Das Ja zum Leben und zum Menschen, Band 11: Predigten 1985-1986
Von Wolfgang Nein
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Über dieses E-Book
Wolfgang Nein
Der Autor war in den siebziger Jahren Pastor in Cuxhaven. Von 1980 bis 2010 war er an der Markuskirche in Hamburg-Hoheluft tätig. Eines seiner Lebensthemen ist die Förderung interkultureller Begegnungen. In den siebziger Jahren sorgte er für die Beschulung von Gastarbeiterkindern in Cuxhaven. Dreißig Jahre lang leitete er ein von ihm gegründetes deutsch-argentinisches Jugendaustauschprogramm. Der Autor lebt als Ruheständler in Hamburg.
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Rezensionen für Das Ja zum Leben und zum Menschen, Band 11
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Das Ja zum Leben und zum Menschen, Band 11 - Wolfgang Nein
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Wunderbar menschlich
20. Januar 1985
2. Sonntag nach Epiphanias
Johannes 2,1-11
Das Wort will Wirklichkeit werden
10. Februar 1985
Sexagesimae
(2. Sonntag vor der Passionszeit)
Lukas 8,4-15
Unglaubliche Geduld – letzter Versuch!?
2. März 1985
Reminiszere
(2. Sonntag in der Passionszeit)
Markus 12,1-12
Frei werden vom Tod, bevor wir sterben
24. März 1985
Judika
(5. Sonntag der Passionszeit)
Hebräer 5,7-9
Fußwaschung als Geste des Dienens
4. April 1985
Gründonnerstag
Johannes 13,1-15
Gestorben – und dennoch lebt er noch heute
7. April 1985
Ostermorgen
Markus 16,1-8
Abschied in die ewige Gegenwart
16. Mai 1985
Himmelfahrt
Lukas 24,(44-49)50-52
Abschied – Aussicht mit Verheißung und Bedrohung
19. Mai 1985
Exaudi
(6. Sonntag nach Ostern)
St. Pauli
Johannes 15,26-16,4
Der Heilige Geist und die weltweite Kirche
26. Mai 1985
Pfingstsonntag
Johannes 14,23-27
Glauben können – unverfügbar wie die Geburt?
2. Juni 1985
Trinitatis
Johannes 3,1-8(9-15)
Kritik an sozialer Ausgrenzung
23. Juni 1985
3. Sonntag nach Trinitatis
Lukas 15,1-7(8-10)
Wir haben einen Auftrag
14. Juli 1985
6. Sonntag nach Trinitatis
Matthäus 28,16-20
Das Leben als Aufgabe verantwortungsvoll führen
4. August 1985
9. Sonntag nach Trinitatis
Matthäus 25,14-30
Christlicher Glaube und politische Mitverantwortung
11. August 1985
10. Sonntag nach Trinitatis
Lukas 19,41-48
Selbstgerechtigkeit und aufrichtige Reue
18. August 1985
11. Sonntag nach Trinitatis
Lukas 18,9-14
Prioritäten im Widerstreit
15. September 1985
15. Sonntag nach Trinitatis
Matthäus 6,24-35
Zu neuem Leben erwecken: Heilung und Heil
22. September 1985
16. Sonntag nach Trinitatis
Hauptkirche St. Katharinen
Johannes 11,1-7.17-27
Jesus – jüdische Herkunft, weltweiter Auftrag
29. September 1985
17. Sonntag nach Trinitatis
Matthäus 15,21-28
Schutz der Frau bei Ehescheidung
20. Oktober 1985
20. Sonntag nach Trinitatis
Markus 10,2-9
Gebet und Buße sind Ausdruck menschlicher Würde
20. November 1985
Buß- und Bettag
Römer 7,18-19
Die Menschenliebe Gottes – Geschenk und Auftrag
25. Dezember 1985
1. Weihnachtstag
Titus 3,4-7
Leben – ein Qualitätsbegriff
5. Januar 1986
2. Sonntag nach Weihnachten
1. Johannes 5,11-13
Das Wort Gottes – ein zweischneidiges Schwert
2. Februar 1986
Sexagesimae
(2. Sonntag vor der Passionszeit)
