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D9E - Die neunte Expansion: Tödliche Geheimnisse
D9E - Die neunte Expansion: Tödliche Geheimnisse
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eBook293 Seiten3 Stunden

D9E - Die neunte Expansion: Tödliche Geheimnisse

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Über dieses E-Book

Als auf dem Planeten Nonterrabat, von dessen Existenz kaum jemand weiß, ein Mord geschieht, lenkt dies die Aufmerksamkeit des Instituts auf einen alten Bekannten, der auf Malnaer ein Reiseunternehmen betreibt. Auch der dortige Geheimdienst interessiert sich für die Wellnessreisen, für die Teilnehmer aus allen Teilen des Universums nach Malnaer kommen, um in die Schönheitsklinik einer Dr. Dana Ruskin auf Nonterrabat weiterzufliegen.

Captain Jane Kneifel und ihre Crew haben gerade einen Auftrag für das Institut durchgeführt. Bevor sie ihre Ladung abliefern können, erhalten sie eine neue Order: Sie sollen die Reisegruppe nach Nonterrabat bringen und während der sieben Tage, welche die Teilnehmer dort verbringen, Augen und Ohren offenhalten. Im Gegensatz zu ihren früheren Aufträgen klingt das schon fast nach einer Erholungsreise.

Doch als sie mit der Heiteren Gelassenheit über Nonterrabat aus dem Mengerraum springen, überschlagen sich die Ereignisse. Auf sich allein gestellt, muss das Team nicht nur mit der Hilfe des Bordcomputers Huxley den Frachter wieder auf Vordermann bringen, sondern wird auch mit den Auswirkungen konfrontiert, die ein zerstörter Mentalfeldgenerator verursacht. Sie verfolgen die Reisegruppe und bekommen unerwartete Unterstützung von einem tot geglaubten Ehemann, dessen Lebensretter und einer Unsterblichen, die nicht mehr leben möchte.
SpracheDeutsch
HerausgeberWurdack Verlag
Erscheinungsdatum15. Okt. 2018
ISBN9783955561048
D9E - Die neunte Expansion: Tödliche Geheimnisse

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    Buchvorschau

    D9E - Die neunte Expansion - Susanne Schnitzler

    Bisher erschienen:

    Dirk van den Boom, Eine Reise alter Helden

    Niklas Peinecke, Das Haus der blauen Aschen

    Matthias Falke, Kristall in fernem Himmel

    Nadine Boos, Der Schwarm der Trilobiten

    Dirk van den Boom, Ein Leben für Leeluu

    Niklas Peinecke, Die Seelen der blauen Aschen

    Matthias Falke, Agenten der Hondh

    Holger M. Pohl, Fünf für die Freiheit

    Dirk van den Boom, Der sensationelle Gonwik

    Niklas Peinecke, Die Sonnen der Seelen

    Karla Schmidt, Ein neuer Himmel für Kana

    Holger M. Pohl, Im Schatten der Hondh

    Dirk van den Boom, 1713

    Matthias Falke, Hinter feindlichen Linien

    Dirk van den Boom, Das Springledeck-Gambit

    Holger M.Pohl, Mengerbeben

    Nadine Boos, Tanz um den Vulkan

    Holger M.Pohl, Jene, die sich nicht beherrschen lassen

    Susanne Schnitzler, Tödliche Geheimnisse

    In Vorbereitung:

    Dirk van den Boom, Tod einer Agentin

    Susanne Schnitzler

    Tödliche Geheimnisse

    D9E Band 19

    (c) 2018 Wurdack Verlag, Nittendorf

    www.wurdackverlag.de

    Lektorat: Esther Haffner

    Covergestaltung: Ernst Wurdack

    1.

