Wenn das zweite Kind kommt: Als Familie zusammenwachsen
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Buchvorschau
Wenn das zweite Kind kommt - Jeanette Stark-Städele
Jeanette Stark-Städele
Wenn das zweite Kind kommt
Als Familie zusammenwachsen
Titel der Printausgabe: Wenn das zweite Kind kommt. Als Familie zusammenwachsen
Bisheriger Titel: Wenn das zweite Kind kommt.
Was ein Geschwisterchen alles ändert
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2018
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
© Urania Verlag in der Verlag Herder GmbH, Freiburg
im Breisgau, 2006
Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von der Verfasserin sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden, ebenso ist eine Haftung der Verfasserin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.
Umschlaggestaltung: agentur IDee
Umschlagmotiv: © petrenkod/thinkstock
E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN (E-Book): 978-3-451-81299-6
ISBN (Buch): 978-3-451-60048-7
Inhalt
Aus drei werden vier – Einführung
Noch ein Kind?
Das Ideal der »richtigen« Familie
Brauchen Kinder Geschwister?
Zwei Kinder – doppelte Freude, doppelte Arbeit?
Wann ist der richtige Zeitpunkt fürs zweite Kind?
Wir freuen uns aufs zweite Kind!
Wie die Mutter die zweite Schwangerschaft erlebt
Wie Väter die zweite Schwangerschaft erleben
Bereicherung oder Belastung für die Partnerschaft?
Die Reaktionen der Umwelt
Geburtsvorbereitung: eine wertvolle Zeit
Wann und wie sagen wir’s unserem Kind?
Als Familie die Schwangerschaft erleben
Praktische Vorbereitungen
Das Geschwisterkind ist da!
Die Geburt und die ersten Wochen
Wie Erstgeborene auf den Neuankömmling reagieren können
Groß und vernünftig?
Den Alltag neu erleben
Hilfen für unser »entthrontes« Kind
Entthronung – Was passiert denn da?
Triebfeder: Eifersucht
Aggression: Wie kann ich mich wehren?
Regression: Ich bin auch noch »klein«
Autoaggression: ich gegen mich …
Psychosomatische Beschwerden:
plötzlich immer wieder krank?
Den Alltag mit Kindern organisieren
Klare Strukturen machen vieles leichter
Zwei Kinder versorgen – Tipps und Tricks
Das Familienleben partnerschaftlich gestalten
Besondere Situationen im Alltag meistern
Wenn das Baby mobil wird
Special: Unternehmungen mit Papa
Warum Großeltern so wertvoll sind
Liebe, Streit und Solidarität – Geschwisterbande
Die Bedeutung der Geschwisterbeziehung
Wie Eltern die Geschwisterbeziehung fördern können
Der Platz in der Geschwisterreihe: bestimmend für die Entwicklung?
Wenn es bei zwei Kindern bleibt
Geschwister – und doch grundverschieden
Geschwisterrivalität – Geschwistersolidarität?
Geschwister – treibende Kraft für die Entwicklung?
Geschwisterliebe muss wachsen
Was die Jahre bringen werden
Die Sache mit der Elternliebe: Wen habt ihr lieber?
Die Gerechtigkeit: alle gleich behandeln?
Gesprächskultur: Wie reden wir mit unseren Kindern?
Streiten gehört dazu
»Meins!«
Zur Familie zusammenwachsen
Aus drei werden vier – Einführung
Sie sind bereits eine kleine Familie und erwarten nun Ihr zweites Kind? Wunderbar! Herzlichen Glückwunsch! Oder Sie überlegen noch, wünschen sich ein zweites Kind, sind aber unsicher, was das für Sie bedeutet und wann der richtige Zeitpunkt ist? Dann lassen Sie sich einfach ein auf dieses »Abenteuer«, das aus Ihrer Kleinfamilie eine veritable Familie macht. Sie werden dabei neue Herausforderungen erleben, eine veränderte Familiendynamik, wohl auch wieder schlaflose Nächte – und ungeahnte Glücksmomente!
In einer Familie mit mehreren Kindern aufzuwachsen ist heute nicht mehr selbstverständlich. Trotz aller familienpolitischen Bemühungen des Staats, junge Eltern zu unterstützen, überlegen sich viele Eltern den Schritt zum zweiten Kind gut – angesichts hoher Mieten, fehlender Betreuungsplätze usw.
