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Gegen den Wind: Eine Frau geht ihren Weg
Gegen den Wind: Eine Frau geht ihren Weg
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eBook223 Seiten3 Stunden

Gegen den Wind: Eine Frau geht ihren Weg

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Über dieses E-Book

"I've watched Susi grow from being a professional sportsperson to becoming a superstar entrepreneur using her wonderful kiting and people skills (…) whilst trying to encourage entrepreneurs to make a positive difference in the world."
SIR RICHARD BRANSON

Spitzensportler und Unternehmer ähneln sich stark: Beide sind entschlossen auf ein Ziel fokussiert, denken strategisch und sind bereit, ein kalkuliertes Risiko einzugehen, um ans Ziel zu kommen. Kiteboarding-Legende Susi Mai hat es geschafft, ihre Leidenschaft für den Sport mit nachhaltigem unternehmerischen Geist zu verbinden. Sie hat sich in der Männerdomäne des Kitesurfens einen Platz geschaffen und zahlreiche Preise eingefahren – dabei hat sie den Sport für viele Frauen nach ihr erschlossen. Abseits des Wassers arbeitet sie gemeinsam mit Richard Branson, Sylvia Earl und James Cameron daran, die Ozeane zu retten. Mit Motivation, Inspiration und der richtigen Einstellung zeigt sie, wie frau jede Situation meistern kann: Denn was Männer meinen zu können, können Frauen schon lange!
SpracheDeutsch
HerausgeberPANTAURO
Erscheinungsdatum24. Mai 2018
ISBN9783710550003
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    Buchvorschau

    Gegen den Wind - Susi Mai

    Republik.

    Der eiserne Schmetterling

    Ich wurde Mitte der Achtzigerjahre in München geboren, einer Zeit großer sozioökonomischer und kultureller Umbrüche in Europa. Besonders in meiner Heimat Deutschland begann das Eis des Kalten Krieges zu schmelzen, und die Entwicklung kulminierte schließlich 1989 im Fall der Mauer, die Ost und West voneinander trennte. Durch Sparsamkeit und Wiederaufbau-Maßnahmen nach dem Krieg hatte sich der finanzielle und strukturelle Stellenwert des Landes gesteigert, und Deutschland war bereit, eine globale Wirtschafts- und Produktionsmacht zu werden.

    Meine Eltern Gunter und Erica Mai – besser bekannt als Plinsi und Sissy – waren von diesen Umwälzungen kaum betroffen, da sie beide das Glück hatten, in normalen bürgerlichen Verhältnissen aufzuwachsen. Sie haben beide ihre Kindheit als glücklich in Erinnerung, wobei Fleiß und akademischer Erfolg in den Familien erwartet wurden.

    So wie ich ist mein Vater in München geboren und aufgewachsen. Er war ein lebenslustiger junger Mensch, bis er im Alter von siebzehn Jahren beim Motorradfahren von einem Lkw überrollt wurde. Bei dem Unfall wurde sein linkes Bein unterhalb des Knies abgetrennt. Im Vergleich zu heute war die Medizin damals noch ziemlich primitiv, doch irgendwie hatte mein Vater Glück: Ein junger Arzt überzeugte meinen Großvater, an meinem Vater eine experimentelle Operationsmethode ausprobieren zu dürfen, für die der Fall anscheinend perfekt geeignet war und bei der der abgetrennte Teil wieder am Bein meines Vaters befestigt würde. Es folgten quälende drei Jahre der Rekonvaleszenz im Krankenhaus, doch zu jedermanns Überraschung funktionierte die Methode, und mein Vater konnte auf zwei Beinen das Krankenhaus verlassen – aber er hatte sich verändert.

    Er interessierte sich nun nur noch für Windsurfen und Abenteuer – er entschied sich für eine unkonventionelle Lebensweise, nicht für die Tradition und die akademische Welt. Windsurfen hatte er schon seit Kindheitsurlauben am Gardasee leidenschaftlich betrieben. Nach so vielen Jahren im Krankenhaus stellten sich meine Großeltern seinem Wunsch nach Freiheit nicht in den Weg; sie waren nur froh, dass er am Leben war und sich ohne Einschränkung bewegen konnte. 1982, mit fünfundzwanzig Jahren, hatte mein Vater endlich seine schulische Ausbildung mit einer Ingenieurslehre abgeschlossen und beschloss, für ein paar Monate nach Porto Pollo auf Sardinien zu gehen, um eine Auszeit zu nehmen und zu surfen. Sein Unfall-Schadenersatz diente als finanzieller Puffer.

