Christian von Pentz: Das rätselvolle Leben des Glückstädter Gubernators Christian Reichsgraf von Pentz (1610-1651)
Von Ruth Möller
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Über dieses E-Book
Ruth Möller
Ruth Möller, Lehrerin i. R., viele Jahre betreute sie ehrenamtlich das Stadtarchiv Glückstadt und gemeinsam mit ihrem Mann Hans-Reimer Möller leitete sie das Detlefsen-Museum Glückstadt. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte Glückstadts und der Elbmarschen.
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Buchvorschau
Christian von Pentz - Ruth Möller
M.A.
Das rätselvolle Leben des Glückstädter
Gubernators Christian
Reichsgraf von Pentz (1610–1651)
Ruth Möller
1) Der Schwiegervater – König Christian IV. (1577–1648)
und seine große Familie
Der Gründer Glückstadts, König Christian IV. von Dänemark und Norwegen, war als Herzog von Holstein und Teilen Schleswigs auch Fürst des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, also ein deutscher Reichsfürst. Er entstammte dem Hause Oldenburg, das 1448 mit Christian I. aus dynastischen Gründen auf den dänischen Thron gelangt war.¹ Nach dem Kalmarkrieg (1611-1613) galt er als der reichste Fürst Nordeuropas in einem politisch und wirtschaftlich gefestigten Staat. Er war volksnah und gerecht, von der seltenen Art, die ihr „Haupt kann kühnlich legen jedem Untertan in Schoß".² Mit Großmachtplänen beteiligte er sich am Dreißigjährigen Krieg. Der gefährdete die territoriale Integrität des Königreichs, stürzte es in ein wirtschaftliches Chaos und den König am Ende seines Lebens in tiefste Depression. Ein Idol ist er geblieben.
Portrait König Christian IV. Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (sign. P8M C117).
König Christian hatte 24 Kinder. Sein Urenkel, August der Starke von Sachsen und Polen (1670–1733), brachte es gar auf 28! Das gab der Schwester des Alten Fritz, Wilhelmine von Brandenburg, Markgräfin von Bayreuth, Anlass, über ihren Patenonkel zu scherzen, er habe 365 Kinder, so viele, wie das Jahr Tage hat. In einem Fernsehbericht wurde der Sachsenkönig kürzlich zum Sexmonster erklärt. Solch verächtliches Urteil traf den Dänenkönig niemals. Der Unterschied: Er hatte möglichst nur eine Partnerin zur selben Zeit. Alle ihre gemeinsamen Kinder hat er in die königliche Familie aufgenommen, sie geliebt und sich bis in Kleinigkeiten um ihr leibliches Wohlergehen, ihre Ausbildung und ihr Fortkommen gekümmert.
Grob lassen sich drei Gruppen unterscheiden.
Sechs Kinder aus erster Ehe mit Anna Katharina von Brandenburg (1575–1612): drei überlebende Söhne, Christian, Friedrich, Ulrich, als mögliche Nachfolger und zwei Töchter, Sophie und Elisabeth. Christian und Ulrich starben vor dem Vater. Friedrich wurde nach ihm König als Friedrich III.
Zehn überlebende Kinder aus der zweiten morganatischen Ehe mit der dänischen Adeligen Kirsten Munk (Kirstine, Christine 1598–1658): neun überlebende Töchter und ein Sohn, Waldemar. Die Zweit- und die Drittälteste wurden bedeutsam: Sophie Elisabeth (1619–1657) und Leonora Christina (1621–1698). Ihre Mutter und sie erhielten die Würde der Gräfinnen bzw. des Grafen von Schleswig-Holstein.
Etwa fünf Kinder aus Beziehungen zu bürgerlichen Lebensgefährtinnen: nach der ersten Ehe Kirsten Madsdatter, die 1613 starb, und Karen Andersdatter. Ab Ende der zweiten Ehe Wibeke Kruse. Sie wurden mit dem Nachnamen Güldenlöwe geehrt, entsprechend dem goldenen dänischen Wappenschild mit den drei Löwen. Friedrich III. setzte diesen Brauch fort. Die Mätressen waren gesellschaftlich nicht anerkannt, wohl aber ihre Bastarde. Bedeutsam wurden Wibeke Kruses Kinder Ulrich Christian und Sophie Elisabeth.