    Jane war entspanntere Flüge gewöhnt, sowohl emotional als auch mit Blick auf den Raum, den sie durchquerten, und der zum ersten Mal überraschend unberechenbar war. Die ehemalige Offizierin der Sternenflotte hatte als stellvertretender Captain einer Handelsflotte für die Kaufleute der Hegemonie Waren und Passagiere in verschiedene Teile des Universums durch den Mengerraum transportiert, bis sie sich ihren Traum von einem eigenen Frachtschiff mit Karman-KI nebst Crew erfüllen konnte. Die Heitere Gelassenheit, ausgestattet mit allem, was Janes Herz begehrte – unter anderem viel Stauraum, mehr als genügend separate Kabinen und Aufenthaltsräume, ein kleiner Hangar für Shuttles und eine exzellente Auswahl an gut verborgenen Raumwaffen –, gehörte ihr seit knapp zwei Jahren. In den ersten Monaten ging Jane auf Nummer Sicher und flog im Auftrag ihrer früheren Arbeitgeber, doch je dichter die Hondh ihnen allen auf die Pelle rückten, desto unsicherer wurde die Auftragslage. Irgendwann war ihr zurückgelegtes Geld verbraucht, und sie wurden immer weiter an den Rand der bekannten Welten abgedrängt, sobald die Hondh wieder Territorium erobert hatten. Jane und ihre Crew weigerten sich trotzdem, mit den neuen Herren des Universums zu schachern, und so flogen sie immer öfter für jene, die sich von den Usurpatoren nicht beherrschen ließen oder außerhalb ihres aktuellen Einflussbereichs lebten. Diese konsequente Verweigerung führte zwar dazu, dass die Transporte nicht immer regelmäßig, nicht immer legal und alle Aufträge mit hohen Risiken verbunden waren, aber das nahm sie hin. Bisher gab es keine größeren Konfrontationen mit den Kriegs- oder Tributschiffen der Hondh, doch Jane war klar, dass die Gesichter ihrer Crew durchaus das eine oder andere Fahndungsplakat zierten, und sie war nicht bereit, ihre Leute unnötigen Gefahren durch Fans der Hondh auszusetzen.

    Seit fünf Monaten gehörte die Den-Haag-Stiftung, die sich dem Kampf gegen die Eroberer verschrieben hatte, zu ihren Auftraggebern. Jane und ihre Leute hatten ohne Zögern das Angebot angenommen, obwohl Dr. Lederer ihr nie die Frage beantwortete, wie das Institut auf sie aufmerksam geworden war. Inzwischen häuften sich die Geheimaufträge durch das Institut, und diesen Flug hatten sie außer der Reihe auf ausdrückliche Bitte Dr. Lederers angenommen. Sie hatten nicht einmal mehr Zeit, die aus einem Lager der Hondh gestohlenen Mentalfeldgeneratoren abzuliefern. Statt dessen waren sie nach Malnaer geflogen, um einen Trupp Wellnessreisender zu dem ihnen bisher unbekannten Planeten Nonterrabat zu bringen. Dass es sich um Anhänger der Hondh handelte, war allen klar. Die Frage war: Was wollten sie auf einem Planeten, von dem die Hegemonie zumindest seit Jahrhunderten nichts gehört hatte? Es gab bekanntere und leichter zugängliche Institutionen, darunter sicherlich genug, um selbst die verwöhntesten Hondh-Anhänger zufriedenzustellen.

    Offenbar war die Frage wichtig genug, denn nachdem Dr. Lederer von den regelmäßig stattfindenden Wellnessflügen nach Nonterrabat gehört hatte und die Echtheit der Meldung bestätigt fand, ließ er über seine Mittelsmänner in einer Nacht- und Nebelaktion das für den Flug ursprünglich vorgesehene Schiff samt Besatzung auf Nimmerwiedersehen unter den Fittichen des Instituts verschwinden. Er lancierte Nachrichten über einen Absturz in unzugänglichen Gebieten, den niemand überlebte. Ein Doppelagent sorgte dafür, dass die Heitere Gelassenheit als Ersatz angeheuert wurde und versorgte die Mitglieder der Crew mit persönlichen Hintergründen als Hondh-Getreue, die einer oberflächlichen Prüfung standhielten. Sie sollten die Woche Aufenthalt dazu nutzen, möglichst viele Informationen zu sammeln, insbesondere über den eigentlichen Zweck dieser Reisen. Dr. Lederer wusste, dass die Crew ihre Hintern schon aus ganz anderen Höllen herausgeschossen hatte und verließ sich darauf, dass Jane eine vielleicht brenzlig werdende Situation meisterte.

