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Pub der toten Dichter
Pub der toten Dichter
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eBook250 Seiten3 Stunden

Pub der toten Dichter

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Über dieses E-Book

Ein Half Pint und einen Mord, please!

Boris de Beers geht im idyllischen Kent den Geheimnissen der Vinotherapie auf den Grund und stolpert über eine Leiche.

Das Grape & Dragon ist ein kaum noch zu findendes Original, mit abgewetzten Holztischen, zugigen Sitzecken, einem rauchenden Kamin und fettigem, leicht versalzenem Essen. Hier ist der Schriftsteller Jeremiah Hell stets mit von der Partie, wenn es wieder einmal hoch her geht.
Als die Anstreicher ihn eines Tages aus seinem kleinen Cottage vertreiben, quartiert er sich in Rose Hill Manor ein, dem Wellnesshotel seines Freundes.
Auch den Wein-Journalisten Boris de Beers hat es nach Rose Hill Manor gezogen, in dem als Nebenprodukt des lokalen Weinanbaus eine Vinotherapie mit Traubenkernöl für Publicity sorgt. Darüber möchte er eigentlich einen Artikel verfassen, doch was ihm guttut, hat für den Fantasyautor fatale, tödliche Folgen. Jeremiah Hells nackte Leiche wird auf einer Massagebank gefunden.
Zwischen der lieblichen Landschaft Kents und den rauen Gezeiten der Küste Cornwalls begeben sich Boris de Beers und seine Begleiterin Gianna nun auf Spurensuche.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Sept. 2016
ISBN9783954413355
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    Buchvorschau

    Pub der toten Dichter - Ulrike Dömkes

    Ulrike Dömkes

    Pub der toten Dichter

    Von der Autorin bisher bei KBV erschienen:

    Chablis

    Roter Riesling

    Ulrike Dömkes, geb. in St. Tönis, wohnt in Wachtendonk. Sie absolvierte das Studium Textil-Design mit Diplomabschluss an der FH Niederrhein und eröffnete 1994 eine Buch- und Weinhandlung in Wachtendonk. 1998 besuchte sie die Wein- und Sommelierschule Koblenz und machte dort den Abschluss als Weinfachberaterin. Im Jahr 2000 verbrachte sie einen längeren Arbeitsaufenthalt im Weingut Aldo Vajra im Piemont und ist seit 2008 schriftstellerisch tätig. Ihre profunden Weinkenntnisse und ihr erzählerisches Talent fließen in ihre unterhaltsamen Weinkrimis ein.

    www.ulrikedoemkes.de

    Ulrike Dömkes

    Pub der

    toten Dichter

    Originalausgabe

    © 2016 KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim

    www.kbv-verlag.de

    E-Mail: info@kbv-verlag.de

    Telefon: 0 65 93 - 998 96-0

    Fax: 0 65 93 - 998 96-20

    Umschlaggestaltung: Ralf Kramp

    unter Verwendung von: © david hughes - www.fotolia.de

    Lektorat: Volker Maria Neumann, Köln

    Print-ISBN 978-3-95441-318-8

    E-Book-ISBN 978-3-95441-335-5

    Inhalt

    1. Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    7. Kapitel

    8. Kapitel

    9. Kapitel

    10. Kapitel

    11. Kapitel

    12. Kapitel

    13. Kapitel

    14. Kapitel

    15. Kapitel

    16. Kapitel

    17. Kapitel

    18. Kapitel

    19. Kapitel

    20. Kapitel

    21. Kapitel

    22. Kapitel

    23. Kapitel

    24. Kapitel

    25. Kapitel

    26. Kapitel

    27. Kapitel

    28. Kapitel

    29. Kapitel

    29. Kapitel

    30. Kapitel

    31. Kapitel

    32. Kapitel

    33. Kapitel

    34. Kapitel

    35. Kapitel

    36. Kapitel

    37. Kapitel

    38. Kapitel

    39. Kapitel

    Nachwort

    Rezepte

    1. Kapitel

    Rose Hill Manor, Kent

    Gianna Lerouge stöhnte wohlig. Sie wünschte, sie könne ewig so liegen bleiben, eingehüllt in die Erinnerung an die delikaten Berührungen. Eine warmes Gefühl umfing sie, sie rekelte sich wie eine Katze in der Sonne, lag auf dem Bauch, den Kopf zur Seite gedreht, und öffnete das freie Auge.

