenn Sie verkaufen wollen, vielleicht lassen Sie mich mitbieten.«

    »Vergessen Sie’s. War ein Witz. Wirklich.«

    Dante sah sie fragend an, während sie ihr Fahrrad aus dem Pulk von Drahteseln zerrte, die allesamt den in ihrer Erdgeschosswohnung eingemieteten Studenten gehörten. Und deren Gästen.

    »Frau Palfy, sollen wir gelegentlich auf ein Bier? Auf den Keller? Wer weiß, wie lange das Wetter hält!«

    »Machen wir!« Katinka winkte und holperte über das Kopfsteinpflaster davon, wobei sie einen mit Kameras behängten Mann umkurvte, der gerade mit einem Riesenobjektiv das Wasserschloss Concordia am unteren Ende der Gasse ins Visier nahm.

    Manchmal kam sie sich vor, als lebte sie im Museum. Die Stadt Bamberg selbst war nichts anderes mehr, jedenfalls an den neuralgischen Punkten in der Innenstadt, fand Katinka. Touristen in Gruppen, Herden und Rotten, wohin man sah. Sie blockierten Gehsteige und Radwege, überrannten die besten Cafés und vertrieben die Bewohner von deren angestammten Lieblingsplätzen oder gleich in den Bamberger Osten, den manch alteingesessener Bürger im Weltkulturerbe schon gar nicht mehr als zur Stadt gehörig empfand. Dort schien man jedenfalls noch wohnen zu können, ohne von Leuten heimgesucht zu werden, die auf der Jagd nach dem romantischsten Foto waren, das das UNESCO-Welterbe ihnen liefern konnte. Es kam Katinka nach so vielen Jahren immer noch als Privileg vor, in einer Stadt zu leben, die mit den normalen deutschen Nachkriegsstadtbildern nichts gemein hatte. Alles stimmte hier. Es gab keine dramatischen Bausünden, und die wenigen, die es nach Bamberg geschafft hatten, konnte man sich wegdenken. Kaum Höllenkonstruktionen, die aus neurotischen Architektenhirnen hervorgegangen waren. Das Stadtbild war gewachsen, weitgehend, nur der Verkehr, vor allem die dröhnenden Stadtbusse, und die Reisebusse mit den Touristen an Bord machten einem mitunter das Leben schwer. Katinka lebte im Herzen der Altstadt, direkt am Fluss, was einer etwas eigenwilligen Fauna in ihrer unmittelbaren Nähe Vorschub leistete, aber sie fand das ganz charmant.

    Zur Detektei, die auf der anderen Flussseite lag, radelte sie über Umwege, mit der Absicht, den größten Menschentrauben auszuweichen. Dafür musste sie ein paar steile Anhöhen überwinden, um schließlich den Abtsberg wieder hinunterzurollen und dann bei der Konzerthalle die Regnitz zu überqueren. An den Masten auf dem Platz davor schlugen die Fahnen im Wind. Ein Mann ordnete die Konzertankündigungen im Schaukasten neu an. Sie radelte die Weide entlang und flitzte bei Dunkelgelb in die Kapuzinerstraße. Als sie knapp vor einem Taxi, dessen Fahrer hupend seinem Unmut Luft machte, in die Hasengasse schoss, klebte ihr das Shirt vor Schweiß am Körper.

    Zu beschäftigt damit, das Rad diebstahlsicher abzusperren, bemerkte sie die beiden Frauen nicht, die langsam vom oberen Ende der schmalen Gasse auf sie zukamen.

    »Frau Palfy?«

    Sie hatte hunderte von Malen, wenn nicht öfter, ihren Namen in diesem typischen Tonfall ausgesprochen gehört. Fragend, vorsichtig, schüchtern und fest entschlossen, zu gleichen Teilen. Sie brauchte nicht aufschauen, um zu wissen, dass sie zwei neue Klientinnen vor sich hatte. Katinka unterdrückte ein Seufzen. Zu gerne hätte sie ein paar Tage lang das gute Wetter genossen. Womöglich lag Wischnewski nicht falsch. Am 22. Juli blieb nicht mehr allzu viel vom warmen Glück übrig. So wenig sie das auch wahrhaben wollte.

