Lebenstaumel
Von Sabine Gleißberg
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Über dieses E-Book
Ist das Leben immer gleich stabil? Ich finde nicht.
Dies ist ein Mix aus Geschichten, Gedichten, Gedanken, Grübeleien, aber auch Entspannung und Satire zum Auf und Ab des Lebens.
Beobachtet, erlebt, erzählt.
Und garantiert findest du Ähnlichkeiten zu dir und deinem Leben, vielleicht wird es dir auch jetzt erst bewusst.
Neugierig geworden? Na dann, los gehts!
Sabine Gleißberg
Geboren 1969 in Leinefelde arbeitet in der Altenpflege
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Buchvorschau
Lebenstaumel - Sabine Gleißberg
Inhalt
Identität
Das saubere Schwein
Wartezimmerblues
Sommersehnsucht
Komisch
Sondermüll Mensch
Sorgenfrei
Allein
Am See
Muttertag
Ferngesteuert
Du
Zustand
Nachtdienstsamba
Abgrund
Ware Mensch
Fratze
Sommergarten
Der Herr ist gütig und seine Gnade währet ewiglich
Schwarz Weiß
Krieg
Zusammen stark
Ausgebrannt
Zweiundneunzig Stufe 3
Hilflos
Familienglück
Kampf – Mampf
Ich wünschte…
Der eitle Baum
Durchgedreht
Fair
Strafe
Müde
Verirrt
Lebenslinien
Nur ein paar Minuten Leben
Kaputt
Erlkönigs neue Kleider
Nach Hause
Identität
Weißt du eigentlich, wer du bist?
Ketzer, Hetzer, Antichrist,
Widersacher, Atheist,
Hexe oder Terrorist,
Opportun oder Faschist,
Heide oder Kommunist,
Kämpfer oder Extremist,
Vorbild oder nur Statist,
Liebevoll, zärtlich oder Sexist,
Spinner oder Realist,
Verbrecher oder doch Jurist,
Maxi- oder Minimalist,
Schreiber oder Telefonist,
Fürsorger oder eher Narzisst,
Angezogen oder Nudist,
Philosoph oder Moralist,
Opti- oder Pessimist,
Mitläufer oder Aktivist,
Einer, der kocht, oder einer, der frisst,
Dummkopf oder einer mit List,
ein Trauerkloß oder einer, der küsst?
Denk d`rüber nach oder lass, wie es ist!
Das saubere Schwein
Es war einmal ein Schwein
Das wollt`kein Schwein mehr sein
D`rum rief es ganz laut „Nein!
Ab heute bin ich fein."
Das Schwein lief schnell an einen See
Dort schwamm ein Schwan, so weiß, wie Schnee
Es stürzte sich ins Wasser `rein
Doch plötzlich fing es an zu schrein
„Ich kann nicht schwimmen, holt mich `raus!"
Nun sah es wieder schön rosa aus.
Ein Fischschwarm brachte es an Land
Schwein schüttelte jedem seine ‚Hand‘
Jetzt bin ich zwar sauber – dachte es so
Doch brannte die Sonne auf seinem Popo.
‚Warum hab`ich das nie gefühlt?
Aha! Ich war nie abgespült!‘
Schnell wälzt es sich im Schlamm ganz doll
Und fühlte sich gleich wieder wohl.
Wartezimmerblues
Hab Termin beim Arzt, nach drei Stunden Schlaf, nach einer Neun-Stunden-Nachtschicht im Laufschritt.
Trotz Augenschlitze, den gequollenen Lidern drüber und den braunen faltigen Säcken drunter, getarnt durch meine Brille und die Ponysträhne, die mein dramatisches Antlitz mit dem verschleierten und sehr begrenzten Durchblick wenigstens teilweise verdeckt, finde ich tatsächlich den Weg ins Wartezimmer.
Oh Mann! So viele Leute noch vor mir! Was soll`s!
Ich bringe einen der letzten Stühle in meine Gewalt und versuche, es mir so bequem wie möglich zu machen. Den Stuhl rücke ich so nah wie möglich an die Wand, so dass mein Kopf daran Halt findet, die bereits erwähnte Strähne ziehe ich so gut es geht vor die Brille in der Hoffnung, dass es nicht allzu sehr auffällt, wenn ich ein wenig tiefenentspanne und ich suche mir eine Stellung, damit mein ohnehin schon gebeuteltes Gesicht nicht auch noch ungebremst auf meine Knie fällt.
