Duplik Jonas 7
Von Birgit Rabisch
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Über dieses E-Book
Als künstlich erzeugte Zwillinge dienen die Dupliks "ihren" Menschen als lebende Ersatzteillager. Sie werden isoliert in Horten gehalten und ahnen nichts von ihrer Bestimmung.
Angestachelt von seiner Schwester kommen Jonas Helcken allerdings Zweifel an der Rechtfertigung der Duplikhaltung und die beiden schmieden einen verwegenen Plan ...
Wie sieht eine Gesellschaft aus, in der alles erlaubt ist, wenn es nur der Gesundheit des Menschen dient?
Mit knapp 200000 verkauften Exemplaren präsentiert Birgit Rabisch einen Roman zum Thema Gentechnologie, der in einer Zukunft spielt, die sich bereits in unsere Gegenwart neigt:
In „Duplik Jonas 7“ bringt das ein Kinderreim auf den Punkt: „Eins, zwei, drei, du bist frei / bist du arm, stirbst am kranken Darm, / bist du reich, heilt dich Dupliks Leich'.“ Reich sind natürlich nicht die Kinder, sondern deren Eltern … [Es] kommen hier nur Menschen als Empfänger von Organen in Frage, deren Eltern vor der Geburt dafür gesorgt haben, dass es Klone ihrer Kinder gibt. Diese Entscheidung der Autorin ist ebenso wichtig wie auf den ersten Blick überraschend.
(Frankfurter Allgemeine Zeitung)
Birgit Rabisch
Birgit Rabisch studierte Soziologie und Germanistik und lebt als Autorin in Hamburg. Sie hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter den utopischen Roman »Duplik Jonas 7« (als E-Book bei duotincta), der zum Bestseller und Standardwerk für den Schulunterricht zum Thema Gentechnologie avancierte. Bei duotincta sind die Romane »Die vier Liebeszeiten«, »Wir kennen uns nicht«, »Putzfrau bei den Beatles« und »Die Schwarze Rosa« erschienen.
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Buchvorschau
Duplik Jonas 7 - Birgit Rabisch
Verlag duotincta
E-Book
Birgit Rabisch
Duplik Jonas 7
Roman
Über die Autorin
Birgit Rabisch studierte Soziologie und Germanistik und lebt als Autorin in Hamburg. Sie hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. Der utopische Roman „Duplik Jonas 7" avancierte zum Bestseller und Standardwerk für den Schulunterricht zum Thema Gentechnologie.
Bei duotincta sind die Romane „Die vier Liebeszeiten und „Wir kennen uns nicht
erschienen.
Impressum
Überarbeitete Auflage 2017
Copyright © Birgit Rabisch; Printausgabe: 1996 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co KG, München
Alle Rechte vorbehalten.
Satz und Typographie: Verlag duotincta, Berlin
Einband: Jürgen Volk, unter Verwendung von Motiven von © pixabay
ISBN 978-3-946086-25-3
Besuchen Sie uns im Internet unter:
www.duotincta.de
Für Arne und Sönke,
meine einmaligen Söhne.
Wessen Fantasie heute nicht ausreicht, oder wer heute aus Angst
seine Fantasie daran hindert,
sich das Fantastische angemessen vorzustellen, derbleibt ein Träumer…
Wirkliches Sehen ist heute nur möglich bei geschlossenen Augen,
und nur der ist heute Realist,
der Fantasie genug hat
sich das fantastische Morgen auszumalen.
Günther Anders, Hiroshima ist überall
Der Hort
Eine Sensation! Unserem Kleeblatt wird ein Neugekommener anvertraut!
Bisher sind ja alle Dupliks von den Frauen großgezogen worden. Aber mit uns wird eine neue Ära beginnen! Das hat jedenfalls Frau Dr. Hellmann gesagt.
Als sie unser Kleeblatt 7 vor einem halben Jahr auf das bevorstehende freudige Ereignis vorbereitete, waren wir sehr stolz, aber auch ein wenig ängstlich, ob wir dieser Aufgabe gewachsen sein würden.
Vor allem Tim hatte so seine Zweifel. Ob er in der Lage sein würde, dem Kind die Lehrsätze richtig zu erklären? Ob er für die Einhaltung der notwendigen Regeln sorgen könne? Mit einem Neugekommenen sei es ja sicherlich noch nicht so schwierig: füttern, wickeln, baden, trösten – das traue er sich nach genauer Anleitung ohne weiteres zu. Aber wenn so ein Kind dann größer würde, ins Fragealter käme! Warum sind die Tomaten rot? Was ist außerhalb der Kuppel? Warum kippt man um, wenn man den Rand der Kuppel berührt? Woher holen die Frauen die Neugekommenen? Also, er sei immer froh gewesen, wenn er diese Fragezeichen auf zwei Beinen an ihre Dadas verweisen konnte.
