Das Ja zum Leben und zum Menschen, Band 5: Predigten 2001-2002
Von Wolfgang Nein
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Über dieses E-Book
Wolfgang Nein
Der Autor war in den siebziger Jahren Pastor in Cuxhaven. Von 1980 bis 2010 war er an der Markuskirche in Hamburg-Hoheluft tätig. Eines seiner Lebensthemen ist die Förderung interkultureller Begegnungen. In den siebziger Jahren sorgte er für die Beschulung von Gastarbeiterkindern in Cuxhaven. Dreißig Jahre lang leitete er ein von ihm gegründetes deutsch-argentinisches Jugendaustauschprogramm. Der Autor lebt als Ruheständler in Hamburg.
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Rezensionen für Das Ja zum Leben und zum Menschen, Band 5
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Buchvorschau
Das Ja zum Leben und zum Menschen, Band 5 - Wolfgang Nein
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Die Evangelisten im Gespräch miteinander
7. Januar 2001
1. Sonntag nach Epiphanias
Johannes 1,29-34
Reden in Bildern: Licht und Dunkelheit
4. Februar 2001
Letzter Sonntag nach Epiphanias
Johannes 12,34-36(37-41)
„Solange es die Kirche noch gibt"
18. Februar 2001
Sexagesimae
(2. Sonntag vor der Passionszeit)
Jesaja 55,6-11
Durchgeistigte Nahrung
25. März 2001
Laetare
(4. Sonntag der Passionszeit)
Johannes 6,47-51
Mit dem Herzen sehen
13. April 2001
Karfreitag
Matthäus 27,33-50
Jesus ist als Christus auferstanden
15. April 2001
Osterfrühgottesdienst
Markus 16,6
„Abel, steh auf!"
16. April 2001
Ostermontag
Johannes 3,17
Petrus – tief gefallen und hoch aufgerichtet
29. April 2001
Misericordias Domini
(2. Sonntag nach Ostern)
Johannes 21,15-19
Ein persönliches Verhältnis zum Dasein
20. Mai 2001
Rogate
(5. Sonntag nach Ostern)
Matthäus 6,7-13
Auf dem Weg zum mündigen Glauben
27. Mai 2001
Exaudi
(6. Sonntag nach Ostern)
Johannes 14,15-19
Wenn der Geist leibhaftig wird
4. Juni 2001
Pfingstmontag
Johannes 4,19-26
Segen für den Lebensweg
10. Juni 2001
Trinitatis
Goldene Konfirmation
4. Mose 6,22-27
„Lebensmittel" umsonst anbieten
24. Juni 2001
2. Sonntag nach Trinitatis
Partnerschaft St. Markus – Uyole, Tansania
Jesaja 55,1-3b
Recht, Gesetz und Selbstgerechtigkeit
8. Juli 2001
4. Sonntag nach Trinitatis
Johannes 8,3-11
Wir brauchen den Halt
22. Juli 2001
6. Sonntag nach Trinitatis
Jesaja 43,1-7
Aus wenig kann sehr viel werden
29. Juli 2001
7. Sonntag nach Trinitatis
Lukas 9,10-17
„11. September 2001"
16. September 2001
14. Sonntag nach Trinitatis
Römer 12,21
Das Konzept unseres Lebens
7. Oktober 2001
17. Sonntag nach Trinitatis
Johannes 9,35-41
Ethik für den Frieden
14. Oktober 2001
18. Sonntag nach Trinitatis
2. Mose 20,1-17
„Es tut mir von Herzen leid!"
