Mylady keilt nach hinten aus: Butler Parker 117 – Kriminalroman
Von Günter Dönges
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Über dieses E-Book
Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht!
Butler Parker saß am Steuer seines parkenden Wagens und wartete auf die Rückkehr Lady Agathas, die unterwegs war, um sich einen neuen Hut zu kaufen. Er wußte, daß es unter Umständen noch lange dauern konnte. Langeweile war ihm allerdings nicht anzusehen. Stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, hielt er sich auf dem Sitz seines hochbeinigen Monstrums.
Um sich die Zeit zu vertreiben, hatte er das Wagenradio eingeschaltet.
Ein Vortrag über Futterpflanzen in Schottland war nicht geeignet, sein Interesse zu wecken. Auf einer anderen Welle verbreitete sich eine professorale Stimme über Metaphysik in der neuen Musik. Auf einer dritten Frequenz erzählte eine sympathische Frauenstimme ein Märchen, in dem ein Frosch die Hauptrolle spielte.
Josuah Parker fühlte sich nicht angesprochen, suchte weiter und hörte dann eine leise, tränenerstickte Stimme, die von Selbstmord sprach ...
Der Butler reagierte kaum, so echt und eindringlich diese Frauenstimme auch klang. Auch ein spannendes Hörspiel konnte ihn jetzt nicht in die richtige Wartestimmung versetzen. Ihm schwebte Musik vor, sanfte Weisen, die seine Nerven beruhigten. Inzwischen war der Butler nämlich leicht ungeduldig geworden. Der Hutkauf schien diesmal den Nachmittag zu füllen.
Als Parker nach dieser Musik weitersuchen wollte, merkte er, daß er bereits das Ende der Skala erreicht hatte. Plötzlich wurde er hellhörig, drehte automatisch zurück und schaltete sich noch mal in die Frauenstimme ein, die in hemmungsloses Schluchzen übergegangen war.
Parker kam der Verdacht, daß er hier auf eine private Sendung gestoßen war. Das Schluchzen klang zu echt, war einfach zu verzweifelt. Hinzu kam die Tatsache, daß so weit rechts auf der
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Butler Parker
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Butler Parker
– 117 –
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Um sich die Zeit zu vertreiben, hatte er das Wagenradio eingeschaltet.
Ein Vortrag über Futterpflanzen in Schottland war nicht geeignet, sein Interesse zu wecken. Auf einer anderen Welle verbreitete sich eine professorale Stimme über Metaphysik in der neuen Musik. Auf einer dritten Frequenz erzählte eine sympathische Frauenstimme ein Märchen, in dem ein Frosch die Hauptrolle spielte.
Josuah Parker fühlte sich nicht angesprochen, suchte weiter und hörte dann eine leise, tränenerstickte Stimme, die von Selbstmord sprach ...
Der Butler reagierte kaum, so echt und eindringlich diese Frauenstimme auch klang. Auch ein spannendes Hörspiel konnte ihn jetzt nicht in die richtige Wartestimmung versetzen. Ihm schwebte Musik vor, sanfte Weisen, die seine Nerven beruhigten. Inzwischen war der Butler nämlich leicht ungeduldig geworden. Der Hutkauf schien diesmal den Nachmittag zu füllen.
Als Parker nach dieser Musik weitersuchen wollte, merkte er, daß er bereits das Ende der Skala erreicht hatte. Plötzlich wurde er hellhörig, drehte automatisch zurück und schaltete sich noch mal in die Frauenstimme ein, die in hemmungsloses Schluchzen übergegangen war.
Parker kam der Verdacht, daß er hier auf eine private Sendung gestoßen war. Das Schluchzen klang zu echt, war einfach zu verzweifelt. Hinzu kam die Tatsache, daß so weit rechts auf der Skala kaum ein Sender zu empfangen war. Er regulierte noch mal fein nach und drückte dann einen Umschaltknopf, der unter dem Radio angebracht war. Er schnitt dieses Schluchzen mit und überspielte es auf eine Kassette. Sein Wagen war mit allen technischen Raffinessen ausgerüstet.
