Vollzeitstelle
Von Patrick Kasper
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Über dieses E-Book
Patrick Kasper
So sehr sich der Autor auch wünscht, dass die Neugierde der Menschen seinem Werk und nicht seiner eigenen Person gelten mögen, so verlangen es dennoch die Gepflogenheiten, ihn hier kurz vorzustellen. Dass er ungefähr 188 Zentimeter in der Höhe und ein wenig zu viele in der Breite misst; dass er braunes Haar und blaue Augen hat; dass er gerne Jeans trägt und Krawatten verabscheut; dass er aktiv der Kunst des Schreibens frönt, während er sich passiv an der Filmkunst erfreut; dass er sowohl Gourmet als auch Gourmand ist; dass er fast jeden Sonntag für seine Familie kocht und selbst im Winter bei Minusgraden am liebsten nach acht Uhr abends Spaziergänge macht, weil dann weniger Leute auf der Straße sind - nun, das mag für eine Biografie nicht sonderlich von Bedeutung sein, aber was gibt es sonst schon über ihn erzählen? Womöglich, dass er 1988 in Graz geboren wurde, bis heute dort lebt und arbeitet; dass er die Matura absolviert hat; mit 18 Jahren von zuhause ausgezogen ist; um die Miete zu bezahlen bislang vornehmlich in der Gastronomie gearbeitet hat und nebenbei an seiner wahren Passion arbeitet. Im Grunde die Eckdaten eines recht beschaulichen und normalen Lebens. Ach ja, und natürlich ist er unglaublich smart, sexy, intelligent, zuvorkommend, ausgeglichen, optimistisch, überhaupt nicht zynisch und obendrein auch ziemlich bescheiden. Eben ein Mensch wie jeder andere. In diesem Sinne verbleiben der Autor, sein imaginärer Laudator sowie alle weiteren verborgenen Persönlichkeiten mit der Bitte um ihr hart verdientes Geld und wünschen angenehme Lesestunden.
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Buchvorschau
Vollzeitstelle - Patrick Kasper
Inhaltsverzeichnis
Pro domo
Tag X
Frühstück mit Bernhard
Schlafenszeit
Selbstdisziplin
Müßiggang
Auswärts essen
Eine Erkenntnis
Freunde
Putzen & Musik
»Krankenstand«
Besuch
Warum eigentlich?
Realität
Monster
Sklaven
Wochenrückblick & Stellenanzeige
Spargel
Humoristische Einlage
Keine Antwort
Überschriften
Über vermisste Preiselbeeren
Einladung
Kapitel I
Kapitel II
Hin und her
Kapitel III
Wie eine Banane
Kapitel IV
Vorstellungsgespräch
Kleidung & Meinungen
Kapitel V
Kapitel VI
Erster Tag
Ein Bürojob
Die 1. Woche
Krawatte
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Montag
Lesen
Kapitel XI
Möglichkeiten zur Arbeitszeitnutzung: Ein detaillierter Report
Bandscheiben
Kapitel XII
Wi-Fi
Verkehrte Welt
Auf Besuch bei Freunden
Kapitel XIII
Verse im Wind
Kapitel XIV
Nutze die Zeit
Mundi perversum
Kapitel XV
Kein Mitarbeiter des Monats
Ein Kellner kennt keinen Schmerz
Ambitionen
Kapitel XVI
Kapitel XVII
Labyrinth
Nostalgie
Kafkaesk
Kapitel XVIII
Erwischt
Neues Büro
Erfüllung
Kalt und kälter
Arbeiten
Kapitel XIX
Kapitel XX
Urlaub
Kapitel XXI
Kapitel XXII
Kapitel XXIII
Ausweglos
Aberwitziges
Vereinigung
Der Sprossenwirt
Kapitel XXIV
Festivitäten
Wahl
Eine Busfahrt
Besprechung
Kapitel XXV
Mitarbeiter des Monats
Mars
Oktober-Retrospektive
Kapitel XXVI
Mein Sessel
Entscheidung
Ω
Pro domo
Mein Name ist Alfred Hammerer, aber nennen Sie mich ruhig Alf, denn Alfred hat mich schon seit zwanzig Jahren keiner mehr genannt, und »Herr Hammerer« möchte ich schon gar nicht hören, denn einen unpassenderen Nachnamen könnte ich wohl kaum besitzen, da ich in meinem ganzen Leben noch nichts gehämmert oder abseits von Küche und Bar mit sonst irgendeinem Werkzeug erfolgreich gearbeitet habe. Da passt Alf um einiges besser zu mir, denn mit dem Wesen vom Planeten Melmac teile ich die stark behaarten Unterarme, die Knollennase, die Verfressenheit und die Bauernschläue. Nur Katzen esse ich nicht, und die Knollennase kommt – obwohl ich hin und wieder gerne einen hebe –, nicht vom Saufen, sondern wächst mir schon seit der Geburt im Obelix-Stil aus dem Schädel.