Frau Dr. Hellmann hat geschmunzelt. Sie könne seine Sorgen gut verstehen. Aber sie werde uns jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stehen. Außerdem würden wir bis zur Ankunft des Neugekommenen einen Vorbereitungskurs bei ihr absolvieren, so dass wir für unsere Aufgabe, aus ihm einen anständigen Duplik zu machen, bestens präpariert wären. Ich glaube noch heute, dass Tim seine Zweifel nur vorgeschoben hat. Wirkliche Angst hatte er wohl vor der zu erwartenden Beeinträchtigung seiner Bequemlichkeit. Er hockt am liebsten den ganzen Tag am Playdeck. Er lädt jedes neue Spiel aus dem Hortnet herunter und vergnügt sich damit, bis er den Spielverlauf in- und auswendig kennt. Nur Schach wird ihm nie langweilig. In immer neuen Partien misst er sich mit dem Chessmaster special. Außer Spielen hat Tim eigentlich keine Interessen. Die vorgeschriebenen drei Stunden Gesundheitstraining täglich absolviert er natürlich, aber freiwillig treibt er keinen Sport. Nicht mal Fußball!
Auch ist er der Einzige in unserem Kleeblatt, der grundsätzlich Conveniance-Food ordert, wenn sein Hausarbeitstag ist. Jan, Martin und ich dagegen kochen gern und ordern meistens Rohstoffe.
Martin ist unser Top-Sportler. Er ist Stürmer bei Fair Play und eine kleine Berühmtheit im Hort. Nahezu alle 1040 Dupliks des Horts kennen ihn und er hat sogar richtige Fans, die mich schon mal auf dem Weg ansprechen: »Hallo, Jonas 7, euer Kleeblatt 7 kann wirklich stolz sein! Martin 7 ist ein Klassefußballer! Seit er Stürmer bei Fair Play ist, haben die alle Chancen Hortmeister zu werden. Grüß ihn von Helmut 39!«
Jan ist ein sehr ruhiger Duplik. Er sitzt gern bei Kerzenschein und träumt vor sich hin. Er strickt unermüdlich, so dass wir schon nicht mehr wissen, wohin mit all den Pullovern. Jetzt ist er natürlich glücklich, eine neue Aufgabe zu haben. In kürzester Zeit hat er für den Neugekommenen Strampelhosen, Ausgehjäckchen, winzige Fäustlinge und Söckchen gefertigt.
Jan ist schon seit zwei Jahren Kursleiter für autogenes Training und Meditation. Mit ihm führe ich oft lange Gespräche, die sich nicht nur um Alltägliches drehen. Wir philosophieren gern über die uralten Fragen des Duplikdaseins. Woher die Dupliks kommen und wohin sie gehen. Warum die Dupliks im Hort leben und die Frauen draußen. Und was wohl außerhalb der Kuppel ist. Auf jeden Fall ein ganz anderer Hort, etwas, das sich ein Duplik gar nicht vorstellen kann. Und keine Nachricht von dort dringt zu uns.
Nur zweimal im Leben befindet sich ein Duplik außerhalb der Kuppel: wenn er von den Frauen als Neugekommener gebracht wird und wenn er nach seinem Tod den Hort durch die Endschleuse für immer verlässt.
Draußen ist die Welt, sagen die Frauen. Aber was das ist, erklären sie uns nicht. Ob dort nur Frauen leben? Oder auch Katzen, Hamster und Meerschweinchen wie in unseren Kleeblättern? Gibt es eine Himmelskuppel mit dem wunderbar milchigen Licht des Tages und der von sieben Monden beglänzten Dunkelheit der Nacht? Und woher kommen die Frauen? Ob sie auch sterben wie die Dupliks und die Katzen, Hamster und Meerschweinchen? Jan glaubt das, denn manchmal kommen Frauen nicht wieder, die uns jahrelang gehortet haben. Sie werden durch andere Frauen ersetzt. Außerdem altern die Frauen auch, das kann man eindeutig beobachten, sagt Jan. Und alles, was altert, stirbt auch.
Ich bezweifle das, denn man kann nicht einfach Erfahrungen aus unserem Leben auf die Frauen übertragen. Die Frauen sind ganz andere Lebewesen, das zeigt sich ja schon rein äußerlich. Obwohl noch niemand von uns eine Frau unbekleidet gesehen hat, steht zumindest so viel fest: Sie haben keinen Bart, ihre Stimmen sind höher und ihre Brust ist merkwürdig breit, was man selbst unter ihren weiten Kitteln sehen kann.
Jan betont gern die Gemeinsamkeiten: dass sie reden wie wir, essen wie wir, gehen wie wir.
Aber was bedeutet das schon?
Es gibt so viel, was ich von den Frauen wissen möchte: Schlafen sie auch? Haben sie Kinder? Müssen sie auch aufs Klo? Was machen sie, wenn sie nicht horten? Wenn man sie nur fragen könnte!
Aber schon die erste Regel, die jeder junge Duplik in der Schule lernt, lautet: Frage nie eine Frau nach den Frauen! Natürlich haben es immer wieder einige vorwitzige Dupliks versucht, aber sie haben alle die gleiche Antwort erhalten:
Darüber können wir keine Auskunft geben.
