Die Todesarie: Butler Parker 151 – Kriminalroman
Von Günter Dönges
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Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht!
Lady Agatha Simpson befand sich in blendender Laune, als sie sich über das Sterben verbreitete. Sie saß zusammen mit Butler Parker im eleganten Speisesaal eines feudalen Hotels und ließ sich mit einer Fülle von Köstlichkeiten der italienischen Küche verwöhnen. An diesem Abend verzichtete die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, auf ihre Diät. Sie hatte ohnehin das Gefühl, ein wenig vom Fleisch gefallen zu sein, was man ihrer majestätischen Erscheinung allerdings nicht ansah. Wie eine regierende Herrscherin saß sie an dem kostbar gedeckten Tisch. Im Kristall der Gläser spiegelte sich das Licht der Lüster. Lady Agatha trug an diesem Abend erstaunlicherweise ein Gebilde, das entfernt an ein Abendkleid erinnerte. Auf einen Hut hatte sie allerdings auch jetzt nicht verzichtet. Auf ihrem Kopf saß ein neckisches Gebilde, das mit Sicherheit aus der Zeit der Jahrhundertwende stammte. Zwei lange Hutnadeln, die an Bratspieße erinnerten, hielten diese Schöpfung auf dem grauweißen Haar fest. Josuah Parker, ein Mann undefinierbaren Alters, der, was seine Haltung anging, einen Ladestock verschluckt zu haben schien, hatte nur äußerst widerstrebend am Tisch seiner Herrin Platz genommen. Als Butler hochherrschaftlicher Schule lehnte er es normalerweise ab, sich mit seinen Arbeitgebern an einen Tisch zu setzen. In Anbetracht der Ausnahmesituation aber hatte er dem Wunsch der Lady nachgegeben. Josuah Parker war der Prototyp des englischen Butlers, wie man ihn nur noch in älteren Filmen zu sehen bekommt. Er trug einen schwarzen Zweireiher, darunter ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. Auf einem Nebenstuhl lagen seine schwarze Melone und der altväterlich gebundene Regenschirm. »Ich hasse dieses endlose Sterben, Mr. Parker«, dozierte Agatha Simpson, »es geht mir einfach gegen den Strich, daß man nach einem Messerstich in den Rücken noch minutenlang in den schönsten Tönen singt.« »Sachlich gesehen, Mylady, widerspricht dies allerdings den physischen Möglichkeiten«
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Die Todesarie - Günter Dönges
Butler Parker
– 151 –
Die Todesarie
Günter Dönges
Lady Agatha Simpson befand sich in blendender Laune, als sie sich über das Sterben verbreitete. Sie saß zusammen mit Butler Parker im eleganten Speisesaal eines feudalen Hotels und ließ sich mit einer Fülle von Köstlichkeiten der italienischen Küche verwöhnen. An diesem Abend verzichtete die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, auf ihre Diät. Sie hatte ohnehin das Gefühl, ein wenig vom Fleisch gefallen zu sein, was man ihrer majestätischen Erscheinung allerdings nicht ansah. Wie eine regierende Herrscherin saß sie an dem kostbar gedeckten Tisch. Im Kristall der Gläser spiegelte sich das Licht der Lüster. Lady Agatha trug an diesem Abend erstaunlicherweise ein Gebilde, das entfernt an ein Abendkleid erinnerte. Auf einen Hut hatte sie allerdings auch jetzt nicht verzichtet. Auf ihrem Kopf saß ein neckisches Gebilde, das mit Sicherheit aus der Zeit der Jahrhundertwende stammte. Zwei lange Hutnadeln, die an Bratspieße erinnerten, hielten diese Schöpfung auf dem grauweißen Haar fest.
Josuah Parker, ein Mann undefinierbaren Alters, der, was seine Haltung anging, einen Ladestock verschluckt zu haben schien, hatte nur äußerst widerstrebend am Tisch seiner Herrin Platz genommen.
Als Butler hochherrschaftlicher Schule lehnte er es normalerweise ab, sich mit seinen Arbeitgebern an einen Tisch zu setzen. In Anbetracht der Ausnahmesituation aber hatte er dem Wunsch der Lady nachgegeben.
Josuah Parker war der Prototyp des englischen Butlers, wie man ihn nur noch in älteren Filmen zu sehen bekommt. Er trug einen schwarzen Zweireiher, darunter ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. Auf einem Nebenstuhl lagen seine schwarze Melone und der altväterlich gebundene Regenschirm.
»Ich hasse dieses endlose Sterben, Mr. Parker«, dozierte Agatha Simpson, »es geht mir einfach gegen den Strich, daß man nach einem Messerstich in den Rücken noch minutenlang in den schönsten Tönen singt.«
»Sachlich gesehen, Mylady, widerspricht dies allerdings den physischen Möglichkeiten«, antwortete Parker in seiner so überaus höflichen Art.