4. November 2001
Zum Reformationstag
Johannes 15,9-15
Einander die Tränen abwischen
25. November 2001
Totensonntag
Offenbarung 21,4
In jener Nacht, fast unbemerkt
24. Dezember 2001
Heiligabend
Lukas 2,7
Zwei Kalender
31. Dezember 2001
Altjahrsabend
Hebräer 13,8-9b
Hoffnung hilft
13. Januar 2002
1. Sonntag nach Epiphanias
Jesaja 42,1-4
Glaubwürdig den Glauben weitergeben
20. Januar 2002
Letzter Sonntag nach Epiphanias
2. Petrus 1,16-19(20-21)
Wir sind Sünder und Heilige zugleich
10. Februar 2002
Estomihi
(Sonntag vor der Passionszeit)
Jesaja 58,1-9a
Aus Gutem kann Böses werden
24. Februar 2002
Reminiscere
(2. Sonntag der Passionszeit)
Film „Intolerance"
Jesaja 2,4
Einladung – nicht nur für Freunde
28. März 2002
Gründonnerstag
Markus 14,17-24
Er hilft uns zu leben
31. März 2002
Osterfrühgottesdienst
Johannes 3,16
Nicht Rache, sondern Versöhnung
1. April 2002
Ostermontag
Apostelgeschichte 10,34a.36-43
Im Schmerz der Trennung nicht versinken
12. Mai 2002
Exaudi
(6. Sonntag nach Ostern)
Römer 8,26-30
Die reale Kraft des Geistes
20. Mai 2002
Pfingstmontag
Apostelgeschichte 2,22-23.32-33.36-39
Überfordert – Gott ist barmherzig
2. Juni 2002
1. Sonntag nach Trinitatis
5. Mose 6,4-9
Das Böse im Menschen
30. Juni 2002
5. Sonntag nach Trinitatis
2. Thessalonicher 3,1-5
Wie viel sind wir wert?
28. Juli 2002
9. Sonntag nach Trinitatis
1. Petrus 4,7-11
Geschichte auslegen – in gegenseitigem Respekt
4. August 2002
10. Sonntag nach Trinitatis
Römer 11,25-32
Auch „nur" ein Mensch!
11. August 2002
11. Sonntag nach Trinitatis
2. Samuel,1-10.13-15a
Schluss mit dem Sündenbock!
15. September 2002
16. Sonntag nach Trinitatis
Erinnerung an den 11. September
Hebräer 10,35-36(37-38)39
Christliche Lebensführung?!
29. September 2002
18. Sonntag nach Trinitatis
Epheser 5,15-21
„Lebendige Steine"
27. Oktober 2002
22. Sonntag nach Trinitatis
Dank an die Ehrenamtlichen
1. Petrus 2,5
Christ und Bürger
3. November 2002
23. Sonntag nach Trinitatis
Kandidaten für den Kirchenvorstand stellen sich vor
Matthäus 22,21b
Die Mitte der Nacht – Anfang eines neuen Tages
24. November 2002
Totensonntag
2. Petrus 3,8-13
Die Hölle – Vorhof des Himmels?
8. Dezember 2002
2. Advent
Lukas 21,25-33
Warten mit Hoffnung
15. Dezember 2002
3. Advent
Matthäus 11,2-6
Die Sehnsucht nach Frieden bleibt
24. Dezember 2002
Heiligabend, 18 Uhr
Lukas 2,14
Gute Vorsätze: Ehrlichkeit, Gelassenheit, Mut
31. Dezember 2002
Altjahrsabend
Lukas 12,35-40
Bibelstellen
Vorwort
Welche Überlegungen sind in der Gestaltung des Buchcovers dieser Reihe zum Ausdruck gebracht?
Den Hintergrund bildet der Himmel. Er dient als Bild für die
unermessliche Weite des Universums, für die Ewigkeit, für die Transzendenz, für das Göttliche, für das Theologische, auch für die Unbegreiflichkeit des menschlichen Seins. Die Wolken deuten zum einen Probleme an; es scheint nicht jeden Tag die Sonne. Sie geben zum anderen den Augen und den Gedanken und Gefühlen Halt. Sie stellen damit einen gewissen Schutz dar gegenüber dem Unendlichen und Unfassbaren.
Das Kirchengebäude steht für den irdischen Ort, an dem die Transzendenz, das Göttliche, das Theologische bedacht, besprochen, gefeiert wird.
Das Kirchengebäude – es handelt sich um St. Markus in Hamburg-Hoheluft - steht zugleich für die Kirchengemeinde, während das wechselnde Bild unten auf dem Cover einen Einblick in den Stadtteil gibt, der sich im Wesentlichen mit dem Gebiet der Kirchengemeinde deckt. Die Menschen, die in diese Kirche kommen, sind vor allem die Menschen, die in diesem Stadtteil wohnen.