Ich muss zugeben, dass ich früher selbst zu diesen vorwitzigen Dupliks gehörte. Wie oft habe ich in meiner Schulzeit diese Antwort zu hören bekommen! Meine Lehrerin, Frau Dr. Jahnke, nannte mich Jonas Neunmalklug. Auch überkam mich oft die Unruhe und ich musste in die Klinik und Spritzen bekommen. Später haben sie mir häufig Entspannungstraining verordnet, weil die vielen Spritzen der Gesundheit schaden. Und Gesundheit ist unser allerhöchstes Gut. Aber das weiß ja wohl jeder. Jeden Tag drei Stunden Gesundheitstraining: Laufen, Gymnastik, Schwimmen, Kraftübungen; zweimal in der Woche in die Sauna; einmal Check-up in der Klinik. Das ist das Mindestprogramm. Aber die meisten tun freiwillig viel mehr. Sport und Spiel – das sind unsere Lebensinhalte.
Über etwas anderes kann man sich auch mit kaum einem Duplik unterhalten. Darum bin ich so froh über die Gespräche mit Jan. Er gehört zu den wenigen, die es nicht lassen können, sich Fragen zu stellen. Aber ihn macht es nicht so unruhig wie mich, dass es auf all die vielen Fragen keine Antworten gibt. Seine Philosophie ist: Wir sind nur dumme, kleine Dupliks. Uns ist es zwar gegeben, Fragen zu stellen, aber nicht, Antworten zu bekommen.
Ich dagegen will oft nicht einsehen, dass es keine Antworten geben soll. Die Frauen wissen die Antworten. Warum erlösen sie uns nicht von unseren Fragen?
Jan sagt: Eine Frage an eine Frau ist wie eine Frage an einen Baum.
Aber das ist falsch. Denn die Bäume können nicht antworten und die Frauen … wollen nicht? Warum wollen sie es nur nicht? Sie tun doch sonst alles für uns. Sie sagen, das Wissen über ihre Welt würde unsere Gesundheit ruinieren. Ist denn ihre Welt ein so schrecklicher Hort? Und warum ruinieren sie dann nicht ihre eigene Gesundheit? Sind Frauen überhaupt jemals krank? Erkältet habe ich jedenfalls schon einige von ihnen erlebt. Und wenn einer von uns erkältet ist, schützen sie sich mit einem Mundschutz. Also können sie sich bei uns anstecken, oder?
Ach, könnte ich nur aufhören zu fragen. Vielleicht hat Frau Dr. Hellmann Recht, und die Beschäftigung mit dem Neugekommenen wird mich von meinen unsinnigen Zweifeln ablenken und mich ruhiger machen. Wenn es doch erst so weit wäre!
Der Neugekommene
Hannes ist da!
Den Tag seiner Ankunft werde ich nie vergessen. Es war wirklich sehr aufregend. Im Gemeinschaftsraum waren die Bewohner unseres Hauses versammelt, alle vierzig Dupliks der Kleeblätter 1‒10 waren zur Feier gekommen. Der Raum war festlich geschmückt, wie sonst nur bei den Siegerehrungen der verschiedenen Sportwettbewerbe.
Frau Dr. Hellmann hielt eine ergreifende Ansprache. Sie sagte, dass bisher die Frauen die Erziehung der kleinen Dupliks geleistet hätten, dass es jetzt aber an der Zeit für uns sei, diese Aufgabe selbst zu übernehmen. Sie sprach von der Ehre, die es für unser Kleeblatt 7 sei, als Erstes einen Duplik erziehen zu dürfen, und dass sie voll Vertrauen und Zuversicht auf uns blicke, die wir wohl vorbereitet diese Aufgabe übernehmen würden.
Dann mussten Martin, Tim, Jan und ich aufs Podium kommen. Die Hausband spielte einen High-Emotion und eine Klinikerin brachte Hannes herein. Sie legte ihn in Martins Arme. Hannes schrie fürchterlich. Martin schaukelte ihn. Wir anderen drei standen hilflos herum. Frau Dr. Hellmann kam und gratulierte uns, und danach gratulierten uns auch alle anderen Hausbewohner. Hannes schrie weiter, bis Frau Dr. Hellmann endlich die Zeremonie beendete und wir in unsere Kleeblatt-Wohnung 7 zurückkehren konnten. Jetzt konnte ich zeigen, wie gut ich im Vorbereitungskurs aufgepasst hatte. Ich stellte ein Fläschchen in den Feeder, tippte, ohne vorher auf der Tabelle nachschauen zu müssen, 4:100 ccm, 36 Grad ein und sah zu, wie der Feeder nach einer Ultrakurz-Sterilisation das Fläschchen füllte und mit dem Silikon-Schnuller verschloss.
Martin hatte inzwischen Hannes ein Lätzchen umgebunden und sich auf einem bequemen Sessel niedergelassen. Feierlich überbrachte ich das Fläschchen. Martin als der Älteste durfte die erste Fütterung übernehmen. Andächtig schauten wir anderen drei zu, wie Hannes gierig die Flasche bis auf den letzten Tropfen leerte. Wir klatschten begeistert Beifall, umarmten und beglückwünschten uns. Martin übergab mir Hannes, ich legte ihn an meine