Den Söhnen verschaffte der Vater bedeutende Staatsposten, die vielen „Fräulein aus 2. Ehe verheiratete er sehr jung mit besonders befähigten Männern: Sophie Elisabeth mit Christian Pentz (1610–1651), Leonora Christina mit Corfitz Ulfeldt (1606–1664), deren Karrieren er tüchtig förderte. Aber seine vorausschauenden Bemühungen um Familienfrieden waren vergeblich! Die drei Gruppierungen der Kinder lieferten sich in zwei Parteien noch zu seinen Lebzeiten und erst recht nach seinem Tode einen mörderischen Kampf, der die ganze Atmosphäre in Dänemark vergiftetete. Man könnte denken, Shakespeare habe sich davon zum „Hamlet
inspirieren lassen, 1. Akt, 4. Szene, Marcellus: „Etwas ist faul im Staate Dänemarks", doch dieses Drama wurde schon vorher (1602) uraufgeführt.
Die Fronten:
Kirsten-Munk-Partei oder „Schwiegersöhne-Partei". Zur Schwiegersöhne-Partei unter Führung von Corfitz Ulfeldt gehörten Frantz Rantzau (?), Christian Pentz, Hans Lindenow, Hannibal Sehestedt und Ebbe Ulfeldt. Sie hatten eine enge Bindung zu Kronprinz Christian, der ein Jahr vor dem Erbfall kinderlos verstarb.
Wibeke-Kruse-Partei mit Wibekes Sohn Ulrich Christian Güldenlöwe und ihrem Schwiegersohn General Claus von Ahlefeldt Sie unterstützten den nachfolgenden König Friedrich III. bei der schwierigen Königswahl und später als Ratgeber und Heerführer im Kampf gegen Schweden.
Nachdem König Christian IV. seine liebe Frau Anna Katharina durch frühen Tod verloren hatte, drängten seine älteren Schwestern ihn, wieder eine deutsche Prinzessin zu heiraten, aber das lehnte er ab, weil er bei der Erbfolge dynastische Schwierigkeiten befürchtete. Statt dessen wollte er sich unverbindlich mit einer bürgerlichen Mätresse begnügen. Mit achtunddreißig Jahren verliebte er sich in eine siebzehnjährige dänische Adelige, Kirsten Munk. Das gefiel vor allem deren Mutter, Ellen Marswin (1572–1649), einer reichen Landbesitzerin, der fast ganz Fünen gehörte, 7.600 Hektar an Fläche, dazu das Land der mythischen Cimbern, Himmerland in Nordjütland. Von ihren vielen Gütern erwähnen die Schriften Dalum auf Fünen (Harde Odense) und Boller bei Horsens südlich Aarhus auf der Festlands-Halbinsel Jütland. Die tüchtige Geschäftsfrau erhoffte sich von einer engen Verbindung zum Hof große Vorteile, wie Aufträge zur Lieferung ihrer landwirtschaftlichen Erzeugnisse an die königliche Flotte. Dass ihre Tochter die x-te Mätresse würde, passte ihr aber gar nicht, darum sorgte sie für eine rechtliche Absicherung, die auch im Sinne des Königs war. Er schloss mit Kirsten eine morganatische Ehe oder „Ehe zur linken Hand", in der die darin geborenen Kinder von der Thronfolge klar ausgeschlossen sind.
Um die dreizehn Jahre hat Kirsten sich auf die ihr zugedachte glanzvolle Rolle eingelassen, hat den König auf allen Wegen begleitet, hat dieständigen Schwangerschaften in Kauf genommen, gesundheitlich auch gut überstanden, doch an den Früchten der Liebe soll sie kein Interesse gehabt haben. Die Kinder kamen auf Skanderborg, Frederiksborg, Kronborg sowie in Haderslefhus zur Welt, dann übergab sie sie folgerichtig ihrer Mutter, die ihr diese Ehe eingebrockt und ihr auch bei jeder Geburt beigestanden hatte. Andererseits soll es beim Adel üblich gewesen sein, Kleinkinder bei Großeltern aufwachsen zu lassen, so wie auch König Christian nach frühem Tod des Vaters bei Großeltern aufgewachsen war, Herzog Ulrich von Mecklenburg und Elisabeth von Dänemark, auf Schloss Güstrow.