Hebräer 4,12-13
Jesus beendet den Opferkult
16. Februar 1986
Invokavit
(1. Sonntag der Passionszeit)
Hebräer 4,14-16
Jesus Christus – Priester, Opfer, Erlöser
16. März 1986
Judika
(5. Sonntag der Passionszeit)
Hebräer 5,7-10
Auferstehung aus dem Tod im täglichen Leben
30. März 1986
Ostersonntag
1. Korinther 15,1-11
Kirche - ein Haus für das Mehr an Leben
6. April 1986
Quasimodogeniti
(1. Sonntag nach Ostern)
Konfirmation
1. Petrus 2,5
Gott ist für alle da
8. Juni 1986
2. Sonntag nach Trinitatis
Epheser 2,17-22
Lebensweisheit und Torheit des Glaubens
29. Juni 1986
5. Sonntag nach Trinitatis
1. Korinther 1,18-25
Programm für den Gemeindeaufbau
13. Juli 1986
7. Sonntag nach Trinitatis
Apostelgeschichte 2,41a.42-47
Sein Bestes geben und auf Nachsicht vertrauen
27. Juli 1986
9. Sonntag nach Trinitatis
Philipper 3,7-11
Kraft den Ohnmächtigen
7. September 1986
15. Sonntag nach Trinitatis
Petrus 5,5c-11
Praktische Lösung für theologische Probleme
28. September 1986
18. Sonntag nach Trinitatis
Römer 14,17-19
Was will Gott von uns?
12. Oktober 1986
20. Sonntag nach Trinitatis
1. Thessalonicher 4,1-8
Respekt vor dem Andersdenkenden!
9. November 1986
Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres
Römer 14,7-9
Als Christ die Gesellschaft mitgestalten
16. November 1986
Volkstrauertag
(Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres)
Römer 8,18-25
Krise – Bedrohung und Chance
7. Dezember 1986
2. Advent
Matthäus 24,1-14
Eine wunderbare Nacht
24. Dezember 1986
Heiligabend
Lukas 2,1-10
Göttlicher Heilsplan für eine unheilvolle Welt
28. Dezember 1986
1. Sonntag nach Weihnachten
Matthäus 2,13-18(19-23)
Bibelstellen
Vorwort
Besonders im lutherischen Gottesdienst spielt die Predigt eine bedeutsame Rolle. Die Predigt ist zwar nicht nur für den Kopf bestimmt – sie soll auch zu Herzen gehen –, aber sie wendet sich schwerpunktmäßig doch vor allem an den Verstand. Sie will helfen zu verstehen, was der Bibeltext aussagt, was er uns zu geben hat, was er mit unserem Leben zu tun hat und was er von uns will. Die Predigt will dem Predigthörer zu ein wenig mehr Eigenständigkeit verhelfen. Der Gottesdienstbesucher soll sich durch das liturgische Geschehen im Gottesdienst nicht komplett vereinnahmen lassen. Er soll eine gewisse kritische Distanz wahren dürfen. Die Predigt will ihm Material an die Hand geben, eigenständig nachzudenken über das, was im Gottesdienst sonst noch geschieht.
Im Gottesdienst geht es um unser ganzes Dasein, um unser Leben im umfassendsten Sinne. Manches lässt sich mit Worten allein nicht zum Ausdruck bringen. Die Musik zum Beispiel kann vieles vermitteln, was schwer in Worte zu fassen ist. Von Johann Sebastian Bach wird sogar gesagt, seine Musik sei wie ein fünftes Evangelium. Aber auch die anderen liturgischen Elemente, gesungen oder gesprochen, und die biblischen Lesungen und die Gebete – sie alle versuchen, dem Gestalt zu geben, was unseren Verstand übersteigt.
Aber ganz ohne Verstand wollen wir nicht und sollten wir nicht einen Gottesdienst feiern. Zumindest sollten wir uns immer wieder dessen vergegenwärtigen und dies zu unterscheiden üben, was verstehbar und was unbegreiflich ist.