»Nach einem Messerstich fällt man um und stöhnt«, meinte die Lady, »falls man überhaupt noch einen Laut von sich geben kann. Aber sie sehen und hören genau das Gegenteil.«
»Es dürfte sich, mit Verlaub gesagt, um einen Akt künstlerischer Freiheit handeln, Mylady«, stellte der Butler dagegen. Während er antwortete, registrierte er eine seltsame Bewegung in dem großen Speisesaal. Die Bedienung machte plötzlich einen nervös-aufgeregten Eindruck. Diese Reaktion wurde durch das Erscheinen von vier Männern ausgelöst, die mit der Selbstsicherheit von Potentaten den Saal betreten hatten. Im Mittelpunkt dieser Vierergruppe stand ein kurzbeiniger, dicker Mann mit blassem Gesicht, der eine Sonnenbrille trug. Die drei anderen Männer waren groß, schlank und machten einen sehr wachsamen, dennoch servilen Eindruck, was den Dicken betraf. Dieser Mann suchte nach einem passenden Tisch und steuerte dann wie selbstverständlich auf eine Nische zu, die nur wenige Meter von der entfernt lag, in der die Lady Platz genommen hatte.
»Eben erst habe ich gesehen, wie man zwei Menschen einmauerte«, fuhr Agatha Simpson inzwischen in ihrer Rede fort, »und was tun die beiden Leute, Mr. Parker? Sie singen! Das ist doch albern. Würden Sie in solch einer Situation singen, falls wir zusammen eingemauert würden?«
»Nicht unbedingt, Mylady«, lautete Parkers Antwort, »falls Mylady allerdings darauf bestünden, würde meine Wenigkeit sich bemühen, Wohllaute zu produzieren.«
»Was haben Sie eigentlich? Hören Sie mir auch zu?« Der passionierten Detektivin war nicht entgangen, daß Parker die Viererrunde diskret beobachtete. Die Männer hatten in der benachbarten Nische Platz genommen und benahmen sich ungeniert und recht laut. »Was sind das für Flegel?«
»Es scheint sich um Herrschaften zu handeln, Mylady, die man hier nicht nur respektiert, sondern offensichtlich fürchtet.«
»Aha.« Lady Agatha langte nach ihrer Stielbrille und faltete sie auseinander. Dann musterte sie völlig ungeniert die Runde. Der Rundliche bekam das mit, prostete der feinen Dame zu und erntete einen verächtlichen Gesichtsausdruck.
»Vulgäres Volk«, sagte sie. Ihre Stimme war dunkel und trug weit. »Wie kann man so etwas hier in diesem Haus nur dulden!«
Der Rundliche schien mehr als nur andeutungsweise mitbekommen zu haben, in welcher Form die Dame von nebenan sich geäußert hatte. Er prostete ihr erneut zu, stand auf und kam mit schnellen Schritten an den Tisch der Lady Agatha. Einer der drei anderen Männer erhob sich geschmeidig und folgte dem Kurzbeinigen.
»Paßt Ihnen mein Gesicht nicht?« fragte der Rundliche, als er am Tisch stand. Sein Englisch war stark eingefärbt und ließ deutlich erkennen, daß er gebürtiger Italiener war.
Lady Agatha übersah den Mann. Er war Luft für sie. Sie schaue förmlich durch ihn hindurch.
»Er hat Sie was gefragt«, schaltete der junge Begleiter sich aggressiv ein. Lady Agatha übersah auch ihn und griff nach ihrem langstieligen Weinglas. Genau in diesem Moment beging der junge Mann einen Kardinalfehler. Er fühlte sich veranlaßt, Mylady daran zu hindern, das Glas zum Mund zu führen und streckte schnell seine Hand aus.
»Er hat sie was gefragt«, wiederholte er, während der Kurzbeinige sich vorbeugte. Man konnte nun deutlich erkennen, daß er angetrunken war.
Lady Agatha fühlte sich belästigt und... goß mit Schwung den Inhalt ihres Glases in das Gesicht des jungen Mannes, der von dieser Reaktion total überrascht wurde. Bevor er sich sammeln konnte, schob der Kurzbeinige ihn zur Seite und wollte mit dem Inhalt seines Glases antworten. Agatha Simpson nahm ihren Oberkörper zur Seite und entging dem Naß. Dann drückte sie ihre Fülle hoch und verabreichte dem Kurzbeinigen eine schallende Ohrfeige.