    »Grüß Gott.« Katinka richtete sich auf.

    »Wir«, begann die Jüngere. Beide trugen sie dunkle Kostüme, trotz der Wärme, und Sonnenbrillen. Sie hatten die gleiche Figur, waren ausgesprochen schlank, die Ältere wirkte hager, und auch ohne, dass die beiden ihre Brillen abnahmen, erkannte Katinka, dass es sich um Mutter und Tochter handeln musste. Sogar die Haarfarbe war gleich; die Locken der Tochter wirbelten kinnlang um ihr Gesicht, silberne Ohrstecker blitzten auf. Die Mutter trug einen strengen Kurzhaarschnitt. Ein teurer Friseurbesuch lag vermutlich nicht lange zurück. »Also, ich meine, Sie sind doch die Detektivin?«

    »Kommen Sie rein.« Katinka schloss die Detektei auf, erleichtert darüber, dass sie in der letzten Zeit selten hier gewesen und daher kein großes Chaos angerichtet hatte. Nur die Papierstapel auf ihrem Schreibtisch wiesen darauf hin, dass ein paar Angelegenheiten abgearbeitet werden wollten.

    »Bitte.« Auf die Besuchersessel deutend, verdrückte sich Katinka in ihr Hinterzimmer. »Entschuldigen Sie mich einen Moment.«

    Sie warf ihren Rucksack auf den einzigen Stuhl, der in der vollgestopften Kammer Platz gefunden hatte, checkte das Faxgerät, das seit Monaten nichts mehr ausgespuckt hatte, sie könnte das Ding eigentlich entsorgen, und nahm sich eine Flasche Franken Brunnen aus dem Kühlschrank. Gierig trinkend wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. An dem winzigen Waschbecken neben der Toilette brachte sie ihre schweißnassen, kurzen Strähnen in Ordnung. Mittlerweile schlich sich das eine oder andere silberfarbene Haar in ihren Schopf. Hatte Dante nicht neulich so einen Spruch ausgespuckt? »Wir müssen alle in den sauren Apfel beißen?« Oder so ähnlich? Typisch Dante, der hätte ein paar graue Haare wahrscheinlich als Luxusproblem empfunden, schließlich war er bis auf einen hauchfeinen Flaum völlig kahl.

    Mit halbem Ohr hörte sie, wie die beiden Frauen sich vorne leise unterhielten. Soll ich ihnen sagen, ich bin ausgebucht?, überlegte Katinka, während sie sich mit dem Handtuch das Gesicht trockenrieb. Den Papierwust in die blaue Tonne schmeißen und schwimmen gehen?

    Ihre Fälle hatten sich seit Pfingsten in schneller Folge abgewechselt, sie war kaum zum Denken gekommen. Gut für die Kasse, aber vom Sommer hatte sie noch nicht allzu viel gehabt. Katinka hexte ein Lächeln auf ihr Gesicht, bevor sie wieder nach vorn ging.

    »Darf ich Ihnen was anbieten? Kaffee vielleicht?«

    »Danke, nein«, antworteten beide unisono. Sie trugen immer noch die Sonnenbrillen.

    »Was Kaltes dann?«

    »Auch nicht, vielen Dank«, sagte die Jüngere. »Ich bin Mara Lechner. Meine Mutter, Kamila. Wir vermissen meinen Vater.«

    Katinka betrachtete kurz die dunklen Kostüme der beiden Frauen. Vorgezogene Trauerkleidung?

    »Möchten Sie von vorn anfangen?« Sie griff nach einem Notizblock und kramte aus dem Sammelsurium an Killefit auf dem Schreibtisch einen Kuli hervor.