Die biblischen Texte zum Beispiel enthalten beides – theologisch formuliert: Gotteswort und Menschenwort. Sie sind Menschenwort, weil sie von Menschen verfasst sind und in vielfacher Hinsicht das Menschliche und allzu Menschliche, das kulturell- und zeitbedingte widerspiegeln. Sie sind aber auch Gotteswort, weil sie von all dem Hintergründigen und Geheimnisvollen handeln, das unserer Erfahrungswelt zugrunde liegt, und uns Botschaften vermittelt, die sich am ehesten mit himmlisch und göttlich bezeichnen lassen.
Die Predigt hat auch diese beiden Seiten: Sie ist Menschenwort und Gotteswort zugleich, mal mehr das eine, mal mehr das andere. Vielleicht ist sie meist mehr Menschenwort. Es kommt letztlich auch sehr auf die Hörerinnen und Hörer an: was und wie sie die Predigt aufnehmen. Gleiches gilt auch für den Bibeltext selbst. Die Predigt ist ein Angebot, eine Hilfestellung. Sie will dem Glaubenden und dem christlich Interessierten helfen, am gottesdienstlichen Geschehen mit Herz und Verstand teilzunehmen.
Predigten – auch die Predigten dieses Buches – sind sehr unterschiedlich. Mal enthalten sie viele Informationen – historisch- und literarkritische Informationen über den Bibeltext zum Beispiel, oder sie sind mehr meditativ oder mehr seelsorgerlich oder gesellschaftskritisch oder theologisch. In jedem Fall sind sie als Angebot und Hilfestellung zu verstehen. Sie richten sich an den mündigen Gottesdienstbesucher. Sie sind Teil einer Kommunikation, in der der Prediger auch seine eigenen Einsichten und Glaubensüberzeugungen und Empfindungen erkennbar macht, ohne damit andere bedrängen zu wollen. Viel Freude beim Lesen!
Wolfgang Nein, Oktober 2017
Wunderbar menschlich
20. Januar 1985
2. Sonntag nach Epiphanias
Johannes 2,1-11
Der Abschnitt über die Hochzeit zu Kana steht noch im Zusammenhang mit dem Epiphaniasfest. Es geht um die Offenbarung Gottes in dem Menschen Jesus. Und es geht – vom Menschen her betrachtet – um den Glauben an diesen Jesus als den von Gott Gesandten, also um den Glauben an Jesus als den Christus.
Bevor ich auf dieses Doppelthema von Offenbarung und Glaube zu sprechen komme, möchte ich auf den besonderen Charakter dieser Wundergeschichte hinweisen. Die Verwandlung von Wasser in Wein ist ja nicht gerade die Art von Wundern, die wir von Jesus gewohnt sind. Es ist überhaupt bemerkenswert, dass Jesus sich hier zusammen mit seiner Mutter, seinen Brüdern und seinen Jüngern auf einer Hochzeit befindet, einer fröhlichen und – man kann wohl hinzufügen – „ausgelassenen" Feier. Denn immerhin hatten die Gäste schon so viel getrunken, dass ihnen der Wein inzwischen ausgegangen war.
Es muss gar nicht so sein, dass wir hier einen historischen Bericht vor uns haben. Die Frage, ob Jesus wirklich auf einer solchen Hochzeit zugegen war, können wir getrost zurückstellen. Bemerkenswert ist, dass Johannes sich nicht scheut, eine solche Geschichte über Jesus zu überliefern und damit Gefahr zu laufen, bei denen Anstoß zu erregen, die Jesus gern nur in seriösen Situationen auftreten sehen möchten.