Josuah Parker sorgte dafür, daß der junge Begleiter sich nicht einschalten konnte. Der Butler hatte längst nach seinem Universal-Regenschirm gegriffen und setzte die Spitze des Regenschutzes auf den Solarplexus des Mannes, der daraufhin sichtlich unter Luftknappheit litt und erst mal auf dem Parkett Platz nahm.
Danach wurde es turbulent im Speisesaal.
*
»Allmächtiger«, sagte Anwalt Mike Rander und warf Parker einen Blick zu, »ich fürchte, Mylady hat sich einen Mann ausgesucht, der nicht ohne Einfluß ist, wie?«
Der vierzigjährige, schlanke und große Anwalt erinnerte an einen bekannten James-Bond-Darsteller, gab sich aber noch lässiger und phlegmatischer als dieser Filmschauspieler. Rander war zu Parker ins Hotelzimmer gekommen und hatte gerade erfahren, was sich im Speisesaal zugetragen hatte.
»Mylady ohrfeigte einen gewissen Luciano Parcutti, Sir«, gab Josuah Parker höflich Auskunft.
»Parcutti, Parcutti... Ich weiß, daß ich diesen Namen schon mal gehört habe, Parker.«
»Luciano Parcutti, Sir, ist ein ehemaliger Pate der Cosa nostra, der hier in seinem Heimatland die Früchte seiner kriminellen Aktivitäten genießt.«
»Richtig, Luciano Parcutti«, meinte der Anwalt, der seit seiner Rückkehr aus den Staaten Vermögens Verwalter der immens reichen Agatha Simpson war, »ich muß schon sagen, unsere Lady hat Stil. Sie sucht sich keinen gewöhnlich Sterblichen aus. Wie sind Mylady und Sie entkommen, Parker? Es muß heiß hergegangen sein.«
»Dies, Sir, sollte und muß man verneinen«, antwortete der Butler, »Mylady setzte auch die beiden anderen Begleiter des Mafia-Gangsters mit geradezu spielerischer Leichtigkeit außer Gefecht.«
»Was mir da wieder mal entgangen ist«, seufzte Mike Rander. »Sie hat ihren Glücksbringer eingesetzt?«
»Mylady langte in der Tat einige Male mit ihrem Pompadour zu«, bestätigte der Butler, »danach konnten die Angestellten des Hauses die vier Männer nur noch abräumen, um es mal volkstümlich auszudrücken.«
»Sie, Parker, brauchten nicht einzugreifen?«
»Nur am Rand, Sir, als es galt, einige unbotmäßige Angriffe auf Mylady abzuwehren«, räumte der Butler ein, »meine Wenigkeit sah sich gezwungen, die heißspornigen Männer in die Schranken zu weisen.«
»Und was ist jetzt mit Lady Simpson?«
»Mylady befindet sich in ihrer Suite und pflegt der Meditation, Sir. Mylady bereitet sich innerlich auf die Festvorstellung vor.«
»Sie will tatsächlich die Freilichtoper besuchen?« Mike Randers Gesicht drückte Verwirrung aus.
»Mylady möchte zur Kenntnis nehmen, daß das eingemauerte Liebespaar singt«, erklärte Josuah Parker, »Mylady ließ sich bereits zu einigen Bemerkungen herab, als am Vormittag die Generalprobe der ›Aida‹ in ihrem Beisein stattfand.«
»Sie will ins Amphitheater«, meinte der Anwalt und schüttelte den Kopf, »selbst nach diesem Auftritt mit Parcutti?«
»Auf gewisse Gefahrenmomente erlaubte ich mir Mylady bereits hinzuweisen«, erwiderte der Butler, »Mylady sollte davon ausgehen, daß Mr. Parcutti nachtragend ist.«
»Was ihr natürlich nichts ausmacht, wie?« Mike Rander seufzte.
»Mylady besteht darauf, die Eingemauerten singen zu hören, Sir.»
»Das kann aber verdammt ins Auge gehen«, sorgte sich der Anwalt, »Miß Porter und ich verzichten gern auf den Opernbesuch. Sicher ist sicher.«
»Auch dies erlaubte ich mir bereits anzudeuten, Sir, doch Mylady wies darauf hin, daß der Grund dieser Reise gerade der erwähnte Opernbesuch ist. Mylady verlangt, daß diesem Kunstgenuß gefrönt wird.«
»Treiben Sie schuß- und stoßsichere Westen auf, Parker«, meinte der Anwalt, »ein Luciano Parcutti wird eine Ohrfeige nicht vergessen.«
»Der Wahrheit die Ehre, Sir, genaugenommen handelte es sich um drei Ohrfeigen. Mr. Parcutti befand sich danach unter den Trümmern eines gedeckten Tisches und war garniert mit einigen Scampi und reichlich Salat. Es