    »Wenn man drei Jahre im Krankenhaus eingesperrt ist, ändert sich alles. Ich wollte frei sein, ich wollte an einem Strand sein … Als ich im Krankenhaus lag, dachte ich immer wieder, dass ich nur noch nah am Meer leben wollte.«

    Plinsi (Susis Vater)

    Meine Mutter wurde in Waldsassen geboren, einer kleinen Stadt auf dem Land, ungefähr vier Stunden von München entfernt. Als jüngere von zwei Schwestern war sie fest entschlossen, nicht in der Keramik-Fabrik zu enden, in der ihre konservativen Eltern arbeiteten. Mit erst siebzehn Jahren ging sie nach Bad Hersfeld, eine größere Stadt in der Nähe von Frankfurt, auf der Suche nach mehr Perspektive und nach Freiheit. Für ein Mädchen aus der Arbeiterklasse war das ein sehr radikaler Schritt, aber meine Mama wusste, dass sie die Welt außerhalb der engen Grenzen, die sie bisher kannte, erkunden wollte. Ihre Eltern arbeiteten hart und nahmen nie Urlaub, geschweige denn im Ausland. Doch irgendetwas in meiner Mutter war nicht bereit, der erwarteten Norm zu entsprechen, nach der man in derselben kleinen Stadt lebt, arbeitet, heiratet und stirbt. Mithilfe des Lohnes von ihrem Job in einer Zahnarztpraxis fing sie an, gegen die Erwartungen zu rebellieren, und machte noch vor ihrem siebzehnten Geburtstag zum ersten Mal Urlaub in Marokko – und nach dieser Erfahrung war es um sie geschehen. Viele Jahre lang machte sie danach zweimal im Jahr neue und aufregende Expeditionen, unter anderem nach Agadir und Marrakesch – damals noch wahnsinnig wild und exotisch.

    »Unsere Eltern waren im Krieg gewesen, beide Väter waren in Russland, und sie haben uns immer in dem unterstützt, was wir tun wollten.«

    Sissy (Susis Mutter)

    Ich nehme an, dass meine Großeltern mit meinen Eltern so tolerant waren, weil sie das Trauma des Krieges hinter sich hatten. Selbst heute kann ich mir nicht vorstellen, welche Opfer sie gebracht und wie viel Elend sie ertragen haben und wie sehr sie sich wahrscheinlich gewünscht haben, dass ihre Kinder einem traditionelleren Weg folgen, nachdem ihr eigenes Leben so voller Ungewissheit gewesen war. Dass sie trotz ihrer konservativen Einstellung die Lebensweise ihrer Kinder unterstützten, war angesichts ihrer ernsten Vorgeschichte eine unerwartet tolerante Haltung.

    Jetzt zum angenehmen Teil der Geschichte: Meine Eltern lernten sich in Porto Pollo kennen, einem berühmten Ort zum Windsurfen an der Küste der italienischen Insel Sardinien. Bei einem romantischen Lagerfeuer während einer der Flucht-Urlaube meiner Mutter sahen sie sich zum ersten Mal in die Augen. Während der langen Windsurf-Auszeit meines Vaters, und nachdem ein junger Robby Naish sie einander vorgestellt hatte – er würde einmal ein legendärer Windsurfer werden –, verliebten sich die beiden ineinander. Als sie sich ein paar Monate später in München wieder trafen, beschlossen sie, eine Auszeit in Fuerteventura zu planen, bei der mein Vater sowohl surfen als auch seiner Freundin das Windsurfen beibringen wollte. »Es ist immer etwas anderes, wenn der eigene Freund der Lehrer ist«, erzählte er mir vor Kurzem, wobei sie beide kicherten, als wären sie gerade erst frisch verliebt. Sehr süß und inspirierend, nach vierunddreißig Jahren Zusammensein.

    Als sie noch in Fuerteventura waren, besiegelte ein Anruf von einem Freund meines Vaters ihr Schicksal. Er bot meinem Vater die Chance, auf der Halbinsel Gargano in Süditalien eine Surfschule zu eröffnen. Obwohl meine Eltern keinerlei Erfahrung hatten, zögerten sie nicht und ergriffen die Gelegenheit, ihren Traum von einem Leben am Meer und einer Flucht aus ihrer wenig aufregenden Umgebung wahr zu machen.