    »Es geht um Bernhard Lechner. Meinen Vater, wie gesagt. Wir vermissen ihn seit über einer Woche. Die Polizei konnte uns bisher nicht helfen, deshalb …«

    »Mein Mann geht ab und zu zum Rafting ins Fichtelgebirge. Wir haben eine kleine Jagdhütte dort.« Kamila Lechner senkte die Stimme, kämpfte mit ihren Gefühlen. Was für ein Akzent ist das?, grübelte Katinka. Die Frau sprach beinahe perfektes Deutsch, nur das »l« klang anders, weicher. Tschechisch, dachte Katinka. Ihre Muttersprache könnte Tschechisch sein. Frau Lechner nahm die Brille ab. Rote, geschwollene Augen.

    Mara sprang ein. »Am 13. morgens fuhr er los, am 14. abends sollte er zurückkommen. Das war gestern vor einer Woche. Seither fehlt jede Spur von ihm, und er hat sich nicht bei uns gemeldet.« Sie scrollte über ihr Telefon. »Hier. Das ist ein aktuelles Foto von ihm.«

    Katinka besah sich den Mann mit dem gebräunten Gesicht und dem mustergültigen Lachen. Akkurat gescheiteltes, weißblondes Haar. Perfekter Krawattenknoten. Sie schob ihre Handynummer über den Tisch. »Schicken Sie mir das bitte!«

    Mara wischte auf dem Smartphone herum. »Die Polizei hat das Gelände abgesucht. Sein Wagen ist weg, das Floß unauffindbar und er selbst auch.«

    »Floß?«

    »Sein Rafting-Floß.«

    »Aha.« Katinka schrieb »Wagen, Floß, Mann« auf ihren Block. Ihr Handy gab Laut. Das Foto war da. »Spurenlage?«

    »Im Haus stand sein Rucksack, er hatte nicht viel dabei, nur Proviant hatte er von daheim mitgenommen. Und etwas Bargeld.«

    »Ausweis? Kreditkarten?«

    »Hatte er alle zu Hause gelassen«, sagte Mara schnell. »Die Polizei macht uns nicht viele Hoffnungen. Dummerweise haben wir noch ein anderes Problem.«

    »Nämlich?«

    Kamila beugte sich vor. »Wir müssen sicher sein, dass Sie diskret mit der Sache umgehen.«

    »Sie haben mit der Polizei nicht über dieses spezielle Problem gesprochen?«

    »Wir … sind uns nicht sicher, weil … die Lage ist eben … besonders.« Auch Mara nahm nun die Sonnenbrille ab.

    Verblüfft sah Katinka zwischen den beiden Frauen hin und her. Die Tochter war der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Wie ein jüngerer Zwilling.

    »Wir werden erpresst.« Mara legte die Brille auf Katinkas Schreibtisch. Unter ihren Augen hatten sich tiefe Schatten breitgemacht. Es schien, als würde sie mit jeder Minute, die das Gespräch dauerte, altern.

    »Ach du Schande.«

    »Angeblich hat mein Vater Schwarzgeld in einem Steuerparadies geparkt. Der Erpresser will davon Wind bekommen haben. Und er fordert Geld von uns. Viel Geld.«

    Katinka lehnte sich zurück.

    »Ist das wahr? Hat Ihr Mann, Ihr Vater Geld in ein Steuerparadies verfrachtet?«

    »Wir wissen es nicht.« Kamila Lechner. In ihrem warmen, kuscheligen Akzent.

    »Wirklich nicht?«

    »Nein. Wir lügen Sie nicht an, Frau Palfy.«

    »Sie brauchen nicht zu fürchten, dass ich beim Finanzamt anrufe. Aber ein verschwundener Ehemann und Vater zeitgleich mit einer Erpressung, das ist ziemlich haarig. Hat der Erpresser Ihnen zu verstehen gegeben, dass er es mit derselben Masche vorher

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