Jagdszenen in Niedersachsen
Von Frank Schäfer und Oscar Schäfer
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Über dieses E-Book
Wenn ihm das Land tatsächlich mal zu platt und die Menschen zu maulfaul sind, trinkt er halt für zwei – oder schifft sich als Bordschreiber bei der Full Metal Cruise ein und schippert mit hunderten niedersächsischen Headbangern durchs Mittelmeer. Aber er kehrt immer wieder zurück, weil ihn die Mühen der Ebene nicht schrecken. Im Gegenteil, hier gibt es sie noch, die wahren Genies und Knasterköppe.
Hinter all seinen hundertprozent wahren Geschichten lauert die tröstende Erkenntnis: Niedersachsen, du hast es besser!
Plus 19 Fotografien von Oscar Schäfer mit niedersächsischer Bushaltestellen.
Frank Schäfer
Since 1995 Frank Schäfer has been employed as a forensic scientist at the Forensic Institute of the German Federal Criminal Police Office (Bundeskriminalamt, “BKA). A forensic expert in the areas of fire debris analysis and fire scene examination, he also acts as a forensic contact person for cases involving radio nuclear material. His experience includes serving with the Drug Section of the BKA, where he was responsible for a Research and Development programme. His current position is as deputy leader of the fire section of the BKA Forensic Science Institute. Frank Schäfer received his diploma in chemistry and his doctoral degree in nuclear and analytical chemistry from the Johannes-Gutenberg-University of Mainz (Germany).
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Buchvorschau
Jagdszenen in Niedersachsen - Frank Schäfer
Inhaltsverzeichnis
Jagdszenen in Niedersachsen
Das Fiasko von Peine
Als ich einmal fast Yellow-Press-Reporter geworden wäre
Braunschweiger Schule
Schöne Augen
Umtauschen, was sich noch umtauschen lässt
Mach Kopfwurst draus
Das Fiasko von Peine
Schwattz
Zehn Tipps zum Überleben in einem niedersächsischen Dorf
Die Einmannsekte
In der Kaserne
Kameradenschweine
Schachteln und Schmierlappen
Hmmmm, nojoa, pfffffff
Kinder und Besoffene
Großes Abwinken
Kleiner Zettelkasten zu Arno Schmidt
Die Einmannsekte
Der Wichtelmann
Lob des Leders
Ein Wiedersehen in Block 5
Das tut doch weh!
Lob des Leders
Helden aus der Heide
Wie Norbert Nigbur
Zwei Männer
Nö Sleep till Nörgelbuff
Den Bach runter
Donner und Doria
Stahl hält hoch
Die Grenzen meiner Sprache
Die richtige Einstellung
Schnarchologe mit Traumtourette
Keine Feuerzeugsongs
Nö Sleep till Nörgelbuff
Schleifkannen am Himmel
Schleifkannen am Himmel
Schießtraining auf Fehmarn
Doppelt grün
Mit Schuss
Wie bei Muttern
Schnappt Shorty!
Von Zweibiertrinkern und Sitzenbleibern
Rache ist Currywurst
Das wird stark
Rache ist Currywurst
Zwei vom Dorf
Ich hätte sterben können
Umarmung
Bushaltestelle
Nachbemerkung
Über Frank Schäfer
Jagdszenen in Niedersachsen
von Frank Schäfer
Umschlaggestaltung: Marcel Pollex
Fotos: Oscar Schäfer
Satz/Layout: Andreas Reiffer
1. Auflage 2019, identisch mit der Printversion
© Verlag Andreas Reiffer
ISBN 978-3-945715-64-2 (E-Book)
Verlag Andreas Reiffer, Hauptstr. 16 b, D-38527 Meine
www.verlag-reiffer.de
www.facebook.com/verlagreiffer
Für meine Eltern, Niedersachsen durch und durch
Das ist das menschliche Epos, das sind die wirklichen Sachen: die Leute stehen an der Bushaltestelle – der Bus hält ein bißchen zu weit vorn –, und die Wartenden gehen ihm nach und steigen ein, Tag für Tag, im Inland und im Ausland, in diesem System und in jenem, im »Feindes«land und im »Freundes«land
Peter Handke, »Die Geschichte des Bleistifts«
Das Fiasko von Peine
Als ich einmal fast Yellow-Press-Reporter geworden wäre
... trug es sich folgendermaßen zu: An einem trübtassigen Sonntag im März vor mehr als 20 Jahren, promenierte ich in weiblicher Begleitung an den Gestaden des Hannoverschen Maschsees entlang, um hernach dem Sprengel Museum einen Besuch abzustatten. Es war einer dieser Sonntage, arschkalt und zutiefst niedersächsisch, wie gemacht, um a) eine Schachtel »Edle Tropfen in Nuss« zu verkosten und danach mit der Familienplanung voranzuschreiten oder eben b) sich die aktuelle Ausstellung »Sex & Crime« anzuschauen.
Ich war für a), musste aber mit ins Museum. Als wir, nach einstündiger Maschsee-Tristesse reif für ein paar warme Gedanken, am Sprengel-Restaurant bell’ARTE vorbei zum Haupteingang lustwandelten, saß da am Fenster mein von Ferne geliebter Landesvater, Genosse Gerhard Schröder. Knapp zwei Jahre später war er Kanzler und spülte den Sozialstaat schneller im Klo runter, als du Agenda 2010 sagen konntest. Damals aber galt er als einzige Alternative, um den Dicken abzulösen, und nötigte einem Proleten wie mir insofern Respekt ab, als er beinahe schon glaubhaft versichern konnte, er habe als Kind »jahrelang Fensterkitt gefressen«. Man wird also vielleicht verstehen, dass ich für einen Moment meine sprichwörtliche Nonchalance verlor.