Kirsten Munk. Lithografie. Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (sign. P8M 264).
Kirsten Munk mit ihren drei ältesten Töchtern und dem Sohn auf einem Gemälde von Jacob van Dort von 1623 (Schloss Rosenborg). Von Jakob van Doordt - © Det nationalhistoriske Museum på Frederiksborg, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=990350
Viele Jahre sollen die Eheleute „in großer Liebe und Einigkeit gelebt haben, dann entfremdeten sie sich mehr und mehr, nicht zuletzt durch unterschiedliche Auffassungen über Kinderziehung. Wie der König in seinen Briefen erwähnt, sah er eines Tages die Mutter zwischen ihren Kindern, wie sie „lustig
auf sie einschlug. „Um ihr die Macht über sie zu nehmen", ließ er die Wache vor seinem Schlafzimmer abziehen und vor die Tür der Kinder postieren, außerdem sein Bett näher an ihr Schlafzimmer heranrücken.
Ende Mai 1628 wurde als letztes Kind des Königs Tochter Marie Cathrine geboren, starb aber schon mit vier Monaten; zu fragen ist ob eines natürlichen Todes, durch Vernachlässigung oder durch Gift! Kirsten hatte einen neuen Liebhaber, einen Truppenführer ihres Mannes, Otto Ludwig Rheingraf zu Salm-Kirburg-Morchingen (1597–1634). Großmutter Ellen hat deswegen Tag und Nacht geweint! In Begleitung des Rheingrafen soll Kirsten am Leichenwagen der Letztgeborenen vorbei ungerührt zu einer Vergnügungsfahrt aufgebrochen sein.
Mit einem Mordanschlag auf den König versuchte sie, ihr eher fremdbestimmtes Schicksal zu ändern. Wie er in einem Brief anlässlich seiner Scheidung schrieb, zog sie vor einer ihrer Ausfahrten ein Döschen aus dem Muff und drängte ihm ein Pulver auf, das sie sich vom Leibarzt gegen ein Hautproblem hatte geben lassen. Er sollte es als erfrischendes, die Gesundheit förderndes Elixir zu sich nehmen. Da er sich nicht krank fühlte und keine Medizin brauchte, wohl auch einen Verdacht gegen sie hegte, ließ er, als sie fort war, den Leibarzt rufen, der ihm sagte: „Um Gottes Willen! Majestät, es ist Gift!"
Am 1. September 1629 kam ohne Beistand Ellen Marswins Kirstens Tochter Elisabeth Sophie zur Welt, die rein rechnerisch nicht vom König abstammen konnte. Derzeit war er in den Dänisch-Niedersächsischen Krieg (1625–1629) verwickelt und außerdem gesundheitlich stark beeinträchtigt durch einen Sturz mit dem Pferd in eine Grube. In der Reihe ihrer Geschwister war sie das sog. „abgelehnte Fräulein", wuchs ebenfalls bei Ellen Marswin heran, wurde mit sieben Jahren der Großmutter aber fortgenommen und ins Augustinerkloster nach Köln gebracht. Mit siebzehn trat sie zum Katholizismus über und starb dort 1687 als Nonne.
Ein Gesetz, das der König im Jahre 1611 erließ, als seine Königin erkrankte, drohte Ehebrechern Auspeitschen, Pranger und ähnliche Strafen an. Darum floh der Rheingraf nach Schweden. Ihm rechtzeitig zu folgen, gelang Kirsten nicht, daraufhin verbannte ihr Ehemann und König sie zu Hausarrest auf eines der Schlösser ihrer Mutter, wo sie aber weiter wie eine Königin Hof hielt. Jeder Kontakt zu ihren Kindern wurde ihr verboten. Ehe sie von Kopenhagen in die Verbannung reiste, entließ sie ihr Personal. Da bat ihre Mutter den König, die Kammerfrau ihrer Tochter übernehmen zu dürfen, die vielleicht