Eine beruhigend klingende Männerstimme überlagerte nun das Schluchzen und redete eindringlich auf die Frau ein. Sie gab sich alle Mühe, der Frau den geplanten Selbstmord auszureden. Das Schluchzen wurde leiser und hörte endlich auf. Die Frau redete den Mann mit »Doktor« an und versprach schließlich, keine Dummheiten zu machen. Ihre Stimme klang endlich gefaßt und auch ein wenig zuversichtlich.
Für Parker stand es inzwischen fest, daß er auf die Sendefrequenz einer sogenannten »Wanze« gestoßen war. Irgendwo im näheren Umkreis dieses Parkplatzes war solch ein Gerät installiert worden und übertrug Intimes aus der Praxis eines Arztes.
Für den Butler war das ungeheuerlich. Wer konnte ein Interesse daran haben, solche Gespräche anzuzapfen? Diskret, wie Parker nun mal war, hätte er das Radiogerät am liebsten ausgeschaltet, doch nun ging es nicht mehr um sein Taktgefühl. Er hoffte herauszuhören, um welche Praxis es sich handelte, welcher Arzt da abgehört wurde. Die Arbeit der »Wanze« mußte so schnell wie möglich abgestellt werden. Dieser Arzt mußte umgehend erfahren, welche Zeitbombe in seiner Praxis tickte.
Was die Frau bedrückte, erfuhr Parker wenig später. Mit einer schon fast monoton zu nennenden Stimme erzählte sie von einem Seitensprung ihres Mannes und von dessen Freundin. Sie befürchtete, daß ihr Mann sie früher oder später verlassen würde, steigerte sich wieder in ihre Erregung hinein und weinte.
Butler Parker verließ den Wagen, ohne das Gerät jedoch auszuschalten. Er drückte die Tür zu und schritt gemessen zwischen den abgestellten Wagen umher. Unauffällig spähte er nach dem Empfänger dieser Spezialübertragung aus. Seiner Schätzung nach befand er sich in einem der parkenden Wagen. Eine bessere Position dafür ließ sich kaum vorstellen. Hier vom Parkplatz aus konnte man die vielen Büro- und Geschäftshäuser an diesem Platz gut beobachten. Ein Risiko war so gut wie ausgeschlossen. Hinzu, kam der ungestörte Empfang. Es gab keine störenden Hochhäuser oder Brandmauern.
Parker hoffte, diesen heimlichen Empfänger bald zu finden. Er nahm sich vor, die Übertragung nachhaltig zu stoppen. Für ihn stand es bereits fest, daß er ausnahmsweise mal auf seine gute Erziehung verzichten würde.
Nun, Josuah Parker entdeckte in wenigstens einem Dutzend Wagen männliche und weibliche Fahrer, die mehr oder weniger ungeduldig darauf warteten, endlich wieder starten zu können. Einige lasen Zeitung, einige rauchten und trommelten mit ihren Fingerspitzen ungeduldig auf den Lenkrädern herum, andere wieder hatten sich weit zurückgelehnt und genossen die wärmende Sonne dieses Nachmittags. Solch ein herrliches Wetter bot London schließlich nicht alle Tage.
Butler Parker wechselte zur zweiten Parkgasse hinüber und wurde auf einen Morris aufmerksam, dessen Vordersitze besetzt waren. Es handelte sich um zwei Männer, die etwa fünfundzwanzig bis dreißig Jahre alt waren. Sie trugen Sonnenbrillen und reagierten auf den Butler recht merkwürdig.
Der Mann vor dem Lenkrad wurde plötzlich von einer unerklärlichen Nervosität erfaßt, beugte sich vor und ließ den Motor anspringen. Sekunden später preschte er in verbotenem Tempo aus seiner Parklücke, bog mit kreischenden Reifen in die Gasse ein und jagte davon.
Josuah Parker blieb stehen und zog einen seiner vielen Kugelschreiber aus der Westentasche. Er opferte das strahlende Weiß seiner linken Hemdmanschette und notierte sich sicherheitshalber das Wagenkennzeichen. Es konnte wirklich nicht schaden, sich nach dem Besitzer des Morris zu erkundigen.
