Die griechische Tänzerin: und andere Erzählungen
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Über dieses E-Book
Drei Meistererzählungen des Wiener Fin-de-siècle-Autors, voll psychologischer Verwicklungen um zumeist unerfüllte oder verbotene Liebe.
Die griechische Tänzerin
Ein Abschied
Der Empfindsame
Für diese Ausgabe wurden die Texte neu ediert, außerdem für digitale Lesegeräte aufbereitet. Mit dynamischem Inhaltsverzeichnis.
Arthur Schnitzler
ARTHUR SCHNITZLER (15 May 1862 - 21 October 1931) was an Austrian author and dramatist. Born in Vienna, he was the son of a prominent Hungarian laryngologist, Johann Schnitzler (1835-1893), and Luise Markbreiter (1838-1911), a daughter of the Viennese doctor Philipp Markbreiter. His parents were both from Jewish families. In 1879 Schnitzler began studying medicine at the University of Vienna and in 1885 he received his doctorate of medicine. He began work at Vienna’s General Hospital, but ultimately abandoned the practice of medicine in favour of writing. A member of the avant-garde group Young Vienna (Jung Wien), Schnitzler toyed with formal as well as social conventions. He specialized in shorter works like novellas and one-act plays, and in his short stories like “The Green Tie” (“Die grüne Krawatte”) he showed himself to be one of the early masters of microfiction. He also wrote two full-length novels such as “Der Weg ins Freie” (“The Road to the Open”). His novella “Fräulein Else” has been adapted a number of times including the German silent film Fräulein Else (1929), starring Elisabeth Bergner, and a 1946 Argentine film, The Naked Angel, starring Olga Zubarry. In addition to his plays and fiction, Schnitzler meticulously kept a diary from the age of 17 until two days before his death in 1931, aged 69.
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Buchvorschau
Die griechische Tänzerin - Arthur Schnitzler
Impressum
Die griechische Tänzerin
und andere Erzählungen
Arthur Schnitzler
ISBN 978-3-945909-36-2
Edition Ideenbrücke, 2015
Die griechische Tänzerin
Die Leute mögen sagen, was sie wollen, ich glaube nicht daran, daß Frau Mathilde Samodeski an Herzschlag gestorben ist. Ich weiß es besser. Ich gehe auch nicht in das Haus, aus dem man sie heute zur ersehnten Ruhe hinausträgt; ich habe keine Lust, den Mann zu sehen, der es ebensogut weiß als ich, warum sie gestorben ist; ihm die Hand zu drücken und zu schweigen.
Einen anderen Weg schlag ich ein; er ist allerdings etwas weit, aber der Herbsttag ist schön und still, und es tut mir wohl, allein zu sein. Bald werde ich hinter dem Gartengitter stehen, hinter dem ich im vergangenen Frühjahr Mathilde zum letztenmal gesehen habe. Die Fensterladen der Villa werden alle geschlossen sein, auf dem Kiesweg werden rötliche Blätter liegen, und an irgendeiner Stelle werde ich wohl den weißen Marmor durch die Bäume schimmern sehen, aus dem die griechische Tänzerin gemeißelt ist.
An jenen Abend muß ich heute viel denken. Es kommt mir fast wie eine Fügung vor, daß ich mich damals noch im letzten Augenblick entschlossen hatte, die Einladung von Wartenheimers anzunehmen, da ich doch im Laufe der Jahre die Freude an allem geselligen Treiben so ganz verloren habe. Vielleicht war der laue Wind schuld, der abends von den Hügeln in die Stadt geweht kam und mich aufs Land hinauslockte, überdies sollte es ja ein Gartenfest sein, mit dem die Wartenheimers ihre Villa einweihen wollten, und man brauchte keinerlei besonderen Zwang zu fürchten. Sonderbar ist es auch, daß ich im Hinausfahren kaum an die Möglichkeit dachte, Frau Mathilde draußen zu begegnen. Und dabei war mir doch bekannt, daß Herr Wartenheimer die griechische Tänzerin von Samodeski für seine Villa gekauft hatte; – und daß Frau von Wartenheimer in den Bildhauer verliebt war, wie alle übrigen Frauen, das wüßt’ ich nicht minder. Aber selbst davon abgesehen hätte ich wohl an Mathilde denken können, denn zur Zeit, da sie noch Mädchen war, hatte ich manche schöne Stunde mit ihr verbracht. Insbesondere gab es einen Sommer am Genfer See vor sieben Jahren, gerade ein Jahr vor ihrer Verlobung, den ich nicht so leicht vergessen werde. Es scheint sogar, daß ich mir damals trotz meiner grauen Haare mancherlei eingebildet hatte, denn als sie im Jahre darauf Samodeskis Gattin wurde, empfand ich einige Enttäuschung und war vollkommen überzeugt – oder hoffte sogar –, daß sie mit ihm nicht glücklich werden könnte. Erst auf dem Fest, das Gregor Samodeski kurz nach der Rückkehr von der Hochzeitsreise in seinem Atelier in der Gußhausgasse gab, wo alle Geladenen lächerlicherweise in japanischen oder chinesischen Kostümen erscheinen mußten, habe ich Mathilde wiedergesehen. Ganz unbefangen begrüßte sie mich; ihr ganzes Wesen machte den Eindruck der Ruhe und Heiterkeit. Aber später, während sie im Gespräch mit anderen war, traf mich manchmal ein seltsamer Blick aus ihren Augen, und nach einiger Bemühung habe ich deutlich verstanden, was er zu bedeuten hatte. Er sagte: ›Lieber Freund, Sie glauben, daß er mich um des Geldes willen geheiratet hat; Sie glauben, daß er mich nicht liebt; Sie glauben, daß ich nicht glücklich bin – aber Sie irren sich... Sie irren sich ganz bestimmt. Sehen Sie doch, wie gut gelaunt ich bin, wie meine Augen leuchten.‹
Ich bin ihr auch später noch einige Male begegnet, aber immer nur ganz flüchtig. Einmal auf einer Reise kreuzten sich unsere Züge; ich speiste mit ihr und ihrem Gatten in einem Bahnhofsrestaurant, und er erzählte allerhand Witze, die mich nicht sonderlich amüsierten. Auch im Theater sprach ich sie einmal, sie war mit ihrer Mutter dort, die eigentlich noch immer schöner ist als sie ... der Teufel weiß, wo Herr Samodeski damals gewesen ist. Und im letzten Winter hab ich sie im Prater gesehen; an einem klaren, kalten Tage. Sie ging mit ihrem kleinen Mäderl unter den kahlen Kastanien über den Schnee. Der Wagen fuhr langsam nach. Ich befand mich auf der anderen Seite der Fahrbahn und ging nicht einmal hinüber. Wahrscheinlich war ich innerlich mit ganz anderen