    Schon auf dem Weg nach Malnaer machten sich die Verschiebungen und Veränderungen im Mengerraum bemerkbar, vor denen Dr. Lederer gewarnt hatte. »Der Mengerraum benimmt sich seit Tagen wie eine verzickte Diva, die ihre gewohnte Champagnermarke nicht in der Garderobe vorfindet«, hatte er gesagt, und Jane war dankbar, dass er ihnen ein bewaffnetes Begleitschiff an die Seite gestellt hatte, das außer Sichtweite vor ihnen flog und das Terrain sondierte, so weit dies überhaupt noch möglich war. Jetzt, kurz vor ihrem Ziel, verschlimmerte sich die Lage deutlich. In schwachen Momenten bereute Jane, dass sie den Auftrag angenommen hatte. Auf solche Probleme konnte sie genauso gut verzichten wie auf die hässliche Überraschung, die sie auf Malnaer erwartet hatte.

    Sie stellte eine Verbindung zum Maschinenraum her. Sarah Brooks, ihre geniale Mechanikerin, sang hingebungsvoll und falsch zu einem uralten Song, der aus einem Retro-Radio auf dem Boden neben ihr schallte. Sarah hatte ein fast schon symbiotisches Verhältnis zu den Maschinen, die die Heitere Gelassenheit antrieben, und hätte ihren Job auch sturzbetrunken noch mit links gemacht. Allerdings rührte sie seit der Sache auf Ganymed, wo sie von Jane und ihrer Crew aus einer Kneipenschlägerei gerettet worden war, bei der neben anderen nicht niet- und nagelfesten Dingen auch Sarahs Werkzeuge im Kampfeinsatz waren, keinen Tropfen Alkohol mehr an.

    »Alles klar da unten?«

    »Alles cool, Captain! Mr. Mengerraum kann uns mal.«

    Jane lächelte. Sie warf einen kurzen Blick auf Lois Kent, die schweigend an ihrem Kontrollpult saß, hochkonzentriert jede Veränderung im Mengerraum verfolgte und kaum aufsah. Lois hatte sich ihnen nach der Schlacht von Teravar, einem der Tiefstpunkte der Hegemonischen Kriege, als Unterlichtpilotin angeschlossen, eine Funktion, die zuvor abwechselnd von dem zweiten Offizier Goldblum und Jane selbst ausgeübt wurde. Lois hatte in dieser Schlacht ihre Familie verloren und fasste nur schwer Vertrauen. Dennoch schien sie sich an Bord der Heiteren Gelassenheit heimisch zu fühlen. Während sie Lois beobachtete, wurde Jane schlagartig klar, warum das so war. Sie waren Abenteurer, mit unterschiedlichen Geschichten, aber einer alles zusammenschweißenden Gemeinsamkeit: Jeder von ihnen hatte irgendwo auf seinem Weg einen beträchtlichen Teil seines Lebens an die Hondh verloren. Sie trotzten ihren Lebenswunden mit ihrem jeweils eigenen Humor und bei allen persönlichen Schwächen hielten sie unverbrüchlich zueinander, obwohl sie genau deshalb hin und wieder übel auf die Fresse flogen. Das spürte jemand wie Lois, die genauso einsam und verletzt war und sich nach etwas wie einer Familie sehnte.

    Jane wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Anzeigen direkt vor ihrer Nase zu. Der Mengerraum brodelte und bebte nach wie vor und verwandelte sich stellenweise in einen zähen Brei, dem der Frachter nur mühsam auswich. Selbst Huxley, die Karman-KI, von der Jane im Stillen vermutete, dass sie mit mehreren Persönlichkeiten verstorbener Navigatoren bestückt war, hielt den Frachter nur schwer unter Kontrolle. Immer wieder schoben Wellen die Heitere Gelassenheit aus dem Kurs oder Wände erschienen aus dem Nichts, manchmal schien der Mengerschwamm gezielt nach ihnen zu greifen. Inzwischen mussten sie mehr oder weniger blind navigieren und seit einer halben Stunde kamen keine Meldungen mehr von ihrem Begleitschiff.

