Es waren zwei Königskinder
Von Theodor Storm
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Es waren zwei Königskinder - Theodor Storm
Theodor Storm
»Es waren zwei Königskinder«
Es ist ein Erlebnis, das ich heut erzählen will; nicht mein eigenes, es ist mir selbst erzählt worden, aber von so lebendiger Erinnerung getragen, daß ich nur hätte nachzuschreiben brauchen.
Mitte Juli war es, eine laue Sommernacht; wir saßen mit unseren Gästen auf der Terrasse unseres Landhauses, und soweit die hellen nordischen Sommernächte es gestatteten, lag um uns her der Garten schon in Duft und Dämmer; nur am Himmel über uns strahlte im Sternbilde des Perseus der prächtige Algol. Wir hatten lebhaft geplaudert, etwas philosophisch sogar, über kleine Ursachen und große Wirkungen. »Soll es doch geschehen sein«, sagte der alte Doktor, »daß nachts eine Maus über die Nase einer königlichen Geliebten gesprungen ist, und der König hat darüber eine große Schlacht verloren!«
Wir lachten; aber das steigende Dunkel löschte das Gespräch allmählich aus. Mein Vetter, der Musiker, der sich die Erlaubnis zu einer langen Pfeife ausgebeten hatte, hielt seine Augen auf den funkelnden Stern gerichtet und blies schon lange schweigend seine Rauchwolken gen Himmel. »Ja«, sagte er jetzt, wie zu sich selber, »wenn man nicht näher zusah, so war es auch nur ein Rausch – ein Räuschlein! – Meine nächsten Freunde vom heiligen Konservatorium, wo sind sie? Man soll sich in acht nehmen; es liegt uns überall im Wege!«
»Was faseln Sie da, Fritz?« frag unser Doktor leise.
»Ich fasele nicht, lieber Doktor, aber es ist so wunderbar um uns; man möchte den Toten einmal Gehör geben; ich hab es Ihnen vor Jahren, da es mich eben stark geschüttelt hatte, auch wohl schon erzählt!«
Der Doktor schwieg einen Augenblick. »Das mit dem jungen Marx?« sagte er dann.
Mein Vetter nickte.
»Sie haben recht, Fritz, und wenn die Erinnerung Sie drängt, so erzählen Sie es jetzt auch den andern; ich mein, es ist jetzt eine rechte Stunde, und ein gutes Gedenken könnte, wenn man so sagen dürfte, auch denen wohltun, welche nicht mehr sind.«
»Wollen wir das annehmen!« erwiderte Fritz, und da auch wir anderen in ihn drangen, so begann er:
»Schon fast zwei Jahre war ich auf dem Konservatorium in *** gewesen, da wurde es mir eines Tages klar, daß für hochbegabte Musiker dort vielleicht sehr viel, für Leute meines Schlages aber trotz der besten Musik, die dort gemacht wurde, verzweifelt wenig zu holen sei; denn eine feste, das Ganze beherrschende Methode der Technik fehlte dem Klavierunterricht dort zu jener Zeit – das ist auch heute noch meine Ansicht, und die Anstalt war seit mehreren Dezennien unter der Direktion eines alten Herrn geblieben, der als Klavierlehrer nur die anstellte, die ihm von den besten Sachkundigen nicht empfohlen waren. Jetzt mag das alles ja ganz anders sein.
Damals aber – nach Beratung mit Gleichgestimmten und nach eingeholter väterlicher Erlaubnis – ging ich Ostern 187* nach Stuttgart, wo die Hochschule der Musik unter Faißts Direktion und mit der Lebert-Starkschen Methode viele Schüler hinzog; zumal auch Liszt – so hieß es – wesentlich nur dort Gebildeten sich musikalisch annahm. Bald war ich geprüft und aufgenommen und hatte Silberburgstraße Nr. 21 bei einem nachdenklichen Schneider meine Wohnung eingerichtet; die Möbelausstattung war etwas dürftig, aber das Zimmer recht groß, und das Pianino, das ich rasch gemietet hatte, klang in dem leeren Raume prächtig.
Noch entsinne ich mich des Morgens, da die erste Stunde für Harmonielehre bevorstand; ein grimmiges Gewitter entlud sich über der Stadt; mir