    Dies sollte mit die glücklichste Zeit im Leben meiner Eltern werden, auch wenn sie acht Monate im Jahr in einem Wohnwagen hausten und in den Wintermonaten nach München zurückkehrten und die Nebensaison im obersten Stockwerk des Hauses meines Großvaters verbrachten. Mein Vater steckte viel Arbeit in die Renovierung des Hauses, um für sie ein Heim zu schaffen, und baute sich gleichzeitig eine Werkstatt, in der er sich selbst beibrachte, Surfboards und -segel zu bauen und zu reparieren. Dieses Handwerk existierte zu dieser Zeit noch gar nicht, da das Windsurfen erst in den Anfängen steckte. Es gab damals buchstäblich nur eine Handvoll Windsurfer.

    Der Ein-Jahres-Vertrag zur Leitung der Surfschule wurde zu einem acht Jahre dauernden Abenteuer und einer lebenslangen Leidenschaft für Wassersport. Mit ihren Fähigkeiten wuchs auch das Geschäft, und so hatten sie schließlich sieben Schulen unter ihrer Leitung. Der ursprüngliche Besitzer ließ ihnen freie Hand, solange sie dafür sorgten, dass Kunden kommen.

    Meine Eltern – beide das Produkt ihrer Erziehung durch meine fleißigen Großeltern – machten es zu ihrem persönlichen Ziel, diese Herausforderung zu meistern. In der Nebensaison bauten und reparierten sie nicht nur Surfboards, sondern fuhren auch durch ganz Deutschland, um Werbung für ihre Schulen und Surfurlaube zu machen. Sie reisten an Orte wie Berlin, Frankfurt und Düsseldorf, verschafften sich Zugang zu den damals veranstalteten Reisemessen und stellten das nötige Werbematerial her, um die Leute in ihr italienisches Refugium zu locken. Ich bin fest davon überzeugt, dass ihr Erfolg sich unmittelbar aus der perfekten Kombination ihrer Persönlichkeiten ergab – der Unabhängigkeit und dem fortschrittlichen Denken meiner Mutter und dem Sinn für Freiheit und Abenteuer meines Vaters. Sie waren schon Entrepreneure, als es das Wort noch gar nicht gab.

    Als sie diesen Traumjob zwei Jahre gemacht hatten, wurde ich geboren, und laut meinen Eltern ließen sie sich davon nicht aus dem Tritt bringen: Es war, als wäre ich schon immer da gewesen. Meine Mutter hatte während der Schwangerschaft keinerlei Probleme und fühlte sich super, allerdings dauerte die Geburt vierzig Stunden. Anscheinend wollte ich schon damals selbst das Tempo vorgeben! Mein Vater war bei meiner Geburt dabei, musste aber drei Tage später zurück nach Il Gargano, da die Saison begann und er die Surfschule eröffnen musste. Als ich eine Woche alt war, betrat ich zum ersten Mal ein Flugzeug und flog mit meiner Mutter zu ihm nach Italien. Meine Mutter erzählt gern die Geschichte, dass der Pilot vor dem Start den Passagieren mitteilte: »Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Flug und möchten Ihnen mitteilen, dass unser jüngster Passagier an Bord acht Tage alt ist.« Anscheinend ist es einfach mein Schicksal, um die Welt zu fliegen.

    Ich verbrachte acht Monate im Jahr am Meer und wuchs mit Windsurfen, Kajakfahren und anderen Wassersportarten auf – ich konnte gar nicht anders, ich musste ein Wasser-Baby sein. Meine Eltern waren mit ihrem Geschäft sehr beschäftigt, denn sie kümmerten sich auch um die Liegestühle, Sonnenschirme und andere Dinge für Touristen; aber ich war ein ziemlich unabhängiges Kind und konnte mich ohne größere Probleme selbst beschäftigen. Als ich klein war, stand ich meistens um fünf Uhr mit meinem Vater auf und »half« ihm dabei, den Strand zu säubern und für den Tag vorzubereiten, vor allem, weil meine Mutter jeden Abend bis Mitternacht die Strandbar betrieb – ich verbrachte also viel Zeit mit meinem Vater. Nach meinem Vormittagsschläfchen verbrachte ich die meiste Zeit des Tages entweder im Wasser oder Eis essend, was lebenslange Angewohnheiten geworden sind.