    Jane vermutete, dass diese Veränderungen von einem Kristall herrührten, der bei Goun explodiert war. Sie bedauerte, dass Dr. Lederer Informationen nur auf einer Need-to-know-Basis herausgab. Details waren ihrer Meinung nach immer hilfreich und konnten Leben retten. Dass die Hondh ihre Kriegsflotten durch den immer unberechenbarer werdenden Mengerraum verschoben, trug auch nicht gerade zu Janes Beruhigung bei. Kurz vor dem Aussprungspunkt bei Nonterrabat meinte sie sogar, durch eine noch relativ dünne Stelle in einer sich gerade bildenden Mengerraumwand die Umrisse eines Hondh-Kriegsschiffes zu sehen. Die Erscheinung verschwand schnell wieder, so dass Jane sie für eine Halluzination hielt, die aus ihrer ureigenen Angst vor diesen Gegnern geboren war. Trotzdem sandte sie eine Nachricht an das militärische Begleitschiff. Man konnte in diesen Zeiten nicht vorsichtig genug sein.

    Den Wiedereintritt ins Einstein-Kontinuum meisterte Huxley souverän wie immer, trotzdem benahm die Heitere Gelassenheit sich weder heiter noch gelassen. Sie hopste wie ein bockiges Kalb aus dem Sprungpunkt, geschubst und geschoben von Bewegungen im Mengerraum, wie sie noch kein Navigator zu seinen Lebzeiten gesehen hatte, und juckelte durch den Schwung eine Weile ungebremst durch den normalen Raum. Aus Huxleys Lautsprechern drangen Töne, die bei einem menschlichen Navigator durchaus als heftige Flüche hätten interpretiert werden können. Jane war in diesem Moment einmal mehr dankbar, dass Jones-KIs nicht navigierten. Sie hätte das ständige Lamentieren und Jammern nicht ertragen. Huxleys aufgeregtes Blinken und Biepen dagegen, das in Krisenmomenten die Rhythmen Jahrhunderte alter Metalrockmusik imitierte, beruhigte sie zu ihrer eigenen Überraschung jedes Mal, und es machte ihn fast menschlich.

    Endlich kam die Heitere Gelassenheit zum Stehen. Jane seufzte erleichtert, gab das Signal zum Abschnallen und beugte sich über die Konsolen. »Was sagt Leiber zu unserer Nachricht?«

    »Wir haben den Kontakt zur Großer Nordmann und sein Haustier noch nicht im gewohnten Maße wieder herstellen können. Die letzten Funksprüche von Captain Leiber sind recht unvollständig.«

    Huxley spielte ihr den Funkverkehr der vergangenen Stunden ein. Tatsächlich bestand er fast nur aus Rauschen. So sehr Jane sich auch anstrengte, mehr als vereinzelte Worte und abgehackte Silben konnte sie nicht heraushören. Trotzdem war die Alarmbereitschaft auf dem Schiff spürbar.

    »Das war ja schon fast eine ironische Überspitzung. Unser lieber Huxley scheint gestresst zu sein.«

    Malcolm Goldblum hatte unbemerkt die Brücke betreten und stand mit zwei Bechern Kaffee in den Händen neben ihr. So typisch für ihn, dachte sie, wie eine Katze. Als Jane die Heitere Gelassenheit gekauft und über ihre künftige Besatzung nachgedacht hatte, tauchte er genau so überraschend wie jetzt an ihrer Seite auf und fragte gerade heraus nach einem Job. Er hatte wie sie die Schnauze vom Militär voll gehabt und suchte anständige Arbeit mit einem vernünftigen Einkommen. Dank seiner Offiziersausbildung war er der perfekte Stellvertreter für Jane und entpuppte sich sofort bei ihrem ersten Auftrag als Retter in der Not. Seitdem war er nicht nur zweiter Offizier an Bord, sondern auch Janes bester Freund. Die Bezahlung der Jobs war vernünftig genug, allerdings haperte es dann und wann mit der Regelmäßigkeit. Und er merkte schnell: Nicht jeder Job war anständig.