    Der Mann neben ihr ruhte, das Gesicht ihr zugewandt, die Arme nach oben, auf den weißen Laken ausgestreckt. Er war völlig entspannt, wie hingegossen, und schien in den Leintüchern zu versinken. Seine Haare standen zu allen Seiten ab, leicht verschwitzt durch die vergangenen Aktivitäten, er lächelte und zuckte mit den Lidern. Boris de Beers war eingeschlafen und wurde offenbar von süßen Träumen heimgesucht.

    Sie betrachtete ihn müßig. Seine schlanke Gestalt war leicht gebräunt, ein Überbleibsel des Italienaufenthalts im Frühjahr. Während in nördlichen Gefilden noch heißer Kakao gekocht wurde, hatte jenseits der Alpen der Sommer vorbeigeschaut. Wenn auch nur für drei Wochen, so war es doch der Zeitraum gewesen, den Boris sich für einen Besuch bei seinen Freunden im Piemont ausgesucht hatte. Gianna war mitgefahren, das erste Mal, dass sie gemeinsam mehr als ein paar Tage verbracht hatten. Sie hatte geduldig die Begutachtung über sich ergehen lassen und die Zeit in ihrem Heimatland in vollen Zügen genossen.

    Und jetzt war sie hier. Sie sah auf die pfirsichfarbene Wand mit den Kerzenleuchtern und hörte auf die entfernten Klänge eines Bandoneons. So süß und sehnsuchtsvoll, dass sie seufzte. So hatte sie es noch nie erlebt – so bemerkenswert. Nicht, dass sie keine Erfahrung gehabt hätte.

    Schließlich war sie fast zwanzig Jahre verheiratet gewesen, mit Jean-Louis, ihrem geliebten Jean-Louis, in den sie sich innerhalb von drei Minuten verliebt hatte und nach drei Tagen wusste, dass sie ihm nach Frankreich folgen würde. Bis zu dem Tag vor neun Jahren, als er tödlich verunglückte und sie geglaubt hatte, nie wieder lachen zu können.

    Ihr schöner, zärtlicher Winzer – der sie so fantasievoll verwöhnt hatte wie niemand zuvor. Sie lachte leise, als sie an seine Experimente dachte. Wie gerne war sie für ihn da gewesen, ma petite puce hatte er in ihr Ohr geflüstert, wenn sie sich auf der weichen Unterlage ausgestreckt hatte. Und der kleine Floh hatte es genossen, sich seinen Händen hinzugeben.

    Sie sah wieder zu Boris hinüber, der im Schlaf einen Arm nach ihr ausstreckte. Sie schloss die Augen und bat Jean-Louis um Verzeihung, aber das, was sie vorhin erlebt hatte, übertraf sogar seine Künste.

    Durch das An- und Abschwellen der Musik merkte sie, dass Jasmin eingetreten war. »Die goldene Jasmin« wurde sie hier genannt. Ein Name, der sich auf ihre Hände bezog und den sie mehr als verdient hatte, wie Gianna jetzt wusste. Wer in den Genuss ihrer legendären Traubenkernmassage gekommen war, wollte nichts anderes mehr.

    »Mrs. Lerouge, Mr. de Beers.« Ein zartes Glöckchen erklang. »Jetzt müssen Sie leider aufwachen.« Jasmins Stimme war ganz sanft. Sie entfernte behutsam die wärmende Decke von Giannas Körper und stellte eine Tasse heißen, mit Zimt und Vanille gewürzten Traubensaft auf das Tischchen neben der Liege. Der Duft zog verführerisch in Giannas Nase, und langsam kehrte sie in die Wirklichkeit zurück.