Doch wer Kinder hat, will in aller Regel nicht mehr tauschen. Kinder sind eine Lebensentscheidung. Wer Familie hat, der strebt nicht nur nach Selbstverwirklichung, beruflichem Erfolg und Besitz, sondern findet Erfüllung und Glück in der Gemeinschaft, in gemeinsamen Unternehmungen, im bewussten Erleben des Alltags, im ständigen Wechsel von Situationen und Lebensphasen. Leider ist dies nach wie vor oft nur schwer mit den Berufsbiographien beider Elternteile zu vereinbaren. Ein Kind lässt sich vielleicht noch irgendwie »unterbringen« – doch zwei Kinder oder mehr? Heute wächst bereits beinahe jedes zweite Kind in einer Ein-Kind-Familie auf. Ja, es ist tatsächlich anders, zwei oder mehr Kinder zu haben als nur eines. Als Eltern erfahren Sie dabei vieles nochmals bewusster und entspannter, aber Sie erleben auch völlig unerwartete Situationen und Herausforderungen. Für die Kinder ist es zweifellos in vielerlei Hinsicht bereichernd, mit einem Geschwisterkind aufzuwachsen.
Denn es stehen durchaus Veränderungen an, wenn die Familie wächst – besonders betroffen ist dabei natürlich auch das bisher einzige Kind, das meist im Zentrum der elterlichen Aufmerksamkeit stand. Nun muss es Zeit, Zuwendung und Schmuseeinheiten teilen. Doch wenn Sie sensibel auf Ihr »großes« Kind eingehen und es umsichtig auf den kommenden Nachwuchs vorbereiten, werden Sie miteinander ein wunderbares Familiengefühl entwickeln.
Und nicht zu vergessen: Auch die Elternbeziehung verändert sich durch die Ankunft eines Geschwisterkindes aufs Neue. Die Rollen wollen überdacht und bewusst ausgestaltet werden – und dabei werden beide Partner ihre Beziehung zu den Kindern immer wieder überdenken, aber auch die Beziehung zueinander wird immer wieder neu ausgerichtet werden.
Es können sich in der Familie auch neue Konstellationen bilden: Erstgeborenes und Vater gehen eine Koalition ein und unternehmen vieles gemeinsam. Oder die Großeltern kommen – wenn sie erreichbar sind – verstärkt ins Spiel und »übernehmen« öfter mal das ältere Kind – meist eine sehr wünschenswerte Entwicklung.
Die vielen Aspekte des alltäglichen Lebens, der seelischen Verfassung des Kindes und die Familienbeziehung, die von der Ankunft eines Geschwisterkindes beeinflusst werden, sollen in diesem Buch angesprochen werden – damit Sie gut vorbereitet, aber auch flexibel auf die Veränderungen reagieren können. Dabei wird hier ganz bewusst das erstgeborene Kind im Mittelpunkt stehen.
Erfahren Sie, wie es die Geburt eines Geschwisterchens entwicklungsbedingt erlebt. Dabei werden auch mögliche Probleme thematisiert. Diese können auftreten, müssen aber keineswegs deutlich zutage treten. Wir möchten Sie sensibilisieren dafür, was in Ihrem Kind vor sich geht, und mögliche Verhaltensweisen des Kindes erklären, damit Sie umsichtig und vorausschauend handeln können. Sie finden dazu viele Tipps sowie praktikable Vorschläge, falls einmal schwierige Situationen entstehen.
Im Laufe der Zeit werden Sie feststellen, dass nicht die perfekte Organisation, die absolute Gerechtigkeit oder der ständige Versuch, es allen recht machen zu wollen, die Basis sind für das Wachsen als Familie, sondern Humor und Flexibilität sowie das Vertrauen in die eigenen Instinkte. Sie werden dabei Selbstvertrauen, Stärke, Lebensfreude, Optimismus gewinnen und im Laufe der Jahre ein Stück Gelassenheit. Und Ihr Erstgeborenes wird ein Geschwisterchen haben – eine Beziehung, die einmalig ist im Leben.
Vertrauen Sie darauf, dass Ihre Liebe und Ihr Verständnis den Weg weisen – und die Freude an einem lebendigen Familienleben!
Noch ein Kind?