    Was Jane wieder an ihren Auftrag erinnerte. »Wie sieht es unten bei unserer ganz speziellen Reisegruppe aus?«

    Goldblum warf den Kopf in den Nacken und stöhnte, tief aus der Kehle heraus, dramatisch und laut. Dann sah er Jane an. »Nehmen wir in Zukunft bitte nur noch tote Sachen an Bord? Kisten oder Lebensmitteltransporte zum Beispiel, meinetwegen auch wieder eine beschissene Sprengstofflieferung, die jeden Moment hochgehen kann? Notfalls eine Herde Rinder? Selbst die sind erträglicher als das Pack, das wir gerade spazieren fliegen.«

    »Du meinst so was wie die deaktivierten Mentalfeldgeneratoren, die wir frisch aus einem Lager geklaut haben und die jetzt im Frachtraum neben den Kabinen unserer Hondhis vor sich hin meditieren?«, fragte Jane süffisant und verwendete bewusst die Verniedlichung, die sie alle zusammen nach dem ersten, fast gescheiterten, Feldzug gegen Hondhagenten erfunden hatten. »Oder redest du von unserem exotischen kleinen Waffenlager in den unteren Etagen?«

    »Genau!«

    »Ist es wirklich so schlimm?«

    »Wie auf dem Spielplatz. Fehlt nur, dass sie sich gegenseitig an den Haaren ziehen. ›Guck mal, Dings versteckt da was. Wann sind wir da? Warum ruckelt das so? Warum ist die Tür da abgeschlossen? Sehen Sie zu, dass wir vorankommen, wir haben keine Zeit zu verlieren!‹ Und, und, und ... und dann hocken sie plötzlich alle da, starren dumpf vor sich hin und sagen gar nichts mehr, bis wir wieder außer Hörweite sind.« Goldblum ließ sich in den zweiten Sessel vor der Chef-Konsole fallen und seufzte erneut, weniger theatralisch, aber immer noch laut. »Ich kriege nichts raus aus denen außer dem Gejaule, dass wir mal voran machen sollen. Wollen wir nicht doch die Abhörsensoren einschalten?«

    Jane schüttelte den Kopf. »Zu gefährlich.« Huxley hatte die Passagiere gescannt, als sie durch eine extra für sie installierte Schleuse das Schiff betreten hatten. Zu viele raffinierte Implantate, die ihre Sensoren erkennen und zerstören konnten. Und das Misstrauen der Gruppe, wenn Huxley die Sensoren reparierte und wieder einschaltete, würde ihnen ihre Aufgabe ganz bestimmt nicht erleichtern. »Ich wundere mich immer noch über die Frau, die ganz ohne Implantate ist.«

    »Ganz ohne nicht, aber sonst hast du recht. Ich habe ein bisschen über die Powders recherchiert. Sie sind unter den Agenten und Vertrauten der Hondh ziemlich hopnotch und lassen ihre Kinder grundsätzlich ohne Implantate aufwachsen. Komische Gewohnheiten, wenn du mich fragst. Die Tochter ist übrigens mehr als unerträglich, die Schlimmste von denen.« Goldblum streckte die Beine aus. »Dann zusätzlich noch unser ungeplanter Passagier. Der hängt mir auch zum Hals raus.«