    Boris knurrte und hielt die Decke fest. »Mr. de Beers!« Der sanfte Klang hatte einen leisen, unnachgiebigen Unterton. Boris ließ los und setzte sich auf. Er blinzelte zu Gianna hinüber, die an ihrer Tasse nippte.

    »Köstlich, Boris, probier!«

    Boris griff zu seinem Saft und sah träge Jasmin zu, die die Decken faltete.

    »Trinken Sie in Ruhe, in zehn Minuten erwartet Sie Maud nebenan. Sie cremt ihren Rücken mit einer harmonisierenden Crème aus Extrakten der Traubenschale und Ringelblume ein. Dann sind Sie für heute fertig. Das Dinner wird im Wintergarten serviert, 20 Uhr, wie immer. Bis dahin, genießen Sie den schönen Tag, machen Sie einen Spaziergang.« Sie lächelte und verschwand.

    Boris und Gianna sahen sich an und fingen an zu lachen.

    »Die sanfte Jasmin, ich könnte wetten, dass ein Herz aus Stahl unter der Samtoberfläche schlägt.«

    »Egal. Sie ist unglaublich. Boris, das war phänomenal. Jean-Louis hat viel mit Traubenextrakten und Kernen ausprobiert. Er war einer der Ersten, die erkannt haben, dass man mit Trauben mehr als Wein machen kann. Ich war sein Versuchskaninchen – und er war wirklich gut. Er hat sich tolle Sachen einfallen lassen, und dann, er war vielleicht zwei Wochen tot, hat das erste Weingut mit Vinotherapie und Hotel angefangen. Nicht bei uns, im Bordeaux-Gebiet.« Gianna seufzte. »Ich weiß noch, ich habe geheult vor Wut, dass er das nicht mehr erlebt hat. Er wäre sofort zum Telefon und hätte die Leute angerufen und ihnen gratuliert. Es bestätigte all seine Ideen. Er hatte so etwas Ähnliches im Sinn gehabt. Kleiner, aber in der Art. Na, war ja dann leider nichts.« Sie räusperte sich. »Ich habe mich nie getraut hinzufahren. Und soll ich dir was sagen? Er hat traumhaft massiert, aber an Jasmin kommt er nicht heran.«

    »Er war ja auch Winzer und nicht Masseur, Gianna.« Boris biss sich auf die Zunge, bevor er fragen konnte, ob sie jetzt lieber ein Wellnessweingut im Burgund hätte. Das war genau die Art von Frage, die zu nichts führte.

    Gianna und er waren seit drei Tagen Gäste auf Rose Hill Manor, mit seinem bekannten »Feel-Wine-Center«. Das Wellnesshotel gehörte zum Weingut von Lord Astilon in der Nähe von Tenterden. Es war in England einzigartig mit seiner Kombination von Weingut und Hotel mit Vinotherapie. Boris ließ sich zu Recherchezwecken verwöhnen, das Magazin ViniVin wollte eine Serie über die besten Wein-Spas Europas bringen, und das Rose Hill Manor war das erste in der Reihe.