Anstößig mag diese Geschichte auch denen erscheinen, die sich auf die griechische Mythologie verstehen und denen bekannt ist, dass der griechische Gott des Weines, Dionysos, sich gerade durch dieses Wunder als göttliches Wesen zu erkennen gab, dass er Wasser in Wein verwandelte. Möglicherweise ist aus dem Dionysoskult dieses Motiv zu den Christen gedrungen und hat ihren Bericht über die Wunder Jesu beeinflusst. Diese möglichen Zusammenhänge haben jedenfalls Johannes nicht davon abgehalten, diese Wundererzählung in sein Evangelium aufzunehmen. So kann nun jeder von uns, der an einer fröhlichen Hochzeitsfeier teilnimmt und dabei gern ein paar Gläser guten Weines trinkt, dies in dem Bewusstsein tun, dass Jesus selbst sich nicht zu schade gewesen ist, einmal auf diese Ebene des rein Menschlichen hinabzusteigen.
Nun sollten wir diese Szene aber nicht weiter missbrauchen – etwa durch den genüsslichen Hinweis darauf, dass Jesus hier die Hochzeitsgesellschaft mit immerhin etwa 600 Litern Wein versorgt hat. Damit würden wir ihr einen Zweck unterschieben, der ihr nicht zu eigen ist.
Es geht hier nicht um die Bejahung einer weltlichen Festlichkeit. Wir können nur sagen: Die weltliche Festlichkeit erscheint Johannes nicht als unangemessener Kontext, um das zum Ausdruck zu bringen, worum es ihm eigentlich geht. Es geht ihm um dieses: um die Offenbarung Gottes in Christus. Oder wie es im Text heißt: „Jesus offenbarte mit dem, was er auf der Hochzeit tat, seine Herrlichkeit."
Nun müssen wir noch genauer hinschauen, was da steht. Johannes schreibt: „Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Nehmen wir erst einmal das Wort „Zeichen
. Damit ist doch Folgendes gesagt: Wir sollen das Geschehen nicht nur vordergründig verstehen, nicht nur wörtlich nehmen als das, was da steht, sondern wir sollen das äußere Geschehen hinterfragen; denn es weist über sich hinaus. Das Wunder ist ein äußeres Zeichen für eine hintergründige Aussage. Diese hintergründige Aussage muss uns vor allem interessieren.
Wenn es hier heißt: „Es war das erste Zeichen, das Jesus tat", dann dürfen wir wohl auch die anderen Zeichen, und d. h. die anderen wundersamen Geschehnisse heranziehen, um uns den hintergründigen Sinngehalt erschließen zu lassen. Um hier nur vier der anderen Zeichen zu nennen: die Heilung des seit achtunddreißig Jahren gelähmten Mannes am Teich von Bethesda, die Heilung des Blindgeborenen, die Speisung der Fünftausend und eine Totenauferweckung, die Auferweckung des Lazarus. Diese anderen Zeichen haben durchaus etwas Verbindendes: Sie sind auf eine menschliche Notlage bezogen. Es ist wichtig, sich das einmal vor Augen zu führen.
Die Wunder Jesu sind nicht dadurch etwas Besonderes, dass sie ein bloß spektakuläres Geschehen darstellen. Jesus biegt nicht auf magische Weise grade Löffel krumm oder zaubert Tiere aus dem schwarzen Hut hervor. Bei den über ihn berichteten Wundern handelt es sich um die wundersame Verwandlung menschlichen Leids in Freude. Es ist dieses wunderbare Ziel und Ergebnis seiner Wundertätigkeit, die ihn als göttliche Gestalt auszeichnet, nicht das Magisch-Zauberhafte des Hergangs.
Nun werden wir demgegenüber fragen müssen, wie es sich denn mit der Verwandlung von Wasser in Wein verhält. Hier handelt es sich ja nicht gerade um die Beendigung einer menschlichen Notlage, wenn man das Verzichtenmüssen auf den weiteren Sinnengenuss nicht schon als Not bezeichnen möchte. Aber hier wird doch in sehr symbolträchtiger Weise eine Aussage von zutiefst menschlicher Bedeutung gemacht.