    Auf Malnaer hatten sie deutlich mehr geladen, als für Janes Gemütszustand gut war. Goldblum nahm die Reisegruppe in Empfang, hakte die einzelnen Namen ab und ließ das Gepäck in die Kabinen bringen, nachdem Jane sich nach einem einzigen Blick auf die Gruppe und ihren Reiseleiter unter einem Vorwand hastig an ihr Schaltpult verzogen hatte und zu begreifen versuchte, dass ihr verdammter Ehemann unerhört lebendig auf Malnaer herumturnte und im Begriff stand, auf ihr verdammtes Schiff zu kommen. Sie wütete vor sich hin und bereitete sich auf die Konfrontation vor. Jeden Fluch begleitete ein zu Boden gefeuerter Kaffeebecher, bis dem Reinigungs-Bot die Sicherungen sirrten. Irgendwann klopfte es. Jane öffnete resigniert die Tür und erwartete das Schlimmste, aber vor ihr stand nur ein vierschrötiger, alter Mann, der seiner Kleidung und den ungelenken Tätowierungen im Gesicht nach von Trinot stammte. Der Trinote musste in seinem Shuttle eine wichtige Ladung nach Nonterrabat liefern und war im Verzug. Ein Jörg Mannerheim, der auf Malnaer das Reisebüro leitete, hatte ihn an Jane verwiesen. Wenn sie ihn mitnähme, käme er noch rechtzeitig, um seinen Vertrag zu erfüllen. Jane zögerte, aber als sie die Summe hörte, die Marimann Kessel ihr anbot, handelte sie kurzerhand noch einmal zwanzig Prozent drauf und wies ihm einen Platz im Shuttledeck zu. Seitdem hatte sie die Entscheidung mehr als einmal bereut, da Kessel während des Fluges jede noch so winzige Möglichkeit nutzte, sich an Jane heranzumachen. Nachdem er sie einmal nachts auf dem Raucherdeck abgefangen und ihr seine beruflichen und männlichen Vorzüge ohne Punkt und Komma in die Ohren geknetet hatte, hatte sie genug. Von da an war jedes Mal Goldblum zur Stelle, wenn Kessel wieder einmal einen Versuch bei Jane starten wollte. Sie hatte ein gutes Gewissen dabei, immerhin sprang sie auch immer ein, wenn Goldblum von einem unerwünschten Verehrer belästigt wurde.

    »Der kleine Rothaarige von Malnaer ist allerdings schon ganz niedlich«, murmelte Goldblum plötzlich versonnen. »Sind das wirklich alles Anhänger der Hondh?«

    »Wie ich Dr. Lederer verstanden habe, ja.«

    »Der kleine Rote also auch?« Goldblum wirkte enttäuscht.

    Jane nickte. »Mit Sicherheit.« Sie tippte mit der Fußspitze gegen Goldblums Stiefel. »Komm schon, du findest den Richtigen für dich noch.«

    »So wie du?«

    Goldblum bereute diese Spitze und sein boshaftes Lächeln sofort, als er die Verletztheit und Trauer auf Janes Gesicht sah. An jedem anderen Tag hätte sie trotz des alten Schmerzes unbeschwert zurückgestichelt, wie es in ihrer bunt gemischten Crew, in der keiner dem anderen lange etwas übel nahm, üblich war. Jetzt aber war ihr gar nicht danach und als Janes Vertrauter kannte er ihre größte Problemzone natürlich am besten: ihr verschollener und auf so mysteriöse Weise wieder aufgetauchter Ehemann, der unter falschem Namen den Leiter für die Reisetruppe an Bord spielte. Sag noch mal einer, dass Malnaer nicht voller Überraschungen ist, dachte er.

    Jane war dankbar, als die Interkom knackte und verhinderte, dass sie sich in ihren widerstreitenden Gefühlen verhedderte. Sie straffte die Schultern und schaltete das Bild zu. Der quadratische, nahezu haarlose Schädel Marimann Kessels erschien und füllte den Bildschirm vollständig aus. Wie immer zeigte sein Gesicht keine Emotionen, aber in den eisblauen Augen funkelten verhaltener Hass und Aggression. Er erinnerte Jane an eine bösartige alte Frau, die keine guten Zeiten kannte. Lois meinte einmal, dass es in ihm brodele, als hätte jemand zwei unverträgliche Chemikalien in eine Flasche gefüllt und diese kräftig durchgeschüttelt. Alle waren sich einig, dass sie im Falle einer Explosion nicht in Kessels Nähe sein wollten.

    »Captain Kneifel!«

    Die herrische Altmännerstimme schallte durch das Mikrofon. Jane rückte ein Stück von dem Bildschirm fort und stellte den Empfang leiser. Sie konnte sich an Kessels aufdringliche Präsenz und Lautstärke einfach nicht gewöhnen.