    »Feel fine, feel wine«, so der nahe liegende Slogan. Mehr als berechtigt, fand Boris, der sich nach den paar Tagen schon völlig der normalen Welt entrückt fühlte. Wenn Gianna und er das Parkgelände verließen, liefen sie durch Weingärten in der sanften Hügellandschaft Kents. Die zipfelmützigen Dächer der Hopfendarren lugten über hohe Hecken. Sie folgten schattigen Hohlwegen, und nach gut einer halben Stunde Fußmarsch öffnete sich von einer Hügelkuppe der Blick auf das weite, blaue Meer. Jetzt im Juni war das Wetter herrlich, keine Spur von englischem Regen, die Sonne wärmte und der leichte Wind blies die kontinentale Müdigkeit aus den Knochen. Lord Astilon, der Besitzer des Gutes, hatte ihnen geraten, wenn möglich auf Nachrichten aus der Welt zu verzichten. »Gönnen Sie sich ein paar Tage Ahnungslosigkeit«, hatte er gesagt, »Sie glauben nicht, wie erholsam das ist.« Dieser Ratschlag war für einen Journalisten wie das Unterbrechen der Blutzufuhr, aber Boris versuchte, sein Informationsbedürfnis auf eine Nachrichtensendung täglich zu beschränken. Das funktionierte besser, als er geglaubt hätte, und er merkte nach und nach, wie Anspannung und Hektik von ihm abfielen.

    2. Kapitel

    Jeremiah Hell fuhr mit der Hand über seinen Bauch. Nicht wohlgefällig, sondern kritisch. Er musste ein paar Kilo abnehmen, sonst würden seine Anzugjacken bald spannen. Was ihm egal war. Nicht egal waren ihm die Blicke, mit denen Ann die strammen Knaben des Ruderclubs bedachte.

    Er wurde durch ein Poltern aus seinen Gedanken gerissen. Vor dem Fenster stieg ein Mann die Leiter herunter und fluchte laut. Herrgott, wie sollte er sich da konzentrieren? Vielleicht miete ich mich bei Monty ein, dachte er. Wenigstens für diese Nacht. Er straffte den Rücken, zog den Bauch ein und ging zu der Mahagonikommode seiner Tante Marge hinüber, Regency, nicht allzu wertvoll, aber ein schönes Stück. Er fuhr mit der Hand über die seidenweiche Flanke und sah nach draußen. Der Mann stieg die Leiter wieder hoch, dabei schepperte ein Metallgriff, der aus seiner Hosentasche ragte, gegen jede der Sprossen. Seufzend griff Jeremiah nach dem Telefonhörer, nicht ohne vorher: »Darf ich, Mosterol?«, gefragt zu haben – so, wie er es immer tat.

    »Monty, kannst du mich die nächsten Tage unterbringen? Die Anstreicher machen mich wahnsinnig. Ich brauche eine kleine Erholungskur mit Jasmin für den Rücken und Martha für den Magen.«

    Montgomery Snake, der dritte Lord Astilon, lachte. »Wolltest du nicht abnehmen? Unsere liebe Ann mag doch keine Bäuche. Wann kommst du?«

    »Heute Nachmittag, bis später, Monty.« Jeremiah Hell legte den Hörer wieder in Mosterols aufgesperrten Rachen, bedankte sich und ging ins Schlafzimmer, um eine Tasche zu packen.

    Danach nahm er Mosterols Dienste noch einmal in Anspruch, um Ann Bescheid zu geben, wo er die kommende Woche verbringen würde. Ann war seine älteste Freundin, die sich seit vielen Jahren standhaft weigerte, ihn zu heiraten. Jeremiah hätte sich über ein weiteres Lebewesen im Haus gefreut. »Schaff dir einen Hund an«, sagte sie. Aber der würde sich mit seiner Katze Penelope fetzen und ihm kaum Kaffee bringen, wenn er mal wieder stundenlang am Schreibtisch saß, um seine Helden die wahnwitzigsten Abenteuer erleben zu lassen. Außerdem war sie die Einzige, die er länger als einen Tag im gleichen Haus ertrug. Ann sah das leider anders, ihr reichte ihre langjährige Freundschaft. Alles, was darüber hinausging, erledigte sie außerhalb von Jeremiahs Aufmerksamkeit.