Das Cover beinhaltet insofern auch eine kirchenpolitische Aussage. In einer Zeit, in der Kirchengemeinden aus wirtschaftlichen Gründen zu Regionen zusammengelegt und Kirchengebäude geschlossen, umgenutzt und abgerissen werden, hat St. Markus Wert darauf gelegt, die Kirche und die Gemeinde – als Einzelgemeinde - für den Stadtteil Hoheluft zu bleiben.
St. Markus ist als kirchliche Heimat für all die Menschen erhalten geblieben, die hier getauft, konfirmiert, getraut worden sind, die hier an Trauerfeiern teilgenommen haben, die hier als Kinder, als Jugendliche, als Erwachsene zusammengekommen sind, um hier zu spielen, zu lernen, zu feiern, sich zu besinnen, zu helfen und sich helfen zu lassen.
In einer Zeit der sich beschleunigenden Veränderungen hat St. Markus das gewisse Maß an Kontinuität bewahrt, das Menschen gerade an Kirche zu schätzen wissen. So reizvoll einerseits das Neue sein kann – mit all den Modernisierungen und all dem Fortschritt -, so wichtig ist andererseits das Bleibende, das Zeitlose, das Vertraute, das Verlässliche.
In einer Zeit, in der es zunehmend schwieriger wird, sich zu orientieren, ist ein Ort der Ruhe und Konzentration und Besinnung auf das Wesentliche unseres Lebens um so wichtiger.
Die technischen Entwicklungen haben manches erleichtert. Trotzdem ist vieles komplizierter und unübersichtlicher und unpersönlicher geworden.
Trotz technischer Orientierungshilfen erscheint uns das Leben selbst manchmal wie ein Irrgarten. Wir würden gern den Weg hinaus in die Freiheit finden und uns dort selbstbestimmt an sinnvollen Zielen orientieren. Das Leben kann für uns auch wie ein Labyrinth sein. Auf den verschlungenen Pfaden suchen wir den Weg in die Mitte, den Ort, wo wir zur Ruhe kommen können, wo sich für uns Wesentliches von Unwesentlichem unterscheidet, wo wir mit uns selbst und unserem Sein eins werden können. Die Predigten dieses Buches begleiten uns bei der Suche in beide Richtungen.
Es sind auch in dieser Ausgabe wieder alle Predigten, die ich in den zwei Jahren gehalten habe. Viel Freude beim Lesen!
Wolfgang Nein, Oktober 2016
Die Evangelisten im Gespräch miteinander
7. Januar 2001
1. Sonntag nach Epiphanias
Johannes 1,29-34
Wenn der Evangelist Johannes hier heute bei uns im Gottesdienst wäre, dann würde er sich sicherlich freuen - darüber nämlich, dass immer noch aus seinem Evangelium vorgelesen wird - nach immerhin fast zweitausend Jahren. Johannes hatte ja durchaus vorgehabt, den nachfolgenden Generationen etwas weiterzusagen über denjenigen, der einige Jahrzehnte zuvor die Herzen etlicher Menschen so sehr bewegt hatte.
Johannes, wenn er denn jetzt hier bei uns wäre, würde sich vielleicht aber auch etwas verwundert fragen, was das wohl auf sich habe mit dem Stroh auf dem Boden - vielleicht haben Sie das bemerkt. Da liegen noch einige Reste von gestern herum, Stroh aus dem Stall von Bethlehem. Die mazedonisch-orthodoxen Christen haben hier gestern, am 6. Januar, ihren Heiligen Abend gefeiert.
Johannes würde sich über diese Strohreste wundern, weil ihm das gar nicht geläufig war mit dem Stall von Bethlehem. Um so mehr würde sich der Evangelist Lukas freuen, wenn denn auch er hier heute bei uns wäre. Lukas würde sich freuen, dass seine Weihnachtsgeschichte am 24. Dezember wieder bei uns gelesen und aufgeführt worden ist und dass sie auch gestern wieder zur Sprache und zur Darstellung gekommen ist.
Und es würde ihn sicherlich auch erfreuen, dass seine Weihnachtsgeschichte hier unten in dieser wunderbaren Weise aufgebaut worden ist. Er würde uns dann allerdings fragen: „Was sind denn das hier für drei Gestalten, diese würdevollen Herren? Und Johannes würde sich seiner erstaunten Frage anschließen: „Ja, wer sind die denn, diese drei?