    »Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte Goldblum. Jane gab ihm ein Zeichen, sich still zu verhalten.

    »Ja?«

    »Wir hatten vereinbart, dass ich Ihr Schiff nach dem Sprung verlasse. Erbitte Erlaubnis zum Abdocken.«

    Jane nickte. »Natürlich. Erlaubnis erteilt. Machen Sie sich fertig, ich gebe die Anweisungen an die Crew.«

    Kessel nickte ihr knapp zu, ein dünnes Lächeln auf den Lippen. »Ich sehe Sie dann morgen Abend im Hotel zum Essen. Und gerne auch mehr.«

    Natürlich konnte er nicht gehen, ohne unverschämt zu werden. Jane lief rot an und schaltete die Interkom hastig ab. Sie würde das Problem regeln, wenn es sich stellte. Goldblums provokantes Grinsen entging ihr nicht. Sie wusste aber auch, dass er ihr im Stillen ein High five gab, weil Kessel sie endlich verließ. Es war nicht einfach, jemand noch weniger zu mögen als die lauten, unverschämt auftretenden Reisenden, die während des Fluges mit Ausnahme ihrer aggressiven Wortführerin wenigstens unter sich geblieben waren. Kessel dagegen suchte trotz Janes Abfuhr weiterhin die Nähe der Crew und zog mit seinem Benehmen locker auf Platz Eins der Liste.

    Sie beobachteten schweigend, wie Kessel betont langsam die Rampe seines Shuttles betrat, sich umsah und endlich im Inneren verschwand. Er startete nicht sofort, offenbar kontrollierte er vor dem Abflug doch noch einmal seine Ladung, um die er sich die ganze Reise über nicht gekümmert hatte. Sinnvoll, dachte Jane, aber nervtötend zeitraubend. Endlich glitt das Shuttle aus dem Dock.

    2.

    Marimann Kessel nahm sich alle Zeit der Welt. Er fuhr voll darauf ab, wenn die Welt auf ihn warten musste und die Aufmerksamkeit aller sich auf ihn konzentrierte. Wenn er nicht schon allein durch seinen herrischen Ton eine Reaktion erzielte, stellte er sich notfalls auch breitbeinig mitten in den Weg, so dass sich jeder dünn machen und an ihm vorbeiquetschen oder um Passiererlaubnis betteln musste. Ihm war klar, dass er sich damit selbst im Weg stand. Aber hey! Auch negative Aufmerksamkeit war Aufmerksamkeit und er provozierte, wo es nur ging. Er grinste und schritt gemessen über die äußere Rampe seines Fliegers. Ich hasse Menschen, dachte er, streichelte andächtig über die Konsole und schloss die Shuttleluke.

    Auf Gesellschaft verzichtete Kessel mit Handkuss, aber das K&K Taglauer war sein Ein und Alles, in dem er den größten Teil seines Lebens verbrachte. Groß, schnell, wendig, und es gehorchte jedem noch so zarten Knopfdruck auf die Nanosekunde. Außen wirkte es hart und robust, innen jedoch war es seidenweich und anschmiegsam; geformt wie ein fettes Weib, das sich um ihn schlang, ihn in seiner Gänze aufnahm und die Kälte außerhalb der heiligen Kanzel absorbierte, wie das nach Kessels Meinung nur eine gefügige Frau konnte. Er hatte viel Geld hineingesteckt und sich mit dem Ausbau des K&K einen nie eingestandenen feuchten Traum erfüllt: Aufrecht die geschützten Pforten durchqueren und das Innere ganz und radikal besitzen. Sein Pilotensitz war nicht ohne Grund anatomisch korrekt auf gedachter Brusthöhe angebracht. Dass sein Prachtstück keinen Kopf hatte, war Marimann Kessel nur recht.

    Anfangs teilte er seine Freude an dem Shuttle, indem er Heuerfahrten anbot. Aber nach den ersten billigen Witzen über eine Rückkehr in den Mutterleib und ähnliche Bosheiten hatte er endgültig genug von lebender – und vor allem sprachfähiger – Gesellschaft. Kessel wusste sehr genau, dass er überall unbeliebt war,

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