    Er sah sich noch einmal um, füllte die Näpfe von Penelope, die vorwurfsvoll vom Schrank auf ihn heruntersah, und schloss die Tür des Cottages hinter sich. Draußen stand der Anstreicher auf einem Gerüst und entfernte lose Putzstellen mit einem Spachtel. Jeremiah sprang zur Seite. »He, aufpassen!« Er gab dem Mann den Schlüssel und verabschiedete sich von ihm. »Sie kommen alleine klar, Matt, oder? Mrs. Simms kommt abends die Katze füttern.«

    »Sicher, Mr. Hell. Wenn Sie wiederkommen, werden Sie Ihr Cottage nicht mehr wiedererkennen.«

    Das hoffte Jeremiah dann doch nicht.

    3. Kapitel

    Penelope lag in Jeremiahs Bett. Sie hatte sich unter die Decke geschoben. Sie lag lang ausgestreckt. Gerne hätte sie sich eingerollt, aber dann wäre das winzige Luftloch zusammengefallen, das sich durch ihre Haltung unter der Decke gebildet hatte. So blieb sie starr und steif und unbequem liegen.

    Mrs. Simms erlöste sie. Sie hörte aus der Küche das Scheppern des Trockenfutters.

    »Penny, Penny, ts, ts, ts.« Mrs. Simms ließ es sich nicht nehmen, einen kleinen Samba-Rhythmus mit der Dose zu spielen. Als Penelope um die Ecke kam, sah sie gerade noch, wie Mrs. Simms hüftschwingend den Tisch umrundete, bevor sie die harten Knübbelchen in die Emaille-Schüssel rasseln ließ.

    4. Kapitel

    Jetzt wartet sie schon eine halbe Stunde!« Gianna sah zu der zierlichen Frau mit dem elegant verstrubbelten Haarschnitt hinüber, die zusehends ungeduldig wurde.

    »Die würde ich nicht versetzen«, meinte Boris. »Außer mit einem triftigen Grund.«

    »Sie scheint der gleichen Meinung zu sein.« Die Frau sah auf die Uhr, trank ihren Aperitif aus und winkte dem Kellner. Der schüttelte den Kopf, dann nickte er und verschwand. Die Frau begann, mit den Fingern auf den Tisch zu trommeln.

    Boris widmete sich wieder seinem Teller. »Steak and Kidney Pie kann so köstlich sein.« Er kaute genussvoll und trank einen Schluck des hauseigenen Chardonnays. »Und der hier«, er hielt das Glas hoch. »Kann sich durchaus mit seinen Burgunder-Brüdern messen.«

    »Ja, finde ich auch.« Gianna wirkte etwas unkonzentriert. Durch die Tür des Restaurants beobachtete sie Jasmin, die aufgeregt mit dem Kellner in der Halle flüsterte. Gianna wollte gerade etwas sagen, da stieß der Kellner einen kleinen Laut aus und lief zum Telefon an der Rezeption. Sie sah ihn gestikulieren. »Die benehmen sich komisch, Boris.«

    Boris beugte sich zur Seite, um den gleichen Blickwinkel wie Gianna zu haben. Lord Astilon betrat das Foyer durch seine Bürotür, sprach mit Jasmin und ging mit ihr fort. Der Kellner wischte mit der Hand über seine Stirn und rang sichtlich um Fassung. Er kam zurück ins Restaurant und beugte sich zu der trommelnden Dame. Sie sah ihn an, griff zu ihrer Tasche und folgte ihm.

    »Da ist etwas im Gange.« Boris fischte nach einem Stück zarter Niere. »Wahrscheinlich eine Nachricht von der verschollenen Verabredung.«

    Der Kellner kam alleine zurück und flüsterte mit seinem Kollegen, dann drehte er sich um und schloss die Restauranttür. Der Blick in die Halle war jetzt versperrt.

    »Wie heißt unser Kellner wieder?«, fragte Gianna.