Jesus behebt den Mangel an Wein, indem er die Hochzeitsgäste überreich mit Wein beschenkt und noch dazu mit solchem der besten Qualität und in zuvorkommender Weise, d. h. ohne dass sie es von ihm erwartet hätten oder hätten erwarten können. Die Hochzeitsgäste können ganz unerwartet aus dem Vollen schöpfen. Diese unerwartete und in unserem Leben so seltene Möglichkeit wird ihnen durch die Gegenwart Jesu beschert. Sie können aus dem Vollen schöpfen.
Natürlich geht es hier nicht speziell um den Wein. Vielmehr steht der Wein für all das, was uns durch Jesus als dem Christus überreich zuteilwird. Er steht für den Reichtum der Güte und Barmherzigkeit und Gnade Gottes. Durch Christus eröffnet sich uns die unerschöpfliche Quelle der Liebe Gottes zu uns Menschen. Wir empfangen, was wir brauchen, ja, viel mehr als das. Wo in unserem Leben so manches knapp bemessen ist und wir so oft Mangel leiden und wir uns redlich bemühen müssen, um das Notwendigste zur Verfügung zu haben, da fällt uns hier in dem Verhalten Christi der Reichtum Gottes zu.
Es gibt auch unter Menschen Reichtum, und es gibt Menschen, die aus dem Vollen schöpfen können, weil sie selbst reich sind. Und doch ist das in der Regel etwas anderes als das, was wir in unserer Geschichte erfahren. Denn da ist einer reich nicht für sich selbst, sondern um anderer willen, die Mangel leiden.
Jesus bedient sich nicht selbst. Er behält seinen Reichtum nicht für sich. Er nutzt die ihm gegebenen Möglichkeiten nicht zu seinem eigenen Wohlergehen. Er verschenkt sich selbst und macht andere reich. Das ist das eigentliche Wunder, das er vollbringt.
Dass dies ein Wunder ist, spüren wir in aller Deutlichkeit dann, wenn an uns der Anspruch ergeht, einem Mangel abzuhelfen, dem Mangel z. B. an lebensnotwendigen Nahrungsmitteln in den Hungerländern Afrikas. Wir werden dann an uns selbst spüren, wie genau wir kalkulieren, wie wir errechnen, welche Spende wir uns leisten können, und wie weh es uns tut abzugeben, auch wenn wir reichlich haben, und wie viele Gründe uns einfallen, mit unseren Gaben eher zurückhaltend zu sein.
Ich sage dies nicht moralisierend, sondern als reine Feststellung des Unterschiedes zwischen unserer menschlich-allzumenschlichen Art und der göttlichen Art Jesu. In dem Wunder des Geschenkes überreicher Fülle bis schließlich hin zur Selbstentäußerung offenbart sich das göttliche Wesen Jesu. Was uns von der Hochzeit zu Kana berichtet wird, führt uns zeichenhaft dieses Wesen Jesu vor Augen.
Nun die andere Frage: die nach dem Glauben. Für wen wird das Verhalten Jesu zur Offenbarung? Wir haben beim Lesen der Geschichte den Eindruck, dass der Hochzeitsgesellschaft im Großen und Ganzen nicht klar wird, worum es geht. Wir lesen von der erstaunten Reaktion des Tafelmeisters, davon, dass die Diener immerhin wussten, wer veranlasst hatte, dass die Krüge mit Wasser gefüllt werden sollten, der sich dann in Wein verwandelte. Aber was den Glauben angeht, lesen wir im letzten Vers ganz lapidar: „Und seine Jünger glaubten an ihn."
Es ist nur eine kleine Schar, für die das Verhalten Jesu zur Offenbarung seines göttlichen Wesens wird. Manche nehmen den Hergang gar nicht zur Kenntnis. Manche staunen, aber denken nicht darüber nach. Manche wissen mehr, aber es rührt sie nicht an. Und andere werden durch das Geschehen im Innersten so getroffen, dass sie nicht mehr dieselben bleiben.