»Schau mal«, rief ich aufgeregt, »da ist ja mein von Ferne geliebter Landesvater.«
Meine Begleitung blieb ganz cool. »Na klar isser das. Und wo er ist, da ist auch Super-Hillu nicht weit.«
Tatsächlich saß sie ihm gleich gegenüber. Bei einem Pharisäer. Oder was man damals eben so trank in Politikergattinenkreisen.
»Na, die kucken aber!«, sagte die Frau an meiner Seite erschrocken. Und hatte recht. Das hier war nicht mein leutseliger Ministerpräsi, nein, so kannte ich ihn ja gar nicht. Sein Gesicht verhärtet, wie ein komplett heruntergelassener eiserner Vorhang, und er hatte diesen verschlagenen, zugleich ultrabrutalen, KGB-mäßigen Blick drauf. Er sah aus wie ein lupenreiner russischer Demokrat.
Und seine Gattin Hiltrud?
»Die hat doch geheult«, schoss es meiner Begleitung in einer Mischung aus Erstaunen und robuster Erbarmungslosigkeit heraus.
Etwas mehr Empathie hätte ich gut gefunden, aber ich schwieg. Plan a) war noch nicht vom Tisch.
Wir wollten beide nicht aufdringlich erscheinen und lösten nach einer Weile unsere plattgedrückten Nasen von der Scheibe, um uns etwas Kunst anzusehen oder zumindest »Sex & Crime«, aber die Gedanken wanderten immer wieder zurück zu dieser Szene. Am Abend lösten die Lokalnachrichten das Rätsel auf. Es gab nun ein niedersächsisches Traumpaar weniger.
Im Wahlkampf, auf einer verregneten SPD-Fahrradtour verschwanden sie das erste Mal hinterm Busch. An einem geisttötenden Märzwochenende in der Sprengel-Schmuratze war die Liebe verduftet. Und ich war sozusagen live dabei. Ich witterte meine Chance und begann schon im Geiste einen schamlosen Schmodder-Artikel für die »Bunte« runterzutippen. Aber dann sah ich aus dem Augenwinkel, wie zierliche Frauenhände zärtlich »Edle Tropfen in Nuss« vom Cellophan befreiten.
Braunschweiger Schule
Die »Wilhelm Bracke« ist die älteste Gesamtschule Braunschweigs, Niedersachsens, ja vermutlich sogar der ganzen Welt. Sie öffnete jedenfalls in den Siebzigern ihre Flügeltüren – und man weiß, was in den Siebzigern gebaut wurde, wurde auf Treibsand gebaut. Schon seit längerem drohte das Gebäude wie von einer gewaltigen Klosettspülung in den Abgrund gerissen zu werden, und als dann neulich auch noch die Feuerwehr ihre Jahresinspektion veranstaltete und überall Abfalleimer vorfand mit hochentzündlichem »Papier«, da war es beschlossene Sache, man zog die Spülung und baute eine neue feuerfeste Schule, gleich nebenan. Noch heller, noch schöner, nur leider kleiner. Die Schüler greinten zwei Tage um ihre alte Verwahranstalt. Die langen Flure, die vielen dunklen Eckchen, die zum ungestörten Verweilen und Drogenverkaufen einluden. Hach, schön war die Zeit und kommt nie mehr zurück.
Nach einer halben Woche Eingewöhnung jedoch rüttelte sich alles zurecht. Neue Distributionsformen etablierten sich. Die zunächst deftig anziehenden Dope-Preise pegelten sich wieder ein auf Weltmarktniveau. Die Natur findet immer einen Weg.
Mit kleineren Eingewöhnungsschwierigkeiten kämpfte allein das Servicepersonal. Wenn etwa die Pommes-Mamsell nur ein Ideechen zu spät von ihrer Zigarrenpause kam und die Fritten verbruzzelten, sah die etwas übernervöse Rauchmeldeanlage gleich rot und klingelte die gesamte Belegschaft nach draußen auf den Schulhof. Bei den mit Calvados flambierten Schweinelendchen das gleiche Spiel. Als die Lehrkräfte Crème brûlée auf der Speisekarte lasen, schüttelten sie bedenklich die Köpfe. Zu Recht! Aber auch nach der fünften Evakuierungsübung innerhalb einer Woche ließen sie es nicht an Professionalität mangeln. Im Gegenteil, sie wurden besser und besser. Selbst die Bläserklasse unterbot bald spielend, nämlich den Radetzky-Marsch schmetternd, die magische Ein-Minuten-Grenze.
Man war also bereits in Übung, aber doch nicht wirklich darauf vorbereitet, als sich ein feister »Handwerker«, so lautete die offizielle Erklärung, seine Büffelhüfte auf den »Amokalarm«-Knopf pflanzte und das in solchen Fällen übliche Procedere in Gang setzte. Der Schulleiter verlas sogleich eine Erklärung über die Hausanlage, derzufolge ein gefährlicher Eindringling sich im Gebäude aufhalte, und man jetzt besser auf Wagenburg-Modus umschalte. Da schlug die Stunde des Kollegen S., zufällig ist er der Klassenlehrer meines Sohnes.
»Schande«, sagte er unbeeindruckt, teilte die Klasse blitzschnell in kleinere Operationseinheiten, befestigte flugs den Eingang mit einer uneinnehmbaren Barrikade aus Tischen und Stühlen, tröstete ein paar verängstigte Kinder mit aufmunternden Worten »Reißt euch zusammen, wir sind im Krieg!« und griff zum Feuerlöscher.
»Das wird dem Arschloch – Schuldigung, Kinder! – gleich sehr wehtun ...«
Der Amokläufer konnte von Glück reden, dass es ihn gar nicht gab. Als mir mein Sohn mit leuchtenden Augen