Das könnte den beiden dann wiederum der Evangelist Matthäus erklären, wenn er denn jetzt hier wäre. Der hätte seine wahre Freude an diesen drei so kunstvoll modellierten Gestalten. Ein wenig wundern würde er sich allerdings auch. Drei Weise, drei Sterndeuter hatte er in seiner Geschichte von der Geburt Jesu auftreten lassen. Und diese hier unten, die sehen ja fast aus wie Könige.
Und wenn jetzt noch einer aus dem Hintergrund rufen würde: „Und ich, wo komme ich denn vor - hier heute in dieser Kirche?" Dann wäre dieser Vierte wohl der Evangelist Markus. Matthäus und Lukas würden ihn vielleicht zu sich rufen und ihm sagen: „Markus, nicht traurig sein. Du bist hier beständig gegenwärtig. Du hast dieser Kirche immerhin den Namen gegeben. Außerdem - vielleicht tröstet dich das - haben wir beide aus deinem Evangelium reichlich abgeschrieben. Nur was die Geburt Jesu anbetrifft, da haben wir bei dir nichts gefunden.
Wenn so alle vier Evangelisten hier versammelt wären und wir ihnen zuhören könnten, wie sie sich nun unterhalten würden über das, was hier zu sehen und zu hören ist, dann würden wir merken: Sie hätten untereinander einigen Klärungsbedarf, und sie würden sich wohl gegenseitig einige Fragen stellen.
„Was habt ihr euch da bloß alles ausgedacht?!", würde vielleicht Markus den Lukas und den Matthäus fragen - mit Blick auf deren Geburtsgeschichten. Markus hat, wie gesagt, über die Geburt und die Kindheit Jesu gar nichts geschrieben.
„Das haben wir uns nicht ausgedacht, würden Lukas und Matthäus wohl antworten. „Das ist uns erzählt worden.
Die vier würden sich vielleicht gegenseitig berichten, wo sie welche Geschichten gehört und gelesen hatten und warum sie sie nun gerade so und nicht anders zusammengestellt haben.
In einem Punkt wären die vier sich wohl einig: Aufgeschrieben werden musste das damals. Denn dieser Jesu von Nazareth, der hatte viele Menschen bewegt. Der war kein gewöhnlicher Mensch gewesen. Der hatte etwas Göttliches an sich gehabt. Er war gut gewesen, sehr gut, eigentlich zu gut für diese Welt und zu gut, als dass er allein von dieser Welt hätte gewesen sein können.
Über ihn musste einfach weiterberichtet werden. Es hatten sich ja inzwischen Gemeinschaften gebildet, die im Geiste Jesu weitermachen wollten. Und da gab es immer wieder neue Interessierte. Was sollte man denen sagen und wie? Da musste einfach eine Grundlage der Information und der Lehre geschaffen werden.
Und eine solche Grundlage haben die vier Evangelisten - jeder auf seine Art - zu legen versucht. Markus als erster. Und das würden - vor allem Lukas und Matthäus - auch in aller Bescheidenheit zugeben: „Wir haben vieles von dir abgeschrieben. Aber was die Geburtsgeschichte angeht, da haben wir eigenes Material hinzugefügt."
Und Lukas würde dann vielleicht darlegen, wie er auf diese schöne Weihnachtsgeschichte gestoßen ist, die wir hier in der Kirche zu Weihnachten lesen und aufführen, und warum er sie so aufgeschrieben hat, wie sie uns jetzt vorliegt.
„Gott ist in den Schwachen mächtig, würde vielleicht Lukas sagen. Und er würde erklären, was er meint: „Gott ist allmächtig, wird immer gesagt. Das ist ja richtig, das sieht man an all dem Großartigen, das er geschaffen hat. Gott begegnet uns aber auch in der schwachen Kreatur, auch in der armseligen, kranken, geschundenen, abgewiesenen, unansehnlichen Kreatur. Der römische Kaiser z. B. war zwar mächtig und er konnte auf seine Art mit seinen Soldaten in seinem großen Reich für Frieden sorgen
, würde Lukas hinzufügen. „Ich wollte aber klar machen, dass von einem Kind armer Eltern aus der Provinz eine noch viel größere Macht ausgehen kann - eine Macht ohne Soldaten und ein anderer Frieden, nämlich der im Herzen und von da aus dann vielleicht auch der in der Welt."
