Ein stiller Musikant
Von Theodor Storm
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Ja, der alte Musikmeister! - Christian Valentin hieß er. - Zuweilen in der Dämmerstunde, wenn ich vor meinem Ofenfeuer träume, wandelt auch seine hagere Gestalt in dem abgetragenen schwarzen Tuchröckchen an mir vorüber; und wenn er dann gleich all dem andern Besuch, den ich schweigend und ungesehen hier empfange, allmählich wieder meinem Blick entschwindet, zurückwandelnd in den dichten Nebel, aus dem er kurz zuvor emporgetaucht ist, so zittert oft etwas in meinem Herzen, als müßte ich die Arme nach ihm ausstrecken, um ihn zu halten und ihm ein Wort der Liebe auf seinem einsamen Wege mitzugeben.
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Ein stiller Musikant - Theodor Storm
Ein stiller Musikant
Ein stiller Musikant
Anmerkungen
Impressum
Ein stiller Musikant
Ja, der alte Musikmeister! – Christian Valentin hieß er. – Zuweilen in der Dämmerstunde, wenn ich vor meinem Ofenfeuer träume, wandelt auch seine hagere Gestalt in dem abgetragenen schwarzen Tuchröckchen an mir vorüber; und wenn er dann gleich all dem andern Besuch, den ich schweigend und ungesehen hier empfange, allmählich wieder meinem Blick entschwindet, zurückwandelnd in den dichten Nebel, aus dem er kurz zuvor emporgetaucht ist, so zittert oft etwas in meinem Herzen, als müßte ich die Arme nach ihm ausstrecken, um ihn zu halten und ihm ein Wort der Liebe auf seinem einsamen Wege mitzugeben. – –
In einer norddeutschen Stadt hatten wir beide mehrere Jahre neben einander gelebt, und der kleine Mann mit dem dürftigen blonden Haar und den blaßblauen Augen war ebenso oft gesehen als unbeachtet an mir vorüber gegangen, bis ich eines Tages in dem Laden eines Antiquars mit ihm zusammentraf. Von diesem Augenblick an begann unsere Bekanntschaft; wir waren beide Büchersammler, wenn auch jeder in seiner eigenen Art. Bei meinem Eintritt hatte ich eine illustrierte Ausgabe von Hauffs »Lichtenstein« in seiner Hand bemerkt, worin er, am Ladentische lehnend, sich mit Behagen zu vertiefen schien.
»Das ist ein liebes Buch, das Sie da haben,« sagte ich gleichsam als Erwiderung seines Grußes, mit dem er trotz seines eifrigen Blätterns mich empfangen hatte.
Er blickte mich an. »Wirklich!« sagte er mit einem Aufleuchten seiner blassen Augen, und ein wahres Kinderlächeln verklärte sein sonst wenig schönes Antlitz; »lieben Sie es auch? Das freut mich; ich kann es immer wieder lesen!«
Wir kamen nun ins Gespräch, und ich erzählte ihm, daß ich im vorigen Jahre den Ort der Dichtung besucht und zu meiner Freude die Büste des Dichters auf einem Felsenvorsprunge neben der von ihm verherrlichten Burg gesehen hätte. Aber er war keineswegs damit zufrieden. »Eine Büste nur?« sagte er. »Dem Mann hätten sie doch wohl ein ganzes Standbild setzen können! Sie lachen über mich!« setzte er gleich darauf mit derselben bescheidenen Freundlichkeit hinzu. »Nun freilich, mein Geschmack mag wohl eben nicht der höchste sein.«
– – Ich lernte ihn später näher kennen. Sein Geschmack war keineswegs ein niedriger; aber wie er in der Musik bei seinem Haydn und seinem Mozart blieb, so waren es in der Poesie die klaren Frühlingslieder Uhlands oder auch wohl die friedhofstillen Dichtungen Höltys, die ich aufgeschlagen auf seinem Tische zu finden pflegte.
Wenn wir nach dieser Zeit uns wieder bei dem Antiquar oder auch nur auf der Straße trafen, so pflegten wir wohl noch ein Stückchen Weges mit einander zu verplaudern, und ich erfuhr nun, daß er hier in seiner Vaterstadt als Klavierlehrer lebe, aber nur in den Häusern des mittleren Bürgerstandes oder in mittellosen Beamtenfamilien seine Stunden gebe; auch verhehlte er mir nicht, daß sein Erwerb nur zu einer bescheidenen Wohnung ausreiche, welche er dicht vor der Stadt in dem Hause eines Bleichers schon seit Jahren inne habe. »Ei was!« sagte er,