Zu dem Zeitpunkt, an dem ich diese Zeilen schreibe, weiß ich nicht mit Sicherheit, ob sie überhaupt jemand außer mir selbst zu Gesicht bekommen wird, doch seien es nur mein Nachlassverwalter, mein Anwalt oder vielleicht ein Sandler, der die losen Seiten aus einem Mistkübel fischt, so möchte ich diesem Werk dennoch gern ein paar einleitende Worte voranschicken.
Sie sind im Begriff, meine Tagebucheinträge, die vom 29. Februar 2016 bis zum 13. November 2016 entstanden sind, zu lesen. Ich habe an ihnen nichts verändert, hinzugefügt oder weggelassen. Es handelt sich auch nicht um ein abgetipptes Manuskript; keine unterbezahlte Sekretärin musste meine zuvor diktierten Selbstgespräche transkribieren; kein Kryptologe war notwendig, um meine grottenhässliche Handschrift, die ich in mein hübsch eingebundenes Büchlein gefetzt habe, zu entziffern. Und dennoch wird’s jetzt nicht romantischer, denn da ich vom ständigen Tellertragen und Masturbieren ohnehin schon unter wunden Gelenken leide, habe ich mich einst entschlossen, schlicht und ergreifend ein digitales Tagebuch zu führen. Allerdings nicht in Blog-Form; ich wollte mich nicht im globalen Katzenklo namens Internet auskotzen, sondern wollte mit meinen Gedanken erst einmal für mich sein, wollte erst den Schritt von mir selbst auf den Bildschirm und dann in die Welt hinauswagen.
Aber warum überhaupt? Warum diese Schreiberei, warum ein Tagebuch, warum eine solch abgedroschene Maßnahme im Leben eines beinahe erwachsenen Mannes? Nun, lassen Sie mich ein wenig ausholen.
Ich bin, das kann man ruhigen Gewissens behaupten, ein Mensch, der sich ein Leben ohne Musik nicht vorstellen kann. Doch ich möchte keine falschen Erwartungen wecken – ich bin weder ein talentierter Gitarrist, ein begnadeter Songwriter oder gar ein stimmlich einzigartiger Sänger. In mir schlummern weder ein Mercury, ein Presley noch ein McCarthy. Ich besitze weder die physische Präsenz eines Lindemanns noch die Ausstrahlung eines Sinatras. Auch die Gabe vollkommenen Komponierens gleich einem Mozart oder einem Händel ist mir nicht gegeben. Ebenso wenig kann ich klimpern wie ein Hendrix oder trommeln wie ein Felsenheimer, von der stimmlichen Performance einer Houston oder gar einer Turner ganz zu schweigen. Ich habe noch nicht einmal Ahnung von Musikgeschichte, von Tonleitern, Liedaufbau oder sonstigem theoretischen Fachwissen.
Doch ich bin leidenschaftlicher Hörer, Mitschwinger, Fußwipper, Fingerschnipser, Summer und Mitkreischer. Eine Autofahrt ohne Metallica ist kaum denkbar; ein lauschiger Abend am Balkon ohne Creedance – keinesfalls!
Zugegeben, in meinen privaten Gemächern erklingen eher harte Gitarrenriffs, markige Schlagzeuge und wummernde Bässe; da ertönen vor dem Schlafengehen eher die ikonischen Melodien von Iron Maiden, AC/DC oder Black Sabbath, doch auch abseits meiner Lieblingspfade gibt es Musik, die sich immer wieder zu hören lohnt. Sei es nun, wenn ABBA über einen riskanten Flirt singen, wenn S.T.S. einen Fürstenfelder nach Wien schicken, wenn Billy Joel ein halbes Jahrhundert westlicher Geschichte herunterbetet oder wenn Bob Dylan wieder einmal an die Himmelspforte klopft.