    »Jeff.«

    Gianna gab Jeff ein Zeichen. Er eilte zu ihrem Tisch. »Madam?«

    »Es ist ein wenig stickig, Jeff. Sind Sie so nett und öffnen die Tür wieder?«

    »I’m so sorry, madam. Es ist ein frischer Wind aufgekommen, den Herrschaften an Tisch sieben zieht es sehr. Die alten Gemäuer«, schloss er mit bedauerndem Kopfschütteln.

    »Natürlich, Jeff, wir wollen ja nicht, dass sie eine Lungenentzündung bekommen.« Gianna lächelte mit einem Blick auf die zwei drahtigen, alten Herren, die sich eine Roastbeef-Platte schmecken ließen – mit einem Bordeaux, wenn sie nicht alles täuschte.

    Jeff trat einen Schritt beiseite, verbeugte sich leicht und zog sich an die Anrichte zurück. Er wirkte gefasst, wenn auch etwas verstört.

    »The show must go on«, murmelte Gianna.

    »Seh ich genauso, auch wenn ich nicht weiß, warum«, erwiderte Boris.

    Als Gianna und Boris später die Halle durchquerten, hörten sie aus den hinteren Räumen Stimmen und Geschäftigkeit. Lord Astilon trat aus dem Gang, der zum Spa-Bereich führte. Er war bleich, seine Haltung wirkte gezwungen. Er trug eine alte Jeans und einen Pullover, das Gleiche wie immer, nur was sonst lässig an ihm wirkte, hing jetzt wie zufällig an seiner Gestalt. Er bemerkte Boris, schien kurz zu überlegen kam auf ihn zu.

    »Mr. de Beers. Es gab einen Unglücksfall. Also im Spa, verzeihen Sie, ich bin etwas durcheinander. Also ein Herzinfarkt, ein Freund von mir, ja. In solchen Fällen rufen wir die Polizei, man kann nicht vorsichtig genug sein. Tragisch, aber so was kommt vor, ja, leider. Ich muss die Gäste informieren, sonst kommen sie auf falsche Gedanken, wenn sie die Polizei sehen. Das wäre fatal, ja. Ich möchte Sie bitten, nicht sofort Ihre Redaktion in Kenntnis zu setzen.« Die Aufregung hatte seine Ausdrucksweise verschraubt. Eine lange Rede für eine einfache Bitte, fand er. Boris’ Neugierde war jetzt erst recht geweckt.

    »Ein tödlicher Infarkt, wenn ich Sie recht verstehe?«

    Der Lord nickte unglücklich.

    »Das tut mir sehr leid. Keine Sorge, Lord Astilon, ich arbeite nur für Gourmetmagazine. Können wir irgendwie helfen?«

    »Nein, danke. Genießen Sie den Abend.« Er hob die Hand und eilte ins Restaurant.

    Vor den Fenstern hielt ein Polizeiwagen, die Gäste reckten die Köpfe. Der Lord kam gerade rechtzeitig.

    »Er wirkt nervös.« Boris sah ihm nach.

    »Wenn du in deinem Hotel einen Toten hättest, wärst du das auch.«

    »Sicher, aber gleich die Polizei?«

    »Du kennst doch diese ganzen überzogenen Schadensersatzklagen. Er will sich absichern, kann ich verstehen. Und unsere versetzte Dame hat bestimmt damit zu tun.«

    »Hm, sieht so aus.« Boris zog Gianna zur Tür. »Lass uns noch ein Stück spazieren.«

    Der Juliabend war warm und hell, ein Polizeiwagen hatte vor dem Haus geparkt, drei weitere Wagen fuhren gerade die schmale Zufahrt entlang.

    »Ziemlich viel Aufwand für einen Herzinfarkt«, bemerkte Gianna.

    »Das war bestimmt kein Herzinfarkt.« Boris dachte an frühere Tatorte. Das Gewusel, die zielgerichtete Geschäftigkeit – das waren Erinnerungen an Erlebnisse, auf die er auch hätte verzichten können.

    Aus den Autos ergoss

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