Parker behielt den Kugelschreiber in der Hand und ruinierte seine Manschette. Er notierte sich jetzt auch noch die Wagennummern, deren Fahrer oder Fahrerinnen ihm verdächtig vorgekommen waren. Das war eine reine Routinemaßnahme. Josuah Parker war schon immer ein eifriger Sammler von Informationen gewesen.
Er näherte sich wieder seinem Wagen und stutzte. Er wußte genau, daß er die Tür geschlossen hatte, doch jetzt stand sie weit auf. Parker beschleunigte seine Schritte, ohne dabei auch nur eine Spur seiner Würde zu verlieren, erreichte den Wagen und wußte Sekunden später, daß er bestohlen worden war.
Die schmale Kassette im eingebauten Recorder war verschwunden. Während seiner Abwesenheit hatte ein Liebhaber sich für sie interessiert.
Josuah Parker war drauf und dran, ein wenig aus der sprichwörtlichen Rolle zu fallen. Er ärgerte sich ungemein über seinen Leichtsinn, schalt sich einen Narren und verlor dann noch die Selbstkontrolle über sich, was in seinem Leben bisher kaum passiert war. Deutlicher Ausdruck dieses Sichgehenlassens war das Aufstoßen seines Universal-Regenschirms auf den Asphalt des Parkplatzes. Bruchteile von Sekunden später aber hatte Josuah Parker sich bereits wieder in der Gewalt, wie es seiner Art entsprach.
*
»Nein, ich weigere mich, das zu glauben«, sagte Agatha Simpson und schüttelte hartnäckig den Kopf. »So etwas kann doch nur einem grünen Anfänger passieren, Mister Parker.«
»Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit völlig zerknirscht«, entschuldigte Josuah Parker sich noch mal. Er hatte seiner Herrin gerade von dem Diebstahl berichtet, was ihm schwer genug gefallen war.
Lady Agatha, eine große, stattliche Dame von etwa sechzig Jahren, schien das Mißgeschick ihres Butlers zu genießen. Spöttisch blitzten ihre wachsamen, dunklen Augen, ihre faltigen Wangen hatten sich rosa eingefärbt.
Lady Agatha Simpson, passionierte Detektivin, trug ihr übliches Tweedkostüm, dessen Rock weit über die stämmigen Waden reichte. Ihre Füße befanden sich in bequemen, aber ausgetreten aussehenden Schuhen. An ihrem linken Handgelenk baumelte ein altertümlicher Pompadour, der mit Perlen bestickt war.
Die Dame war eine majestätische Erscheinung, die man nicht übersehen konnte. Sie war immens reich und leistete sich Extravaganzen. Mit dem Blut- und Geldadel verschwistert, war sie in Gesellschaftskreisen gefürchtet. Sie nahm fast nie ein Blatt vor den Mund, war boshaft und ironisch. Ihre Spezialität war die ungeschminkte Wahrheit, die sie stets lautstark äußerte.
»Ich kann es einfach nicht fassen«, redete Agatha Simpson grimmig weiter. »Da bietet sich nun ein wahrscheinlich sehr interessanter Kriminalfall an, aber Sie, Mister Parker, verspielen ihn leichtfertig.«
»Mylady dürfen versichert sein, daß ich mich schäme«, gestand Josuah Parker.
»Bestimmt wäre das auch ein Thema für meinen Bestseller gewesen«, erwiderte die ältere Dame aufgebracht. Sie suchte seit Jahr und Tag nach solch einem einmaligen Thema. Sie hatte sich nämlich vorgenommen, eine gewisse Agatha Christie in den Schatten zu stellen. Agatha Simpson war davon überzeugt, eines Tages die literarische Welt überraschen zu können. Sie brauchte diesen Bestseller nur noch zu Papier zu bringen, fand aber immer neue Ausflüchte, um sich an der Niederschrift vorbeizudrücken.
»Hoffentlich können Mylady mir noch mal verzeihen.« Josuah Parker deutete eine leichte Verbeugung an. »Zudem möchte ich andeuten, daß die Spuren erfreulicherweise nicht völlig verwischt wurden.«
»Das möchte ich mir auch ausgebeten haben, Mister Parker.« Lady Simpson sah ihren Butler