    Ich wechselte zwischen den Surfschulen und der Strandbar hin und her und traf Touristen aus ganz Europa und anderen Orten der Welt. Ich kann mich erinnern, dass ich sie meistens einfach ansprach und fragte, ob sie mir ein Eis kaufen oder mit mir schwimmen gehen würden, denn ohne Erwachsene durfte ich nicht ins Wasser. Mein Vater ließ mich oft lange aufbleiben; dann schauten wir in den Himmel, und er erzählte mir Geschichten über die Sterne, die ich anscheinend immer hören wollte. Um unser Einkommen aufzubessern – was fast alle Saisonarbeiter tun müssen –, schneiderte meine Mutter im Winter auch Badebekleidung, die sie im Sommer an Touristen verkaufte. Auch das war wieder etwas, das sie sich selbst beigebracht hatte, und so zeigte sie mir durch ihr gutes Beispiel, dass man eigentlich alles lernen kann, wenn man nur will.

    Zwischen den Badesaisons nahmen wir uns immer eine Auszeit als Familie und fuhren mit unserem alten babyblauen VW-Bus für einen Monat irgendwohin. Es war das coole Modell mit der geteilten Windschutzscheibe. Wir fuhren durch Frankreich und Spanien an Orte wie Tarifa, auch wenn es dort kalt und die Touristensaison vorbei war. Meine Eltern hatten diesen unglaublichen Durst, die Welt zu erforschen. Diesen Drang habe ich mit Stolz von ihnen geerbt.

    Zum Entsetzen meiner gebildeten deutschen Verwandten lebte ich nicht nur hauptsächlich von Pizza, Nudeln und Eis, sondern die erste Sprache, die ich sprach, war auch noch Italienisch. Sie sahen mich als Wildfang, nicht zuletzt, weil mich einer meiner Großväter zum ersten Mal sah, als ich in einem Korb lag, der an einem Baum befestigt war – wie Mogli aus dem Dschungelbuch. Seitdem wusste er, was die Zukunft für mich bereithielt. Bis ich sechs Jahre alt war, ging ich im Winter in München in den Kindergarten. Die restliche Zeit verbrachte ich mit meinen Eltern, die behaupten, dass ich ein sehr entspanntes Kind war, mit dem man gut reisen konnte, egal wo wir hinfuhren oder was wir unternahmen.

    Meine schulische Ausbildung war es schließlich, die uns zwang, uns zu entscheiden, wo wir leben wollten. Obwohl meine Eltern Italien liebten, war es im Winter kein schöner Ort zum Leben; sie waren aber auch unter keinen Umständen bereit, das ganze Jahr in München oder in einem anderen europäischen Urlaubsort zu verbringen. Sie wollten dort ein Geschäft aufbauen, wo die Sonne das ganze Jahr scheint und es Wind und Wellen zum Windsurfen gibt. Durch einen Freund meines Vaters fanden sie die Lösung: ein kleines Dorf namens Cabarete, aus dem dieser gerade zurückgekehrt war und das einfach perfekt zu sein schien. Das war im Winter 1989.

    Mein Vater musste die Surfboards für die nächste Feriensaison fertig machen, deshalb nahm sich meine Mutter eine Woche Zeit und fuhr mit einer Freundin nach Cabarete, um sich die Dominikanische Republik anzuschauen. Als sie zurückkam, hatte sie sich schon in den Ort verliebt, der zu unserem Zuhause werden sollte und das bis heute ist. Vier Wochen nach ihrem Besuch waren wir in die Karibik gezogen, auch wenn wir die ersten zwei Wochen als Urlaub dort verbrachten, weil meine Eltern sichergehen wollten, dass es mir dort gefiel. Hätte ich Nein gesagt, wären sie bereit gewesen, wieder zurückzuziehen und sich andere Optionen zu überlegen. Ich stellte nur eine einzige Bedingung, als meine Mutter mir sagte, ich würde in Cabarete zur Schule gehen müssen: Ich wollte ein eigenes Pferd haben. Wir fanden ein kleines weißes Pferd, das ich Atréju nannte, nach dem jungen Jäger aus der Unendlichen Geschichte.

    Auf ihm ritt ich, als wäre es das Normalste auf der Welt, zur Montessorischule auf der anderen Seite des Feldes, während meine Eltern durchs Fenster darauf achteten, dass mir nichts passierte. Als ich etwas älter war, nahm ich ihn mit an den Strand, wenn meine Eltern nicht da waren. Ich sollte mit ihm eigentlich nicht die Straße überqueren, aber da es so gut wie keinen Autoverkehr gab, war das kein Problem. Damals war Cabarete ein verschlafenes kleines Surfernest; wir waren eine der ersten Familien aus dem Ausland, die sich dort niederließen, und für Kinder war es eine sehr sichere Umgebung.