Vater, Mutter und zwei Kinder – so stellen wir uns die Idealfamilie vor. Und es ist tatsächlich etwas ganz anderes, zwei oder mehr Kinder zu haben als nur eines.
Eltern erleben ganz neue Situationen und Herausforderungen. Für Kinder ist es zweifellos schön und in vielerlei Hinsicht auch bereichernd, mit einem Geschwisterkind aufzuwachsen. Doch selbstverständlich ist das zweite Kind heute nicht mehr und vielerlei Fragen wollen im Vorfeld geklärt werden.
Das Ideal der »richtigen« Familie
Sie haben ein Kind und lieben es über alles. Der Alltag in Ihrer kleinen Familie hat sich eingespielt, jeder kommt inzwischen zu seinem Recht. Sie und Ihr Partner haben den Übergang von der Paarbeziehung zum Elternsein »geschafft« und jeder hat für sich inzwischen sogar kleine Freiräume zurückerobert. Auch finanziell ist alles einigermaßen geregelt und die Frage der Berufstätigkeit und der Kinderbetreuung haben Sie gemeinsam gelöst.
Eigentlich ist alles perfekt. Doch dann stellt sich so ein seltsames Gefühl ein und immer häufiger steht eine Frage im Raum: »Wäre es nicht schön, noch ein Kind zu haben? Eine »richtige« Familie zu sein?« Manche Frauen – und Männer – sind richtiggehend froh, wenn es einfach »passiert« und sich das zweite Kind ungeplant ankündigt.
Viel wird in den Medien und im Privaten von der »richtigen« Familie geredet: Mutter, Vater und zwei oder mehr Kinder. Das ist das Ideal. Doch unsere Gesellschaft ist bunt und vielfältig geworden. Und so ist heute auch Familie viel mehr: alleinerziehende Mütter oder Väter mit einem oder mehreren Kindern, Patchworkfamilien in vielerlei Gestalt, »deine« Kinder, »meine« Kinder und vielleicht noch gemeinsame Kinder. Das Modell »Familie« umfasst heute eine breite Lebensrealität und – nebenbei bemerkt – auch auf diese Weise kann ein Kind Geschwister bekommen, nicht nur niedliche kleine Babys, sondern Mitbewohner in jedem Alter, was sich auf eine Familienbeziehung, die dabei erst aufgebaut werden muss, wie auch auf die Psyche jedes einzelnen betroffenen Kindes stark auswirken wird.
Gefühle und Argumente …
Doch zurück zum Normalfall, der heute schon gar nicht mehr so normal ist: Sie haben ein Kind und Sie wünschen sich ein zweites Kind. Welche Gründe bewegen Sie, außer dem »Bauchgefühl«, das sich tief im Innern meldet?
Rückblick auf die eigene Lebenserfahrung
Vielleicht sind Sie selber oder Ihr Partner mit Geschwistern groß geworden und haben Ihre Kindheit und das Gefühl der Gemeinschaft in bester Erinnerung und als stabile Grundlage Ihres Lebens erfahren. Geblieben nach all den Jahren ist die Erinnerung an die Geschwistersolidarität; die Erinnerung an Rivalitäten und Zankereien ist in den Hintergrund getreten.
Vielleicht sind Sie aber auch als Einzelkind aufgewachsen und wünschen sich gerade deshalb Geschwister für Ihr Kind, weil Sie immer etwas vermisst haben: als Kind jemanden zum Spielen, zum Reden, als Beistand, als Verbündeten. Die Eltern sind sowieso immer die Stärkeren und außerdem sind sie zu zweit.
Sie haben dagegen noch in allzu guter Erinnerung, dass Sie sich oft allein gefühlt haben und vermissen heute als Erwachsener immer noch weitere Familienbande und -verbündete. Besonders spürbar ist dieser Mangel an den typischen Familienfesten, z. B. an Weihnachten, wenn inzwischen erwachsene Einzelkinder nicht im Kreise einer großen Verwandtschaft zusammenkommen können.
Doch das Einzelkindargument sollte nur zählen, wenn Sie es wie geschildert als eigene Lebenserfahrung mitbringen und empfinden. Die bewusste, sozusagen kopfgesteuerte Entscheidung für ein weiteres Kind, damit das erste kein »verwöhntes« Einzelkind bleibt, ist eher mit Vorbehalt zu betrachten (mehr dazu in Kapitel »Brauchen Kinder