Ich will das jetzt nicht weiterspinnen. Aber es wäre mal interessant, die vier Evangelisten in einem Gespräch miteinander zu erleben. Das müssten wir eigentlich mal inszenieren. Da könnte nämlich sehr anschaulich werden, dass wir mit den vier Evangelien, die natürlich eine gemeinsame Basis haben - dass wir mit den vier Evangelien zugleich vier durchaus unterschiedliche Interpretationen dessen vorliegen haben, wer und was und wie jener Jesus von Nazareth eigentlich war und was er uns zu geben hat.
Und das Neue Testament bietet uns noch mehr Ausleger mit weiteren Konzepten. Wir haben vorhin noch einen Text von Paulus gehört. Der hatte auch noch seine eigene Interpretation.
Es ist schon ganz gut, gerade jetzt, wo wir kirchenjahreszeitlich wieder am Beginn des Auftretens Jesu stehen, uns noch einmal ein paar grundsätzliche Gedanken zu machen. Gestern - am 6. Januar - hatten wir das Fest des Erscheinung, „Epiphanias. „Wie hat es mit Jesus angefangen?
, ist die Frage. „Wie ist es weitergegangen, was ist daraus geworden?"
Weitergegangen ist es jedenfalls bis heute, inzwischen also 2000 Jahre, das ist schon erstaunlich. Da muss doch etwas Wichtiges und Grundlegendes durch diese Person Jesus von Nazareth geschehen sein. Das haben etliche Menschen damals so empfunden, und darum haben einige sich ja auch die Mühe gemacht, darüber einiges aufzuschreiben.
Aber deren Texte sind manchmal gar nicht so leicht zu verstehen, denn ihre Sprache, ihre Bilder stammen aus einer anderen Zeit und Kultur. Wenn wir den Predigttext von heute, von Johannes z. B. nehmen: Da sagt Johannes mit Blick auf Jesus: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das die Sünde der Welt trägt. Und er sagt über Jesus weiter: „Dieser ist Gottes Sohn.
Hinter diesen formelhaften Kurzbeschreibungen dessen, wer und was Jesus ist, steckt bereits sehr viel Geschichte des Volkes Israel. Das kann uns das Verständnis erschweren. Es steckt hinter diesen formelhaften Beschreibungen aber auch allgemein Menschliches, was uns ganz nah und gegenwärtig ist.
„Dieser ist Gottes Sohn - mit dieser Formel wurden im Alten Israel Könige eingesetzt. Ihnen wurde damit eine hohe Würde und Autorität verliehen. Auch Jesus haben Menschen wie einen König empfunden, allerdings nicht als einen politischen König, sondern als einen König des Herzens. Sie waren bereit, ihn hier drinnen regieren zu lassen. Die Evangelisten haben die Bilder des Alten Testaments übernommen, um auch Jesus als König einzusetzen und so seine göttliche Würde und Autorität zum Ausdruck zu bringen. Diese Einsetzung Jesu als königlicher „Sohn Gottes
erfolgt im Neuen Testament in der Taufe.
Es ist schon erstaunlich, was da geschrieben ist. Johannes und die anderen Evangelisten verfassten ihre Texte ja, nachdem Jesus schon längst den Kreuzestod gestorben war - allerdings auch zu einem Zeitpunkt, als schon klar war, dass die Sache Jesu durch den Tod am Kreuz nicht hatte zunichte gemacht werden können. Jesus lebte für sie auf andere Weise weiter und übte einen großen Einfluss auf sie aus. Für sie galt das Wort Jesu mehr als das Wort des politischen Königs.
Für sie war Jesus der größere König - trotz des schmählichen Todes am Kreuz. Von daher hielten es die Evangelisten für angemessen, Jesus in der Taufe wie einen alttestamentlichen König als „Sohn Gottes" einzusetzen. Zum Zeitpunkt seiner Taufe durch Johannes war Jesus bereits ein ausgewachsener Mann. Er stand unmittelbar am Beginn seines Wirkens.