So mancher Klassiker blieb mir aber auch sehr lange verborgen; beispielsweise You can call me Al von Paul Simon. Ein grandioses Lied, welches im deutschen Sprachraum aufgrund seiner fröhlichen Melodie ein ähnlich missverstandenes Dasein fristet wie Bruce Springsteens Born in the U.S.A. – jene Werke teilen das Schicksal, dass die eigentlich ernste Botschaft respektive der eher düstere Hintergrund im Rausch der euphorischen Klänge verloren gehen.
Ich habe You can call me Al erst vor knapp einem Jahr auf YouTube entdeckt und habe es seitdem bestimmt zweihundertmal gehört; mittlerweile könnte ich trotz gänzlicher Talentfreiheit wahrscheinlich sogar die Noten aufschreiben. Doch seine völlige Brillanz entfaltet das Lied erst, wenn man auch das dazugehörige Video sieht, in welchem Paul Simon, seines Zeichens ein eher schmächtiger Winzling, vom breiten Hünen und beliebten Komiker Chevy Chase flankiert wird, der in diesem Clip voller Inbrunst den Gesang des eigentlichen Musikers imitiert, während ebenjener beleidigt und deprimiert auf seinen Einsatz wartet und seine diversen Instrumente zusammenklaubt. Der schwungvolle Rhythmus des Liedes lässt leicht vergessen, dass es eigentlich von einem Mann handelt, der sich in einer veritablen Lebenskrise befindet, und, was soll ich sagen, da ging es mir zu Beginn meiner Aufzeichnungen nicht anders. Nach außen hin fühlte ich mich so, wie sich dieses Lied präsentiert: leichtfüßig, glücklich, sorglos, eigentlich zufrieden. Doch wenn man nur ein bisschen an der spielfreudigen Gitarre, der fidelen Flöte und den beschwingten Trompeten vorbeihörte, wenn man nur ein wenig ins Innere schaute, dann vernahm man das leise Rumoren, dann spürte man das allmähliche Bröckeln des Fundaments, man sah die Risse im System, und man begann endlich, auf den Text zu hören.
Die Musik scheint mir ein überaus geeigneter Weg zu sein, tief sitzende Gefühle auszudrücken, denn auch Paul Simon dürfte damals mit der einen oder anderen Unsicherheit gehadert haben, als er diesen Evergreen komponierte. Nur zu gerne wäre ich auch solch ein kreativer Kopf, solch ein gesegneter Mensch, der sich sein eigenes künstlerisches Ablassventil schaffen kann, welches er bei Bedarf einfach aufzudrehen und somit den immer höher steigenden Druck zu entschärfen vermag.
Was gäbe ich darum, auf irgendeine Weise diesen großen Künstlern auf ihrem Weg in die Ewigkeit zu folgen. Ein Cash müsste man sein, ein Jackson, eine Enya. Ich verzehre mich nach dieser Gabe, diesem ganz besonderen Blick auf die Welt, wie ihn nur wenige Menschen zum Ausdruck bringen können, möchte meinen Schmerz und meine Freude irgendwie artikulieren, doch meine Bemühungen ersticken in Alltag und Lethargie …
Da mir nun leider nicht das Talent eines Elton John oder eines Louis Armstrong innewohnen – und auch weder Bildhauerei, Malerei noch Ausdruckstanz Optionen für mich sind –, helfen mir persönlich Selbstgespräche am meisten. Ich laufe in meinem Wohnzimmer auf und ab, gehe spazieren, lege mich auf die Couch, trete in die Pedale meines komplett verrosteten Fahrrades, setze mich aufs Klo – und dann rede ich minuten- oder gar stundenlang über die Themen, die mir im Kopf herumspuken. Ich denke und denke und überlege und zerdenke jede Kleinigkeit in jede mögliche Richtung. Ich imitiere Dialoge, diskutiere mit fiktiven Gesprächspartnern, stelle mir Figuren aus meinem realen Leben vor, die sich mit mir unterhalten und was sie entgegnen würden; ich wäge Argumente ab und reize mein Hirn beinahe bis zur Implosion – und ich höre erst auf, wenn ich zu einem Resultat gelange.
So habe ich das schon als Jugendlicher gemacht, und so mache ich das auch heute als Dreißigjähriger noch; das