    Das Beste daran, ein Pferd zu haben, war, dass ich lernte, mich um ein anderes Lebewesen zu kümmern; darin war ich offenbar ein Naturtalent. So hatte ich während meiner Kindheit eine Menge Tiere – Hasen, eine Ziege, Schlangen, Spinnen, Hunde; so gut wie jedes Tier, das man als Haustier würde halten wollen. Eine Zeit lang wollte ich Tierärztin werden, vielleicht war das der Grund für die Menagerie.

    Da es im Ort schon ein paar Surfschulen gab, war der Markt gesättigt; aber meine Eltern waren, nachdem sie fast zehn Jahre lang mehrere Schulen geleitet hatten, sowieso auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. In dem bescheidenen Anwesen, das meine Mutter für uns gefunden hatte, gab es auch ein paar separate Zimmer, die sie als die Paradise Surf Lodge herrichteten und damit auch noch »Bauarbeiter«, »Vermieter« und »Innenarchitekt« zu ihrem Lebenslauf hinzufügten. Außerdem riefen sie ihre eigene Reiseagentur ins Leben – Cabarete Tours –, mit der sie bei alten und neuen Kunden Werbung für Urlaube und weitere touristische Angebote in der Nähe machten. Diese neuen Kunden waren Touristen in Cabarete, die auf der Suche nach neuen Urlaubs-Unternehmungen waren. Die Ausflüge beinhalteten Wandern, Whalewatching, Besuche an verschiedenen Stränden, Kultur-Führungen und natürlich Surfunterricht. Cabarete boomte damals als internationales Ferienziel, und es gab viele Resorts für Pauschalreisende an der Küste. Wir hatten ein schönes Leben.

    Eine meiner ersten Erinnerungen handelt davon, dass ich einen Aufstand machte, weil es in Cabarete kein normales, sondern nur Maismehl gab. Das brachte unser wöchentliches Pfannkuchen-essen durcheinander, an das ich gewöhnt war. Ich erinnere mich, dass ich einen Wutanfall bekam und meinen Eltern sagte, ich wolle nicht in Cabarete wohnen, wenn die Pfannkuchen jetzt immer so sandig schmeckten.

    An meinem ersten Schultag traf ich meine spätere Schwester im Geiste, Cami Cow. In diesem für unser Leben so prägenden Moment lief sie auf dem Schulhof an mir vorbei, wollte eine Kurve laufen, rutschte auf dem Kies aus und legte sich der Länge nach hin. Cami stand einfach wieder auf, streckte allen, die sie auslachten, die Zunge raus und lief lässig weiter, als sei nichts passiert. Dieser selbstbewusste Trotz faszinierte mich, und schon bald waren wir eine Gang; wir waren zwei von nur vier weißen Mädchen an der Schule und hatten so wohl eine natürliche Verbindung.

    Die beiden anderen, zwei frankokanadische Mädchen, mit denen Cami und ich viel rumgehangen hatten, zogen weg, als wir zehn Jahre alt waren; und so klebten Cami und ich automatisch wie zwei siamesische Zwillinge aneinander. Wir hatten jeweils ein Bett bei der anderen zu Hause und lebten immer wieder längere Zeit am Stück so gut wie zusammen – wie Schwestern eben. Von der Persönlichkeit her waren wir total unterschiedlich; sie war viel extrovertierter und mutiger als ich, obwohl wir aus ähnlichen Verhältnissen stammten. Ihre Mutter war auch eine unkonventionelle und abenteuerlustige Windsurferin. Eigentlich kamen sie aus Frankreich, hatten aber schon in Ägypten und anderen Ländern gelebt. Cami sprach Französisch und Arabisch, während ich sie auf Italienisch und Deutsch zuplapperte. Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich ein Wort von dem verstand, was sie sagte, bevor wir beide irgendwann Spanisch konnten; aber ich wusste einfach, dass ich mit ihr liebend gern all meine Zeit verbrachte.

    »Susi war superschüchtern und zurückhaltend. Sie hielt sich immer hinter den Kulissen, hatte Angst und blieb im Hintergrund. Sie gab nie die Initiative zu irgendetwas, deshalb wollte sie beim Sport keiner in

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