Die Evangelisten Lukas und Matthäus verlegen die feierliche Verleihung der göttlichen Würde an Jesus schon weit nach vorn, schon bis in die Zeit vor der Geburt. Bei Lukas lässt der Engel Maria verkünden: „Du wirst einen Sohn gebären. Und der wird Gottes Sohn genannt werden."
Wenn wir heutzutage taufen, eben auch Kleinkinder taufen, dann bringen wir auch damit zum Ausdruck: Auch dieses Kind ist ein Kind Gottes, ein Sohn Gottes oder eine Tochter Gottes. Die Taufe bringt zum Ausdruck, dass jedes Kind eine göttliche Würde besitzt. In jedem Kind - und in der Folge in jedem erwachsenen Menschen - begegnet uns Gott selbst und spricht uns an - nicht als der Allmächtige, sondern als derjenige, der auch in den Schwachen mächtig ist, in der zarten, gefährdeten, zerbrechlichen Kreatur.
Mit dem Neuen Testament ist unser Gottesbild erweitert um eine außerordentlich bedeutsame Variante. „Gott als allmächtiger Herrscher zum einen und „Gott als Kind
zum anderen - diese beiden Bilder lassen sich nicht auf einen Nenner bringen. Aber sie sind zwei - zugegebenermaßen menschliche - Versuche, etwas von der unfassbaren Größe Gottes, und das heißt von dem unfassbaren Geheimnis unseres Daseins in Worte und Bilder zu fassen.
Das Geheimnis Gottes wird für uns wohl unergründlich bleiben. Mögen die Bilder der biblischen Autoren uns dennoch helfen, unser wundersames Dasein hier auf Erden mit Dankbarkeit und Freude anzunehmen und in Respekt und Würde zu gestalten.
Reden in Bildern: Licht und Dunkelheit
4. Februar 2001
Letzter Sonntag nach Epiphanias
Johannes 12,34-36(37-41)
Die biblischen Texte sprechen in Bildern. Der Evangelist Johannes verwendet gern die Bilder „Licht und „Dunkelheit
.
Licht und Dunkelheit sind starke Mächte. Uns wird das im täglichen Leben heute nicht mehr so sehr bewusst wie den Menschen früherer Zeiten. Wenn es dunkel wird, drücken wir auf einen Knopf, und es ist wieder hell. Das war in früheren Zeiten, und ganz gewiss zur Zeit Jesu, anders. Das Leben spielte sich im Wesentlichen zwischen der Morgendämmerung und der Abenddämmerung ab. In der Nacht war nicht mehr viel auszurichten. Denn das Licht einer kleinen Öllampe oder Kerze oder das Licht des Feuers gab nur einen sehr begrenzten Schein.
Um handeln zu können, brauchen wir Licht. Ohne Licht können wir uns nicht orientieren. Ein wenig davon spüren wir trotz aller technischen Hilfsmittel noch heute, besonders z. B. wenn sich irgendwo wieder eine Katastrophe ereignet hat, wie z. B. das Erdbeben in Indien. Mit Einbruch der Dunkelheit mussten die Rettungsmannschaften ihre Suche aufgeben. Das Licht des Tages war Voraussetzung für die Lebensrettung. Die hellen Stunden des Tages mussten genutzt werden. Die Zeit der Rettung war begrenzt. Die Mahnung aus dem Predigttext können wir in diesem Zusammenhang wörtlich nehmen: Handelt, solange ihr noch Licht habt. In der Finsternis seht ihr nicht mehr, wo es langgeht.
In unserem Predigtabschnitt vergleicht sich Jesus mit dem Licht. Er hat an anderer Stelle einmal direkt gesagt: „Ich bin das Licht." Und er sagt hier: Ich bin nur eine begrenzte Zeit bei euch. Das Licht, womit er also sich selbst meint, ist nur noch eine kurze Zeit bei euch. Darum nutzt die Zeit, bevor ich wieder davon bin, bevor es wieder dunkel wird, sonst werdet ihr bald wieder ohne Orientierung sein.
Auch hierfür könnten wir Beispiele aus unserem heutigen Leben finden: dass ein Mensch wie Licht ist, das uns erkennen lässt, wo es langgeht. Der betreffende Mensch müsste übrigens gar keine große Leuchte