Johannes hat dies in seinem Evangelium besonders herausgestellt. Ja, man kann sagen, es zieht sich wie ein roter Faden durch sein Evangelium, dass es nur einige sind, die zum Glauben an Christus kommen, einige wenige, und dass der großen Mehrzahl Jesus nichts Gutes bedeutet. Zwar hat Jesus viel Wunderbares getan, was zeichenhaft auf seine göttliche Art hinwies. Und er hat das auch in seinen Reden dargetan, aber im Großen und Ganzen sind weder seine Worte noch seine Taten verstanden worden.
Wir können dies wohl aus unserer eigenen Erfahrung als eine Tatsache bestätigen: Es gibt keinen sicheren Weg zum Glauben. Es gibt keine Worte und keine Taten, die uns zwangsläufig in den Glauben hineinführen und eine unausweichliche Überzeugungskraft hätten. Jedes Wort und jede Tat kann auch so ausgelegt werden, dass daraus etwas Nichtssagendes, Bedeutungsloses wird. Darum dürfen wir wohl vom Wunder des Glaubens sprechen. Dass Christus für einige Menschen in der Weise zur Offenbarung geworden ist, dass sie mit ihrem Leben darauf antworten, das ist etwas Wunderbares im doppelten Sinne des Wortes: Es ist ein Wunder und es ist schön.
Glauben heißt: Das Göttliche an Jesus erkennen, es für sich selbst in Anspruch nehmen und es weitergeben, sodass andere daran Anteil haben können.
Die Hochzeitsgäste haben nichts erkannt und sie haben nichts weitergeben können. Sie haben sich schlicht bedient. Die Jünger dagegen sind, so dürfen wir wohl sagen, zu anderen Menschen geworden. Sie haben aus der Fülle der göttlichen Liebe weitergegeben und haben hier und da selbst neue Wunder zustande gebracht.
Wenn es auch keinen sicheren Weg zum Glauben gibt, so ist doch dies gewiss: Der Glaube an die Fülle der Güte, Barmherzigkeit und Gnade Gottes, wie in Jesus Christus offenbart, lebt von Zweierlei: dem Wort und dem zeichenhaften Handeln. Beides brauchen wir, um ein neues Leben im Sinne Jesu Christi führen zu können. Und beides ist von uns gefordert, wenn wir daran mitwirken wollen, anderen Menschen den Zugang zum Leben in Christus zu eröffnen.
Das Wort will Wirklichkeit werden
10. Februar 1985
Sexagesimae
(
2. Sonntag vor der Passionszeit)
Lukas 8,4-15
In diesem bekannten Gleichnis wird das Wort Gottes mit der Saat verglichen, die ein Bauer ausstreut.
Damit wird hier vom Wort in einer ganz besonderen Weise geredet. Das Samenkorn ist ja ein Ding, aus dem etwas wachsen soll. Seine eigentliche Bedeutung hat es nicht in sich selbst, sondern in dem, was aus ihm wird.
Damit wird hier also vom Wort anders gesprochen als z. B. in der Dichtung. Die Worte eines Gedichtes können ihre Bedeutung in sich selbst haben. Wenn sie gut gewählt und gut gesetzt sind, dann haben wir unsere Freude an den Worten. Und darin kann sich ihr Zweck durchaus erschöpfen. Diesen ästhetischen Zweck hat das Wort Gottes nicht.
Es ist auch nicht zu einem anderen Zweck bestimmt, zu dem wir die Worte benutzen, nämlich zur Förderung unserer Erkenntnis. Worte sind ja durchaus auch Zeichen, Symbole, Chiffren für Gegenstände und Inhalte unserer Welt. Erst, indem wir diese Dinge in Worte fassen, können wir uns über sie verständigen, sie in unseren Gedanken hin und her bewegen. So dienen sie dann unserer Erkenntnis.
Auch in diesem Sinne ist das Wort Gotts nicht gemeint, weder im ästhetischen Sinne noch als Mittel der Erkenntnis.
Das Wort Gottes ist eben wie ein Samenkorn. Und das Samenkorn ist nicht dazu da, dass man sich an ihm erfreue; in der Regel sieht es ziemlich bedeutungslos und uninteressant aus. Es ist auch nicht dazu da, dass