Die stehen übrigens so aneinander, dass sie sich gegenseitig stützen. Die Hände ineinander gefaltet in meinem Schoss ruhend, um der Schwerkraft der Arme entgegenzuwirken, kann mein trübes Bewusstsein dieses halbkomatösen Zustands, in dem ich mich im Augenblick befinde, meinen Sinnen zum Trotz der Versuchung nicht widerstehen, mit einem halben Auge in die Runde einen Eindruck von meinem vermutlich länger währenden Aufenthalt in dieser „Wohlfühloase" und meinen Mitsitzern zu verschaffen.
Die „Oase" ist schnell erfasst. Ein länglicher langweiliger Raum – eben typisch praktisch, angemietet, mit Ausstattungsvorgaben -und verboten behaftet. Gleich hinter der Eingangstür steht ein runder, hässlich grauer Garderobenständer, von dem man eigentlich nur noch den schwarzen staubigen Fuß erkennen kann, weil unendlich viele genauso langweilig farbige Winterjacken – natürlich! bei 8°C minus, drumherumhängen.
Darunter ein noch hässlicherer Zeitungsständer, grün und aus Plastik – eben praktisch.
Die Wände – weiße Strukturtapete, keine Bilder, nur Werbeplakate von Pharmafirmen.
Der Fußboden besteht standardmäßig aus einer pflegeleichten Gummischicht, mit einem Konfettimuster. Man möchte am liebsten n Besen holen. Auf die Stühle gab es bestimmt Mengenrabatt im Ausverkauf und in der Mitte steht ein Pressspantisch, plastikbeschichtet, geziert von einem leeren Flyerständer und zerfledderten Zeitschriften vom Lesezirkel vergessen, wieder abzuholen, von irgendwann. Selbst der einarmige Gummibaum in der Ecke scheint vor lauter depressiver Begeisterung langsam seine grüngelben Blätter abzuwerfen.
Jetzt hört man die Klospülung. Jemand muss eine längere Sitzung hinter sich haben, denn ich habe niemanden durch die Tür neben dem grauen Garderobenständer gehen sehen. Die Klotür geht auf und kleiner sehr blasser aber gepflegter alter Herr schaut sich verstohlen um, den letzten freien Stuhl im Visier zieht er zielstrebig mit eingezogenem Kopf an der Menge vorbei und setzt sich schnell hin. Die ihn verfolgende Verdauungswolke ließ nicht lange auf sich warten. Kein Klofenster!
Die Mitwarter erstarren in ihrer Haltung, nur ihre Nasenfalten vervielfältigen sich schlagartig.
Wer bis dahin mit dem Gedanken gespielt hat, sich auf dieser Örtlichkeit seiner überflüssigen Masse zu entledigen, hat es promt auf zu Hause verschoben.
Da ich im Moment leicht angeschlagen bin und mein Geruchssinn etwas eingeschränkt ist, konnte ich mich, hämisch in mich hineingrinsend, locker zurücklehnen.
Direkt neben der Klotür fingen die Sitzplätze an.
Auf dem ersten Stuhl stand eine elegante Handtasche. Die gehörte einer alten in beige gekleideten, bequem und doch schicke Dame, wahrscheinlich schon viele Jahre Witwe, groß, inzwischen krummer Rücken, die Knie sind sich beim Laufen gegenseitig im Weg. Sie wurde gerade mit dem mühsamen Kampf um einen freien Haken an der Garderobe japsend fertig. Völlig erschöpft plumpste sie mit ihrer beigen Echtlederdamenhandtasche endlich auf den Stuhl neben der Klotür. Sie hätte ja so gerne noch ne Zeitschrift angeschaut, aber nochmal aufstehen ….?
Der junge Mann zwei Stühle weiter will seine Wartezimmerlektüre weglegen, als die Witwe ihre Chance wittert und ihn darum bittet. Zuvorkommend reicht er ihr seine Zeitschrift. Glücklich dankend fängt sie an zu blättern und – Autozeitung!
Verzweifelt versucht sie ein Gespräch mit der jungen Frau, die bis dahin hoch-konzentriert mit dem Ausfüllen eines Fragebogens beschäftigt war, zu beginnen. „Ach, das ist doch was für Männer",meint sie. Mit einem müden Lächeln in den Augen legt sie sich resigniert die zugeschlagene Zeitung